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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011123020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901112302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901112302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-23
- Monat1901-11
- Jahr1901
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Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egvpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di» Expedition dieses Blattes möglich. Di« Morgen-AuSgabe erscheint uni V.7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaction und Erve-ition: Ivhannt-gaffe 8. Filialen: Llfred Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. UnwersitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katbarinenstr. 14, Port, und König-Platz 7. A-end-Ausgabe. MpMrr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Hönigtichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rashes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 L,, vor den Familiennach richten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbeförderung ./L 70.— . Annahmeschluß für Ilmeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Lerlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 588. Sonnabend den 23. November 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. vr. Krause; Die konceiitraltouSlager. * London, 22. November, vr. Krause befindet sich noch im Untersuchungsgefängniß, da die verlangte Caution noch nicht gestellt ist. * Brüssel, 22. November. In Gemäßheit des Beschlusses des internationalen socialistischen Bureaus benachrichtigte der socialistische Deputirte van der Velde den Minister des Auswärtigen, daß er ihn am Dienstag wegen der Concen- trationSlager interpelliren und die Dringlichkeit für die Berathung der Interpellation verlangen werde. * Johannesburg, 22. November. („Reuter's Bureau".) Den englischen Behörden ist es gelungen, die V e r s ch w ö r u n g im Keime zu ersticken, die hier angezettelt war. Letzten Diens tag um Mitternacht wurden etwa 20 Verhaftungen in verschiedenen Theilen der Stadt vorgenommen. Als die Nach richt hiervon gestern bekannt wurde, rief sie große Aufregung hervor. Für den Proceß gegen die Verhafteten ist noch kein Termin festgesetzt. Steijn'S Anklage. Der bis jetzt nur in einem telegraphischen Auszug bekannt gewordene Brief des Präsidenten des Oranje freistaats Steijn an den britischen Höchstcommandi- renden Lord Kitchener liebt jetzt im vollen Wortlaut vor. Das historische Document, das in ruhiger, würdiger Form eine furchtbar vernichtende Anklage gegen England und seine Staats lenker ist, lautet: 13. August 1901. . Eure Excellenz! Ich habe die Ehre, den Empfang Ihres geehrten Schreibens vom 6. August 1901 mit beigcfügter Proklamation gleichen Datums zu bestätigen. Der nicht unfreundliche Ton von Eurer Excellenz Schreiben ermuthigt mich, in ausführlicher Weise Eurer Excellenz Brief zu beantworten. Ich habe bemerkt, daß nicht nur Sie in Ihrem Brief, sondern auch verantwort liche Staatsmänner von Ihrer Seite be haupten, daß die Kriegserklärung der Süd afrikanischen Republik und der Einfall in britisches Gebiet die Ursachen des Krieges waren. Ich halte es kaum für nöthig, Eure Excellenz zu erinnern, daß im Jahre 1895, als die Südafrikanische Republik unbewaffnet und im Frieden war, im vollen Vertrauen, daß ihre Nachbarn civilisirte Völker seien, ein unerwarteter Angriff — Iameson's Einfall — auf sie von britischem Gebiet