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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.07.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050712027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905071202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905071202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-07
- Tag1905-07-12
- Monat1905-07
- Jahr1905
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BezugS-PrelS bi d« Haupttrpedtti»« oder d«« *«sqaS». slrllro abgeholt: vierteljährlich L—, bei zweimalig« täglicher Zistell»«, sttt tzmtt 8.7L. Durch di, Bost bezgge» für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ^l 4U10, für dir übrigen Läada laut Üettunqävreiäliste. Dies, «ummer tostet 4^ ML aus allen Bahnhäte» and III I bet den üeüungr.verkäus«n s * Aedattts» ««» Vr»ehtti«,r 1ÜL Fernsprecher «iLL Johanniägasse 8. daupt-Filtal, Dreabenr Marienstratz« 84 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1718). Haiipt-Filtalr Berlin> TarlDuucker, Drr»gl.Bayr.tzofbuchbaadln, Lützowmakr tO (Fernsprecher Amt VI Nr. 4MS). Abend - Andgabe. MpMcr TagMM Handelszeitung. Ämtsblatt des Hönigt. Land- und des Lönigk. Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Notizeiarntes der Ltadt Leipzig. Auzrigen-Preis die 6 gespaltene Petitzelle LS Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanziell, Anzeigen. Beschästtanzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Laris. Die 4 gespalten« NeNamrM, 78^. An»«t»escht«tz skr ««zeige«: Abend-A««« ad» vormittag« 10 vhr. M»rg«».Uusgab« Nachmittag« 4 Uhr. Anzüge« fiad stet« an dt,Ervrdttto, z» richte«. Ertra-Veilage« stt«, mit der Marge» Au«gaba) «ach besonderer L-rriabaruag. Die »rtttvtttan ist Wochentag« »nunlerbroch«» «eSfsoel vo» früh 8 btt atxnd« 7 Uhr. Druck und Verlag vo« G. Volz in Leipzig (Inh. ttr. B„ R. L W. Klinkhardtl. Herausgeber: vr. Victor Klinkhardt. Nr. 35«. Mittwoch 12. Juli 1905. 99. Jahrgang. Var lvicdligne vom Lage. * Nach einem un« aus Hannover »»gehenden Privat telegramme haben die Senate der preußischen technischen Hochschulen generell dieBeschränkung des Studiums derAualändrr durch Erschwerung der Aufnahmebedingungen für die kommenden Semester verfügt. * Gestern abend erreichte auf der Zeche „Borussia" die Bergungskolonne den Brandherd und sand drei Leichen. (S. Vermischte«.) * Aridem schweren Grubenunglück inWattstown in England kamen 128 Bergleute ums Leben; 89 Leichen wurden bereits geborgen. (S. Vermischtes.) - * In New Aork ruht wegen furchtbarer Hitze jeg licher Geschäftsverkehr. (S. Vermischte«.) * Der Zar hat den zum Marineminister ernannten Admiral Birelew empfangen. * Die koreanische Gesandtschaft verläßt demnächst Petersburg, da Korea unter japanischem Protektorat steht. * Die französische Regierung wurde auf diploma tischem Wege von der chinesischen Regierung ersucht, dahin zu wirken, daß die Rückgabe der Mantschurei an China durch ein Dokument erfolge» welche« die Unter- schrlften der Bevollmächtigten Japan«, Rußlands und China« trage. vrr Livirt i» «er rScdrirchen Fekormpami. Einer unserer Mitarbeiter in Dresden hat Gelegen heit genommen, über den Zwist innerhalb der sächsischen Reformpartei, der auf dem außerordentlichen Parteitage in Dresden am Sonntage zu lebhaften Szenen führte, dieAnsichten des Führers dei^Partei, des Reichstags- und Landtagsabgeordneten Zimmermann, in einer eingehen den Unterredung einzuholen. Angesichts der nur sehr dürftigen Berichte, die über den Verlauf jene- Partei tages in die Oeffentlichkeit gedrungen sind, vermag eine auS den Aeußerungen deS Parteiführers gewonnene Darstellung der Sachlage, wenn sie auch keinen Anspruch auf absolute Objektivität macht, doch einiges Neue bieten. ES ist richtig, daß die erst neuerdings publik ge wordene Gegnerschaft der „Deutschen Wacht" gegen die Parteileitung, speziell gegen den Vorsitzenden, Abg. Zimmermann, bereits seit längerer Zeit latent vor handen war. Diese Gegnerschaft beruhte weniger auf einer Verschiedenheit der Anschauungen über politische Programmpunkte, als auf einer solchen über tak - tische Fragen. 