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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.03.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060309012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906030901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906030901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-03
- Tag1906-03-09
- Monat1906-03
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Preis Morgen-Ausgabe tz, tzerch«l-t»rp«ditto» da« Hkn-gabn» stM, abgehott: vierteljährlich ^l LM, bet Nr. 123 100. Jahrgang. Freitag S. Miirz 1906. ' ll. i 4. 0. 1 4. v. 7. wärttgen Ausgabestelle« und durch di« Post bezogen für Drutfchlaud und Oesterreich vierteljährlich für die übrige» Länder laut ZettuuAtpret-list«. «UHaM« «H «r-etztttv«» Johanni-gass« 8. Lelephcm Nr. ISS. Nr. 2LL, «ik.1178. verltuer «eHatttonS-vureaur Sali» HIV 7. DorotheeuNrah« öS. Tel. I. Rr. SS75. Dresdner «edaktt-n--vnreaar Münchner Str, S. Anzeigru und Srtrabrilagrn nur tu der Morgen-Ausgab« Schlich da Annahme nachmittag« 4 Uhr. 3. 4 l. 5. tz- 1. ,i. V. 1. I. il n n. tz. .1. I. II. II. clc er. ch. N- II ,1. iS- Var AIcbiigtte vom rage. * 9m preußischen Abgeordnetenhaus kamen gestern Fragen der Eisenbahntarifreform zur Be sprechung. (S. Deutsche- Reich.) Anzeigen-Annahme: AugUstuSPlay 8, Ecke JodarrniSgaff«. Haupt-Ftliale Perlt»r EarlDuuck« r,Herzgl.Bayr^ofbnchhondlg., Lützowstraße 10 ^Fernsprecher Ami VI Nr. -SOS). Stltal-vrvevttiour Dresden,MarieastrLI. »u aeiteu innen, daß sie ssnd. Au»- WMr.TaMaü Handelszeitung. ÄinlsLsatt -es Maks und -es Nalizeiamks -er Lla-t Leipzig. * Di« Erst« Kammer de- sächsischen Landtages er ¬ ledigt« in ihrer gestrigen Sitzung den Kultuüetat, die Zweit« Kammer den Eifenbahnetat und die Ab änderung des GchlachtviehversicherungSgesetzeS und stimmt« der Wiedereinsetzung einer Zwischen deputation für deu StändehauSneuban zu. (Siehr ««richt.) * Dir Stadt Debreeziu beschloß di« Einstellung d«, psssiv«» Resistrnz. * Der Kaiser von Oesterreich-Ungarn sanktionierte gesteru da» allgemeine Wahlrecht für Ungarn. * In Athen habe» sich 1000 erzedierende Kreter ver schanzt. E- find Truppen gegen sie aufgeboten. (S. AnSl.) ein Volk erblickte, da- auf Grund der lateinischen Ab stammung den Franzosen zwar nahe stand, da- aber als Konkurrent am Mittelmeer niemals gleichwertig zu be handeln sei, so erblickt auch die dritte Republik für Italien nur zwei Möglichkeiten: entweder man verzichtet in Nom auf die Großmachtstellung und Gleichberech tigung am Mittelmeer und begibt sich als Kleiner in den großen französischen Schutz, oder aber Italien bleibt dreibundfreundlich und erfährt dieselbe Gegnerschaft seitens der Franzosen, wie wir sie zu Zeiten durchkosten. Es fragt sich, wobei Italien besser fährt. Wenn eS sich einbildet, Politische Erwerbungen zu machen im Gefolge Frankreichs, so tauscht eS sich, denn in Nordasrika hat Frankreich keinen Raum für feinen italienischen Freund. Höchstens nach Tripolis könnte Italien gehen, wenn es dort die Gefahren eines fanatischen Krieges auf sich nehmen will. Aber auch die Dreibundmächte würden durchaus nichts dagegen haben, wenn die Italiener in Tripolis das Feld der Ehre erblicken. Der Sultan der Türkei würde im Gegenteil Italien als Dreibundmacht noch eher im Wilajet an der Syrte dulden, denn