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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011025022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-25
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämtes -er Stadt Leipzig. Anzeige« «Preis die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reelamen unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgtn-Au-gabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Expedition zn richten. Die Expedition ist Wochentag» ununtrrbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- u» Leipziz. Nr. 546. Freitag den 25. October 1901. S5. Jahrgang, Der Krieg in Südafrika. Die Berufung General Kreuch» zum Commandeur de» ersten Armeecorps in Aldershot ist nicht nur für die Militärhierarchie Großbritanniens, sondern auch für die südafrikanische Kriegführung von tiefrinschneidender Be deutung. Wenn es keiner Frage unterliegen kann, daß auf dem hohen Commandoposten der Heimath ein Mann stehen muß, der sich vor allen Dingen praktisch bewährt hat, so ist es doch noch viel weniger fraglich, daß die besten Männer da am nöthigsten gebraucht werden, wo es heißt, praktisch thätig zu sein. Und das ist für den Soldaten der Kriegsschauplatz, das Schlachtfeld. General French gehört ohne Zweifel zu den tüchtigsten Gene rälen, über di« Großbritannien zur Zeit verfügt. Er ist der einzige von allen englischen Unterführern, der in Südafrika keine Schlapp« erlitten hat, und dessen Name allein den Boeren Schrecken vinflößte; er hat als Commanveur von Sir G. Withcs' Cavallerie-Division in Natal den Boeren die blutige Niederlage von Elandslaagte beigebracht, die Einschließung von Ladysmith durch die Kämpfe bei Rietfontein und am Lombards Kop auf zuhalten versucht, und dann, als die Einschließung nicht mehr zu verhindern war, mit dem letzten Zuge Ladysmith drrlassen, später vom 10. November 1899 bis 31. Januar 1900 mit Ge schick die Operationen 'Lei Colesberg gegen Olivier geleitet, da rauf, durch Lord Roberts zum Commandeur seiner Cavallerie- Division berufen, in schneidigem Ritt von Jacobsdal aus, aller dings auf Kosten der Pferde, Kimberley entsetzt, trotz deS jammervollen Zustandes der Pferde Cronje bei Paardeberg über holt und festgehalten, Bloemfontein zuerst erreicht, dann beim Bormarsch gegen Johannesburg und Pretoria zuerst auf dem rechten, dann auf dem linken Flügel Roberts die Boeren durch Umgehung von Stellung zu Stellung gejagt, schließlich von Pretoria aus den letzten geschloffenen Widerstand bei Machado- dorp niedergeworfen und das schwierige Bergland von Barberton von den zersprengten Boerenhaufen gesäubert. In der Periode des Guerillakrieges fiel ibm zuerst der Militärbezirk südlich von Johannesburg bis zum Baal als Commandobereich zu, dann, als die heillose Zerfahrenheit in der Bekämpfung der Boeren- commandos in der Capcolonie den Aufruhr beständig anwachsen ließ, erhielt er den Oberbefehl auf diesem Theile des Kriegs schauplatzes. Seine starke Hand hat dort wenigstens Einiges ge belfert; sie faßte die zersplitterten und bunt zusammengewürfelten englischen Streitkräfte zusammen zu combinirben Unter nehmungen,deren größte Erfolg« die Zurückdrängung Kruitzinger's hinter dem Oranje und die Gefangennahm« des Lotter'schen Commandos war. Die combinirtcn Bewegungen gegen Smuts, Scheevers und Theron scheiterten dagegen, weniger wohl durch die Schuld des oberen Leiters, als durch Fehler der unteren Stellen. So hat French trotz beinahe halbjähriger Thätigkeit in der Capcolonie sein« Aufgabe heut« noch