2^ie Beschwerden der Parteileitung gegen die „Wacht" setzen sich zusammen aus einer großen Masse einzelner, an und für sich vielleicht nicht so schwer wiegender Tatsachen, die aber durch ihre Häufung zu dem Schlüsse führten, daß die „Wacht" nicht mehr offi- ziellcS Parteiorgan fein wolle und auch nicht mehr sein könne. Die Widersetzlichkeiten des Parteiorganes wuchsen von dem Momente, als im Juni d. I. Herr Götze als Gesellschafter in die „Deutsche Wacht" eintrat. Ein im Juni erschienener Artikel „Partei und Presse" leugnete direkt das Verhältnis, in dem die „Deutschs Wacht" bis dahin satzungsgemäß zu der Partei, nämlich als offizielles Parteiorgan, gestanden hatte, so daß auch für die Partei Anlaß gegeben war, hier reinen Tisch zu machen. Diese Dinge beschäftigten im wesentlichen die außerordentliche Parteiversammlung am Sonntage. Mit Ausnahme eines einzigen nahmen sämtliche Redner gegen das Verhalten der „Wacht" Stellung, und das dem Parteivorsitzenden Abg. Zimmermann erteilte Ver trauensvotum batte die Stimmen sämtlicher 124 Dele- gierten und Stimmberechtigten. Tie schließlich trotzdem auf einen Antrag Ablhelm hin gewählte sechsgliedrige Vermittelungskommission hat inzwischen bereis« eine Sitzung abgehalten, ohne daß ein Resultat feststände; wenn wieder eine Einigung zustande kommt, so dürfte die» au» der zwingenden Erkenntnis heraus geschehen, daß einerseits der Reformpartei in Sachsen ein andere» Organ als die „Wacht" nicht zur Verfügung steht, und daß andererseits dis Parteimitglieder, die Eigentümer der Zeitung sind, ohne die Partei noch größere Verluste als bisher erleiden würden. Von dem Delegierten Herrlcin wurde auf dem Parteitage übrigens eine nicht uninteressante Nachricht zur Sprache gebracht, daß nämlich der Bürgermeister von Wien und Führer der christlich-sozialen Antisemiten in Oesterreich, Dr. Lueger, vor ca. 3 Monaten in Berlin gewesen sei, und zwar, um die „Staats- bürgerzeitung" anzukaufen und durch sie in seinem Sinne auf die öffentliche Meinung einwirkcn zu lassen. Die Richtigkeit dieser recht unwahrscheinlich klingenden Meldung wurde fest versichert: Lueger soll sogar, al» die Verhandlungen sich zerschlugen, gedroht haben, in Berlin ein eigenes Organ christ- lich-sozialer Richtung zu gründen. Was die B e t e i l i g u n g der Reformer an den Landtagswahten, die einen weiteren Punkt der Tagesordnung des Parteitage» bildeten, an langt, so sollen al» reformerische Kandidaturen nur die der Herren Enke in Leipzig und Ahlhelm in Freiberg gelten. Ahlhelm wird in Freiberg von dem Mittel- standsbunde und den Reformern aufgestellt: an der Nachricht, daß die Reformer in Wilsdruff die Kandidatur Ahlhelm ablehnten, soll nichts wahres sein, ebenso wird die Nachricht von einer Kandidatur des Ritterguts besitzers Frhr. v. Wangenheim in diesem Wahlkreise be stritten. Die Kandidatur des Fabrikbesitzer» Kunath in Dresden, die gelegentlich al» eine konservativ-reforme rische bezeichnet worden ist, soll als eine rein konser vative angesehen werden; Kunath war zwar bis zu'seiner Aufstellung Reformer, ist jedoch al» Konservativer von Konservativen ausgestellt — waS die Reformer aller dings nicht hindert, ihn zu unterstützen. Wegen eines dritten Wahlkreises schweben noch Unterhandlungen wegen einer reformerischen Kandidatur, e» ist jedoch fraglich, ob sie zum Ziele kommen. ver krkolg stouvirrr. Es ist sehr von Belang, daß abermals die „Kölnische Zeitung" sich gegen eine mißverständliche Beur teilung des Ueoereinkommens -wischen Rouvier und dem deutschen Botschafter wendet. Sie schreibt in höherem Auf trag: So ist z. B. die Festsetzung, daß auf dem Gebiet der Verwaltung und Polizei Reformen „pour uns oourls 6ur«o" eingesührt werden sollen, mehrfach so verstanden worden, als ob eine internationale Kontrolle nach kurzem zugunsten einer einzelnen Macht Wegfällen solle. So ist das natürlich nicht gemeint, es soll vielmehr damit D i n g d e r Ü n m ö g l i ch ke t Hand gegen England zu kämpfen. — , ... die lieber! eg enheit Englands zur See zu stür zen. Für ein Kriegsschiff, welches wir bauen, baut England deren fünf. ES ist daher besser, sich vor der, kalten Vernunft zu beugen und auszurechnen, was uns die Mitbülfe der Macht Englands bei gewissen Eventualitäten nützen kann. Was uns diese eventuelle Mithülfe bedeutet, ist die tatsächliche Unfähigkeit Deutschlands, uns mit Krieg zu überziehen." In dem Interview führte Delcasse weiter auS: „Tie Gefahr eine» Konflikte» »wischen Frankreich und Deutschland seit Beginn der Verhandlungen in der Marokkofrage habe ich niemals ernst genommen. Im Falle eine» Krieges mit Deutschland hätte England Frankreich unterstützt und die im Werden begriffene, deutsche Kriegsflotte völ- tia zermalmt, sowie seine HandelSiNteresien auf unab sehbare Zeit lahmgelegt." gesagt werden, daß die international festgesetzte Kontrolle, wenn sie ihren Zweck, nämlich ordnungsmäßige Verhaltniisc. herbeigeführt haben wird, Wegfällen kann, aber nicht zu gunsten irgend eine« ausländischen Staate», sondern zu- gunstenoeS Sultans, der dann wieder m seine vollen Rechte tritt. Es liegt aus der Hand, haß FrankreiI und Deutschland, ehe sie zu einer Einwirkung auf den Lulran kommen können, sich selbst über das Programm geeinigt haben müssen. In den ausgetauschten Erklärungen ist bisher nur grundsätzliche Uebereinstimmuna sestgestellt, das eigentliche Arbeitsprogramm für die Konferenz, wird aber sehr viel mehr in die Einzelheiten eingeben müssen. Man wird sich zunächst darüber schlüssig zu wachen haben, welcher Art die Reformen in den einzelnen Verwaltungsgebieten sein sollen, sodann aber auch darüber, welchen Organen man ihre Ausführung anvertrauen soll. Es kann dabei die Frage auftauchen, ob ein bestimmter VerwaltungSzweig den Ange hörigen einer Nation übertragen werden soll oder ob, map die Verwaltunaskontrolle nach abgearenzten Bezirken einzel nen Mächten iivertragen soll. Die bloße Aufwerfung solcher Fragen zeigt schon, wie schwer es ist, sie in allseitig be- sriedigenver Weise zu regeln, und der Diplomatie steht da noch eine gar nicht leichte Aufgabe bevor. Der freundliche Herr Delcasss. Ein Redakteur deS „GauloiS" batte.mit Delcasse ein Interview. Herr Delcasse erklärte: „Eine ernste Politik wird nicht von Gefühlen geleitet, nicht mit Erinnerungen und Bedauern über Vergangenes gemacht: sondern vielmehr in der Gegenwart und unter Zugrundelegung der Interrüen der Länder." Frankreich dürfe nur eine Annäherung an E n g- land vornehmen, in welchem Lande der Handelsaustaulch bedeutend sei. während die deutschen Waren den fran-össichcn Markt überschwemmten. „Wenn wir die Sache genauer be trachten, so müssen wir uns gestehen, daß es für uns ein t ist, Mit den Waffen in der en. Wir sind nicht