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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190901125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090112
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-01
- Tag1909-01-12
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Bezuq-.Preit M L«iv»lg uul> Boron« durch „io, Trtg« und Spebiieure ml Hau« gebracht: vv moaaU., »i«r«iithrl. v«, unjeraAitiol«» u S»na>:mesieUrn adarholl: TA monatl. t.tS vierlellLhil. Durch »i« ch»K: „«Halo Drullchland« und d« druthhrn «kolonien vieneliLhrl. <t.t> moaall. I^tch auslchl Poftdeslellacld ger»er m Belgien, Dänemark, den Donauslaaten, Italien, Uuremburg, lttiederlande, Ror- wearn Oesterreich Ungarn, Ruhland, Schweden, Schwel» u. Spanien. In allen ädrigen Staaten nur direkt durch di» Seichäitlnelle de« Blatte» erhältlich. Da« Leipziger Tageblatt erlcheinl wächend- llch 7 mal und »war morgen». Ldonneiuent-lllnnadme: Nugustusplatz 8. bei unleren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahnicstellen, lowie Postämtern uu» Briefträgern. Di« nnzeliit Rümmer kost« IV -trbaktien and Geschäftststellr: Jodannisgastc 8. Fernlprechert I4E. I4M. I4SV4. 'npMerTagMaA Handelszeitung Nmtsbsatt des Nates und des Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis Or InferaN! an« ilelpU, und Umgebung di« Saefpal'ane Pettr»«ile 2b finanziell« Sn-eigen SO Reklamen l ; »me au «wärt« 00 «eklainen 1.20 oom «utland 50^, ftnan». Antigen 7b Reklamen USD ."Inserate», vehdrden :« amtlichen Teil «0^. Beilagegebübr ä p. Tausend exkl. Post- gebühr, «eschäsuanaeigen an bevor-ugir: Stelle im Preis« erhäht. Rabatt nach Dari' Aefterreiltr Aufträge kännen nicht ,urü«- ,e»ogeu werden, ffär da« Erscheinen an beftlmmteu Tagen und Pl仫n wird keine Garantie übernommea Nn»eig«n. Annahme: Lttgustuäplatz 8, dei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen. <Tpeomonen Le« In» und Autlande«. Haupt-Siliale Drrli»! T>pl Duaiker, Her-ogl. Bahr. Hosbuch- hanblung, Lutzoivftraße IQ. (Telephon VI. Rr. 460S). Haupk-Silial« Dretdra: Seeftrase 4, l (Telephon El). Nr. 12. Dienstag 12. Januar 1909. 103. Jahrgang. Dns wichtigste. * Die Sitzung des Deutschen Handelstages in Berlin wurde am Montag mit Reden der Staatssekretäre v. Bethmann- Hollweg und Sydow eröffnet. Letzterer kündigte einen neuen Schatzanweisungskredit von über 10V Millionen an. sS. d. des. Art.) * Die Londoner „Daily News" melden . Der König und die Köni gin von England werden am 1. Februar London verlassen und sich nach Berlin begeben. Ter Besuch in Berlin wird vier Tage dauern. * Aus Wien wird gemeldet: Der ungarische Minister- Präsident Wekerle erklärte, Ungarn sei bereit, die Hälfte der Lasten, die sich aus der Kompensationszahlung an die Türkei ergeben, zu tragen. * Wie die „Jeni Gazetta" meldet, hat der türkische Minister rat das österreichische Angebot von 2^ Mil lionen türkischer Pfund als Entschädigung für Bosnien und die Herzegowina abgelehnt. Bon anderer Seite wird die Richtig. » keit dieser Mitteilung vorläufig stark bestritten. iS. d. des. Art.) * An der Nordwestgrenze von Kamerun gegen Bri tisch - Jüd - Nigcricn haben deutsche und englische Truppen gemeinsam den organisierten Widerstand des M n n t s ch i st a m m e s gebrochen. sS. d. bes. Art.) Aus New