als Freund Frankreichs, das es doch gerade in den letzten Jahren böse mit ihm verdorben hat. Auch in seiner Balkanpolitik würde ein dreibundfeindliches Italien sehr böse Erfahrungen erleiden. Die dynastische Ver schwägerung, das Liebäugeln mit Albanien sind nur einige Anzeichen für die Hoffnungen der Italiener auf die Ostküste deS Adriatischcn Meeres. Em dreibund- freundliche- Italien würde unter Umständen sich mit Oesterreich verständigen können, ein Feind des Drei bundes nie. Auf der anderen Seite aber wäre Italien als Freund Frankreichs finanziell allen Zufällen preis- gegeben. So sehr die Franzosen beute in Algeciras die Italiener umwerben, so leichten Herzens würden sie über sämtliche italienischen Interessen zur Tagesordnung über gehen, sobald ihr Vorteil eS gebietet. DaS letzte Wort spricht aber augenblicklich für Frankreich König Eduard von England, denn niemals würde Frank reich in Algeciras so weit vorgcgangen sein gegen uns, wenn nicht die englische Rückendeckung ihm den Mut dazu gemacht hätte. Der Ausfall der englischen Wahlen, die Reise König Eduard? nach Paris sind a>r Punkte, an denen, wenn nicht alle Zeichen trügen, der französische Kurs der englischen Politik eine neue Schwenkung ge macht hat. Bereits erklingt eS in der englischen Presse von Frieden und Freundschaft mit Deutschland, die Mög lichkeit einer Begegnung zwischen König Eduard und Kaiser Wilhelm wird lebhafter als fe erörtert. Dann aber, wenn wirklich eine deutsch-englische Verständigung und Annäherung zustande kommt, würde Italien der weniger Intelligente beim europäischen Spiel sein, denn eS hätte seine Intimität mii Deutschland, die eS bis heilte wertvoll machte, eingebüßt, ohne dafür einen Gegenwert einzutauschen. Denn was will ein frankophiles Italien bedeuten für eine germanische Konstellation in Europa? Es würde lediglich die Zeche zu bezahlen haben. ES ist andererseits wiederum kein übler Schachzug der französischen Diplomaten, daß sie uns gerade mit einem Abfall Italiens von der Dreibundpolitik graulen machen wollen. Wenn sie aber glauben, daß wir unS im geringsten an eine freundliche oder feindliche Haltung Italiens in Algeciras kehren, so dürfen wir ihnen nur erwidern, daß wir seit Jahren darauf gefaßt sind, un ganz allein unserer Haut zu wehren, und daß wir durch aus nicht — weder diplomatisch noch militärisch — auf die Hilfe Italien? zu rechnen gezwungen sind. Um gekehrt aber dürfte man in Rom den bewährten Beistand in Berlin bald schmerzlich vermissen. DaS kühle und selbstbewußte Auftreten der deutschen Delegierten in AlgeciraS dürfte über die wahren Stimmungen unserer Diplomatie genügende Aufklärungen geben. Wir rechnen heute mit einer Konstellation si In Kaunitz, ohne deshalb schlecht zu schlafen. Oesterreich hat sich in AlgeciraS als wirklicher Freund bewährt, sollte Italien zur Gegner- schäft endgültig abschwenken — wir werden die Kosten dafür nicht bezahlen. Dies« Nummer kost«« aus 4 /I INk all« vahahvsrn und bei III I d« Zett»ng«-vrrkSufrr, ^1 veulscvrr Zeicb. Leipzig, 9. März. * Vvdgetkommßfion HeS Netch-tageS. Nbg. Graf Oriola teilt mit, «S lägen eine Reihe Petitionen vor, welche eine Vergrößerung und den schleunigen Ausbau der Flotte über den Rahmen der Floltenvorlage hinaus verlangen. Abg. Singer spricht von einer Schuljungenpolitik. Die