nicht gelöst; noch stehen im Norden von Capstadt, in Piquetberg, Boeren-Commandos unter Theron, Maritz, Louw und Smit, in Ladysmith und Oudtsboorn das führerlose Scheeper'schr Corps, in Graaff Reinet Smuts und in Herschel Fouche und Myburgh, von denen übrigens der Letztere von seinen Leuten abgesetzt und durch den Caprebellen van der Merwe ersetzt worden sein soll, abgesehen von kleineren versprengten Schaaren, und -ihrer Herr zu werden, ist bei den schwierigen örtlichen Verhältnissen noch ein großes Stück Aubeit. Daher ist es der englischen Kriegführung gewiß nicht angenehm, daß ihr gerade jetzt der einzige Mann genommen wird, der dieser Aufgabe gewachsen scheint, und der sie bis zu diesem Puncte verhältnißmätzig glücklich gelöst hat- * London, 24. Oktober. Der König empfing heute Nach mittag den Premierminister Marquis of Salisbury in ziemlich langer Audienz. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. October. Auf den Schauplätzen de» Zollbürgerkrieges ereignet sich alle Tage etwa» Neues, aber seilen etwas, was dem Gedacht- niß der Leser eingeprägt werden müßte. WaS die Episode Müller-Tirpitz betrifft, so steht sie noch auf dem alten Flecke, denn wenn auch dem Abg. vr. Müller-Sazan nach gewiesen worden ist, daß er sich in BezuH auf den Tag geirrt bat, an dem er von dem StaatSsecretär v. Tirpitz cr- fucbt worben sein will, dessen Ansicht über den Zusammen hang zwischen Flottenverstärkung und Freihandel zur Kennt- niß der freisinnigen Abgeordneten zu bringen, so ist damit noch nicht bewieien, daß ihn sein Gedächtniß auch in Bezug auf den Inhalt deS Ersuchens im Stiche gelassen bade. Und die .Post", die „auf Grund genauester Jnformatien" die Müller'sche Mittbeilung als „tendenziöse Unterstellung" bezeichnet halte, ist anscheinend noch nicht informit, waS sie auf die Entgegnung MUller's antworten soll. DaS Wichtigste von dem Neuem ist der bayerische Bauern tag, der in Regensburg abgehalten wurde; aber auch er bat nicht viel mehr Bedeutung, als die einer nicht unwirksamen Waffe gegen vas Ccnlrum, wenn dieses für weniger als 6 Minkestzoll für alle Ge treidearten im Reichstage gestimmt haben wird. Immerhin macht dieser Beschluß der Gaukelei mit einem Minimal satze von 7Vr den GarauS, denn auch Vertreter deS Bundes der Landwirtbe haben für die 6 .ck gestimmt. Die Agitation für daS „Mebr" wurde allerdings im der Er örterung Vorbehalten, aber die Resolution, die 6 verlangt, wurde einstimmig angenommen, und eine Forderung, die man prei-gegeben hat, kann man kaum galvanisiren, geschweige ihr wahres neues Leben einbauchen. Das Berlangen nach Mindestzöllcn für alle landwirtbscbaftlichen Erzeugnisse ohne Ausnahme, also auch für Vieb, sticht von der sonst in Regens burg gezeigten relativen Zurückbaltung unvortheilbast ab. Auf der anderen Seite scheint der Ton, dessen die Redner dieser Bauernversammlung sich befleißigten, ein ruhiger gewesen zu sein; jedenfalls stellt er hinsichtlich der Mäßigung manche vom Hanvelsvertragsverein veranstaltete Zusammenkunft ge bildeter Großstädter in den Schatten. Die Hauptsache ist, daß die Landwirtbe nickt mehr daran denken dürfen, Terrain zu gewinnen, vielmehr „beilfroh" sein müssen, wenn sie von dem eroberten Gelände soviel bebaupten, als für einen auskömmlichen Zvllsckutz nöthig ist. Der „Sturm gegen den Brodwucher", der im Lande erregt wurd«, dürfte kein« einzige von der Regierung endgiltig vorgeschlagene Zolltarisposition einblasen, aber dir Arbeit, die sinter den Coulissrn im Sinne rein caprivistischer Handelspolitik geleistet