aus ge macht wurde. Ich erachte es für unnöthig, Eure Excellenz darauf Hinweisen, daß dann dieses wahnsinnige Unternehmen, welches nur von einem Mann versucht werden konnte, den seine Eitelkeit verrückt gemacht hatte, fehlschlug und Alle in die Hände der Südafrikanischen Republik fielen. Die Regierung der Südafrikanischen Republik vertraute auf den Gerechtigkeits sinn der englischen Nation und lieferte alle die Personen, die gefangen wurden und entsprechend jedem internationalen Gesetz den Tod verdienten, der Regierung Ihrer Majestät aus. Ich erachte es nicht für nöthig, Eure Excellenz darauf hin zuweisen, daß, als dann ein gerechter Richter die Führer der Expeditionzu Gefängniß verurtheilte, die vornehmsten derselben nicht im Gefängniß gehalten wurden, bis sie ihre Zeit abgesefsen hatten, sondern aus einem oder dem anderen geringfügigen Grunde vor Ablauf ihrer Zeit entlassen wurden. Ich will Eure Excellenz nicht daran er innern, daß damals eine parlamentarische Commission ernannt wurde, um Ursache und Grund der oben erwähnten Expedition zu untersuchen, diese Commission aber, anstatt den Fall zu untersuchen, gewisse Beweise zurückbehielt, und als dann die Commission trotz des hohen Einflusses, welcher während der ganzen Sitzung auf sie ausgeübt wurde, die Hauptverschwörer und Mr. Rhodes schuldig fand und sie als solche dem Parlament meldete, Mr. Chamberlain, der einer der Commissionsmitglieder war, den Mr. Rhodes in directem Widerspruche zu seinem eigenen Berichte vertheidigte. Eure Excellenz müssen anerkennen, daß die Südafrikanische Republik, sowie die übrige civilisirte Welt das volle Recht zu der Ueberzeugung hatte, daß der Jameson-Einfall, von dem wir zu erst dachten, er sei von nicht Verantwortlichen Leuten unter nommen worden, Ihrer Majestät Regierung wohl bekannt war, wenn auch nicht allen Gliedern derselben, so doch mehreren. Ich will Eure Excellenz nicht daran erinnern, daß seit dieser Zeit nicht nur kein Schadenersatz der Südafrika nischen Republik ausgezahlt wurde, wie zu jener Zeit versprochen war, sondern daß sie fort während mit Depeschen und Drohungen, betreffs ihrer inneren Regierungsangelegenheiten belästigt wurde. Ich brauche Eurer Excellenz auch nicht mitzutheilen, wie auch von außen Einflüsse geltend gemacht wurden, um Eingaben an Ihre Majestät zu Stande zu bringen, betreffs angeblicher Be schwerden, um Ihrer Majestät Regierung die gewünschte Ge legenheit zu geben, sich in die innere Politik der Südafrikanischen Republik einzumischen. Wie ich gesagt habe, erachte ich es für unnöthig, Eure Excellenz an die obengenannten Thatsachen zu erinnern, weil ich glaube, daß sie Eurer Excellenz wohl bekannt sind; aber sehr gern möchte ich Eurer Excellenz freundliche Auf merksamkeit auf folgende Thatsachen lenken, welche, wie mir scheint, Eurer Excellenz unbekannt sind. Als im Laufe des Jahres 1899 an den Grenzen nicht nur der Südafrikanischen Republik, sondern auch des bis heute befreundeten Oranje-Frei staats Truppen zusammen gezogen wurden, und als die Südafrikanische Republik sah, daß cs den Engländern nicht darum zu lhun war, die angeblichen Beschwerden zu be seitigen, welche jetzt von Allen als niemals vorhanden angesehen werden, sondern die Unabhängigkeit der obengenannten Repu bliken zu vernichten, hat sie die britische Regierung ersucht, di- Truppen von ihren Grenzen zurückzuziehen und alle Streitig keiten einem Schiedsgericht zu unterwerfen. Dies geschah drei Wochen, nachdem die britische Regierung ihr Ultimatum