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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020913024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-13
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Tabellarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, niit Postbesörderung ./L 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Nusgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 487. Sonnabend den 13. September 1902. 96. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. September. Wie groß die Verlegenheit ist, in welche die Führer des Bundes der Landwirthe durch ihr Festhalten au den von den Vertretern der verbündeten Regierungen als unan nehmbar bezeichneten sog. C o m p r v m i ß b e s ch l ü s s e n über die l a n d w i r t h s ch a f t l i ch e n Z ö l l c und durch die Art ihrer Agitation die Couservativcn versetzen, crgicbt sich an, deutlichsten ans dem Wirrwarr, den der be kannte Thronkrach-Artikel deS sächsischen ..Vater land". im konservativen Lager angerichtct hat. In diesem, zweifellos auf eine vündlerische Feder zurück zuführenden Artikel hieß es bekanntlich: „Gelingt cs nicht, eine Wendung zum Bessern und eine allmähliche Gesundung unseres Bauernstandes hcrbeizuführcn, dann ist sein Ende nicht allzufcrn mehr. Wenn das aber einmal besiegelt ist, die zur Verzweiflung getrie bene Landbevölkerung mit dem Proleta riat der Städte sich vereinigt, dann werden die Throne zusammenkrach en und cs wird ein Chaos herrschen, bis aus Blut und Brand und grcuelvoller Verwüstung sich langsam wieder ge ordnete Zustände herauswinden können. Schon hört man aus Bauernmund harte Anklagen gegen die Gleichgiltigkeit der Regierenden, eine früher unbekannte Erbitte rung hat in diesem geduldigen, zähen Stande um sich ge griffen, möge man diese Zeichen der Zeit richtig deuten und nicht unterschätzen, der Fehler könnte sich eines Tages schrecklich rächen." Unter dem ersten Eindruck, den dieser Artikel machte, schrieb die „Kreuzztg." u. A.: „Es heißt den preußischen Bauer belei digen, es heißt seine schweren Opfer für das Vaterland in Krieg und Frieden mit Undank lohnen, wenn man von ihm sagt, er sei als armer Mann des Verraths an all den bohen Gütern seines Volkes fähig, die er bisher mit Gut und Blut vcrtheidigt hat . . . Wir halten es für ganz ausge schlossen, daß der conservative Landesverein im Königreich Sachsen mit dem Artikel seines offcicllen Organs einverstanden ist. Denn solche Worte soll ein conscrvativcr Mann gar nicht den ken, geschweige drucken lassen." Und die „Conscrvat. Corr.", das Organ der Tcutsch-Conservativen, die in dem Artikel mit Recht einen Eiuschüchterungsversuch gegenüber der Negierung erblickte und ihn deshalb „vom praktisch-politischen Gcsichtspuuete aus" mißbilligte, da er auf keinen Fall geeignet sei, „die Geneigtheit der verbündeten Negierungen zu einem Ent gegenkommen über ihre Vorlage hinaus zu erhöhen", verlangte unzweideutig ein „authentisches Des- aveu" der bedauerlichen Kundgebung durch den Conscr- vativcn Landesverein im Königreich Dachsen. Nun, dieses „authentische Desavcu" ist erfolgt, indem das „Vater land" zu der Erklärung gcnöthigt worden ist, der be treffende Artikel sei „ohne Vernch m n n g und ohne Billigung der sächsischen conser- vativen Pa r tc i l e i t n n g