wird, kann viel Erfolg haben und um so mebr Erfolg, je weitgehender die definitiven land- wirthschastlicken Forderungen sein werden. Ein kleines Symptom. Der handelspolitisch sehr weit links stehende Berliner Privatdocent und bekannte, übrigens auch mit Reckt geschätzte volkswirtbschaftliche Schriftsteller vr. Karl Helfferich ist soeben in die Coloaialabtbeilung des Aus wärtigen Amtes als Referent der wirtbsckaftlicken Angelegen beiten berufen worden. Auf dieses Arbeitsfeld spielen die die Gegenwart bewegenden handelspolitischen Fragen nicht hinüber, müssen eS wenigstens nicht. Aber der Zeitpunct der Berufung ist doch bemerkenSwerth und wird — büben und drüben — so gefunden. Herr Helfferich steht wirthschaftspolitisch weit links und man kann auf eine sehr scharfe Bekämpfung des Doppeltarifs, die von ihm publicistisch ausgegangen, verweisen. Er erklärt, die gesetzliche Festsetzung von Mindestzöllen nicht verstehen zu können und für sie in Geschichte und Sage nur eine Analogie zu finden: das Verfahren des Odysseus, der sich, als sein Schiff den Sirenen sich näherte, an den Mast binden ließ, um sich außer Stand zu setzen, den ins Verderben lockenden Ge sängen der Teufelsweiber zu folgen. Sehr geistreich. Aber einmal kann der Vergleich an sich ein schiefer sein, da man nicht weiß, warum und „gegen wen" die Regierung auf den Doppeltarif verfallen wird. Dann aber: Odysseus hat klug gehandelt; durch seine Vorsicht hat er die Gefährten gerettet und verdankt ihr die Rückkehr nach der Heimath. Hätte er sich nicht anbinden lassen, so wäre er untergeganzen, die Freier in seinem Hause auf Ithaka hätten ihr Unwesen weiter getrieben, und wer weiß, vielleicht wäre auch Penelope des Wartens und Auftrennens müde geworden und dätte sich unter den Bewerbern um ihre Hand einen ausgesucht. Zum „Falle Spahn" geht dem „Berl. Tagebl." von seinem römischen Correjpondenten das folgende Tele gramm zu: „Die „Boce della Verita", das Leiborgan Rampolla'S, bringt in einem langen geharnischten Artikel eine Darstellung des Falles Spahn und fügt hinzu, daß der Bischof von Straßburg bereits Ordre erhalten habe, den Semi naristen den Besuch der Collegien Spahn's zu verbieten. Ebenso hat Bischof Keppler zu Rotten burg, der zu den Hauptmitarbeitern der von Spahn unter stützten Monographien zur Weltgeschichte zählte, seinen Namen bereits am 6. September bei der Vorlegung deS Prospektes von der Mitarbeiterliste zurückgezogen. Diese Thatsache wurde auf dringendes Bitten Les Verlegers bisher vertuscht. Damit werden alle Kritiken, die sowohl in katholischen Blättern als in den vatikanischen Kreisen an dem Verhalten des Bischoss geübt worden sind, hinfällig. „Boce della Verita" erwartet, daß nun auch die übrigen katholischen Mitarbeiter von dem geplanten Werke zurücktreten werden, weil es unter der Leitung eines offenen FeindeS der Kirche stehe und für jeden wahren Katholiken dauernd discreditirt sei." Ist das richtig, äußert sich die „Voce della Verita" wirklich so abfällig über den neuen Straßburger Professor, so wird die Bedauptuug des klerikalen „Eliäffer Volksboten", für die Ernennung Spadn'S seien „Verhandlungen zwischen der ReickSregierung und dem Centrum in Berlin ausschlaggebend gewesen", doppelt interessant, Tenn in diesem Falle würde sich der Zorn deS vaticanlschcn Organs gegen das „Centrum in Berlin" kehren müssen, weil eS einen „offenen Feinde der Kirche", ohne ihn vorher auf Herz und Nieren geprüft zu haben, in eine einfluß reiche Stellung gebracht hätte, Vie man in Nom für einen blindergebenen