Abag. Müller-Sagan, Korfanty (Dole), Dahlem, Schöpflrn und Erzberger stellen die Agitation besonders de- Flotten vereins al» verwerflich hin. Dadurch wüide unsere Flotte beim Auslande dikSrcditiert. Staatssekretär v. Tirpiy erklärt, der Floltenverein sei ein völlig unabhängiger Verein; er sei vielfach mit der Art seiner Agitation nicht einver- standen, müsse aber auf da» Wärmste der patriotisch aus- klärenden Tätigkeit vieler Vereine gedenken. Bezüglich der Au-drücke „Schwimmende Särge" sagte der Redner, die Marineverwaltunqbabe selbst niemals die Schiffe der Siegfried- und Sachsenklasse als vollwertige Linienschiffe bezeichnet. Welche Verwendung diese Schiffe im Kriege fänden, wäre Sache der Admiralität. Auf eine Anfrage wegen der Kaiserjacht „Hohenzollern" führt der Staatssekretär aus, daß der Reichstag in den nächsten Äabren mit einem Ersatz für die sehr veraltete (?) für die Sicherheit de» Kaiser» nicht mehr «us der Höhe der Zeit stehende „Hoben zollern" sich werde beschäftigen müßen. Bestimmte Entschlüße seien zurzeit noch nicht gefakt. * Vom zollfreien GrenzHerketzr. Die zollfreie Einfuhr für Bewohner de» Grenzbezirk» io Elsaß - Lothringen ist wie folgt geregelt. Gmattet ist für die ganze -egen Frankreich gelegen« Greuzstreck« drr zollfrei« Ein ¬ breitet und zur Schau gestellt werden dürfen. Diese letztere Bestimmung ist nun in der Kommission einem Anträge des Abgeordneten Müller-Meiningen zufolge beseitigt und an Stelle dieses Satzes ist der Zusatz gemacht worden, daß auch ohne die erwähnte Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen: Bildnisse au» dem Bereiche der Zeit geschichte: Bilder, aus denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Oertlichkeit erscheinen; Abbildungen von Versammlungen, Auszügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargeffellten Personen teilgenom men Haven; Bildnisse endlich, die nicht au; Bestellung an- gefertigt sind und die zu einem höheren künstlerischen Zwecke ausgestellt oder verbreitet werden. Ganz abgesehen davon, das, ore im letzten Nachsatz enthaltene Einschränkung manche Schwierigkeiten in der zweifellosen Feststellung des Zwecke derartiger Bildnisse bieten wird, kommt aber das dicke Ende in der ergänzenden Bestimmung nach, daß die Verbreitung und Schaustellung untersagt ist, wenn ein berechtigtes Inter esse des Abgebildetcn oder in dessen Todesfälle seiner An- gehörigen verletzt wird. Darnach steht es also doch dem Ab gebildeten frei, die Verbreitung oder Schaustellung photo graphischer Bildnisse zu verbieten, wenn er dies in seinem ^berechtigten Interesse" für wünschenswert hält. Aus diese Weise schwebt vor allem die illustrierte Presse, die sich mit der raschen Vervielfältigung aktueller Zeitbilder beschäf tigen muß, in der beständigen Gefahr, aus Gründen „be rechtigten Interesses" zivil- oder strafrechtlich wegen ver-i artiger Abbildungen verfolgt zu werden. Diese Ungewißheit über die Berechtigung einer solchen Abbildung ist daher auch iwch der neuen Fassung vorhanden; überdies sind dadurch auch die unangenehmen Folgen für d«e Praxis nicht beseitigt. In einem besonderen Paragraphen (23) hatte der Ent wurf den Behörden den Vorzug eingeräumt, „daß für amt liche Zwecke Bildnisse von Behörden ohne Einwilligung des Berechtigten, sowie des Abgebildcten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau ge stellt werden" dürfen. Dieses Recht der Behörden war ja eigentlich selbstverständlich, und ist infolgedessen auch diese Bestimmung von der Kommission ganz gestrichen worden. Die Dauer deS Schutzes soll nach dem Entwurfs „an einem Werke der bildenden Künste endigen, wenn seit bem Tode des Urhebers 30 Jahre abgelaufen sind" (§ 24), während diejenige „an einem Werke der Photographie mit dem Ablauf von 15 Jahren endigen soll". Diese Bestimmung ist insofern in eine neue Fassung gekleidet worden, als „der Schutz des Urheberrechtes an einem Werke der bildenden Künste und an einem Werke der Photographie, soweit dasselbe künstle rische Zwecke verfolgt, endigen soll, wenn seit dem Tode des Urhebers 30 Jahre ausgelaufen sind". Auch diese Bestim mung schafft in der Praxis durchaus keine klaren Rechts- verb^t'.'.isie. Werden die beiden Momente, der Zeitpunkt de» Erscheinens und der Charakter eine» Werke» der Kunst oder Photographie, nicht einwandsfrei festgestellt, so bleibt »war diese Bestimmung für den Autor wirkungslos, für dte Industrie aber birgt sie die Gefahr in sich, rechtlich verfolgt zu werden, wenn diese die Vervielfältigung derartiger Werre ,n dem guten Glauben, kein Kunstwerk vor sich zu haben, ohne Einwilligung des Urhebers vornahm. Diese Gefahr liegt besonders bei aktuellen Abbildungen nahe, wo die Ein- holung einer besonderen Genehmigung wegen der Schnellig keit deS Reproduzierens einfach unmöglich ist. Die Schutz dauer ist also in diesem Falle «ine sehr zweifelhafte Sache, und sie ist es bei derartigen Fällen um so meyr, als der Zeitpunkt deS Erscheinen» gar nicht festaestellt werden dann, wenn nicht jede» dieser künstlerischen oder photographischen Werke die Jahreszahl der Herstellung trägt. Gerade die bildliche Darstellung hat im öffentlichen Leben eine so große Bedeutung gewonnen, daß ein sie durch allerhand straf- und zivilrechtliche Vorschriften umspannen des Gesetz ihre wirtschaftliche Entwickelung nur hemmen kann. Diese Wirkungen hebt auch mit Recht in überaus dankenswerter Weise ein Fachmann, der Besitzer einer der größten graphischen Anstalten Deutschlands, in einer die Materie sachlich und kritßch behandelnden Broschüre sAuaust Spieß: Verlag von Meisenbach, Rissarth L Co. in Schoneberg) hervor und kommt zu der Neberzeugung, daß die Vorlage überall Lücken und Mängel enthalt, die eine durchaus ungenügende Berücksichtigung der Praxi« erken- neu laßen. ES ist behauptet worden, die beiden Maßnahmen — Be- steurung und Urheberschutz — wären seitens der ultra montanen Kreise mit dem Hinweise daraus befürwortet wor den, daß durch sie eine wirksamere Kontrolle unsittlicher Erzeugnisse erzielt würde, die vielfach aus dem Wege der Vervielfältigung verbreitet worden seien. Wäre dem so, so hätten bie Nltramontanen allerdings einen harten Trumpf gegen die Existenz einer blühenden Industrie auSgespielt, durch den doch nur ein sehr fragwürdiger Gewinn zu er zielen wäre Tenn man hätte damit zu einem Mittel ge griffen. da» ersten- in der beabsichtigten Richtung unwirk- sam bleibt, in seiner Tendenz und plastischen Anwendung aber schädlich ist. Italien in Rlgecirar. LI« dte Marokko-Konferenz angesagt wurde, verzeich neten dte Gegner deS Fürsten Bülow es als einen be sonderen Erfolg der Gegner Deutschlands, daß nicht