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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050321028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-21
- Monat1905-03
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Tie «gespalten« Vieklamezrile 7K Annahmeschlutz für Anjetgen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgrn-Au-gabr: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe^ nach besonderer Vereinbarung. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend» 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Pol, in Leipzig l.Inh. Or. V.. R. L W. «Uakhardt). Nr. M. Dienstag den 2l. März 1905. SS. Jahrgang. Vas LUedtigM vom Lage. * Nack einer Pariser Meldung wird da« französische Mittelmeergeschwader auf seiner Kreuzfahrt auch die spanische Küste berühren und namentlich den Hasen von Barcelona anlaufen. * In Livorno brach der Generalstreik au«, alle Läden sind geschlossen. * In ganz Südspanien herrscht eine furchtbare Dürre: viele Landarbeiter sind verhungert. (S. A. aller Welt.) * Der rumänische Senat bat einstimmig den Zusatz vertrag zum Handelsvertrag mit Deutschland an genommen. * Beim Brande der Schuhfabrik in Brockton «Massachusetts) kamen 35 Personen umS Leben, 5N wurden verletzt. Vermißt werden 65. (S. Aus aller Welt.) sreiderr v. havusemelu 7. Der Aufgabe, dem gestern verstorbenen preußischen Minister des Innern einen Nachruf zu widmen, unterziehen sich die Blatter meist mit der üblichen vorsichtigen Zurück haltung, die an manchen Stellen zur absoluten Farblosig keit verblaßt. Gleichwokl bleibt die Grundslimmung aller dieser Artikel ablehnend. Nickt einmal den Konservativen und Freikonservativen bat er eS recht gemacht. Die Ostelbier haben es ihm nie vergessen, daß er nickt aus der Reihe der „prädestinierten" Kandidaten lür „ihr" Ministerium hervorgegangen war. Dir „Kreuz zeitung" findet überhaupt kein persönliches Wort für ibn, sondern bringt nur kümmerliche Daten. Und die „Pott" wirst ibm stine unglückliche Hand uird Schwäche gegenüber der öffentlichen Meinung vor. Sie schließt mit lein allge meinen Refrain: „Ueberhaupt war Herr v. Hainmerstein als Minister mehr Beamter als Politiker." Eiwa in demselben Sinne wie wir urteilt die „Köln. Zeitung", die u. a. sagt: Die gute preußische Tradition eines intakten, leistungsräbigen Beamten körpers hat in ibm einen eifrigen und Verständnis- vollen Förderer gefunden. Anders muß freilich daS Urteil lauten, wenn man von dem Berwaltungsbeamten zum Minister übergebt, da- hnßt zu dem politischen Vertreter eines bestimmten Bereichs der staatlichen Negierung. Hier kann daS Urteil über Herrn v. Hammerstein im großen und ganzen nicht so günstig ausfallen. Die wenigen Gesetzentwürfe seines Ressorts, die Herr v. Hainmer stein zu vertreten gehabt hat, sind von ihm nicht immer glücklich verfochten und die markanter» von ihnen sind auch nicht dnrch- gebracht worden. So ist der Gesetzentwurf über die Befähigung für den höhern Verwaltungsdienst wesentlich durch seine Vertretung gescheitert, da er seiner Vorliebe für dieKorpSstudenten in Formen und Urteilen Ausdruck gab, die außer auf der konservativen Seite des Abgeordnetenhauses bei allen Parteien lebhaften Widerspruch erfuhren. Auch jein ihm von einem Zeitungovertag eingegebener Plan, das preußische Sparkassenwejen mit einer Lotterie und jenem Zeitungsunternehmen zu verquicken, scheiterte im ganzen Um fange und trug dem Minister keine Lorbeeren ein. Die unglückliche Rolle, welche der Freiherr v. Mirbach im politischen