an gezeigt hatte und ungefähr einen Monat, nachdem die Re gierung des Oranje-Freistaats ein Tele gramm von dem Gouverneur von Capstadt er halten hatte mit der Anfrage, ob derselbe ge willt ist, neutral zu bleiben. Das giebt deutlich zu verstehen, daß die britische Regierung den Plan hatte, mit der Südafrikanischen Republik Krieg zu führen. Dieses Telegramm wurde an den Oranje-Freistaat abgesandt, obgleich man wußte, daß seit dem Jahre-1889 ein Defensiv- Bündniß zwischen dem Freistaat und der Südafrikanischen Re publik bestand. Als die Südafrikanische Republik beschloß, ihre Grenzen gegen di- Feinde, -die in ihrer Nähe standen, zu der- theidiaen, war ich verpflichtet, einen der peinlichsten Schritte zu thun, nämlich die Freundschaftsbande, die Mischen uns und der britischen Regierung bestanden, zu brechen, und, getreu unserem Biindniß, der Südafrikanischen Republik bei- zustchen. Das wir vollkommen Recht hatten mit unserer Annahme, dir britische Regierung sei fest entschlossen, unsere beiden Republiken zu vernichten, hat sich seit Ausbruch des Krieges deutlich ge zeigt. Nicht allein aus Dokumenten, die in unsere Hande fielen, ist es deutlich zu ersehen, daß seit 1896 (dasheißt, seit dem Jameson-Einfall) die britische Re- Regierung fest entschlossen war, den Einfall in beide Republiken auszuführen, sondern es ist auch kürzlich durch Lord Lansdowne bekannt geworden, daß er schon im Jahre 1899 mit Lord Wolseley, dem derzeitigen Ober befehlshaber von Sr. Majestät Truppen, die beste Zeit für einen Einfall in die beiden Republiken besprochen hatte. Eure Excellenz werden daraus ersehen, daß wir das Schwert nicht gezogen haben, sondern daß wir nur das Schwert weg gestoßen haben, das auf unseren Hals gelegt wurde. Wir haben allein in SÄbstvertheidigung gehandelt, einem der heiligsten Rechte des Menschen, zu dem Zwecke, von unserem Existenz rechte Gebrauch zu machen, und darum glaube ich auch mit aller Ehrfurcht, daß wir das Recht haben, auf einen gerechten Gott zu vertrauen. Ich bemerke weiter, daß Eure Excellenz fernerhin auf die Unmöglichkeit von einer Intervention der einen oder anderen fremden Macht Hinweisen, und daß Eure Excellenz es so hinsiellen, als ob wir allein in dieser Erwartung don Kampf noch fortsehen. Mit Eurer Excellenz Erlaubniß will ich gerne unsere Stellung, soweit sie eine Intervention (betrifft, klar machen. Sie ist folgende: Wir haben gehofft und hoffen jetzt noch, daß sich das Sittlichkeits gefühl der ganzen civilisirten Welt gegen das Verbrechen auflehnt, welches England hier in Südafrika vollbringt, und zwar, indem cs darauf ausgeht, ein junges Volk zu vernichten, aber dennoch waren wir immerhin fest entschlossen, wenn sich unsere Hoffnung nicht erfüllen sollte, dann mit festem Dertrauen auf einen gnädigen Gott unsere äußerste Kraft anzuspannen und uns selbst zu v e r th c i d i g e n, und dieser Entschluß steht bei uns noch unverrückbar fest. (Schluß folgt.) Tie Verblendung und Anmaßung gewisser englischer Blätter kennt keine Grenzen. So untersucht, wie man der „Tägl. Rundschau" schreibt, die „Army and Navy Gazette" in ihrer letzren Nummer, wie es komme daß die Schwarzen des Kriegsschauplatzes sich so wenig feindselig gegen die Boeren verhalten. Da man der Kaffeegesellschaft eine an ständige Gesinnung nicht zutrauen kann, so erklärt sich ihre weise Zurückhaltung einfach durch den wohlbegründeten Respect vor ihren ehemaligen Herren. Das englische Blatt weiß aber einen besseren Grund. Die Zurückhaltung der