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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.12.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051211014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905121101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905121101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
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- Tag1905-12-11
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Morgen-Ausgabe. Nr. 629 99. Jahrgang Montag 11. Dezember 1905. Anzeigen-Preis tt« 6,«f-altr« Petitzeit» tü Pf. Familie»^ WohunngS- und Stille» Anzecgeu 20 Pf. Finanziell« Anzeigen, GeschüstSanzrigen unter Text oder an Gesunderer Stelle nach Laris. Für daS Erscheinen an bestimmten Tage» u. Plätzen wird lein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AugnftuSplatz 8, Erk« JohanntSgasse. Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geüffunt von frth 8 bi» abends 7 Uhr. FUtnI-Expebtttonr Vertin. vützowstr. 10. . . Dresden, Marieustr.84. Druck «d Verlag von <8. Potz in Leipzig (Inh. vr. «, «. » LL «tinkhardt). Herausgeber: Or. Viktor Kltnkhnrdt. Bezugs-Preis in der Hanptexpeditto» oder deren AnSga-a< stell« «bgetzolt: vierteljährlich ^»L40, bet täglich zweimaliger Znstrllm, ins Han» viertrljährttch Dmrch «se« «H. wLrtigen AnSgab« stellen und durch di« Poft b^og«, für Durtfchland »nd Oesterreich Vieeteljährlich 4.50, für di« übrig« Länder laut Zeitnugsprei-ltst«. Redaktion und Expedition» Sohamcksgasfe Lelrphan «Q Ui^ Str. tzbr. LL7» lverltner Redaktion-.vureaur Berlin ksiV 7, Dorothee»straß» 8>» Tel. I, Nr. 8275. Dresdner Redaktton-.vnreanr Dttsde»^, «üuueritzstr. r-l.I.Rr.4««. rWMr.TaMM Handelszeitnng. Amlsvkalt -es HSnigü Land- und des HÄrigl. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nate» und des Notizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Var Mchtlgrie »sm rage. * Die ost afrikanische Station Li Wale ist von Aufständischen wiederholt erfolglos an gegriffen worden. (S. Deutsch. Reich.) * Der ungarische Ministerpräsident v. Fejervary trifft heute in Wien ein. Man erwartet definitive Beschlüsse wegen der ungarischen Krisis, und zwar im Sinne einer Verständigung mit der Opposition. (S. Ausland.) * Die Verteilung der Nobel-Preise hat gestern in Stockholm stattgefunden. (S. Letzte Depeschen.) * Gestern ist hier ein „Verein Leipziger Ver treter der Textilbranchc" ins Leben gerufen worden. (S. Leip-. Angelcgenh.) * Der Fußball st ädtewettkampfL ei pzig- Berlin, der gestern nachmittag auf dem „Wacker"- Gportplatz in Eutritzsch ausgefochten wurde, endete 2:2 unentschieden. ,(S. Sport.) pyMiiÄr lvocdrnrchau. Der Eröffnung des Reichstage- folgte in der letzten Woche die Eröffnung des preußischen Land tag eS. Man wäre in Verlegenheit, wenn man die Frage beantworten sollte, weshalb mit der Einberufung deS Landtages nicht bi- nach Neujahr gewartet wurde; denn die Auseinandersetzungen über Eisenbahnunfälle, Wagenmangel und ähnliche ewig neue Probleme wären auch im Januar noch zurecht gekommen. Doch liegt die Lösung des Rätsels in der Erwartung der Regierung, daß die Doppelmandatare, die gleichzeitig dem Reichstage und dem preußischen Abgeordnetenhaus« angehören, die Plätze deS diätenlosen Reichstages füllen helfen. Viel nützt diese- „kleine Mittel" allerdings nickt; der Reichs tag zeigte