Leben des vorigen Sommers spielte, schadete auch dem Minister des Innern, der sich freilich von jedem sachlichen Zusammenhang mit der häß lichen Angelegenheit zu reinigen wußte, aber doch wesentlich dafür verantwortlich war, daß der Fall Mirbach seine antimonarchischrn Wirkungen den ganzen Sommer hindurch ausübeu konnte. Eine große Reihe nicht unberechtigter Angriffe zog sich der Minister ferner durch ieinr Haltung in Len parlamentarischen Russendebalten des letzten Jahres zu, auch hier dürfte der letzte Erfolg seiner Stellungnahme eine Förderung jener Partei gewesen sein, die seinem innersten Weien am meisten zuwider war, der Sozialdemokratie Nicht viel anders schreibt die „Tgl. Ndlck.", nachdem sie daS Geickichtcken abgetan hat, Herr v. Hammerstein habe seine Carriere dem Umstande zu verdanken, daß er ein Mit schüler des Grafen Bülow gewesen: An der Oeffenllichkeit pflegt man die Minister ja zumeist nach ihrem Auftreten im Parlament zu beurteilen und das war bei dem Verstorbenen in der Tat so unglücklich wie nur möglich. Seine parlamentarischen Reden — e» klingt hart und ist doch nur die Wahrheit — bedeuteten im Grunde nur eine fortlaufende Kette von Entgleisungen; eS war mitunter, als ob dem Minister im entich idenden Moment just der unpassendste Ausdruck einfiel, und so hat er häufig zur Umeit angestoßen und Empfindungen verletzt, die behutsam zu schonen ein Gebot kluger Politik gewesen wäre. Aber nicht allen ist die Gabe wohlgefügter und flüssiger Rede gegeben; man soll sogar schon starke, eigenartige und ur'prüngliche Talente gesehen haben, die nicht zwei Satze zusammenhängend sprechen konnten. Freilich, auch was man sonst von Herrn von Hammerstein hörte, war, wenn eS auch mitunter eigenartig genug klang, nicht gerade stark und ur sprünglich; ein großer BolkSpsycholog war er wohl kaum und ein schöpferischer Staatsmann wohl auch nicht. Der Artikel schließt übrigens: Dieser Minister des Innern, der seine ganze amtliche Laufbahn außerhalb Preußens, im Reichsland, durchlaufen hatte, wurde selbst da, wo er sich ihnen noch so „wohlaisektioniert" zuneigte, nicht ein fach zum BundeSbruder der Manteuffel und Limburg-Stirum. Tas war nicht viel, aber etwas. Gerade das „Etwas", das wir uns auch von seinem Nachfolger n ünschlen .... In der Kunst, in vielen Worten wenig zu sagen, bat es die „Naiional-Zeiiung" wett gebracht; alles waü sich an Eharaklerittik in ihrem Artikel findet, sind die beiden Sätze: Dem prenßiichen Staalsininisterium Hot seine Persönlichkeit kein besonderes Gepräge gegeben. Und: An gutem Willen und redlicher Arbeit hat es dem so plötzlich aus seiner Wirksamkeit EnUisstnen nickt gefehlt. Aber er war ein Mann der Verwaltung, nicht der Regierung. Hieran schließt sich dann gleich der tiefsinnige Satz, daß die „Schwierigkeiten" der Neubesetzung des Ministerpoftens heute „nicht mehr so schwierig" seien wie 1901. Das; die Urteile der weiter links stehenden Blätter noch weit schärfer aussallen, ist selbstverständlich. Das „Berliner Tageblatt" stellt dem Minister das Zeugnis aus: „Seine ganze Amtszeit bedeutete für alle Angelegenheiten der orga- insatoriscken Gesetz zebung in Preußen den vollständigen Stillstand." Die „Frki. Ztg." bringt ein langes Sünoenregstter vor, daS mit der Hilfsaktion bei der schlesiichen Ueberichwcminung anfängt und mit der Einführung der Präventivhast ab schließt. Dabei erinnert daS Blatt übrigens an eine Episode. Erne entschiedene Niederlage erlitt er (der Minister) mit seiner Vorlage über die anderweite Regelung