Schwarzen ist darauf zurückzuführen, „daß ihre Häuptlinge von unseren Officieren nie er muthigt worden sind, uns zu helfen". Eine schamlosere Heuchelei giebt es kaum, nachdem — durch Mit theilungen von englischer Seite — über allen Zweifel er haben festgestellt ist, daß seit Jahr und Tag englischerseits Schwarze bewaffnet und als Führer, Kundschafter und Sicher heitsposten benutzt worden sind; ja, daß man in Natal bewaffnete Schwarze unter Verheißung eines Beuteantheils auf alle weißen Nicht-Engländer losgelasscn hat. — Würdig reiht sich dem an, wenn in demselben Blatte über den bei Brakenlaagte gefallenen Oberst Bcnson gesagt wird, sein Tod sei glücklicherweise von einem Siege begleitet gewesen und nicht von einer Niederlage, wie Manche glauben zu machen sich bemühten. Ein höheres Maß von Verblendung ist kaum denkbar. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. November. Dem „Manne des TageS", Herrn Chamberlain, ist dem Anscheine nach die Aeußerung der „Nordd. Allgem. Ztg." über seine, daS deutsche Nationalgesllbl tief verletzenden Kund gebungen denn doch etwas in die Glieder gefahren. Wir schließe» dies auS der folgenden, vom „W. T.-B." verbreitete» Meldung: * Birmingham, 22. November. Chamberlain, der der Preisvcrtheilung der Technischen Schule in Handsworth bei Bir mingham beiwohnen wollte, hat an die Schul« ein Schreiben ge- richtet, in dem er sein Fernbleiben mit seinem gegenwärtigen Gesundheitszustände entschuldigt; er halte es absolut für nöihia, seine Kräfte sür die poliliichen Arbeiten aufzusparen. Vermuthlick wird man in den nächsten Tagen weiter kören, Herr Chamberlain sei leidend, überarbeitet, überreizt und der Schonung dringend bedürftig. So weil werden ja die ihm ergebenen Federn nickt gehen, offen zu sagen, er sei schon krankhaft überreizt gewesen, als er in Cdinburg die sattsam bekannten Worte sprach und seinen Privatsekretär Oliver Howard ^u einer Interpretation dieser Worte ver anlaßte: aber im Stillen hofft der geriebene Staatsmann wahr scheinlich, man werde in Berlin so freundlich sein, auS den Meldungen über seinen Gesundheitszustand Schlüsse auf die mildernden Umstände zu ziehen, die ihm zugebilligt werden müßten. Und vielleicht täuscht ihn seine Hoffnung nicht. Gern rechnet ja kein Staatsmann mit einem Minister eines „be freundeten Staates" öffentlich ab, und wenn Graf Bülow im Reichstage mit Herrn Cbamberlain sich zu beschäftigen haben wird, so wird es ihm nicht unanacnebm sein könne», wenn er sür die Unverschämtheiten dieses Herrn eine Art Entschuldigung anführen kann. Und im Grunde kann es auch den Mitgliedern des Reichstages und ihren Wähler» ganz recht sein, wenn Graf Bülow erklärt, Herr Chamberlain habe seine „falschen und unpassenden Vergleiche" und seine „ungerechtfertigte und ungehörige" Ver wunderung über die Empfindlichkeit des deutschen National- gcsülls offenbar in nicht ganz normalem Zustande ge zogen und ausgesprochen. UnS würde eine sotche Erklärung vollständig befriedigen und Herrn Chamberlain dürfte sie be weisen, daß eine Berufung auf den mildernden Umstand der Ueberreizung denn doch noch nicht da- schlaueste AuSkunftS- mittel ist. Dem Organ der bayerischen CentrumSpartet ist eS auf die Nerven gefallen, daß anläßlich deS TodeS des früheren Cenlrumsabgeordneten Jörg hier und da an die Kull- mann-Debatte des Reichstage- vom 4. December 1874 erinnert worden ist. DaS Münchener Blatt macht seinen peinlichen Empfindungen über diese Renuniscenz in einer Flutb von Schimpfereien Luft. So