auch in der kaum begonnenen Session schon wieder hippokratische Züge und wird auch wohl erst ge nesen, wenn er selbst Diäten bekommt. Aber die Reichs regierung sträubt sich gegen die Anwendung dieses Medi kaments noch immer mit einer Energie, die bei anderen Gelegenheiten besser angewandt wäre. Der Landtag selbst hat diesmal so gut wie gar nichts zu tun, und die Thronrede ließ die gesetzgeberische Oede noch mehr hum Ausdruck kommen, indem sie im trockensten Kanzleistil eine Reihe von gesetzgeberischen Belanglosigkeiten auf zählte. Ein« Ausnahme macht allerdings das Schulgesetz, das eigentlich nur eine Regelung der SchulunterhaltungS- pflicht bringen sollte, aber unversehens zu einer umfassen deren Vorlage auSwuchs. Die reaktionäre Tendenz deS Entwurfs liegt auf der Hand; daß aber auS dem Lande heraus ein starker Protest sich erheben sollte, will uns nicht wahrscheinlich dünken, da die allgemeine Resignation seit 1892 erhebliche Fortschritte gemacht hat. Auch die Versuche der preußischen Regierung, die Mängel des Drei- klassenwahlrechtS abzustellen, beschränken sich auf da denkbar bescheidenste Maß. Im Reichstage war die Etatsberatung diesmal durch die gleichzeitige Erörterung der Flottenforderungen und der Reichsfinanzreform kompliziert. Die Folge da von war eine Ziel- und Zügellosigkeit der Debatte, die eS sehr unerquicklich machte, den Verhandlungen zu folgen. Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik holte sich Fürst Bülow einen rednerischen Triumph, der ihm bei der Empfehlung der neuen Steuern versagt ge blieben war. Seine Rede über unsere Beziehungen zu den übrigen Großmächten vom Donnerstag hat nicht bloß im Jnlande, sondern auch im Auslande ein starkes Echo geweckt. Es war Kraft und Mark darin, und man konnte nur den einen Wunsch nicht unterdrücken, daß diese Rede schon im vorigen Jahre gehalten wäre; vielleicht hätten wir dann in der letzten Zeit einen weniger dornigen Weg zu gehen brauchen. Indessen kommt ein gutes Wort nie zu spät, und so wirkt vielleicht der deutliche Hinweis deS Kanzlers, daß wir im Notfälle allein gegen eins Welt von Feinden stark genug sind, heilsam auf unsere auswärtigen Neider ejn. So lange freilich die Konferenz von AlgecicaS noch nicht überwunden ist, muß man sich immer auf eine Verschärfung der Konfliktsstimmung gefaßt machen. Vielleicht ist es ein günstiges Omen, daß es Herrn Balfour nicht gelungen ist, die Konferenz noch als Premierminister zu erleben. Das konservative englische Ministerium klammerte sich an die Macht, so lange eS irgend ging, da es sich in den Wahn eingelebt hatte, daß eS allein imstande sei, die englischen Interessen tatkräftig zu vertreten. Aber das Vertrauen des Parlaments zu ihm verschwand in einem Maße, die eine Verlängerung der konservativen Herrschaft nicht mehr zuließ. So mußte Herr Balfour wohl oder übel die Regierung in die Hände des Königs zurücklegen; und Eduard VH., so wenig er sonst geneigt ist, den Schattenkönig zu spielen, besann sich doch keineswegs, die konstitutionellen Konsequenzen zu ziehen und den Führer der liberalen Partei Sir Campbell Bannerman mit der Bildung des neuen Kabinetts zu beauftragen. Gewiß wäre eS falsch, in diesem System wechsel in England eine Rücksicht auf Deutschland er blicken zu wollen; es sind fast ausschließlich innere Gründe, die die konservative Schale steigen