Herr Tittoni, einstmals Minister deS Aeußeren im Königreich Italien und persönlicher Freund deS Fürsten Bülow, nach AlgeciraS ging, sondern Herr Visconti Venosta, der zwar auch vordem schon eine dreibundfreundliche Politik im römischen Kabinett zu leiten gehabt hatte, dem man aber allerlei Neigungen zu Frankreich nachsagte, die nicht gerade zu einem dreibundfreundlichen Programm passen sollten. Die Schadenfreude im Lager der Bülowgcgncr ist sehr schnell zu Wasser geworden, denn Herr Tittoni geht zwar nicht nach AlgeciraS, wohl aber übernimmt er den wichtigsten Posten der italienischen Auslands-Diplo matie, dte Botschaft in London. Signore Pansa muß Platz machen, um dem Freunde VülowS das Feld zu räumen, denn Herr Tittoni ist ein persönlicher Freund König Eduards von England. Mit dieser Motivierung sucht man von Nom und Paris aus wenigstens den offenbaren Erfolg der deutschen Politik, so unbequem er vielen Leuten sein muh, zu entkräften. Zugleich wird dem Grafen Lanza, dem bewährten Vertreter der Drei- bundpolitik, AmtSmüdigkeit angedichtet, als ob gerade Graf Lanza, der von Berlin aus seit langen Jahren die Stellung Italien« im europäischen Konzert unter dem richtigen Gesichtswinkel hat betrachten lernen, in einer Zen daS Feld räumen würde, wo Uber Italiens künftige Weltstellung daS letzte Wort geredet wird. Die italienische Preße gibt sich zwar den Anstrich, als ob gerade heute, bei dem großen Konflikt zwischen Deutsch- land und Frankreich, Italien eS in der Hand habe, auS allerlei Rohr Pfeifen zu schneiden, nach Gefallen und Gutdünken seine Bundesgenossen zu wählen, ja sie tut, als ob daS Derweilen beim Dreibunde nur noch ein Akt großmütigen Gedächtnisses an selige Zeiten bedeute, kurz, sie repräsentiert sich einmal wieder in ihrem ganzen Größenwahn, der die Säge an den Ast legt, auf dem er selbst über dem Abgrunde hockt. ES wäre töricht, zu übersehen, daß die Volksstimmung in Italien heute für den Dreibund längst nicht mehr die Wärme empfindet, wie zu der Zeit, da Kronprinz Friedrich den Erben König Humberts von dem Balkon der jubelnden Menge zeigte und Herr CriSpi im Sachsenwalde mit dem Lenker der deutschen Politik ratschlagte über die Zukunft seiner Landes. ES ist kein Geheimnis, daß die große Menge der italienischen Demokratie, die große Klientel deS Herrn Prinetti, sich in ihre» Herzen« Grunde mehr nach Frankreich hingezogen fühlt, al« zu un«, trotz aller bösen Erfahrungen, die da« merkantile Italien in den Jahren de» Zollkriege» mit Frankreich oesammelt hat, und trotz der finanziellen Wohltaten, welche der italie nische Kredit auf dem Berliner Geldmärkte fand. ES ist auch keine Episode und auch kein Dummerjungenstreich gewesen, wenn im Vorjahre der süße Mob allerlei irre- dentistiscke Demonstrationen gegen Oesterreich leistete, da» war der Ausfluß der Stimmung, welche in den letzten Jahren, seitdem Viktor Emanuel HI. auf dem Throne Italiens sitzt, fick, immermehr breit macht. Visconti Venosta ging über Paris nach AlgeciraS, ein Umweg, den sich ein Siebziger nicht ohne schwerwiegende Gründe leistet, und das Italien des Dreibunde« mußte selbstverständlich bei Herrn Nouvier sich zuvor akkreditieren, ehe e« seine Stimme in einer Konferenz erhob, auf der ei» sich nicht um Marokko, dessen Bank und Polizei, sondern vor allen Dingen um die