Aork, 11. Januar, wird gemeldet: Im Kohlen bergwerk Zeigler bei Illinois lJndiana) sind gestern durch eine Explosion 2-- Arbeiter getötet worden. rtrüppelnot und Arüppelhilfe. Im Herbst 1906 hat aus Anregung des Zentralvereins für Jugend- sürsorge im Deutschen Reiche smit Ausnahme von Hessen-Darmstadt) eine Zählung der verkrüppelten Kinder im Lebensalter bis zu 15 Jahren staUgesunden. Danach sind im Königreich Sachsen 9931 verkrüppelte Kinder festgcstellt worden, von denen 856 der Unterbringung in einer aecigneten Anstalt bedürftig waren, während sich für ganz Deutschland die Zahl der Krüppelkindcr auf etwa 75 000 annehmen läßt. Der Um stand, das; Tausende dieser armen Kinder keinen Unterricht erhalten und so dem Proletariat verfallen, hat den Dresdner Arzt Tr. A. Schanz vom Sächsischen Krüppelheim. iKönigin-Carola- Srntung) veranlaßt, sich mit einer Broschüre „Krüppelnot und Krüppel- liiisc" an die Öffentlichkeit zu wenden und dringend für eine umfassende planmäßige Krüppclfürsorge durch den Staat cinzutreten. Diese Broschüre ist auch der Ersten Kammer des Landtags zu- gegangen, und diese wird sich auf Grund des vom Oberbürgermeister Dr. Schmid-Plauen erstatteten Berichts heute Dienstag mit der Sache zu beschäftigen haben. Dis jetzt gibt es im Deutschen Reiche nur eine einzige staatliche Krüppelanstalt, und zwar in München, alle übrigen sind Privat- bzw. Vercinsanstalten. Dr. Schanz betont demgegenüber mit Bezug aus die sächsischen Verhältnisse, daß eine über das ganze Land gehende, alle auf die Krüppelfürsorgc gerichteten Bestrebungen zusammenfassende Organi sation nottue, die am besten dadurch geschaffen werde, daß der Staat selbst die Krüppelhilsc übernehme oder doch wenigstens die nicht staat liche Organisation künftig unterstütze. Ferner möchten für ganz Sachsen nur eine oder zwei große Anstalten errichtet werden, die eine in Dresden, als deren Grundstock das schon vorhandene Sächsische Krüppel- heim sKönigiu-Earola-Stiftung) dienen könnte, eine zweite etwa in Leipzig, womöglich in Verbindung mit der orthopädischen Uni versitätsklinik. Den beiden außerdem noch bestehenden Anstalten, dem Kinderheim Bethesda in der Niederlößnitz und dem neuen Krüppelheim in Zwickau will er mehr die Aufgabe der Versorgung solcher Krüppel zu- gcwiesen haben, die nicht als erwerbs- und bildungsfähig sich gezeigt haben und aus Mangel eigener Mittel oder genügend zahlungsfähiger Angehöriger oder aus sonstigen Gründen dauernder Versorgung be nötigen. Daß die Aussichten, mit Erfolg den Hebel anzusetzen, günstig sind, zeigen nicht allein die bisher in den Krüppelheimen gemachten Er fahrungen, sondern vor allem wieder die Ziffern der Statistik. Sie klären uns darüber auf, daß nur 6 Proz. der erwachsenen, nur 9 Proz. der jugendlichen Krüppel geistig nicht normal sind, also immerhin nur ein kleiner Bruchteil; alle übrigen sind genau so bildungsfähig, wie jedes andere Kind, darum der Fürsorge nach der Richtung hin be- lor ders bedürftig, daß vorbeugend eingewirkt, mit anderen Worten zeitig genug auf allgemeine wie geeignete fachliche Erziehung und Aus bildung des Krüppelkindes Bedacht genommen werde. In Sachsen existieren zurzeit, außer der wob! nur ambulanter Behandlung dienenden orthopädischen Universitätsklinik zu Leipzig, 3 