und die libe rale sinken ließen, und die härtesten Kämpfe, die dat Ministerium Bannerman zu bestehen hat, werden sich gegen die protektionistischen Tendenzen Joe Chamber lains richten. Aber man darf, gerade weil der Schwer punkt der liberalen Politik auf die inneren Reformen gelegt werden dürfte, erwarten, daß die antideutschen Tendmst« ttr England etwa» zurückgedrängt werden. In Frankreich hat man sich durch die Rede be dürften Bülow nur ungern daran erinnern lassen, daß noch immer eine ungesühnte Schuld besteht, die erst auf der Marokkokonferenz beglichen werden kann. Doch stehen dort augenblicklich andere Sorgen im Vordergründe. Die Präsidentenlvahl wirft bereits ihre Schatten voraus; und noch näher geht eS die Republik an, daß jetzt auch der Senat die Vorlage über die Trennung von Staat und Kirche angenommen hat. Wäre nichts weiter nötig al- ein Gesetz, um den Einfluß der katholischen Kirche auszu schalten, so könnte die atheistische Republik jetzt ruhig schlafen. Aber man weiß au- den Erfahrungen deS preußischen Kulturkampfes nur zu gut, wie schwer eS ist, solche Gesetze in die Praxis zu überführen. Auch in Frank reich wird es an klerikalen Rückschlägen nicht fehlen und die Republik wird dann erst zeigen müssen, ob sic inner lich genügend gefestigt ist, nm den Kampf mit dem Kleri- kaliSmus bis zum bittern Ende durchzuführen. Nicht weniger Kopfschmerzen verursachen den franzö- ischen Staatsmännern augenblicklich die Z u st ä n d e in Rußland, die sich immer deutlicher in einer Zerrüt tung der russischen Finanzen äußern. Herr Rouvier hat zwar die französischen Sparer, die sich mit russischen Papieren übergesscn haben, zu beruhigen gesucht. Aber das drohende Gespenst eines Bankerott- Rußlands will sich nicht bannen lassen, und um so weniger, als die Ver hältnisse des Riesenreiches immer schneller der Anarchie entgegeutreiben. Der Streik der Telegraphenbeamten, der eine Woche lang alle Drähte zerriß, die Rußland mit dem AuSlande verbinden, die Militärrevolte in Kiew und die Ermordung des Generals Sacharow sind die neuesten Schreckcnsbilder, die daS ewig wechselnde Kaleidoskop der russischen Revolution zeigte. Graf Witte hält noch aus; doch muß man besorgen, daß auch seine Kraft zuletzt auf gerieben wird. Und ob dann nicht eine kurze Gegenrevo lution den völligen Ruin Rußlands einleiten wird, ist eine Frage, die man nur mit den schwersten Befürchtungen beantworten kann. Glücklicherweise löst sich wenigstens die Flotten- demonstratton der Machte gegen die Türket in Wohlgefallen auf, Die internationale Flotte hat zwar außer Mytilene auch noch LemnoS besetzt, aber man merkte zu deutlich, wie unbequem eS ihr sei, Energie zu zeigen, al- daß man an der Bereitwilligkeit der Mächte zu einer Verständigung zweifeln konnte. Der Sultan hat denn auch wenigsten» insoweit nachgegeben, als er die Finanzkontrolle grundsätzlich angenommen hat. So können die fremden Krieg-schiffe wieder in die Heimat abdampfen. Sehr rühmlich waren ihre Leistungen nicht. Deutscher Keich. Leipzig, 1l. Dezember. * Heber die Geschäfisdisposittonkn veS Reichstags er fahren wir da- Folgende: Die Weihnacht-ferien de« Reichs tag« sollen am Sonnabend, den 18. d. M, einlreten. In der nächsten Woche soll zunächst die erste Beratung deS Etat-, der Reichsfinanzreform (ohne Steuervorlagen), des Flotten gesetzes zu Ende