der Vorbereitung zum höheren Verwaltungsdienst und mit der versuchten polizeilichen Regelung des Feuerlöschwesens. Die Konservativen machten damals aus ihrer Schadenfreude kein Hehl und ein konserva tives Blatt, die „Schlesische Zeitung", brachte einen Artikel, der schonungslos die bisherige Tätigkeit deS Ministers kritisierte und sich wie ein Sturmangriff auf seine Stellung ausnabm. Die Erinnerung an diese Attacke kann eines Tages nütz lich sein. Vie fflirir in sturrlans. Die Aoinniissisn Bulygin». Am 28. März soll, wie ein Telegramm auS Peters- bürg besagt, die erste Sitzung unter dem Minister deS Zinnern Bulygin stattsmden, zwecks Beratung der Re formen. Es sind bereits eine Reihe Vorarbeiten dazu ge- macht, bestehend in der systematischen Auswahl von Gesetzen über westliche ParlamentLernrichtungen, sowie meritorischen Untersuchungen früherer Beratungen von Körperschaften in Rußland. Bulygin hatte bereits verschiedene Privatsttzungen in dieser Angelegenheit mit Fachmännern, speziell Landschasls- vertretern. Ties ist die erste Nachricht, die endlich bezüglich des Ganges des allerhöchsten Reskriptes vom Z. März bekannt wird. Erwartet wurde sie bereits unge duldig, da das Vertrauen zu den Kommissionen stark er- schultert ist, die alle bisher wenig Ersprießliches gezeitigt haben. Wie einer anderen Depesche zu entnehmen ist, empfing der Minister des Innern eine Deputation angesehener Juden, die ihm nahelegten, daß daS Reskript über ine Ein- berufuna einer Volksvertretung die Juden unvorbereitet getroffen habe. Weder durch die Semstwos, noch den Adel oder die Bauernschaft stehe ihnen der Weg zur Volks- Vertretung offen. Einzelne Nachrichten. In einer brieflichen Meldung, die das ,.N. W. Journ." aus Petersburg empfing, wird versichert, daß am 17. ein Bombenattentat gegen das Haus des Prokurators des heiligen Synod, Pobjedonoszew, stattgefunden habe. — Nach einer Meldung aus Jekaterinoslaw ver weigerte die Verwaltung der neurussischen Gesellschaft die ge forderte Lohnerhöhung. Die Hüttenwerke in Jusowo und die Kohlengruben im Kreise Bachmut sind geschlossen. Die Entlassung von 13000 Arbeitern steht bevor. — Aus Helsingsors meldet daS Bureau Ritzau: Der Mann, der den Mord an sch lag gegen den Gouverneur Mja- s 0 jeb 0 w m Wibora verübt hat, ist verhaftet worden; er heißt Matti Reinette. Der Attentäter hat auf den Gou verneur drei Schüsse in dessen Bureau abgegeben; man glaubt jetzt, daß die Verwundungen des Gouverneurs nicht lebensgefährlich sind. ver imsiscd-japanstche Krieg. Zn Anropntkin» Lntschlnh daS Kommando der 1. Armee zu übernehmen, meldet eine, wie es scheint, erkünstelte Petersburger Depesche: Kuropatkm befand sich bereits auf dem Heimweg nach Europa, uils er plötzlich umkehrte, flbach einer Unterredung mit General Linsewitsch sandte er ein in rührenden Worten abgefaßtes Telegrammanden Zaren, worin er sagte, eS sei ihm unmöglich, den Kriegsschauplatz zu ver lassen, der ihm heilig fei. Er sei bereit, als einfacher Soldat dort zu verbleiben. Er bitte den Zaren, ihn mit dem frei gewordenen Kommando der 1. Armee zu betrauen, und hoffe, dort Gelegenheit M bekommen, seinen Rus als Heer führer wiederher zu stellen. General Linjewitsch sandte ebenfa11sein Telegramm an den Zaren, in welchem er die Bitte Kuroootkins unterstützt, worauf umgehend eine zustimmende ^lntwort des Zaren eintraf. Arieg»rat in Aar»koje Sfel». Nach einer zweiten Petersburger Depesche wurde gestern unter dein Vorsitz des Generals Dragomirow ein Kriegsral abgehallen, in dem über