politische Stellung der beiden großen Antagonisten der Welt, Deutschland und Frank reich, handelt. Visconti Venosta posierte zunächst als der große Vermittler zwischen den mächtigen Gegnern, nachdem England, da« sonst gern zu ehrlichen Makler diensten bei lohnendem Profit bereit ist, sich für Frank reich festgelegt hat. ES mag ja sein, daß Visconti Venosta einstweilen einen ehrlichen Ausgleich -wischen Deutschland und Frankreich herbeizuführen bestrebt war, denn die offizielle Politik Italiens, die auch er zu ver treten hat, trägt ja auch noch immer die Signatur des Dreibunde». Aber die Abstimmungen der letzten Kon ferenzversammlungen deuten unumwunden auf ein Ab schwenken der italienischen Politik, die un» um so merk- würdiger berühren muß, als sie durchaus im Gegensatz zu den Lebensbedingungen de» heutigen Königreichs Italien stehen. Ein Freund kann Italien sein, solange e» dreibundehrlich handelt; sobald es zu Frank reich neigt, wird c» weiter nicht« jein, al« ein Vasall stk-uoltr, Wi« Napoleon llt, in den Italienern nur fuhr einzelner Stücke von frischem oder einfach zu bereitetem Fleisch oder von Schweinespeck in Mengen von nicht mehr als 2 kg, sowie von Müllereierzeubniffen mit AuSnabme von ReiSgrieS und von gewalztem Reis und von gewöhnlichem Backwerk ,n Mengen von nicht mehr al» S kg vorbehaltlich der unten angegebenen Einschränkungen. Die gleiche Begünstigung steht den Bewohnern ve» GrenzbezirkS gegen die Schweiz vertragsmäßig mit der Maßgabe zu, baß Vie gleichzeitige zollireie Einfuhr von Müllereirrzeugnisscn und gewöhnlichem Backwerk in Mengen bis zu 8 kg gestaltet ist. * Größere positive Kenntnisse über Südwestafrika verlangt die „Deutsch-Lüdwestasrikanische Zeitung" von denjenigen Mitgliedern deS Reichstages, die eine durchaus abfällige und unrichtig« Kritik über manche Verhältnisse in Südweitafrika fällen. So stellte der sozialdemokratische Aba. Ledebour die weiße Bevölkerung in Swakopmund al» ein« Art Verbrecher welt gegenüber den Eingeborenen hin: „In kurzer Zeit seien 26 Weiße inS Gefängnis gesteckt worden, von den Ein- geborenen nur drei." Dazu bemerkt das Swakopmunder Blatt: „ES wirst säst komisch, wenn man die mit einem ge wissen Pathos vorgebracht« Beweisführung mit dem ein- fachen Hinweise widerlegen kann, daß die 26 Uebeltäter ja gar keine südwestafrikanilchen Ansiedler sind, daß sie vielmehr zu dem internationalen Gelichter gehören, daS der Krieg hier her verschlagen hat, und das wir lieber heute al« morgen lo» wären' es ist schon längst die Frage aufgeworfen worden, wie man sich dieser Plage am besten entledigen kann." Ferner widerspricht di« „Deutsch-Sirdwestafrikanischr Zeitung d«r irrtümlichen Auffassung, als ob di« Bahn Swakopmuud- Windhuk von den Schwarzen zerstört worden wär«: di« Zer störungen habe der Regen bewirkt. * Rückgang der Schlachtungen. Neber «ine auffällige Ab nahme von Schlachtungen berichtet die „Deutsche Flrrscber- Zeituna" aus Harburg. Dort sind im Februar 11 Rinder, 327 Schweine, 1 Kalb und 62 Schafe weniger geschlachtet worden als im Februar des Vorjahres, dafür aber sind zwölf Pferde mehr geschlachtet worden. ES sind daS etwa 60000 Pfund frisches Fleisch weniger al« in demselben Monat d«S vorigen Jahres. * Zur Bekämpfung deS Zigeunernnwefeu» hat bl« preußische Regierung eine besondere Anweisung