beraten werden, dann sollen di« Steuer vorlagen im besonderen debattiert werden und schließlich muß noch da« HandelSproviionum mit England endgültig vor Ein tritt in die Wrihnachtsferien erledigt werden. Bleibt noch Zeit übrig, so soll auch noch, sali« die Budgetkommisston-verhaad- lnngea e« zulassen, di« Eisenbahnvorlage Lüderiybucht-Kubub erledigt werden. — Di« Frage, ob man alle obengenannten Vorlagen an die vudgetkomnnlsion verweisen oder Spezial- kommgfionen einsetzen soll, ist noch immer nicht gelöst. Tollt« man wirklich dir Büdgetkommissiou mit allen Vorlagen bo- lasten, so ist «ine Fertigstellung aller dieser Vorlagen bi» 1. April unmöglich, die Verabschiedung der MilitärpenstoaS- gesetzt, die schließlich auch di« Budgetkommission bearbeiten soll, würde dann wreder auf di« lange Bank geschoben. * Kämpfe t« Dentsch-Vftafrika. Vom AusstandSgebiet in Ostafrika werden fortgesetzt siegreiche Gefechte und unauf haltsame- Vordringen deutscher StreiskorpS in« Innere ge meldet. Der „8.-A-" meldet darüber: Das ErpeditionSkorpS de« Majors Johanne« hat am 22. Nov. den Fluß Mhagaranvu erreicht und ist nach Errichtung einer Etappenstation dort auf Ssongea marschiert. Der Elappenposten in Liwale ist von Aufständischen mehrfach erfolglos angegriffen worden. Haupt mann Seyfried ist nach Säuberung der Gegend bei Mpulwa über Sikonao nach Ruangwa am Jlulu marschiert. Wofern Major Johannes nicht auf unvorgesehene Schwierigkeiten gestoßen ist, die seinen Marsch westwärts erheblich verlang samten, so dürfte die deutsche Abteilung bereits in Ssongea eingerückt sei». * Zu« Rücktritt Eugen Richter» au» dem preußischen Abgeordnetenhaus schreibt die „Nordd. Allg. Ztg." iu ihrem Wochenrückblick in bemerkenswerter Weise: Gerade dies« Tag« der EtalSdebatte» sind befand«» dazu an- getan, da» Gesühl der Wertschätzung für dt« hohen Eigenschaft«, de« «erstand«» und Lharakter«, die den Fähe« d« freisinnigen Volk-Partei auSzeichura, wachzurnfen. Auch der Reichskanzler hat tn sein« ersten Rede zum Etat dem allseitige» Bedauern de» Hauses Worte gellrhen, de» «bg. Richt«, bieje» uaiibertroffenen Etat«- kenne«, nicht an seinem gewohnte» Eckplatz »» sehen. Hoffentlich erlaubt dem «krankten Parlamentarier sei» Gesundheitszustand, ent sprechend sein« Absicht demnächst an besorw«» wichtigen Ab stimmungen im Reichstage teilzunehwtn. Daß sich Eugen Richt« in kritisch« Zeit ab» Politiker von Grundsätzen erwiesen hat, wird ihm auch i« Lenjeotyen Parteien nimm« vergrffen werden, di« ihm in Fragen der nationale« Wehrkraft und de» Wirtschaftsleben» meist al» scharf« Sega« gegenüber gestanden sind. * Der Deutsche Gp«rk«ffeni»erdantz hielt in Berka unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Fischer-Magdeburg seine dies jährige Mitgliederversammlung ab und wählt« den alten Vorstand wieder. Der Geschäft-sichrer de» Verbände», Drape-Haouov«r, machte sodann, nach der „BolkS-Ztg.