erschienen" nnd die Redaktion des Blattes übernehme die Verant wortung für ihn allein. Diesem loyalen Verhalten der sächsischen konservativen Parteileitung gegenüber mußte es schon seltsam berühren, daß weder die „Kreuz zeitung", noch die „Conservative Corres p." eine Silbe des Tadels für die bündlerische „D cutschc Tageszeitung" fand, obgleich diese den so scharf ge rügten Artikel des „Vaterland" zustimmend sich ungeeignet hatte. Aber es kommt noch besser. Zur selben Stunde, in der die sächsische conservative Parteileitung das von der „Cvns. Corr." geforderte authentische Desaven leistete, nahm die „K r e u z z e i t u n g" ihre Vernrthciluug des „Vaterland"-Artikels, wenn auch nicht in der Form, so doch dem Wesen nach, vollständig zurü ck. Sie erblickt in ihm nur noch den „allerdings uuge'chickten und uneonservativen Ausdruck einer schweren Bcsvrgniß", nicht aber einen Ein- schüchtcruugSvcrsuch, und ergießt die volle Schale ihres Zornes über die N a t i o n a l l i b c r a l e n die cs wagen, dem „Vaterland" zu unterstellen, es habe mit dem Zusammcnkrachen der Throne für den Fall gedroht, daß die verbündeten Regierungen nicht die agrarischen For derungen bewilligen — ja, die noch viel scheuß licher sind und ihren — s o c i a l d e m v k r a t i s ch e n Charakter enthüllen, indem sic der Regierung rathen, nicht durch Nachgiebigkeit in der Zoll- tarisfrage ihre Autorität aufs Spiel zu setzen! Es fehlt nun weiter gar nichts mehr, als daß auch die ,.C v u s. Cvrresponden z" den Actikel des „Vaterland" unter ihren Schutz nimmt, das authentische Dcsavcn der sächsischen conscrvativcn Parteileitung desavonirt und der „Deutschen Tageszeitung" eine Belobigung für ihr treues Eintreten für die Auslassung des „Vaterland" crthcilt! Aber auch wenn das ausbleibt, ist der Wirrwarr arg genug. Welche Macht müssen die Herren 1)e. H a h n und Dr. Oertel über die preußischen Conservativen, speeicll über den „Krcuzzcitungs"-Flügcl erlangt haben, um diesen „ein schwenken" lassen zu können, wie Bismarck einst seine Diplomaten cinschwenkcn ließ! Und doch wird auch diesem Flügel am Ende nichts Anderes übrig bleiben, als mit dem Erreichbaren sich zu begnügen oder mit den Führern des Bundes der Landwirthe die Folgen zu tragen, wenn bei den neuen Handelsverträgen die Landwirthschaft noch schlechter wegkommt, als bei den alten. Unter der Ueberschrift „Tapfere Leute" macht sich die „Sächs. A r b e i t e rz t g. darüber lustig, daß der n a t i o n a l l i b e r a l e P a r t c i t a g in E i s e n a ch und der Parteitag der freisinnigen Volkspartei in H a m bürg unter dem Ausschlüsse der Oeffcnt- lichkcit stattfindcn sollen. Sie nennt dies eine „blamable Thatsache". Diese Auffassung entspringt dem vollkommenen Verkennen des Wesens eines Parteitages. Bei einem solchen versammeln sich sozusagen die Ofsicierc einer Partei zum Kriegsrathe, denn es gilt der Taktik den anderen Parteien gegenüber, und vom Stand punkte der Wahlen aus sind diese Parteien „der Feind". Wenn ein militärischer Kricgsrakh Zusammentritt, nm die nächsten Maßregeln dem Feinde gegenüber zu bcrathen, so hat man noch nie davon gehört, daß ein solcher Kriegs rath anders als unter dem Ausschlüsse der Oeffentlichkcit stattsindct, und kein verständiger Feind wird deswegen den Officiercn Mangel an Tapferkeit vorwcrfen. Die