erlaßen: Den ausländischen Zigeunern ist der Uebertritt über die NeichSgren-e mit allen gesetzlich zulässigen Zwangsmitteln zu verwehren, wobei als Ausländer alle Zigeuner zu gelten haben, die nicht zweifelsfrei nachwesen w ' 7- Staatsangehörige eine» deutschen BundcSstaateS sind. Aus ländische Zigeuner, die im Staatsgebiet betroffen werden, sind festzunehmen und auSzuweiseu. Bei inländischen, d. h. solchen Zigeunern, deren Staatsangehörigkeit in einem deutschen Bundesstaate nachweisbar ist, soll anaestrebt werden, daß dieselben womöglich an ^inem bestimmten Wohn orte sich seßhaft machen, damit sie der Bevölkerung durch ihr Nmyerziehen nicht zur Last fallen. Al» Maßnahme«, d,e gegen da« Wandern der Zigeuner ergriffen werden könnten, führt die Anweisung noch folgende an: Bei der Ausstellung von Ausweispapieren für Zigeuner (Pässe, JührungSzeuaniß«, Wanderaewerbescheine usw3 ist stet» be- ondere Vorsicht zu üben; für verwahrloste Zigeunerkinder st die Fürsorgeerziehung zu beantragen; gegen alle Straf taten umherziehender Zigeuner ist mit besonderem Nachdruck einzuschreiten: di« Zigeunerbanden sind während ihre» Nm- her^iehen« dauernd unter polizeilicher Beobachtung pr * Neber die Wahlrecht-frage sprach im »ationalsiberalne Verein zu Wurzen am 7. März Herr Generalsekretär Dr. Westenberger aus Leipzig. Er erläuterte insbesondere da» Plural-Wahlsvstem, seine Vorzüge und Nachteile. Bor einer starken Differenzierung der Wähler, wozu da» Pluralsystem leicht verleite, sei zu warnen. E» sei nicht ratsam bei der Bevorzugung de» höheren Alter», der höheren Steuerleistunß und der Bildung über die Verleihung von höchstens drei, vier Stimmen hinauSzugehen. Vielleicht sei an Stelle der Bevorzugung der Bildung (wobei wohl an bie Berechtigung zum Einjährigen-Dienit al» Merkmal gedacht werde), die Verleihung von Doppelstimmen an die- lenigcn Wähler mit eigenem Hausstand zu denken. Za erwägen sei ferner, ob nicht wenigsten» für die Großstädte, die mehrere Abgeordnete wählen, daS Pluralwahlrecht mit dem Proportionalverfabren zu verbinden sei, um nicht die Minderheiten, wie beim Verfahren nach dem „absoluten Mehr", leer auSgeben zu lassen. — Herr v. Metzfch sei für da» Pluralwahlsystem nicht zu haben gewesen, weil er sich davon keine genügende Sicherheit gegen das Anwachsen der sozialdemokratischen Fraktion verspreche. Es sei abzuwarten, wie sein Nachfolger sich dazu stelle. Jedenfalls müsse man sich klar machen, daß ein Wahlgesetz, da» einerseits den unteren Schichten einen weitgehenden Einfluß auf das Ergebnis ein» zuräumen verspreche, andererseits aber der Sozialdemokratie eine bestimmteGrenze zu ziehen versuche, eine Unmöglichkeit sei. Pferde vorn und Pferde hinten anspannen — da« gibt kein gute» Fahren. Nur bis zu einem gewissen Grade werde sich auf Grund der heutigen Parteiverhältn'sse die Wirkung eine» Wahlgesetzes abschätzen lassen. Diese Parteiverhältnisse sind ein sebr wandelbarer Faktor. Die Regierung muß und kann darauf vertrauen, baß die Gegner der Sozialdemokratie, wenn ein wenigstens leiblich vernünftige» Wahlgesetz zustande kommt, nun auch ihre Schuldigkeit tun und sich kraftvoll behaupten. Ein Wahlgesetz, welche» die bürgerlichen Parteien der Sorge vor den Erfolgen der Sozialdemokratie einfach enthebt, ist, wie wir an den Wirkungen dc» jetzigen