*, Mitteilung über die Entwicklung, die die Aagelegeuheet ve« Scherlschen Sparsystem- genommen hat. Der Verband batte sich im Vorjahre m,t diese, Frage beschäftigt, aber beschlossen, noch keine» definitive» Beschluß zu fassen, ehe »icht die Uaterverbänd« gesprochen haben. Ei» dana einjuberufender außerordentlicher DerbandStag sollte endgültig Stellung nehmen. Nun haben inzwischen die Untelverbändr ihre Beschlüsse gefaßt und fick tast ausnahmslos mit großen Majoritäten gegen daS Seherische Sparsystem ausgesprochen. Da Herr Scherl selbst in einem Schreiben an den Verband erklärte, daß er sein System zurückziehe, und weil auch der Minister im Abgeordnetenhause erklärte, daß das Ministerium sich nicht mit der Frage befassen könne, glaubte der Vorstand ve« Verbandes von der Einberufung eine» außerordentliche» VerbanvStages absehen zu können. Der Vorstand und der Ausschuß halten das Scherlsche Sparsystem sür tot. — Wen« eS nur nicht etwa nur — scheintot istl * Von her Volkszählung. Königsberg i. Pr. 220.2l2 188.4831, Aachen 144.N0 sl»5.245j, Posen lSb.74S 117.033 , Gotha 38.718 s38.«48j, Düsseldorf 252.830 213.7llj, Köln 425.844 s372.53vj. * Der Bund deutscher Bodenreformer hat an da» preußische Abgeordnetenhaus folgende Petition ge sandt: „Die Unterzeichneten bitten das Hohe Haus der Abgeordneten ergebenst unter Bezugnahme auf 8 10 de» Gesetzes, betreffend die Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen, noch in dieser Session diejenigen Schritte zu unternehmen, welche geeignet sind, daS an die neu zu erbauenden Kanäle angrenzende Land vor verteuernder Spekulation zu schützen, damit sür die deutsche Arbeit hier billige und gesunde Wohn- und Werkstätten möglich werden. Die Petition wird wie folgt begründet: Es ist eine bekannte Tatsache, daß an den Ufern neuerdauter Kanäle die Grund- und Bodenpreise ganz bedeutende Werterhöhungen aufweisen, wodurch nicht nur die Anlage neuer iudustrieller Unter- -nehmungen sehr erschwert wird, sondern auch der Bau von Wohnstätten, deren erste Vorbedingung billiges Land ist. So ist bei Brunsbüttelkoog (Kaiser Wilhelmkanal) der Hektar von 4000 auf 80—120 000 gestiegen, am Teltowkanal von 12000 auf 30—60000 bei Rudow, von 7500—12 500 aus 30—10 000 bei Teltow, von 5000—10 000 auf 20—40 000 -K bei Klein-Macknow, von 15 700 auf 100 000 -ft! bei Wannsee, Stolp, Kohl hasenbrück. ES liegt klar aus der Hand, daß der Vorteil dieser großen Kulturarbeit, die der Kanalbau vorstellt, für die deutsche Arbeit fast völlig verloren geht, wenn die Ufergelände tn di« Hände von Bodensoekulanten fallen, die sich alle Vorteile der Verkehrkerleichterung von den Werktätigen Ansiedlern in erhöhten Bodenpreisen be- zahlen lassen. Die Regierung darf die Kanalgebiete nicht der Privatspekulation au»liefern, sondern dies, im wohlverstandenen öffentlichen Interesse enteignen, damit sie in der Lage sei, für gewerbliche Zwecke, sowie für Wohnstätten billige» Land nur Verfügung stellen zu können und dennoch durch Teilnahme an der natürlichen Wcrtsteigerung der neuen Usergelände dauernde Ein nahmen zu erzielen, die dem öffentlichen Wohle zugute kämen und wesentlich zur Rentabilität der Kanäle bei tragen würden." — Der Gedanke ist sehr schön, der Aus führung stehen aber viele Bedenken entgegen, so ge waltige Strecken zu enteignen, darin dürfte die Regie- rung wohl ein Haar finden. * kleine politisch« Rschrichten. Am heutigen Tag» vollendet d»r frühere tzofprrdiger Dr. Adolf Stocker sein 70. Lebensjahr. Bei einer Vorfeier de» Geburtstages die am Freitag stattfand, sprach u. a. auch Prosesior Adolf Wagner. Am heutigen Tage wird dem Jubilar von seinen Freunden »ine Ehrengabe überreicht. — Di« Gesamtzahl der Notare in Preußen betrug (nach amtlicher Aufstellung) im Jahr, 1904: 2091. Davon entfallen auf den