Freund neu geschaffen meinte. Auf die Behauptung, die „ReichSregierung" habe sich bei der Berufung Spahn's durch daS Ccntrum beeinflussen lassen, wird sich übrigens auch eines der Regierungsorgaue zu äußern haben. Von dem „inneren Bülow" weiß man ja bereits, daß die Wünsche deS CentrumS bei ibm offenes Obr finden; daß aber diese Wünsche für ihn auch bann maßgebend seien, wenn eS sich um die Besetzung akademischer Lehrstühle handelt, hat man noch nicht recht glauben mögen. Würde man eines Anderen belehrt, so würde man den Haupt unterschied zwischen dem vierten und dem ersten deutschen Reichskanzler und zugleich die sckwere Gefahr kennen lernen, zu deren Abwehr alle deutschen Hochschulen nicht rasch und energisch genug sich vereinigen könnten. Die Berliner Stadtverordneten haben sich gestern, wie zu erwarten war, in der B irgrrnirifte, s aae mit großer Mehrheit auf den Standpunct ihres Ausschusses gestellt, d. h. sie haben dessen Antrag angenommen: „In dem Paragraphen der Städteordnung, welcher das Bestätigungs recht der Krone für Bllrgermeisterwahlen ausspricht, ist eine Ausnahme für den Fall einer Wiederwahl nicht vorgesehen. Aus dem Schreiben des Oberpräsidenten geht hervor, daß die königliche Entscheidung über die Wiederwahl nicht eingeholt worden ist. Die Stadtverordneten sind daher an diese Wahl gebunden und lehnen eine Neu wahl bis zum Eingang der Entscheidung des Königs über die Bestätigung a b. Ferner ersucht die Versammlung der Stadtverordneten den Magistrat, über den Bescheid des Oberpräsidentcn beim Minister des Innern Beschwerde zu führen." Die Herren provociren durch diesen Beschluß ledig lich die Einsetzung eines königlichen Commissars, zu der de: Oberpräsident schon unmittelbar nach der Wieder wahl Kauffmann's berechtigt gewesen wäre. Denn Herr von Bethmann-Hollweg, wenn er auch vielleicht der Ansicht ge worden sein sollte, es wäre weniger correct, aber politisch klüger gewesen, eine zweite königliche Ablehnung der Wahl zu em pfehlen, kann sich unmöglich von den Stadtverordneten zwingen lassen, seine Rechtsauffaffung zu corrigiren und dem König die Anaelegenkeit nochmals vorzutraben. Und da der Magistrat nicht daran denkt, Beschwerde beim Minister des Innern zu führen, so wird der Oberpräsident nicht einmal einen äußeren Anlaß haben, auf das Verlangen der Stadtverordneten einzugehen. Die Haltung der Letzteren kann also, abgesehen von der Einsetzung eines königlichen Commissars, nur die Folge haben, die am Hofe gegen die Stadtverwaltung herrschende Verstimmung zu ver schärfen und überdies das Einvernehmen zwischen Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung zu stören. Angesichts der ins Maßlose gesteigerten Forderungen der frautöfischen Vtrubenarbeitcr, auf Grund deren nach der von den Syndicatsleitcrn ausgegebenen Parole der Generalaus stand proclamirt werden soll, dürfte die Frage nach der Be rechtigung dieser Forderungen und eine sachliche Prüfung der wirthschaftlichen Lage der Grubenarbeiter angezeigt erscheinen. Zunächst bedarf es nur der Erwähnung, daß an erster Stelle auf einen nach Ablauf von 25 Jahren eintretenden täglichen Pensionssatz von 2 Frcs. und im Falle früheren Ausscheidens aus dem Dienste der Gesellschaften auf einen entsprechend ver minderten Betrag Anspruch erhoben wird, um die völlige Absurdität dieser Forderung zu kennzeichnen. Ein Pensions anspruch in dieser Höhe, der unter Umständen bereits im Alter von 37 Jahren erworben werden könnte, ist eben ein Unding. Hinsichtlich der geforderten Beschränkung der Ar