nennt es den verstorbenen Abg. LaSker „Allerweltsschwätzer" und „ekelhaftesten Speichel lecker BiSmarck'S", Professor Beseler wird von ihm mit dem schmückenden Beiworte „geradezu perfid" be dacht, dem früheren Abgeordneten vr. Lenz wird „Schul bubenart" vorgeworfen u. s. w. Am schlechtesten kommt natürlich Fürst Bismarck weg, dem eS als „Infamie" angerechnet wird, daß er daS bekannte Wort, Kullmanu hänge sich doch an die Rockjchöße des Centrums, so viel man ihn auch verstoße, in jener ReichSlagssitzung gesprochen hat. Zum Leid- Feuilleton. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Vernarb.. Nachdruck verböte«. Sechstes Capitel. Sie vertrugen sich gut, der charmante Baron v. Eder und der lebensfrohe, kunstbegeisterte Bankier v. Weraschek, das war auch ganz natürlich; Beide schwärmten für die Kunst, der Baron mehr als Kunstschriftstellcr, der Bankier in Folge seiner Geld mittel mehr als Kunstmäcenas. Der Baron war nach jenem ersten Besuche noch öfters in dem kunstliebenden Hause des Bankiers erschienen, hatte manchen Abend in der Familie Weraschek's zugebracht. Er war auch Frau v. Weraschek vorgestellt worden und mit ihr bald befreundet; die kränkliche, stets an den Rollstuhl gebannte Frau interessirte sich hauptsächlich für die weiten Reisen, welche Baron v. Eder gemacht und über di« er in fesselnder Weise zu berichten wußte. Da, eines Abends verabschiedete sich der Baron aus dem trauten Familienkreise mit den Worten: „Run werde ich einige Abende, vielleicht längere Zeit, nicht Ihr Gast sein können." „Sie wollen München schon verlassen?" fragte d«r Bankier. „DaS nicht, aber ich bekomme Besuch. Ein lieber Freund, der Graf Heimborn, bat seine Ankunft angekündigt. Da ist eS selbstredend meine Pflicht, mich ihm zu widmen; Sie dürfen mir das nicht Übelnehmen, allein ich bin dem Grafen für zahl lose Gefälligkeiten derart verpflichtet, daß ich eigentlich gar nicht zuvorkommend genug gegen ihn sein kann, trotzdem er viel jünger als ich ist. Wir sind auch durch die Kunst miteinander bekannt geworden, und im Grunde genommen bin ich selbst daran schuld, daß er nach München kommt. Mein« begeisterten brieflichen Schilderungen haben ihn jedenfalls veranlaßt, hier her zu kommen, um noch die Ausstellung in Augenschein zu nehmen." „So ist also Ihr Freund gleichfalls bis über die Ohren in die Kunst verliebt?" fragte die Baronesse ironisch. „Ja, vielleicht noch einen Grad stärker als Ich . . ." „Feodora", bemerkte der Bankier, „Du nimmst Dir Frei heiten heraus . . „Bitte, Herr v. Weraschek, zanken Sie nicht", sagte v. Eder, „die Baronesse hat gewissermaßen Recht. Ich war bisweilen in der Lage, meinem Freunde ähnliche Vorhaltungen zu machen." „Ach was, Herr Baron, Sie reden ja nur so, um das Un gehörige von Feodora's Bemerkung zu verdecken. Im großen Ganzen habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Damen alle einen heimlichen Piek auf die Kunst habe», weil sie, nun weil sie auf die Kunst eifersüchtig sind; namentlich nehmen sie cs übel, wenn man in ihrer Gegenwart für die Kunst schwärmt." Das wollten nun die Damen nicht gelten lassen und es ent stand ein ergötzliches Wortgefecht, in welchem die Herren den Kürzeren zogen. Endlich erinnerte man sich, daß sich der Herr Baron verabschieden wollte, man verpflichtete ihn förmlich, daß er seinen Freund, den jungen Grafen, ins Haus bringe, man könnte auch gemeinschaftlich nach der Ausstellung gehen. „Ei ja", spottete der Bankier, „wenn meine Nichte nur von einem jungen Grafen hört, ist