kammergerichttbezirk 371, auf di« Ober- landeSgrrichtSbezirk« BuSIau 232, Kassel 47, Telle 18S, Köln 252, Frankfurt a. M. 89, Hamm 244, Kiel 128, Königs berg i. Pr. 181. Marienwerder 98, Naumburg a. S. 180, Posen 106, Stettin 99. In Orten der Servi-klasie 71 betrug di, Zahl derselbe» 319, der Servi-klasie I 488, der Servi-klasie II 360, der ServiSklaff« UI 40V und der Servi-klasie IV 517. — Die kon servative Fraktion de» Abgeordnetenhauses hat an Stelle der au-geschiedenen Abgg. Grasen zu Ltmbura-Stirnm und Kasch die Abgg. Benchelt unb v. Pappeuhetm zu Vorstandsmitgliedern gewählt. Ferner wurde Abg. v. Normann in den Vorstand berufen Fluslana. Oesterreich-Ungarn. * Verständigung zwischen Ungarn und Oesterreich t« Aussicht. Zn der längsten Anwesenheit de- Grafen TiSza in Wien wird nn« mitgrteilt, daß diese tatsächlich von politischer Be deutung war und mit der ungarischen Krise im Zusammenhang« stand. Graf TiSza hatte zunächst mit dem Reichsfinanzminister Freiherr» v. Burian eine einundeinbalbstündige Unterredung, wo rauf er sich in Begleitung de« Reichsfinanzministers zum Grafen GoluchowSki in da- Auswärtige Amt begab. Um 3 Uhr nach mittag» kehrte Graf TiSza nach Budapest zurück. Wie verlautet, habe eS sich bei diesen Besprechungen nm die Haltung der liberalen Partei bet den im Zuge befindlichen neuerlichen Verständigungs versuchen mit der Koalition gehandelt. Ein dieser Partei angehö riger hervorragender ungarischer Abgeordneter, der vorgestern in Wien weilte, äußerte sich über die Aussichten der Verständigung-- versuche, daß sie aller Voraussicht nach zu einem vorläufigen Waffenstillstand« führen dürften, der eS ermöglichen könnt«, daß eine volle Verständigung mit den Oppositionspar teien erzielt werde» würde. Es könne bereit« al« sicher ange nommen werden, daß am 19. d. M. weder die Vertagung, noch auch die Auflösung de» Reichstages verfugt werden würde, und bei der für Montag erwarteten Anwesenheit deS ungarische« Minister präsidenten v. Fejervary in Wien soll die Entscheidung in diesem Sinne getroffen werden. * Der LteuermtSftk tn Un»anu Nach dem Staat-kaffen- Ao«weir betrug«» im dritten Vierteljahr« de« Jahre« 1905 die Linnahmm 254 309743 Krone» und di« Ausgaben 255759932 Kronen. Die Einnahmen waren um 61867 903 Kronen, di« Ausgaben »m 26 165 373 Kronen niedriger al» im dritten Quartal de- Vorjahre», mithin ist die Bilanz dr« dritte» Quartal» «m 85 502 529 Krone» un günstiger al» tm dritte» Quartal de« Vorjahre». Italien. * Di« AiniNtzl»»« Ittttien». In der Depnliertenkammer gab Schatzmintstrr Eareano «in ExvofS« üb« die Finanzlage de« Staate«. Hiernach beträgt derUtberschuß an» dem Finanzjahr« IV0S/« M Mtütmwn Lira, von d«« I» MM«« für «en- babnbautrn und 15 Millionen für Schuldeuamortisation verwendet wurden, so daß ein endgültiger Ueberschust von 47 Millionen ver bleibt. Da» Budget für 1805 06 weist einen Urberschust von 6 Millionen und der Voranschlag für 1906 07 einen solchen von 4 Millionen auf. Da die Einnahmen des laufenden Budgets in- dessen schon für die ersten fünf Monate die Einuahmrii des vor jährigen Budget» um 26 Millionen übericbritt en habe», wird das endgiltige Ergebnis der Finanjahre 1905/06 und 1806 07 noch viel Keiler sein, als vorgesehen. Der Minister ging dann aus die Page de» Schatze» über unv erklärte, dast der Bestaub des Schatzes infolge der guten