Krüppelyeime. Zunächst das von der Königin Carola 1893 ins Leben gerufene Sächsische Krüppelheim sKönigin-Carola-Stistung). Nach dem für diese Anstalt von vornherein ausgestellten Plane sollte sie aus drei Ab- leilungen sich zusammensetzen: einmal aus einer Erziehungs- und Bildungsschule für verkrüppelte Kinder, die neben dem Internat auch Tagesschüler aufnehmen, Volksschul- und Fachunterricht gewähren, sowie mit einer orthopädischen Turnanstalt verbunden werden sollte, sodann aus einer Beschäftiaungsanstalt, wiederum mit Internat und Externat für ausgelernte hilfsbedürftige Krüppel, die ihren Unterhalt nur teil- weise selbst zu verdienen vermöchten, endlich aus einer Versoraanstalt für völlig arbeitsunfähige. Der großzügige, von weitem Buck und edier Menschlichkeit eingegebenc Plan ist nur zum Teil ausgeführt worden. Im Jahre 1896 erfolgte die Einweihung des ersten bescheidenen Hauses, einige Jahre später wurde daneben em zweite- errichtet und mit dem ersten baulich verbunden, so daß von da an in beiden Häusern zusammen 36 Kinder beiderlei Geschlechts untergebracht,werden tonnten. In dieser Aufnahmefähigkeit ist das Sächsische Krüppelheim bisher verblieben; immerhin hat cs, wenn auch nicht allen von Anfang an ins Äugf gefaßten Zwecken, so doch deren ersten und wichtigsten mit gutem Erfolge dienen können: Heilung oder doch Besserung, Erziehung und Ausbildung sind planmäßig nebeneinander gewährt worden mit dem Ergebnis, daß, wo nur immer der Zustand des Kindes sich dazu eignete, ans hilflosen Krüppeln leidlich brauchbare und erwerbsfähige Personen gemacht wurden. Die Anstalt entläßt aber die auf solche Weise aus gebildeten Zöglinge nicht ohne weiteres, sondern unternimmt cs, ihnen geeignete Arbeit und Unterkunft zu vermitteln. Freilich: zu einer im Sinne der fürstlichen Stifterin geplanten Er weiterung der Anstalt, die schon zur umfänglicheren Verfolgung ihres gegenwärtigen Zwecks: Heilung und Erziehung verkrüppelter Kinder, überaus erwünscht wäre, fehlen die Mittel. Hier ist für die private Be tätigung menschenfreundlicher Gesinnung noch ein weiter Spielraum gciasscn. Sofort nach dem Sächsischen Krüppelheim ist seine erst wenige Jahre zählende Schwesteranstait in Zwickau zu nennen, eine Schöpfung des aus die Regierungsbezirke Chemnitz und Zwickau sich erstreckenden Vereins zur Fürsorge für bildungsfähige Krüppel. Schon der Name des Vereins ist ein Programm und dieses Programm ist in der in zwischen in einem stattlichen und praktischen Neubau untergebrachten Anstalt nach Kräften verwirklicht worden. Fortgesetzte orthopädische und sonstige ärztliche Behandlung, allgemeiner Schulunterricht und An- lcrnung zu praktischer Erwerbstätigkeit werden nebeneinander ange- wendct und haben in der kurzen Zeit seit Eröffnung der Anstalt schon zu recht befriedigenden Ergebnissen geführt. Die Anstalt ist für 80 Kinder beiderlei Geschlechts eingerichtet und voll besetzt, wenn nicht ga: schon überfüllt. Die baldige Erweiterung ist daher dringendes Be dürfnis und dieses wieder erklärt sich aus dem Umstande, daß man aus zwei großen, dicht bevölkerten Kreishauptmannschaften auf die einzige Zwickauer Anstalt angewiesen ist. Auch Zwickau behält die ihm anvertrauten Kinder während der ganzen Schulzeit, ja gegebenenfalls noch darüber