imstande. grtvalttaten in ftnrzian«. Die Luisrdung de« Grafen Schuuralew. Au« Petersburg wird gemeldet: Die Nachricht von der Ermordung de« Moskauer Stadthauptmanns Schuwalow wirkte hier niederschmetternd. Al« der Zar die Nach richt erhielt, erlitt er einen derartigen Nervenchoe, daß seine Umgebung in die höchste Besorgnis geriet. Wie verlautet, ist die beabsichtigte Reise de« Zaren und seiner Familie nach Moskau auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Nach den Aussagen de« Mörder« gelang e« der Polizei, mehrere geheime Zusammenkunftsorte der Revolutionäre, sowie eine Bombenwerk st ätte auszuheben. Bon irgend einer Seite wird das Gerücht verbreitet, daß Gras Schuwalow, ein persönlicher Freund de« Zaren, sich selbst erschossen habe. Die Mannschaften der „Petemkin". Nach einem Telegramm aus Bukarest haben alle Matrosen deS „Potemkin" bereit« Arbeitsengagements erhalten, sodaß sämtliche in Rumänien bleiben. Vorgestern beschimpfte der Portier der russischen Gesandtschaft einen Matrosen. Die Passanten ergriffen sür den letzteren Partei und vertrieben den Beamten. Die Matrosen be nahmen sich ruhig. In G--fsa. Wie aus Odessa gemeldet wird, ist e« zwischen dem Militär und der Polizeibehörde zu Meinungsverschiedenheiten über die Fortdauer deS Belagerungszustandes gekommen. Viele Hunderte werden täglich au« Odessa «»«gewiesen oder verhaftet. — Di, jüdischen Gemeinden von Odessa sind überzeugt, daß bei der bevorstehenden Hetze gegen die Juden dem Militär die Hauptrolle zusallen werd». Graf Jgnatijew, der gegenwärtig zur Beruhigung der Bevölkerung nach Südrußland gekommen ist, soll einem Abgesandten der süvrussiscben Jndengemeinven gesagt haben: „Die Regierung wird mit euch euren Regeln gemäß verfahren; Auge um Auge, Zahn um Zahn". Die Odessaer Juden wandten sich an die öffentliche Meinung der ganzen Welt. Ara walle in Minsk. Aus Minsk, 12. Juli, meldet ein Telegramm: Gestern abend versuchte eine nach Tausenden zählende Volksmenge eine Kundgebung zu veranstalten. Dir Kosaken feuerten auf die Menge, die mit Revolverschüssen ant wortete. Die Zahl der Verwundet«» ist noch nicht ermitielt In Tifli-. Nach einer Meldung aus Tiflis wurden bei einigen Haussuchungen tt2 Bomben gesunden. Auf der Station Michailowo wurde rin Mann verhaftet, der Bomben bei sich sübrlk, ebenso ein Geistlicher, bei dem Revolver, über hundert Patronen und ein Dolch gefunden wurden. politirche Lagerrctzau. Lechzt», 1- Juli. Die christlichen nnl» die chzialdcmokrattschcn Gewerkschaften. Durch ihr auffälliges Verhalten gegenüber der Sozial demokratie, daS hi« zum Streichen des Gegensatzparagraphen ging, haben die christlichen Gewerlschaften die Kritik auch von sozialpolitisch stark engagierten Parteien und Organen hervorgerufen. Auch die „Nordd. Allgem. Zig." hatte sich mit den Vorgängen beschäftigt. Daraufhin fühlen die „Christlichen" nun doch die Notwendigkeit eine« Recht fertigungsversuches, den sie in der „Köln. VolkSztg." an stellen. Dem Blatte geht aus christlichen Gewerkschafts kreisen ein Artikel zu, in dem eS heißt: „Bei Eröffnung des Frankfurter Kongresse- der christlich nationalen Arbeiter im Jahre 1903 bemerkte der Vorsitzende gegenüber der „Kreuzzeitung", welche die zur Verhandlung stehenden Punkte bemängelte: „Uns al« bloßen Sturmbock gegen die Sozialdemokratie gebrauchen zu lassen, müssen wir ablehnen." Diese« war der Standpunkt de« Gewerk verein« christlicher Bergarbeiter von jeder und wird e« auch sür die Folge bleiben. Die christliche Gewerkschaftsbewegung hat in der Hauptsache die Aufgabe, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Angehörigen