beitsdauer auf acht Stunden einschließlich Ein- und Ausfahrt u. s. w. ergiebt sich aus einer im Jahre 1895/96 veranstalteten Umfrage über die Arbeitsverhältniffe, die aber noch heute im Großen und Ganzen Geltung haben dürften, daß die Bewilli gung dieser Bedingung eine Verminderung der täglichen Ar beitszeit um 1—IZ/2, in einzelnen Minen sogar um 2 Stunden zur Folge haben würde, da im Pas-de-Calais, im Loire-Revier, in Montceau-les-Mines die durchschnittliche Arbeitsdauer, ein schließlich der Hin- und Rückbeförderung zur Arbeitsstätte, Frühstückspause u. s. w., 9—10 Stunden betrug. Daß eine derartige Herabsetzung des eigentlichen Tage werks auf 6sH oder gar 6 Stunden eine sehr er hebliche Abnahme der Production nach sich ziehen und in den weitaus meisten Fällen die Rentabilität einer Grube überhaupt aufheben mußte, liegt auf der Hand. Noch weniger kann die dritte der Forderungen der französischen Grubenarbeiter An spruch auf irgendwelche Berechtigung erheben. Im Gegentheil zeigt ein Rückblick auf die L 0 h n v e r h ä l t n i s s e früherer Jahre, daß der französische Grubenarbeiter auch in dieser Be ziehung absolut keinen Grund zur Klage hat. Im Pas-de- Calais hat sich der Verdienst des Kohlenhauers seit 1891 von 4,80 Frcs- auf 6,72 Frcs., d. h. um 40 Procent, gehoben. In Anzin betrug im December 1900 der Lohnsatz 7,17 Frcs. pro Arbeitstag. Im Loire-Revier ist in derselben Periode der Arbeitslohn von 3,65 Frcs. auf 6,05 Frcs. gestiegen. Der StreikauSschuß der französischen Grubenarbeiter verlangt nun einen Minimallohnsatz von 6 Frcs. für die Minen, orbeiter und von 5 Frcs. bis 5,50 Frcs. für ungelernte Arbeiter -1 Die Löwenjag-. Novelle von Emil R 0 land. Nachdruck verdetrn. Engelhardt war um die ganze Welt gefahren und doch hatte er di« „Kleinigkeit", von der Rosi so leichthin sprach, nicht ver geßen können. Ein Korb ist keine Kleinigkeit! Er hatte sie so sehr geliebt, damals, al» sie auS dem Kloster kam, süß und jung und unschuldig .... und ein paar Jahr« später erklärte sie ihm eines Tages rundweg, daß sie doch nicht auf seinen Rittmeister warten, sondern den reichen Schrotteck heirathrn wolle; seine Villa sei maurisch, und für daS Maurische habe st« immer geschwärmt. Er verwand e» schwer, daß seine Liebe diesen Todesstoß er hielt; allerdings war es schon lang« keine freudige Liebe mehr gewesen, denn er sorgt« sich um sie, mehr al» er irgend Jemandem gestand. Er konnte die excentrischen Mädchen nicht leiden; er steckte mit seinen Gefühlen ganz in der alten Schule uad empfand eS wie einen körperlichen Schmerz, wenn er die hübsche Rosi immer extravaganter werden sah. Nack ihrer Verlobung verschaffte er sich ein Eommando aus wärts; dann reiste er ein Jahr, und nun hielt er die Wund« für vernarbt. Auch der Umstand, daß Rosi bereit» seit einiger Zeit Mttwe war, hatte die Wunde nicht wieder aufgeriffen. Er dachte auch nickt an Rost, wie er jetzt langsam mit ge senktem Kopfe dahinschritt. Er dacht« an di« Ander«, an die Klein«, Vie jetzt gerade so auSsah wie Rost vor Jahren, al» sie frisch au» dem Kloster kam — derselbe Mund, dieselben Auarn. Wie ihm da» Alle» auf» Neue gefiel! Wenn nur da» verwünscht« Fahrrad und der Tigarettendamvf nicht gewesen wär«! Er hatte ost an dre klein« Em gedacht, während er die Welt umsegelt«; er hatte pr sich im Klostergartrn voraestellt, Blumen pflückend oder gut« Bücher lesend, hatte fie unwillkürlich idealistrt. Und nun trug da» Ideal rin Sport»costüm und raucht« wie «in Schlot. .... Der Rout bei der Prinzessin Helldingen neigt« sich dem