Socialdcmokratic freilich faßt einen Parteitag nicht als Kricgsrath auf, sondern betrachtet ihn als Mittel znr Reklame, und cs wird dabei ebenso zum Fenster heraus geredet, wie es die socialdemokratischcn Redner im Reichs tage und in Volksversammlungen lhun. Das Ansehen und die Bedeutung eines Parteitages werden aber selbst verständlich dadurch disereditirt, daß er in den Formen einer Volksversammlung abgchaltcn wird. Im klebrigen versichern wir den Locialdemokraten, daß wir nicht das Mindeste dagegen hätten, wenn auch sie ihre Parteitage unter dem Ausschlüsse der Oefscutlichkcit abhielten. Unser Vedürfniß, Zeugen der Schimpfereien zu werden, mit denen die svcialistischen Führer einander auf den Parteitagen gewohnheitsmäßig zu bedenken pflegen, ist das denkbar geringste. Der seit einigen Monaten in seiner schweizerischen Heimath weilende abessinische Staatsrath Alfred I kg hat einem italienischen Blatt ein Interview bewilligt, aus dem die „N. Zür. Ztg." breite Auszüge bringt. Rian er fährt allerlei Persönliches vom NeguS Regest, wie von Ras Makvnncn; einiges über die neue bereits zu einer hübschen Stadt gewordene Residenz Adis Alem; über die Politik Mcnclik'S, die grundsätzlich jede fremde Macht mit genau demselben Maße mißt; von den Fortschritten des abessinischen Heeres und dem aufblühenden Culturleben des Landes überhaupt; von der bei einer Länge von 300 Kilometern bis auf 50 Kilometer vollendeten Bahn Dschibuti - Harrar und von der fast vollendeten Tele- graphculinie Asmara-Adis Abeba. Aber das Wichtigste dürfte doch die Bestätigung der Nachricht sein, daß Menelik in der That das zwischen dem Gasch lMarcbl und dem unteren Sclit lTakazze) liegende Land der Cunama in einem von Major Ciecvdieola abgesagten Zusatzverträge an Italien abgetreten hat. Jlg machte besonders darauf aufmerksam, daß durch das Gebiet der Cunama die wichtige Handelsstraße über Gvudor nach Godscham läuft und daß damit ein neuer Zugang zum Sudan gewonnen ist. Er könne zu wichtigen Handelsbeziehungen mit dem Ostsudan führen, da die Straße nach Luatin zum Meere weniger sicher sei als die durch Erythräa. Interessant sind namentlich folgende Ausführungen: An Einfluß sind alle Ras gleich. Die populärsten sind Ras Michael und Ras Malvnnen. Makvnucn hat bereits zwei Europarciscu hinter sich: eine nach Italien mit Antonelli und die letzte anläßlich der englischen Krönnngsfcicrlichkeiten. Ma- konncn hatte keine Tpeeialmissivn; er wurde nach London gesandt wegen seines ganz europäischen Tactes und seiner nicht gewöhnlichen Bildung. Menelik hat keine specielle Vorliebe für irgend einen Ras und dadurch bleibt er mit allen im besten Einvernehmen. Menelik sind Engländer, Russen, Franzosen, Italiener gleich lieb, er will mit allen in guter Freundschaft leben. Aber von Niemand würde er weder Bevormundung noch Pro tection dulden. Italien verlor seinen Feldzug, weil seine Truppen schlecht ge führt wurden. Italien führte einen ungerechten Krieg, nm Länder, die nicht ihm gehörten, zu erobern, und um befreundeten Völkern, von denen es nie provoeirt wurde, zu schaden. Alle wissen, daß Menelik diesen Krieg nicht wollte, denn ihm widerstrebte das Vergießen von Christenblut. Alle wissen, mit welcher Ritterlichkeit er vor der Schlacht die Italiener anffvrderte, sich zurückzu ziehen. Ein Jeder