hinaus, sorgt für jeder zeit zur Verfügung stehende orthopädische und sonstige ärztliche Behand lung, für Erziehung und Fachbildung. Ausgelernte und berufsfertige Zöglinge dürfte es gegenwärtig noch nicht aufzuweisen haben. Neben dem Sächsischen Krüppelheim zu Dresden und der eben be sprochenen Zwickauer Anstalt wirkt als drittes Krüppclheim in Sachsen das Kinderheim des Siechcnbauses Bethesda in Niederlößnitz. Es ist gegründet am 6. September 1882 als Filiale der Diakonissenanstalt zu Dresden, also der Zeit nach die älteste Krüppclanstalt im engeren Vater lande, gewährt ärztliche Behandlung, Schulunterricht, Arbeitsunterricht, Pflege der Unheilbaren, sucht also die großen Zwecke der Krüppelhilsc sämtlich zu erfüllen, wie man gern zugcstehen mag. mit Erfolg und Segen! Die Anstalt hat 60 Plätze, 30 für Knaben, 30 für Mädchen. Damit sind die Krüppelanstalten im Königreich Sachsen erschöpfend genannt. Wohl entfaltet die orthopädische Klinik an der Universität Leipzig eine umfängliche und sehr schätzenswerte Tätigkeit, aber ein Heim im Sinne der bisher geschilderten Anstalten ist mit ihr nicht ver- bpudcn. Wohl macht sich auch neuerdings eine von Menschenfreunden angeregte und unterhaltene lebhafte Agitation in Leipzig selbst geltend mit dem Ziele, hier ein großes, den modernen Anforderungen ent sprechendes Krüppelheim zu schaffen, aber es scheint noch so manches Hindernis der Verwirklichung des menschenfreundlichen Gedankens sich entgegengestellt zu haben. Das Bedürfnis zu solcher Anstalt für die Kreishauptmannschaft Leipzig ist, wie Dr. Schanz betont und keiner näheren Begründung bedarf, in hohem Maße vorhanden. Wird ihm genügt, was nur eine Frage kurzer Zeit sein kann, so wird auch dort, trotz der voraussichtlich sich öffnenden reichen privaten Hilfsquellen, staatliche Unterstützung genau so nötig sein, wie in den übrigen Landes teilen. Die vierte Deputation der Ersten Kammer einigte sich in dem Wunsche, daß eine Empfehlung der Petition die Wirkung haben möge, daß der Staat durch Wort und Tat ermunternd und fördernd zu allen die Krüppelhilsc betreffenden Bestrebungen sich stelle. Regierungs kommissar Wirkl. Geh. Rat Merz wies auf die wohlwollende Haltung des Ministers Grafen von Hohcnthal in der Sitzung der Ersten Kammer vom 5. Mai dieses Jahres hin und bemerkte weiter, daß gegen Gründung einer staatlichen Anstalt zurzeit, wo man noch genug andere Anstalten zu bauen habe, finanzielle Bedenken beständen, daß aber auch scchlich cs richtig scheine, die in der Krüppelhilfe trefflich sich bewährende private Wohltätigkeit nicht durch den Bau und die Unterhaltung einer oder mehrerer Staatsanstalten zu gefährden. Die Königliche Staats ri gicrung werde bereit sein, im Staatshaushalte Unterstützungen einzu- setzen zur Förderung der bestehenden Krüppelheime; ob Beihilfen bei etwaiger Gründung neuer Anstalten bewilligt werden würden, sei zu künftig im einzelnen Falle zu entscheiden. Jedenfalls wünsche die Königliche Staatsregierung, daß die Krüppelhilfe nicht verstaatlicht werde, sondern der freien Liebestätigkeit überlassen bleibe, ferner, daß eine Organisation zu planmäßiger Be- trcibung dieser Licbestätigkcit, gleichsam eine Zentralstelle über das ganze Land und für das ganze Land errichtet werde. Diese Zentralstelle werde