di« Fortsetzung oder Be endigung des Krieges beraten wurde. Nach längerer Debatte, an der sich alle Mitglieder des Kriegsrats beteiligten, wurde die Fortsetzung des Krieges mit allen gegen eine Stimme beschlossen. Durch die sofortig« Mobili sierung werde das Gleichgewicht wiederbergestellt werden. Jedenfalls dürst« die Tatsache, daß 3—«00 000 Mann neuer Truppen demnächst auf dem Kriegsschauplatz erscheinen werden, die Japaner zum Nachdenken veranlassen. Da» Schicksal de» General» Gripenbera gestaltet sich, noch einer neueren Meldung, für diesen wenig erfreulich. Er ist zum Mitglied des Alexander- ko mite eS für Verwundete ernannt und damit kaltgestelll worden. S«in plötzlicher Entschluß, di« Armee im kriti schen Moment zu verlassen, wird immer noch stark verurteilt. Die ^läne der Japaner. Ein Telegramm berichtet, daß Oku und Nodzu die Russen stark bedrängen. Kamimura rückt auf Kirin vor, dessen Besetzung Lyama beschlossen hat, um eine weitere Konzentration der russischen Armee zu verhindern. Aus japanischer Seite will man weitere Reserven nicht mobi lisieren, da man überzeugt ist, daß der jetzige Truppenbeitand genügen werde, den Feldzug zu beenden. Der russische Sanitätsdienst. Nach einer amtlichen Meldung aus Petersburg ist für die Dauer des Krieges gestattet worden, Arztstcllen mit Studenten der Medizin oder Hörerinnen der medizinischen F-rauenkurs« zu besetzen, ferner Personen, die mit Diplomen ausländischer Universitäten versehen sind, zuzulassen, falls diese dort das Staatsexamen bestanden haben oder wenigstens 2 Jahre in Krankenhäusern praktisch tätig gewesen sind. Aus wärtige Aerzte, die in russische Dienste treten wollen, müssen außer der bezüglichen Erklärung Zeugnisse über das Staatsexamen oder ihre Praxis in Krankenhäusern an die Verwaltung des Ober-Medizinal-Inspektors einsenden. — In Petersburg zirkuliert das Gerücht, daß der in Mukben zurückgebliebene Bevollmächtigte des Roten Kreuzes nebst den Aerzten und barmherzigen Schwestern, sowie dl« Verwundeten in den Lazaretten von Chinesen ermordet worden seien. (?> Die Meldung stammt von flüchtigen Sanitätssoldaten. Behauptungen -e» japanischen Gesandte« in London. Der Londoner Korrespondent deS „Matin" berichtet seinem Blatte, der Londoner japanische Gesandte habe ihn ersucht, solacndc Tatsache bekannt zu geben: „Im Juli vorigen Jahres befand sich Herr von Witte in Berlin und be fragte mich im Namen des Vorsitzenden des russischen M l n i st e r k 0 m r t e e s, ob ich bereit sei, mit ihm in irgend einer europäischen Stadt zusinnmenzutreffen, um über die Friedcnsfrage zu beraten. Ich antwortete, daß ich den Vorschlag ablehne. Witte verließ Berlin und reiste nach Petersburg zurück, ohne daß ich weitere Nachricht von ihm erhielt." Feuilleton. Oie Wehrlosen. Von Charlotte EilerSgaard. Autorisierte Ueberseyung von Wilhelm Thal. Nachdruck Verboien. Karen sagte den Eltern gute Nacht. Tie Mutter küßte sie wärmer als gewöhnlich. „Wenn dich etwas drückt, mein Kind, dann komm nur damit zu deiner Mutier. Du sollst keine Vorwürfe bekommen, was es auch sein mag. Vergiß nicht, deine Mutter ist deine beste Hülfe und wird stets deine zuver- lässigste Freundin sein." Karen wurde gerührt. Es war so schön, die Lieb kosungen der Mutter zu fühlen. Sie hätte ihr gern alles vom Kandidaten erzählt. Aber es war ja gor nichts. Sre wußte gar nicht, ob er wirklich den Versuch machen würde, mit ihr in den Anlagen zusammenzu treffen. Sie begnügte sich deshalb, die Mutter zu küssen und lief dann hinauf in ihr kleines