System» erfubren, kein Nutzen, sondern ein Nebel sür da» politische Leben. Es fördert nur die Trägbeit und Gleichgültigkeit. Eine gewisse Unsicherheit des Ausfalls ist also in den Kauf zu nehmen. Das sächsische StaatSwelen wird darüber nicht zugrunde geben. Da» aber ist jetzt schon sicher: je länger mit ter Reform gezögert wird, um so sicherer muß man mit dem Wachsen der Unzufrieden- beit rechnen, um so größer wird der Vorsprung der Sozial demokratie und um >o fragwürdiger natürlich der Er'olg, ren wir un« von einem neuen Wahlgesetz versprechen. Hier beißt eS: Es ist Gefahr im Verzüge! — Im Anschluß an d't Ausführungen de-Redner» wurde ein Antrag eingediacht und einstimmig angenommen, der im Hinblick auf die wachsen den Schwierigkeiten die Parteileitung und die national liberale Fraktion de» Landtag» ersucht, „iür einen be- 'chleunigten Fortgang der Reformarbeit einzu treten". Ui. I» Befinden »es Sib,i. Richter ist, wi« eine Berliner Korrespondenz meldet, in den letzten Tagen eine «rdtbliche Verschlimmerung eiagetreten. di« da» Schlimmste beffircht« vir Lukunkt ärr grapdircben Inäiirttir. E» gewinnt nachgerade den Anschein, al» ob eS die Re- fferung ganz besonder» auf die graphische Industrie abge- ehen hätte. Schon die in Aussicht genommene Maßnahme »er Besteuerung der Ansichtskarten hat einen Sturm der Entrüstung in den beteiligten Kreisen hervorgerusen, weil man dadurch eine unerträgliche Belastung dieses Industrie- zweige» erblickt, die möglicherweise zu einem vollständigen Lahmlegen seiner geschäftlichen Entwickelung führen kann. Denn die Steuer belastet in erster Linie den Fabrikanten mit 70 bi» 100 Prozent steil» noch darüber hinaus!) seine» jetzigen Verdienste«. — Andererseits ist e« aber auch die jetzt einer Epezialkommißion deS Reichstage» überwiesene Vorlage «ine» Gesetze», betr. da» Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, durch die die gesamte graphische VervielfältigunaSmdustrie mit schwer- wiegenden nachteiligen Folgen bedroht wird. War die Vor lage bereit» fast debatteloS durch da» Plenum de- Reichs tage» gegangen, so glaubte man jetzt weniosten» darauf rech- nen zu können, daß die Kommission ihre Mängel und Ein- seitioreiten erkennen und zu einer Beseitigung kommen würbe. Diese Hoffnung ist freilich nur in ganz geringem Maße erfüllt worben; denn bi» jetzt haben sich die Aende- rungen der Kommission nur auf wenige unwesentliche Punkte bezogen. Bekanntlich bestimmte der Entwurf (8 22), „daß Bildnisse nur mit Einwilligung de» Abgebildeten verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden" dürfen. Darunter waren nach dem zweiten Abschnitte diese» Paragraphen auch «Bildnisse au» dem Bereiche der Zeitgeschichte, sowie Bilder, deren Zweck nicht in der Darstellung einzelner Personen besteht, insbesondere Abbildungen von Landschaften, von Versammlungen, Auszügen und ähnlichen Vorgängen zu der- st«h«u, welche «ur um d«r erforderliche« Eiuwtlli-uüg umc- Ll«zetge«-PretS dt» 6 gespalten« PrtttzeUe sür Leipzig und Lmgebuug Lü Ps., sür an-wärt- SO Pfg, Familien» Wohnung»- nud Grelle»« Anzeigen SO Ps. Finanzielle Anzeigen, Vrsch2ft«anztignl naier Text oder an besonderer Stelle »ach Laris. Für da» Erscheinen an besiimmtea Lage» u. Pläyen wird kein« Galanti« üdernommeu. ... .
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