End» zu, als Engelhardt auf der Schwelle des Tanzsaales erschien. Er hatte ein langes, spätes Diner bei seinem Obersten essen müssen und war erst jetzt Herr seiner Zeit. Er begrüßte einiae alte Bekannte und setzte sich dann neben einen gefeierten Romanschriftsteller, der trotz seines schneeweißen Haares dem Treiben der Jugend noch immer mit Vorliebe zusah. „Das ist ein -hübsches Versteck hier", begann der Autor, der mit verschränkten Armen hinter einer Gruppe von Blattpflanzen saß — „man sieht und wird nicht gesehen; für den, der Stu dien mach«n will, der oest« Standpunct. Sie sind ja auch ein Freund von Menschenstudium, wie ich aus früheren Jahren weiß, und nachdem Sie nun an den anderen Seiten des Globus die schwarz- und braunhäutigen Exemplare ergründet haben, wird der Vergleich mit dem Treiben der heimathlichen Blaßgesichter Sie doch g«wiß amüsiren." „Am meisten, wenn Sie mir erklären wollten", bat Engel hardt. „Ich bin nur ein Stümper in psychologischen Dingen, währrrrd Sie —", das Ende des Satzes verschluckte er, weil er dem verehrten Gönner ein alltägliches Kompliment nicht zumuthen wollte. Sein Blick folgte Rosi, die gerade vorüberwalzte. „Mit wem tanzt Frau von Schrotteck?" fragte er mit plön- licher Hast. DaS Gesicht ihres Partners war ihm soeben aus gefallen; «r fand eS nicht sympathisch, aber es fesselte ihn doch. „Wie, Sie kennen den berühmten Löwen nicht? Das ist ja Bracht." Bracht — er war sofort orientirt. „DaS Prachtexemplar unserer Gesellschaft-Menagerie?" fuhr der Dichter fort. „Ja, besehen Sie ihn nur gründlich, solch' ein Gesicht sieht man nicht alle Tage, ja, man könnt« darauf wetten, daß der lieb« Gott dies Gesicht nie zum zweiten Male wieder holen wird, daß es Originalerfindung bleibt. Eigentlich eine un ausstehliche Physiognomie, phlegmatisch und hochmüthig und blastrt und doch so urgenial dabei, so kraftvoll, so ganz aus einem Stück, nicht» Halbes darin, Mensch in vollstem Sinne, untrer« kümmert, gesund und ohne Firniß Römertypus und dabei ein NapoleonSrug um den Mund. Daß sich unsere lieben Frauen um ihn reißen, verstehe ich; gehört« ich zur Weiblichkeit, ich könnte ihn nicht leiden und verliebte mich doch in ihn. Und wie er tanzt, Viertelstunden in einem fort. Ihre schöne Cousine hält da» au», die hat Nerven dazu. Da» kleine Schwesterchen wurd« vorhin in einer Polka mit ihm halb ohnmächtig; er ianorirte e» aber und schleppt« sie erbarmungslos weiter. Er dreht sich mit einer unglaublichen Ruhe, wird weder warm noch müde davon. Ich sagte ihm vorhin ein Kompliment darüber. „O, bitte", lehnte er ab — „diese Tanzabende ersparen mir «inen Spazier gang; ich fasse sie lediglich von der hygieinischen Seite auf.' Lehen Sie, er merkt jetzt, daß wir von ihm reden, das cassirt er doch immer gern ein, obgleich er nach seiner eigenen Aussage durchaus nicht eitel ist — „wenigstens nur so weit, als jeder An dere an feiner Stelle auch sein würde." Haben Sie übrigen» seinen Pan gesehen? Großartig! Der Mann besitzt ein Können." „Woher stammt er denn eigentlich?" fragte Engelhardt, der noch immer umsonst nach Elli aussah. „Irgendwo aus der Lüneburger Heide, «in sehr unmelodiscker Name. Bauernjunge war er, nichts weiter. Seltsam, w'.e sich das Römerprofil in das flachsblonde Geschlecht da oben verirrt haben mag; vielleicht ebenso, wie man noch jetzt zuweilen in nord deutschen Torfmooren Römerspangen und Römrrsckwerter findet, von denen Niemand genau weiß, wie sie dahin gekommen. Die alten Zeiten klingen doch immer ab und zu nach, in Aus grabungen wie in