erinnert sich au die nämliche Aufforde rung, die von Ras Makouuen während mehrerer Tage dem tapferen Major Toselli wiederholt wurde, -a er mit seinen weit geringeren Kräften und in seiner nachthciligcn Stellung geschlagen würde, wenn er sich nicht zurückzögc. Toselli ließ sich nicht dazu bewegen nnd so mußte ihn Ma- konncn, gedrängt durch das drohende Murren seiner Soldaten, angrcifen. Von den italienischen Soldaten, ver sichert Jlg, befindet sich keiner mehr in Abessinien. In seiner jüngsten Rede zu Procter im Staate Vermont hat Präsident Roosevelt die Monroedoctrin als eine Doktrin des Friedens hingestcllt, dazu bestimmt, auf dein amerikanischen Festlande die Möglichkeit zu sichern, daß die Vereinigten Staaten sich in Frieden auf ihren eigenen Wegen entwickeln. Die Monrvedvetriu sei keineswegs ein Angriffsmittel, sic bedeute keinen aggressiven Vorstoß gegen irgend eine andere Macht, sondern nur das Festhalten an dem Grundsätze, daß Amerika von keiner europäischen Macht als ein Gegenstand politischer Colonisation be trachtet werden darf. Ist die Monroedoctrin kein Au griffsmittel, hat sie keinen aggressiven Charakter, will sie nur die friedliche Entwickelung Amerikas unter Vortritt der nordamerikanischen Union sichern, so läßt sich mit dieser Monroedoctrin die Expansionspolitik der nordameri kanischen Union nicht in Einklang bringen, so hätten die Staatsmänner in Washington, als sieHawcni besetzten und die Philivpincn nahmen, einen bedenklichen Verstoß gegen die Mvnroedoetriu begangen, so wären ihre Aspirationen auf die Vorherrschaft der nordamerikanischen Union im Stillen Meer verwerflich im Sinne einer Toctrin, die jede europäische Eiumischuug in Amerika ablchnt, Amerika für die Amerikaner beansprucht und folgerichtig eine Expan sionspolitik der nordamerikanischen Union über Amerika hinaus ansschlicßt. Wenn die nordamerikanischen Politiker auf der einen Seite die Monroedoctrin hervorkehren und auf der anderen Seite für eine weitgehende Expansions politik eintretcn, so müssen sie sich nachsagen lassen, daß sie sich in einem seltsamen und unlösbaren Widerspruche be wegen. Ain klügsten sind diejenigen nvrdamerikanischen Politiker, die darüber mit Stillschweigen hinweggeheu. Immerhin hat cs auch einige unvorsichtige und über eifrige Leute gegeben, die es versuchten, diesen sonderbaren Widerspruch durch einen noch sonderbareren Sophismus wcgzudiscutiren. Sv behauptete ein republikanischer Imperialist, Hubert H. Baneroft «nicht zu verwechseln mit dem berühmten Gesandten dieses Namens» in seinem um fangreichen Buch „'!'!><- Xov Uuoikio", daß die Expansions politik der Union durchaus mit den Grundsätzen der Mvn roedoetriu übereiuslimme. Nach der Monrvedvetriu solle sich die uvrdamerikauische Union nicht in europäische An gelegenheiten cinmischen. Asien sei aber doch nicht Europa, die Landwich-Inselu und die Philippinen seien durchaus nicht von Europa erworben worden. Davon stehe nichts in der Monroedoctrin, daß eS der Union verwehrt sei, sich in Asien einzumischcn! Diese Art der Beweisführung wird selbst in der Union nicht ernsthaft genommen werden können. Hält cs Präsident Roosevelt für nvthwendig und zeitgemäß, die strikteste Aufrechterhaltung der Monrve- doctrin zu verkünden, so wird keine europäische Macht da gegen Einwendungen erheben können. Wenn