entschieden zu vertreten. Dadurch wird den Arbeitern der Beweis erbracht, daß energische Wahrnehmung ihrer gerechtfertigten wirtschaftlichen Interessen und Sozial demokratie nicht identisch sind. Wenn bei diesem Beginne kurzsichtige Arbeitgeber die christlichen Gewerk- Ichajten als „ichlimmer wie die Sozialdemokratie" hinstellen, so vermag diese haltlose Beschuldigung deren Tätigkeit nicht zu beeinträchtigen. Todreden läßt sich die sozialdemokratische Bewegung nicht. . . . Inwie fern der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter durch die Beitragserhöhung und „eine so scharfe Kampfstellung gegen das Unternehmertum" dem „grundsätzlichen Klaffenkampfe" sich genähert haben soll, bleibt so lange unverständlich, als die Werksbesitzer de« Ruhrbezirk« sich hartnäckig weigern, den Bergleuten bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen ein korporatives Mitbestimmungsrecht einzuräumeu. Heißt es doch auch in einem Kaiserwort: „Den Arbeitern soll die Ueber- zeugung beigebrachl werden, daß sie eia gleichberechtigter Stand im Staate sind." ... Bezüglich deS seitherigen tz 4 de« Statuts deS Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter, der die grundsätzliche Gegnerschaft zur Sozialdemokratie markierte, dürste die Keststellunavon Interesse sein, baß weder in den Statuten der christlichen Textilarbeiter, Bauhandwerker, Metall-, Holz-, Hilfsarbeiter usw. sich ein ähn licher Paragraph befindet ; niemand wirb aber „eine Annäherung an die Sozialdemokratie" seilen« dieser Verbände jemals bemerkt haben. Nachdem der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Feuilleton. io! Vie beiden Hallerrnunds. Von A. Dom. Nachdruck verboten. Loni faltete ganz mechanisch den Brief in dieselben Kniffe zusammen und ließ ihn wieder in ihre Tasche gleiten. Die Liebesphrasen, die der verheirateten Frau gespendet wurden, kamen ihr etwa» aufgeschraubt vor, indessen, ihre Gedanken konzentrierten sich immer wieder auf den einen Punkt. Ditti, ihr kleiner, herziger Schutzbefohlener. Vor ihrem inneren Auge stand wieder der Graf, der in so tiefinniger Zärtlichkeit seinen Sohn immer noch einmal an sich drückte beim Abschied, der so besorgt, mit so warmen Worten die Kinder ihrem Schutz empfahl. Diesem Manne raubten zwei sündige Menschen Ehre und Glauben und Vertrauen, und wenn er nicht beizeiten gewarnt wurde, auch den Sohn. Loni martert« sich ab, um einen rettenden Ausweg zu finden. Aber wie Wiel Der Graf war in SclMien. Bevor er hier sein konnte, mußten Tage vergehen, und Loni schien es, als würde die desperate Frau nicht viel« Stunden mehr warten, um ihre Pläne auszuführen. Und das arme Mädchen kam sich immer hilfloser vor, und daneben stand das häßliche Gespenst, das ihr grinsend zuzuflüstern schien: Eine Angeberin willst du sein, dich in ein Familiendrama einmischen, die Sünde noch mehr aufwühlen? — O, hätte sie doch nichts gehört, nichts gesehen: den unheimlichen Gang der Schuld, konnte sie ihn hindern? WaS gebot die Pflicht ihr, zu tun? Konnte, durfte sie nun schweigen? Im tiefsten Herzen fühlte Loni mehr Mitleid als Ver achtung für den Mann, der in der dämonischen Gewalt dieser rothaarigen Frau gar nicht gegen die schrankenlose Selbstsucht der Gräfin aufkommen konnte. Leichtsinn, zügellose Leidenschaft, heißes Begehren hatte die Beiden vereint. Und Loch, und -och, es hatte etwas wie Reue in seinen wilden Augen gelegen, aber so eine hoffnungs- lose Reue, die zu spät gekommen war, viel zu spät. Mit allen ihren Sinnen und Sorgen verging unauf- baltsam die Zeit, und Loni mußte ihre Schulstunden mit den Kindern beginnen. Sie fühlte sich in der