Familien." Der Tanz hörte auf. Bracht ließ Rosi stehen und ging an» Büffet. Sie war gänzlich außer Athem, drehte sich aber um, daß Bracht es nicht merken sollte. Freundinnen, die sie beneidet hatten und Prätendenten auf ihren Cotillon umdrängten sie und sprachen auf sie ein. Er sah ihr lang« mir einer gewissen Neu gier ins Gesicht. Der Nachbar las seine Gedanken. „Der Leutnant tobt sich aus, weil der Fähnrich zu streng gehalten ist", sagte er, „und Klostererziehung rächt sich ebenso. Man hat diese reizenden Schwestern in der Kindheit zu streng erzogen, und nun schlagen sie mit Grazie übers Tau." „Beim Fahrrad hört die Grazie auf." „Ein so gestrenger Vetter!" lachte der Dichter. Engelhardt wollte sich incognito halten, weil e» ihn nicht sonderlich zu seinen Cousinen zog. Als er aber Bracht vom Büffet zurückkommen sah, stand er trotzdem auf und stellte sich vor. Sein Können flößte ihm doch zu große Bewunderung ein. Der Meister sah ibn gleichgiltig an und sagte: „Bracht" — aber in der einen Silbe lag der ganze Extrakt an Selbstgefühl, der in ihm stak. Wie er seinen Namen hinwarf, hätte da» Wort „Bracht" ebensogut bedeuten können: ich bin Kaiser der Welt. In der nächsten Minute drehte er Engelhardt bereits den Rücken. Der Dichter lachte: „Ja, so ist er, schweigsam und berühmt." Der Cotillon begann. »Jetzt werden wir einen Ordenregen erleben. Es giebt eigentlich nur eine Cotillontour hier, stets aufs Neue; der Tanz um den Löwen. Bitte, beobachten Sie einmal die Physiogomicn, sobald das Ordenskissen erscheint. Unsere jungen Herren werfen einen resignirten Blick darauf; sie wissen: bekommen thun sie vielleicht einen, aber nur einen einzigen, und den jedenfalls nur in zweiter Linie, während ihm, dem Meister, die Aermel bis oben damit gespickt sind. Und jeder von dieser doch recht respectablen jauuesse — zum Beispiel der Attache dort ist ein auffallend hübscher Kopf und der kleine Livländer daneben wahrhaftig ein allerliebster Kerl! — hilft nichts, jeder sieht seine Coeurdamc unfehlbar zuerst in den Bracht'schen Zauberkreis stürzen und den Mann decoriren, der sie innerlich doch nur auslacht." „Sie meinen, daß er für Keine etwas fühlt?" „Für die hier vertretenen Specialitäten, nein! Ich zer breche mir oft den Kopf, was wohl sein Genre sein mag. Der ganze Mann reizt den Autor ja so, daß ihm die Fingerspitzen jucken; aber ich habe keinerlei Anhalt." „Glauben Sie denn, Sie großer Herzenskenner", frag» Engelhardt gespannt, „daß einige der hier anwesenden Damen ihn heirathen würden, wenn er wollte?" Der Dichter lacht: „Sie können fragen? Ich bitte Sie: Alles, was ledig ist, mit Wonne — von der alten Helldingen an bis zu Ihrer kleinen Cousine herunter — oder darf ich das nicht sagen? Sie vergessen, daß er der Held des Tages ist, der Löwe der Salon», und außerdem noch ungezogen! Wenn da» Alle» nicht zieht! Außerdem wissen Sie ja auch, daß wir un» ln einer Geselligkeit de» kin 6« si-ole befinden, in der die Menschen sich zu Tode langweilen würden, wenn sie nicht immer neue Verrücktheiten, Götzendienste und absurde Spielereien erfänden." „Da» sind ja schrecklich ungesunde Verhältnissr!" schalt Engelhardt. „Lieber Himmel, sie sind aber doch", versetzte der Dichter sehr gelassen. „Regen wir un» doch darüber nicht auf. Go etwa» muß man eben nehmen, wie e» ist." Der Cotillon wurde immer lauter. Bracht hatte bereit» den reckten Aermel voll Orden. Er tantte gerade mit einer sehr schonin Maleritochter, von dn man sagt«, daß st« bereit»
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