aber die nvrdamerilanischen Politiker aus dem Rahmen der Mon- rocdoctriu heranstreten, wenn sic im Stillen Meer und in Ostasien eigene Politik treiben, wenn sie in die Ferne gehen und sich in außeramerikanische Verhältnisse einmischen, dann können sie es logischer Weise den fremden Mächten nicht verwehren, in Mittel- und Südamerika cinzugrcifen und daselbst ihre Interessen wahrzunehmen, ohne auf eine Doctrin Rücksicht zu nehmen, die die nordamerikanischen Staatsmänner mit ihrer Expansionspolink selbst durch löchert haben. Deutsches Reich. H: Berlin, 12. September. Die eingeschrie benen Hilf sc assen nehmen nach der Einrichtung der Zwangskraukenvcrsicherung insofern eine privilegirtc Stellung ein, als ße nicht, wie die Zwaugscasscn, jeden Feuilletsn. i2j Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirsch berg-Jura. Nachdruck verboten. „Der Regierungspräsident hat ja voriges Jahr seine Frau verloren nnd den ganzen Winter über gar kein Haus gemacht. Jetzt muß er nun einer Menge gesellschaft licher Verpflichtungen Nachkommen nnd hat mich gebeten, als stellvertretende Dame des Hauses bei ihm die Honneurs zu machen. Glücklicher Weise habe ich cs ja nicht nöthig, in das ehemalige „Armc-Nichten-Vcrhültniß" zurückzukchren. Ich werde mein eigenes HauS und mein eigenes unabhängiges Leben führen. Aber mit Ver gnügen will ich dem Onkel den Gefallen thun, seiner Ge selligkeit gewissermaßen als belebender Mittelpunkt zu dienen." „Oh, gnädige Frau werden der glänzende Mittelpunkt der ganzen Stadt sein", versicherte Ernst feurig. Sie lächelte geschmeichelt. „Ich hoffe, cs wird mir nicht schwer fallen", sagte sic nachlässig, „alle die alten Verbindungen meiner FamiUe wieder anzuknüpfen. Ich habe mich natürlich über alle Ereignisse beständig auf dem Laufenden erhalten. So weit ich unterrichtet bin, bat Ihr Herr Bruder nicht viel gesellschaftlichen Verkehr gepflegt. Aber Sic sind ja kein alter Iunggcscll, und hoffentlich auch sonst nicht nach seiner Art geschlagen. Daß wir gute Nachbarschaft halten werden, nehme ich als selbstverständlich an. Aber es sollte mich freuen, Ihnen auch im Hanse meines Onkels öfter zu begegnen." „Wenn ich auf Ihre gütige Protection rechnen darf, werde ich dort nicht fehlen", erwiderte Ernst mit einer fast demnthigcn Beflissenheit, die er sofort bercutc. „Protection?" fragte Fran Dirksen befremdet. „Die Gunst schöner Frauen kann auch heutzutage kein Ritter entbehren", sagte Ernst und bemühte sich, diesen Werten einen möglichst konventionellen Klang zu geben. Er sah seine F"au zurnckkommcu, die den weilen Weg in einer knappen Viertelstunde zurückgclcgt batte. Tas Herz klopfte ihr von dem eiligen Lauk, mit stolz gcröthcten Wangen trat sie vor ihren Mann und öffnet? die hohle Hand. Lächelnd sah er ein halbes Dutzend Cigaretten, die sie ihm bot, nahm sie gnädig entgegen und küßte ihr artig die Fingerspitzen. Auch Frau Dirksen lächelte mit eigenthümlich wohl wollendem Ausdruck. „Sie leben wohl recht glücklich mit Ihrer lieben Frau, Herr Toctor? Wenigstens haben Sie sie gut gezogen!" Käthe warf ihr einen unwilligen Blick zu, und auch Ernst war verstimmt darüber, daß sie sich in den Augen der koketten Wittwe etwas von ihrer Würde vergeben zu haben schien. Doch überwog bei ihm die Freude über ihre schrankenlose Hingabe, mit der sie ihm