sie schon elektrisirt." „Das ist aber abscheulich, Onkel; Herr v. Eder hat mich sicher nicht von dieser Seite kennen gelernt." „Wahrhaftig nein, gnädige Baronesse, ich könnte mich eher über zu wenig Elektricität beklagen, um bei dem Bilde des Herrn v. Weraschek zu bleiben, freilich bin ich auch nur ein älterer Baron und kein junger Graf . . . Nun wird cs jedoch Zeit, wenn ich überhaupt noch scheiden will." Sehr befriedigt verließ v. Eder das gastliche Haus; was er wollte, lvar erreicht, er hatte bereits eine Einladung für den Grafen Helmborn, ehe dieser noch angekommen war. Und Graf Helmborn mußte ja in Weraschek's Haus eingeführt werden, denn er war der eigentliche Liebhaber der Vera-Büste, Prinz Fraziilo. Am andern Tag fuhr der Baron v. Eder in einem bequemen Wagen, den er für einige Wochen gemiethet, nach dem Bahnhof und nahm den Grafen Helmborn in Empfang, der in Be gleitung eines Kammerdieners eintraf. Sic begaben sich nach den „Vier Jahreszeiten", wo mehrere Zimmer für den incognito reisenden Prinzen bereit standen. Dieselben grenzten an die Zimmer des Hofraths, welcher dafür gesorgt hatte, daß dem Prinzen sogleich ein Frühstück serdirt wurde, an welchem v. E^er auf ausdrücklichen Wunsch Frazzilo's theilnahm. Man hatte schon bei der Herfahrt ausgemacht, in Gegenwart des Kammer dieners Embder nichts von der Büste zu erwähnen. Kurz hatte Eder bemerkt, daß er Alles zu einem Besuche im Hause des Bankiers Weraschek vorbereitet habe; der Prinz werde wohl ausgenommen sein in der liebenswürdigen, gastfreundlichen Familie. Bei Tisch servirte Otto Embder und man unterhielt sich hauptsächlich von H . . . . schen Dingen, über dir Frazzilo mit vielem Humor zu erzählen wußte. Leider hatte er auch Be trübendes zu berichten. „Mein Bruder Huzobrrt ist seit mehreren Wochen leidend, ernstlich leidend; die Aerzte rathen ihm, ein südliches Klima aufzusuchcn, und ich habe ihn gebeten, dem Rath unverzüglich zu folgen. Ob er nun reisen wird, weiß ich nicht, er persönlich hatte keine große Lust, da er sich nicht für allzu sehr krank hält." „Das hätte ich allerdings am wenigsten erwartet, daß Sc. Hoheit der Erbprinz krank werden könnte", bemerkte Eder. „Nicht wahr, ein Hüne wie er? Und von Jugend auf war Hngobert rüstig uns gesund, während es bei mir bisweilen ge hapert hat. Hugobert, der passionirtc Jäger, der jedem Wetter, jeder Anstrengung trotzte, fühlte sich so matt und hinfällig, daß er das Bett hüten mußte. Erst sollte cs Influenza sein, dann wieder etwas anderes, schließlich constatirten die Aerzte eine Lungenaffection, kurz, sie riethen übereinstimmend zu einer Luftveränderung. Der Prinz ist zwar wieder außer Bett, aber wenn Sie ihn jetzt sehen könnten, Baron, Sie würden ihn kaum wieder erkennen. Osenmann ist den ganzen Tag um ihn, es kann's ihm sonst Keiner recht machen; Osenmann soll ja wohl auch nach Cannes mitfahren, wenn sich der Prinz entschließen kann, die Reise zu machen." „Das ist freilich eine sehr betrübende Nachricht, allein man muß das Beste hoffen, zumal die Natur Sr. Hoheit kräftig und ausdauernd ist." „Ich denke auch, daß cs nur «in vorübergehendes Leiden ist! He, Otto, Sie sind zwar schon in H . . . gehörig instruirt worden, daß mein Incognito auf alle Fälle gewahrt werden muß, aber da wir nun hier angclangt sind, finde ich es noth- wendig, Ihnen noch einige positive Anweisungen zu geben. Sie sollen hier im Hotel alles Klatschen vermeiden, dabei kommt nichts heraus. Wenn man Sie fragt, was Ihr Herr, der Graf Helmborn, in