Zimmer. Der Later rief ihr nach: »Ja, geh' du nur hinauf und schlaf dich in deinem guten, weichen Bett aus und danke Gott dafür, daß du efl host. Es gibt viele, die dich darum beneiden Darum und um deine gesegnete Jugend. Du kannst schlafen, sobald du nur den Kopf auf das Kissen legst." — Als Karen in ihr kleines Zimmer hinaufkam, dachte sie doch nicht ans Schlafen, dazu, meinte sie, wäre die Sommernacht zn schön. Sie ging znm Fenster und sah in den Nachbarparton hknuuter. Ein würziger Tust stieg von allen Bäumen und Sträuchern des Junimonats zn ihr empor. Die Lpsclbäume standen da wie Schneehaufen. Sie bekam first Lust, all' die ruhige, weich« Schönheit zu umfassen. DaS alles hatte sie so oft gesehen, und doch nie wie an freiem Abend. Ihr war es, «IS lebte dieselbe Füll«, derselbe Trieb auch in ihr. — Ein etwas schien ihr« k^rust zu svrengen, aus ibr derouswachien zu wollen. Ein etwa», da» sie so wunderbar erfüllte. DaS stimmte sie gleichzeitig fröhlich und traurig. Aber leer war es nicht mehr in ihr. Im Gegenteil, es war so voll, so voll. Wieder durchlebte sie den Tag. Es war doch wohl häßlich von ihr, daß sie so oft mißvergnügt war. Es war ja herrlich, zu leben und sich jung, stark und n>arm zu fühlen. Sie bekam ordentlich ein tiefes Mitleid mit ihren Eltern, die unten in ihren Betten lagen und alt waren. Es dauerte doch mindestens eine Ewigkeit, bis sie deren Alter erreichte. Ja, sie vxrr gewiß nun wieder verliebt. ES war merkwürdig, daß sie so sehr nach diesen Liebeleien ver langte. — Ob sie wirklich ein leichtsinniges, junges Mädchen war, da? so schnell vergessen und ebenso schnell wieder aufflammen konnte? — Oder phantasierte sie sich vielleicht jede unbedeutende Kleinigkeit zu einer großen Begebenheit zurecht, weil sie so still lebte? Aber der Kandidat >oar nichts Unbedeutende?. Und diesmal war es vielleicht eine wirkliche, ernste Liebe. Sie konnte seinen Händedruck ordentlich noch fühlen. Er nahm ihre Hand so vorsichtig und doch so fest und sie drückte ganz leicht wieder. Es ivar merkwürdig, daß sie das wagte. Der gnädigen Frau gegenüber hatte sie e§ nicht gewagt. Eigentlich sollte man der gnädigen Frau garnicht die Hand geben, sondern sich nur ehr- furchtsvoll vor ihr verneigen. Ob Frau Höegh nicht die Sitte einfiihrcn konnte? Jetzt wanderten Karens Gedanken zum Morgen und dem Morgenspazierganp. Am ehrbarsten war eS gewiß, wenn sie garnicht spazieren ging. Aber tvarum sollte sic es eigentlich unterlassen? ES war dach wirklich sehr unschuldig, einen schönen Morgenspazierganp zu machen. Und wenn er zufällig denselben Weg ping, war es ja auch sehr natürlich. Sie konnten doch ganz gut Zu sammengehen. denn sie naren ja beide einander vor gestellt und batten auch zusammen bei der Tafel pe- lessen. Selbstverständlich würde sie wie gewöhnlich ihren Morpenspaziergang machen. Dirsilercht würde sie sich auch ein bißchen putzen Li« ging in Gedanken ihre nicht sehr entwickelte Garderobe durch, schloß dann da» Fenster, ging zum Schrank und nahm heraus. Zum Morgenspaziergang war es wohl nicht passend, das Sonntagskleid anzuziehen. Die Eltern würden dann gewiß mit vielen Fragen kommen. Doch mit den wenigen Kleinigkeiten, die ihr zur Verfügung standen, konnte sic sich wohl schmücken. Sie nahm einen großen, wcißgestickten Kragen aus ihrer Schublade. Er war für ausgeschnitten gearbeitet und sie heftete deshalb das hochschließendc Kleid etwas ein. Darauf nahm sie das Licht und ging zum Spiegel, um zu sehen, ob es sic kleidete. Ja, sie sah recht nett und doch