wie einem Sultan diente. Die Dankbarkeit machte sein Gefühl für Küthe immer inniger und ließ einen Gedanken an Ab wege nicht leicht auflommcu. Nicht einmal die Kokette rien der eleganten Wittwe hatten bisher viel Eindruck auf ihn gemacht, wenngleich er froh war, durch ihre Sic- kanntschaft künftig seine gesellige Stellung vielleicht be festigen zu können. Käthe hatte trotz ihrer Arglosigkeit die Art dieser Dame schneller durchschaut, deren Curgcbrauch darin be stand, daß sic sich die Cur machen ließ. Seit dieser Er kenntnis! behütete sie ihren Ernst mit verdoppelter eifer süchtiger Liebe, und als er sic, um mit seiner schönen Frau zu prahlen, aufgcsordcrt hatte, einmal dem wöchent lichen Gesellschaftsabend imCurhause mit ihmbeizuwohncn, hatte sie nur widerwillig seinen Bitten nachgcgeben. Als aber Frau Dirksen an diesem Abend einige Lieder saug nnd Doctor Simrock auf das Liebenswürdigste und Lebhafteste Beifall klatschte, obwohl sie sich weder an Stimme, noch an Vortrag etwa mit Frau Homann Hütte messen können, da heuchelte Käthe in ihrer Angst Kopfschmerzen nnd ließ sich von ihrem besorgten Gatten nach Hause führen. Noch öfter lrcncn bei der geringste» vermeintlichen Ge fahr diese Eifersuchtskopsschmerzeu auf nnd machten auf Ernst immer weniger Eindruck. Eines Tages war ein gemeinsamer Ausflug nach Ran tum verabredet worden. Bis zu diesem sagenumwobenen Dorf auf der Südhälfte der Insel sollten Wagen benutzt und von dort auS dann eine Dünenwanderung angetreten werden. Tas Simrock'scbe Ehepaar hatte seine Bcthcili- gnng auch zngesagt. Käthe hatte keinen Grund gefunden, abzulehiicu, zumal ihr Ernst, weil sic in den letzten Tagen wiederholt Kopfschmerzen gehabt hatte, eine besondere Freude damit machen wollte. Eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt aber stellten sich natürlich Käthe s Kopfschmerzen ei», und sie mußte sich sofort niedcrlcgen. Migränin oder Antipyrin zu nehmen, weigerte sie sich immer. So stellte ihr Ernst nur die Waschschüssel neben das Sopha, damit sie sich kalte Umschläge machen konnte, und schickte sich an, zu gehen. „Du willst doch nicht ohne mich mitfahren nach Ran tum," fragte sic ängstlich. „Nein, nein, ohne Dich kann ich doch selbstverständlich an der Fahrt nicht theiluehmcn. Das wäre höchst un passend. Ich gehe am Wcskstrand entlang. Dort sind gestern Seehunde gesehen wvrdcn. Ich habe mir von uuserm Herr» Pieters die Büchse geliehen und will 'mal versuchen, ob ich ein glücklicher Jäger bin. Denk' mal, was Robert und Emilie für Augen machen werden, wenn wir ein selbst erbeutetes Scehundsfell mit nach Hanse bringen. Ich lasse Dir eine Bettvorlage daraus machen." „Aber, Ernst, das hat doch keine Eile! Tic Seehunde laufen Dir nicht davon!" „Sv? Na, da kennst Du die Seehunde schlecht." „Ich meine, Du könntest lieber bei mir bleiben. Auf die Jagd kannst Du auch ein andermal gehen." „Es ist wohl wirklich besser, Liebste, ich lasse Dich ein paar Stunden allein, damit Du vollkommene Ruhe hast. Vielleicht schläfst Du ein wenig, wenn ich Dich nicht fort während störe. Wenn Tn wieder ganz munter bist, holen wir zwei dann zusammen den Ausflug nach, den die Anderen heute nach Rantum unternehmen. Auf die See- hnndsjagd kann ich Dich ohnehin nicht mitnehmcn. Also heute ist die beste Cielcgcnhcit dazu für mich. Nicht wahr? Gute