über die gerechte und zweckmäßige Verteilung der staatlichen Unterstützungen zu befinden haben, auch werde sie zur Einleitung und Anordnung vorbeugender Maßnahmen als sehr geeignetes Organ benutzt werden können. Wie diese Zentralstelle ins Leben zu rufen sei, brauche man sich nicht zu sorgen; es sei dies Aufgabe dazu geneigter und geeigneter Per sönlichkeiten, die sich wohl finden würden. Im übrigen wurde noch seitens der Regierungskommissare auf den Wert ausgedehnter poliklinischer Behandlung der zu Verkrüppelung neigenden Kinder hingewiesen, sowie Auskunft über die mehrfach er wähnte Kopenhagener Anstalt gegeben, wo diese poliklinische Behänd- lung eine große Rolle spielt. Die Deputation nahm die Erklärwagen der Herren Kommissare, mit denen sie allenthalben ihr Einverständnis zu konstatieren vermochte, mit Befriedigung entgegen. In ihrer weiteren Beratung gelangte sie zu der Anschauung, daß in einer für die Volk-Wohlfahrt so wichtigen An gelegenheit, wie die hier besprochene, es auf jeden Fall angebracht sei, mit dem Antrag auf Erwägung an die Königliche Staatsregicrung heranzutreten. Nicht als ob sie damit die in der Petition des Sanitäts rates Dr. Schanz entwickelten Ansichten allenthalben zu den ihrigen machen will, sondern getragen von dem Wunsche, daß die Königliche Staatsregicrung der ganzen großen Frage der Krüppelfürsorge nach freiem Ermessen diejenige hohe Beachtung zuteil werden lasse, die sie verdient. In diesem Sinne beantragt sie: die Petition des Sanitäts- rateL Dr. Schanz in Dre-den, betreffend Krüppelnot und Krüppelhilfe, mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Königreiche Sachsen, der Königlichen StaatSregierung zur Erwägung zu überweisen. Deutsche und englische Truppen in den Grenzgebieten von Atninerun. Berlin, 11. Januar. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Das erfreuliche Entgegen kommen der englischen Behörde beim Grenzschutz io Deutsch-Südwestafrika, von dem wir in der letzten Woche Mitteilungen machen konnten, hat von deutscher Seite bereits eine Erwiderung erfahren. Zur Feststellung der Nordwest grenze von Kamerun gegen Britisch- Süd-Nigerien ist bekanntlich eine ge mischte Grenzexpedition unterwegs, welche deutscherseits von dem Oberleutnant v. Stephani geführt wird. Zur Vorbereitung dieser Expedition sind, wie seinerzeit im amtlichen „Deutschen Kolonial blatt" berichtet wurde, auf deutscher Seite im vorigen Jahr durch die Expedition des Majors Puder gegen die Muntschis die nötigen Aufklärungen erfolgt, so daß diesmal hier keineSchwierigkeiten entstanden sind. Dagegen scheinen ähnliche Schritte auf englischer Seite nicht erfolgt zu sein. So ist denn die Grenzexpcdition auf englischem Gebiet von den mit Weißen überhaupt noch wenig in Berührung kom menden dortigen Muntschis einem heftigen Angriff ausgesetzt gewesen. Die gemeinsame Aktion der deutschen und eng lischen Truppen erfolgte nach der an amtlicher Stelle vorliegen den telegraphischen Meldung des Gouverneurs von Kamerun auf Er- suchen des britischen Kommissars und hatte die Wirkung, daß die Gegner in mehreren Gefechten zerstreut wur den. Die deutsche Eskorte beteiligte sich unter Oberleutnant v. Stephani in der Stärke von drei Europäern, vierzig Soldaten und einem Maschinengewehr. Es ist