Buvgrtrrgebnisse um fast 200 Millionen gestiegen ist. In der Kasse befindet sich «in Bestand von 415 Mil lionen, davon 65 in Gold, 75 in Silber und 102 in ausländischen Goldwerten. Außerdem könne die Kasse über 125 Millionen Vor schüsse der Emissionsbanken, deren der Schatz aber sich seit einiger Zeit nicht bediene, und über 130 Millionen Schatzbonds verjugen. Der Minister konnte also mit Recht erklären, daft dt« Finanzlage deS Staates tatsächlich gut ist. Am Schluffe seiner Ausjuhrun- grn ertönt» lebhafter Beifall und der Minister wurde von vielen Deputierten beglückwünscht. Rußland. * Sin neuerliches Manifest »e» Zaren soll nach Peters burger Nachrichten, die in Pari» eingelroffen sind, am 19. d. Mts., dem Namenstage des Zaren, erscheinen. In diesem Manifest soll die Versicherung zum Ausdruck gelangen, das; sämtliche in dem.Ver fassungsmanifeste verheißenen Reformen auch wirklich zur Durchführung gelangen würden. ES sei jedoch notwendig, daß im ganzen Lande normal» Zustände eintreten, da sonst die Verwirklichung der Verfassung sich wesentlich verzögern müßte. Kaiser Nikolaus wünsche daher, daß der Ministerpräsident Witte seine Bemühungen zur Wiederherstellung der Ruhr und Ordnung fortsetze, in der lleberzeugung, daß dieselben schließlich zu dem an gestrebten Ziele führen mußten ES wird auch bestritten, daß ver Ministerpräsident sich mit DemisstonSabsichten trage, und deshalb wiederholt an den Zaren herangetreten sei. Der Minister präsident sei vielmehr entschlossen, auf seinem Platze auSzuharren, bis er seine Mission erfüllt habe. Soweit wir unterrichtet sind, beruhen diese Mitteilungen auf zuverlässigen In formationen. Zeitunc An un * Wie man die Bauern „beruhigt". Die Petersburger "na ^Syn otetschestwa" bringt Mitteilungen über die «l» u.ld Welse, wie der Blzegouverneur von Tam- boff, Herr Bogdanowitsch, seiner Aufgabe, die er regten Bauern zu beruhigen, nachkommt. Nach einem Orte der Unruhen seichet er den JSprawnik von Borisoglebsk, La- manski. Er gibt ihm die Weisung auf den Weg: „Weniger arretieren, mehr totsatehen!" Nicht vertrau lich, sondern öffentlich sagt er ihm das. Dobel steht «ine vohllöbsich« Deputation oe» Börsenvereins, die natürlich ür Weiterverbreitung dieser christlichen Wort« sorgt. Herr lamanski ist der getreue Knecht seine» Herrn und aivt semer- «lts den ihm unterstellten PristawS folgenden Befeyl: „Lassen Tie di« Präliminarirn fort und lassen Sie da» Feuer prechen! I« mehr Tot« Di« machen werden, um o höher werden Ihre Vorgesetzten Ihre Verdienste anschlagrn. Sorgen Sie dafür, daß man «inen auten Eindruck von Ihnen bekommt!" Der Schreiber dieser Mitteilung, der vermutlich ein Mitglied der oben er wähnten Deputation ist, versichert, die Worte deS JSprawnik genau wiedergeaeben zu haben und ist bereit, Zeugen beizu bringen. Durch diese Instruktion wurden die Bauern auf Gnade und Ungnade den Banden der Polizei, Soldaten und Kosaken ausgeliefert. Tas Manifest vom 30. Oktober ist aus einem anderen Planet erlassen worden. So scheint es. „Die wirkliche Unantastbarkeit der Person" so stand darin. Blutige Ironie! Und die Bestien schlugen, folter ten, geißelten mit Weidenruten, mit drahtdurchslochtenen, blelbeichwerten Naaaiken, verstümmelten mit Gewehrkolben und Gummistöcken: schlugen Erwachsene, Jugendliche, Frauen, Greise -schlugen bis zur Bewußtlosigkeit; zu