Besserung, mein Schatz, leb' wohl! Ich bleibe nicht lange." Seufzend ergab sich Käthe darein. Sie wollte ihm die Iägcrfrcude nicht verderben, an der sein Herz so sehr zu hängen schien, bot ihm die Lippen zum Kuß und verab schiedete ihn mit der Mahnung, ja recht vorsichtig mit dem Schießeisen umzugehen. Ein wenig gekränkt, aber doch lächelnd, zuckte Ernst die Achseln und schritt männlichen Trittes hinaus. Liebend blickte sie ihm durch daS Fenster nach, wie er, die Kugclbüchse deS Wirthes um die Schulter gehängt, auf dem ziegclstciugepflastertcn Weg davonging. Er sah sich nicht um. Natürlich. Er konnte nicht wissen, daß ne am Fenster stand. Er mußte denken, sic lag noch auf dem Sopba. Jetzt bog er an dem Mnschclladen stolz nm die Ecke. ... Als er am Strand angckommcn war, wandte er sich nach links nnd ging auf dem feuchten, festen Sande eben falls nach Süden in der Richtung auf Rantum zu. Denn in dieser Gegend sollten sich gestern die Seehunde gezeigt haben, denen er nach dem Leben trachtete. Die Fahr straße dahin lief auf dem nach dem Wattenmeer zu ge legenen Osiraudc. Ernst dachte gar nicht an die fröhliche Gesellschaft, die nur etwa einen Kilometer entfernt aus der anderen Seite der schmalen Insel ohne ihn nach dem selben Ziele zu fuhr. Ihn bewegte jetzt nur der Jäger ehrgeiz. Die tiefste Ebbe war eben vorüber. In laugen, gleich mäßigen, vom frischen Westwind getragenen Wogen Lnach die neue Fluth wieder herein. Im Hellen Sonnenschein rollten die grünschimmerndcn Wasserbcrgc heran, krönten ihre schlanken Leiber mit weißem Schaum, bäumten und über stürzten sich und vcrricsclten mit blasigem Gischt über dem flachen, mit Muscheln und Seetang bedeckten Sande. Es war, als ob sich das Meer mit tiefen Athemzügcn zn neuem Kampfe erhole, nm das verlorene Gebiet seinem feuchten Reiche zurückzuervbern. Ernst ging dicht an dem hin- nnd herfluthcudeu Wasserstrcifen. Der Wind trieb ihm Schaumflockcn ins Gesicht. Er spähte aufmerksam nach seiner Beute. Aber immer, wenn er schon hoffnungsfroh den Blick schärfte, erwies sich der verheißungsvolle dunkle Fleck beim Näher kommen als ein Hansen Tang oder ein morsches Balken stück, das eine Welle an den Strand geworfen. Immer mächtiger erhob sich der Seegang, immer gewaltiger tönte die Stimme der Brandung. Kein Seehund zeigte sich seinen Augen. Käthe hatte cs nicht lange im Zimmer gelitten. Der Einsamkeit ungewohnt, war auch sie au den Strand ge gangen, batte sich in ihren Korb gesetzt und sah den im Sande spielenden Kindern zn. Die großartige Einförmigkeit des Wcllcnspieles lang weilte sie heute. Sic sehnte Ernst s Rückkehr herbei und bereute eS fast, sich von der Fahrt nach Rantum aus geschlossen zu haben. Aber lieber wußte sie ibn auf der Jagd, als in der gefährlichen Gesellschaft der koketten Wittwe. Nach ein paar Stunden kehrte sic heim, fand ihn aber noch nicht. Sic schrieb ihm, falls sie ibn verfehlen sollte, ein paar Worte ans einen Zettel nnd ging wieder ans Meer hinab, um ihn dort zn erwarten. - Es wurde Abend. Aber während sich sonst bei Sonnenuntergang der westliche Himmel bis fast zum Zcnith mit Pcrlmutterglanz überdeckte, hatten sich heute plötzlich große schwarze Wolken darüber hiugebreitet. Ein fürchterlicher Regen brach los, und der Wind hatte
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