bescheiden darin aus. In der altmodischen, romantischen Zeit hätte sie damit einer anmutigen Pastorstochter ähnlich gesehen. Aber Karen hatte eine Ahnung, daß die jungen Herren der Neuzeit etwas größere und andere Ansprüche au die Garderobe einer Dame stellten. Aber sie konnte nun einmal nicht feiner werden. Und was sie da im Spiegel sah, war auch gar nicht so übel. Zum Schluß wollte sic sich die .Haare brennen. Sie machte einen Griffel am Licht warm und finp an, sich vorn die Haare zu kräuseln. Wenn es morgens ausgekämmt wurde, nahm es sich ganz natürlich aus. Als sie mit den Vorbereitungen fertig war und das Licht löschte, um zu Bett zu geben, war sie wieder die alte, vernünftige Karen. Sie war fast ärgerlich über sich selbst. Tu bist eine rechte Gans, dachte sie, genau wie die, von denen zwölf auf das Dutzend gehe». Da läufst du nun herum und träunrst, dasselbe wie die Männfr ouSrichten zu wollen. Ob du eigentlich ein besserns Schicksal verdienst, als zu Hause bei Vater und butter zu sitzen, Dielen zu scln-uern und Halstück-er zu strickest? Es war wohl auch da» Beste, wenn sie. gehorsam gegen ihren Vater, dem lieben Gott für das gute, warme Bett dankte. Ach, cs war so heiß, dieses Bett, man konnte gar nicht darin liegen. Und sic erinnerte sich an die schönen, seidenen Decken, die sie in den Schaufenstern der Läden gesehen hatte. Wenn st? sjch dem Kandidaten verheiratete, wollte sie nur Sei!d« haben, nur Serbe. Mit dem Kandidaten verheiratete! Ob sie sich über haupt verheiratete? Ja, warum denn nicht, selbstver ständlich verheiratete sie sich. Endlich kam Stuhe über sie und gute Träume er freuten ihren Schlaf. Der Mond war hervorgekommen und beschien ihr Gesicht, das in größerer Freude lächelte als je am Tage. — — — — — — — — — Am nächsten Morgen begegnete Karen dem Kandi daten richtig in den Anlagen. Als sie ihn sah, fühlte sic sich versucht, in einen Seitenweg abzubiegen. Es war so eigentümlich, mit ihm zusammen zu treffen. Aber in demselben Augen blick grüßte er und beschleunigte seinen Gang. Sie war also genötigt, zu bleiben. Kurz darauf gingen sie ungeniert nebeneinander. Karen dachte nicht weiter daran, ob es richtig oder nicht richtig war. Sie nxnen nur jung und empfanden eine große Freude, daß sie beisammen waren. Von jetzt ab wurden Karens Morgenspaziergänpe zu kleinen Stelldicheinen. Zuletzt suchten sie unwillkürlich die einsamsten Wege ans. Und sie gingen Arm in Arm. Ja, es gcschab sogar, daß sie auf versteckten Bänken saßen und sich küßten. Karen leistete keinen Widerstand. Sie ping in diesen Tagen wie in einem vollständigen Rausch umher und bildete sich ein, die große Liebe wäre jetzt gekommen. Sic wußte auch aus ihren Büchern, daß es unweiblich war, nach Ring und Verlobuupsanzeige zu fragen. Alle diese äußeren Zeiclxm kamen, »nenn die Zeit heran- nahte. Das einzige, das Karen quälte, toor der Ge danke. daß sie gegen die Mutter nicht offen und ehrlich l>erausrücken konnte. Eigentlich betrog sie sie ja, und bas verdiente ihre Mutter nickst. Ihr war es zuweilen, als sähe die Mutter sie mit forschenden Augen an. Aber daS half nichts, jetzt war eS rein unmöglich, damit auf zuhören. Mnttcr würde ja auch gar nicht begreifen, wie gerade die beiden miteinander standen. Die Zeit war jetzt ganz ander« al» in Mutter» Jupend. Und natürlich konnte sie alle» erzählen alle« Mögliche Nur nicht, wa» io rem persönlich sie selbst anping All da» Feine und Schöne, ja do» Schönste, wa» Karen je erlebt.
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