Tat beinahe krank von all dem Denken und konnte nur mühsam ihr« Gedanken für den Unterricht sammeln. Ulla war allein, Ditti befand sich noch bei seiner Mama. Und währen des Unterrichte» betrat die Gräfin, den kleinen Sohn an der Hand führend, das Zimmer. Sie war noch in ihrem losen Morgengewand, nur den Pelz hatte sie abgetan, und Loni schien eS, al» sei die Gräfin unruhig, nervös, und al» kämpfe sie mit Mühe gegen diese Stimmung an. Die grün-grau schillernden Augen funkelten und senkten sich durchdringenden Blicke» auf Loni» blasse» Gesicht. „Sie sehen wirklich leidend au», Fräuleins" sagte sie. „Lassen Sie doch, beenden Sic nur den Unterricht, e» macht ja nichts auS, und Ihnen wird'S sichtlich nicht leicht heute. Waren Sie noch gar nicht heraus diesen Morgen?" Loni fühlte beinahe mit Grauen den lauernden Blick au» halb verschleierten Augen. Sie beugte sich über Ulla» Schreibhefte, und indem sie sie sorgfältig zusammen legte, suchte sie, da» ihr wieder wild klopfende Herz zu beruhigen. „Mein Kopf schmerzt und ich hatte mich deshalb noch in meinem Zimmer auSgeruht!" antwortete sie, Li« direkte Frage der Gräfin umgehend. «Aber es geht mir viel besser, ich kann den Unterricht ganz gut fortsetzen." „Nein, nein. Gehen Sie mit den Kindern lieber in» Freie. Oder noch besser. Sie können einen Wagen nehmen und spazieren sichren. Haben Sie schon einmal eine Jacht gesehen, Fräulein?" — „ Neinl" . „Ah, dann wird es Ihnen Spaß macken, sich die de» Barons Unyadchy einmal anzusehen. Sie ist feit einigen Tagen hier die größte und schönste Jacht, die ich kenne. Ich werde Ihnen ein Briefchen an meinen Vetter mit geben, er wird, wenn er an Bord ist, Ihnen und -en Kindern mit Vergnügen die Einrichtung zeigen. — Sollte er nicht da sein, tut's sein Kapitän." Ulla tanzte vor Vergnügen um den Tisch herum und klatschte jauchzend in di« Händ«. „Ditti auch Ott sehen I" rief der Kleine. Seine Mama sprach da» Wort englisch au», und da- war seine Aus- spräche. Loni stammelte irgend etwas, aber der Jubel der Kinder war lauter als ihre Antwort. „Ja Ditti, mein Herzbube, du sollst auch mit", lächelte die Gräfin. „Machen Sie sich nur fertig, Fräulein, Sie sehen jammervoll auS, die frische Seeluft wird Ihnen gut tun. Dem Kutscher sagen Sie, daß er Sie zum Hafen fährt, dort mieten Sie ein Boot und lassen sich zum „Eros" hinaussegcln. Da» Schiff ist zu groß, um dicht am Hafen anzulegen, und ist eine Strecke weiter draußen. Man wird Ihnen da» Dejeuner an Bord draußen ser vieren. So ungefähr zur Teezeit, um fünf Uhr, komnie ich und hole Sie von dort wieder zurück. So, und nun adio, Kinder, grüßt mir den Onkel Janos, wenn Ihr ihn seht, — also bi» zum Nachmittag, Fräulein, und gute Besserung." Es war Loni einfach unmöglich, ihre Aufregung zu verbergen. Glücklicherweise war aber die Gräfin so von -em Jubel der Kinder mit fortgerissen, daß sie nicht au' Loni viel achtete, ihre Erregung vielleicht auch für Der legenheit nahm. Als die Wärterin die Kinder geholt, um sie zur Fahrt anzukleiden, stürzte Loni in ihr Zimmer, um mit fliegen der Hast auch sich fertig zu machen. Ihr stand das Herz beinah still vor Entsetzen, denn ganz klar durchschaute sie den Plan der Gräfin, die, durch den verlorenen Brief beunruhigt, ihre Abreise nun beschleunigte. Ohne Auf- sehen sollte sie mit den Kindern das Schiff betreten, IvelchcS jedenfalls den kleinen Ditti seinem Heim ent führen sollte. WaS man schließlich mit ihr und Ulla an fing, war ja Loni noch unklar, indessen Mittel und Wege, sie mit der Komtesse irgendwo landen zu lassen, Netzen sich
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