München wolle, so sagen Sie, er treibe Kunst studien und gäbe demnächst ein großes Werk heraus. Endlich wird cs oft vorkommen, daß ich mit dem Hofrath allein ausgchc, nun erschrecken Sie nur nicht, Embder, also allein ausgehe, das heißt ohne Sie; dann hüten Sie sich, uns zu folgen. Wenn wir Abends Weggehen und sind um elf Uhr nicht zu Hause, dann können Sie sich ruhig zu Bette legen, dann sind wir im Theater oder in irgend einer Kneipe. Also machen Sie Ihre Sache gut, Otto, und seien Sie nicht zu neugierig!" „Wie werd' ich, Hoheit." „Schon unrichtig, Embder, nicht „Hoheit", sondern „Herr Graf" muß es heißen." „Ach so, wahrhaftig, — an das werde ich mich am schwer sten gewöhnen." „Sie müssen es sich öfters in Gedanken vorsageu, wie Sie in der Schule irgend e'was auswendig gelernt haben." „Schon recht, Ho . . . Herr Graf. Steht sonst etwas zu Befehl?" „Wir werden nachher Weggehen, nicht wahr, lieber Baron, also die Galoschen bereit halten: hier liegt ja der Schnee klaftertief!" „Wann soll angespannt werden, Herr Graf?' „Gar nicht; wir gehen nicht weit." „Ich werde sogleich Alles richten." „Endlich allein, könnte man sagen. Also, Baron, sie ist es! O, Ihre Depesche, die mir Vesan gleich zugehen ließ, belebte mich ordentlich — und erst Ihr Brief, wie deutlich, wie aus- führUch schilderte er Alles, förmlich zum Greifen. Man mcrlt es, Sie sind Schriftsteller; es hätte nur gefehlt, daß Sie die Büste gleich beilegten. Ich wette, Sie hätten Vas auch gethan, wenn sie käuflich gewesen wäre. Hören Sie, lieber Hofrath, eigentlich wissen lrnr Alles, was wir hier überhaupt erfahren können; wir hätten demnach nur nöthig, staute pecle nach der Kciw. abzureisen, nicht wahr?" „Ist es denn in der Thai mehr als ein: Liebhaberei, was Euere Hoheit für diese Büste begeistert? Ich muß trotz aller Versicherung immer wieder so fragen, weil ich im Ernst eS noch nicht fassen kann . . „Daß man in eine Büste verliebt sein kann, meine» Sie. Ja, sehen Sie, lieber Baron, im Anfang dachte ich auch so uns gab mir alle Mühe, die Idee von mir abzuweisen. Die Idee nämlich, nicht nur bas Kunstwerk zu bewundern und es mit eigenen Augen zu schauen, sondern auch das Original, dai wunderbare Mädchen aufzusuchen und womöglich di: Lieb« dieses Wesens zu erringen. Ich brachte es nicht fertig und war unglücklich, weil es mir nicht einmal gelang, zu erforschen, wo das Marmorbild stände. Jetzt, da nicht nur dies entdeckt ist. Dank Ihrem Scharfsinn, sondern da wir wissen, wer zu dieser Büste gesessen, da cs uns bekannt geworden ist, daß sie, die Göttliche, Verowna Tschcrkinsa heißt, jetzt hält mich nichts ab, zu jubeln: sie oder keine wird meine Gattin!" „Und die Hindernisse? Sie, ein Prinz aus einem regieren den Hause!" „Ist sie nicht die Enkelin eines regierenden Königs? Und wäre sie's auch nicht, mir, dem nachgeborenen Sohne, der nicht zum Throne berufen ist, mag man eine solche Heirath gestatten, wenn ich ernstlich darum kämpfe. O, wie segne ich mein Geschick, wie preise ich mich glücklich, daß ich einst keine Krone zu tragen brauche, daß ich frei nach dem Drange meines Herzens mein Weib wählen darf. O, Sie lächeln? Sie begreifen das nicht, Sie halten solche Liebe für überschwenglich." „Das nicht, es kommt eben auf den Gegenstand der Liebe an. Ich glaubte auch manchmal, verliebt zu sein, namentlich In Spanien. O, es giebt nichts Reizenderes, als so ein schöne», spanisches Weib, nichts Vollkommeneres — fürs Auge, ja wahr-
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