Tode. Im Dorfe Alexandrowsk peitscht man dir Bauern der Reihe nach durch. Im Dorfe Pavlodar prügelt« man 7 Bauern zu Tode; 5 in Aloschki: 9 tn Lipjagi Dt« Liste ist lang. Au» allen um liegenden Dörfern meldet man Hundert«. Um die Verbrechen zu maskieren, schleppt man die Getöteten oder Verstümmel- ten auf Wagen fort. Au- Pavlodar nach der nahegelegenen Oekonomi« de- Fürsten Wolonski, um zu »eigen, daß die Opfer bei einem Angriff auf dem Gut-Hof getötet und zerhackt wurden. Daß oft nur ein tadelnde» Wort genügt, um die größte Schändlichkeit zu provozieren, zeigt da« Schicksal des Maschinisten Poljanin-Podbolobosf. Er ging im Dorfe Moschki gerade am Gemeindebau- vorbei, wo die Exekution des Prügeln- vor sich ging. Er erlaubt sich, zu bemerken, daß „die Körperstrafen noch im vorigen Jahre durch ein allerhöchstes Manifest aufgehoben worden seien". Herr Lamanski winkt: „Soldaten, zeigt ihm doch mal, ob man die Körperstrafe aufgehoben hat." Er erhält 150 Hiebe mit dem Gummischlauch. Dann wirft man den erst halb Bewußtlosen aus einen Wagen, der ibn nach Station Mutschkap, 50 Werst entkernt, führen soll. Aber unterwegs besinnt man sich eines besseren und prügelt ihn gänzlich tot. Er hat die Station nicht mehr gesehen. — Sollten zum Zwecke der Agitation diese Mitteilungen teilweise nicht doch übertrieben sein? Türkei. * Die Friedensstörer am Balkan. Der „Pest" wird aus Konstantinopel geschrieben, daß dort soeben die Meldung aus Sofia eingetroffeu sei, die Füdrer der verschiedenen geeinigten bul garischen Organisationen hätten die Losung ausgegeben: „Fort setzung der revolutionären Bewegung trotz der ge sicherten internationalen Kontrolle!" General Zonlschew erklärte, die neue Institution werd« an der Gestaltung der Verbält- niffe in Makedonien nicht» ändern und den Laus der Tinge nicht aushaltrn Die Haltung der Regierung ist nach wie vor lehr zwei deutig, denn General Petrow, der bulgarische Minister präsident, hat tn der Sobranje anläßlich einer an ihn gerichteten Interpellation, betreffend die bekannte Note der Ententemächte, erklärt, di« fürstliche Regierung werde -war dir Reform-Aktion unterstützen, aber keine Verantwortlichkeit für die Ereignisse übernebmen, da sich der VolkSwill« stärker als der gouvernrmentale Einfluß erweisen könnt«. Diese bulgarischen Aeußerungen werden von den make donischen Bulgaren wohl verstanden werden. Ter Friede wird erst dann in di« europäische Türket einkrhren, wenn den Unruhestiftern da» Laadwerk völlig gelegt sein wird Und in dieser Richtung wird sich auch einmal die Tätigkeit der Mächte bewegen müssen. * Dt« enreGäikche Ktnnnzksntrnlle tn Makedanien ist endlich geregelt. Die Botschafter Haden ihre Antwortnote aus die letzten Vorichlägr der Pforte überreicht. Das Wesentlichste der letzteren ist da« Zugeständnis, welche» die Dauer der Finanzkom- mtsston auf zwei Jahre beschränkt und dast außer dem Grnrralinspektor noch rin weiteres türkisches Mitglied zugelassen wird. Di« Delegierten der Mächte erhalten den Titel „LonseillerS". Tie von der Kommission zu ernennenden Finanzinspektoren sollen türkische Untertanen sein. Der Türket wird also ein ziemlicher Einfluß tn der Ftnaazkommisfio» gewahrt. Außerdem werdea an einzelnen Stellen d«S Reglement» di« türkischen HahettS- NW-drückt ich DMvaßrt.
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