anzunehmen, daß die Muntschis der Grenz- kommission den Durchzug verwehren wollten. Die Verluste aus deutscher Seite sind: Oberleutnant v. Stephani, Schuß in die rechte Brust und den rechten Ellbogen, Feldwebel Buchholz, Schuß in das rechte Handgelenk, Sergean! Schulze, Streifschuß am linken Oberarm. T o t sind ein Soldat und ein Pferdewärter. Schwer verwundet vier Sol daten, ein Dolmetsch und zwei Maschinengewehr träger. Das Befinden der Verletzten ist gut. Die Triangulation wurde unter Oberleutnant Bartsch fortgesetzt. Oberleutnant v. Stephani behält die Leitung der Expedition bei. Der vorstehenden Meldung des Gouverneurs von Kamerun parallel läuft eine Meldung des Londoner Auswärtigen Amts, wonach die gemischte Grenzexpedition am 23. Dezember mit allen eng- lischerseits verfügbaren und den genannten deutschen Truppen Sonk in a l erreicht hat. Am 24. fand ein schwerer Kampf, weitere Geplänkel fanden am 25., 26., 27. und 28. statt. Der organi sierte Widerstand der Muntschis ist Hetzt gebrochen. Die Eingeborenen sind in die Berge geflüchtet. Die gesamten Verluste werden in den amtlichen englischen Telegrammen auf fünf Tote und neunzehn Verwundete angegeben. Das Reichskolonialamt hat das Vorgehen der deutschen Truppen als durch die Umstände geboten ge billigt und die weitere Unterstützung der englischen Abteilung mit dem an der Grenzexpedition beteiligten Kommando, falls erbeten und nötig, telegraphisch angeordnet. Eduard v. Hartmann über das ^plnralrvahlrecht. Nachdem nun doch in Sachsen die Ansichten aller politisch ausschlag gebenden Faktoren sich auf ein Pluralwahlrecht als die vorläufig einzig mögliche Lösung der Wahlrechtsfrage zu einigen scheinen, mag es an gebracht sein, nachzulesen, was Eduard v. Hartmann, der Weltweise, über das Pluralwahlrecht, 1887, geschrieben hat. Hartmann betrachtete zwar andere als die sächsischen Verhältnisse, aber was er speziell über die Berechtigung eines Wählers, mehrere Stimmen abzugeben, sagt, hat er wohl ganz allgemein gedacht, so daß es auch heute noch und auch in Sachsen mit Interesse gehört werden wird. Daß Hartmann eine durch schlagende Begründung für das Pluralwahlrecht geliefert hätte, soll da mit natürlich nicht gesagt sein. Also: „Man klagt so viel über die individualistische Atomisierung der modernen Gesellschaft und über den Verfall der Familiensolidarität: aber man läßt die nächstliegenden Gelegenheiten zur Geltendmachung der Familiensolidarität im Staatsleben unbenutzt. Die Vertretung der Familie nach außen ist Sache des männlichen Familienhauptes, das allein für diese Vertretung die Verantwortung trägt; seine Handlunaen sind gültig und bindend wie diejenigen eines Ministers des Acnßcrcn im Verkehr mit anderen Staaten, gleichviel ob das Parlament von diesen Handlungen Kenntnis erhält oder nicht, beziehungsweise ob eS dieselben billigt oder nicht. Auf Grund der Familiensolidarität geht die Ver mutung dahin, daß ein Sinn und ein Geist in der Familie herrscht und daß das Jamilicnhaupt für dessen Herstellung und Aufrechterhaltung sorgt; wenn diese Vermutung in besonderen Fällen nicht zutrifft, so ist das um so schlimmer für die Familie, kann aber von Staats wegen nicht berücksichtigt werden. Hiernach hätte jeder Bürger nicht bloß für sich seine Waklftimmc abzugeben, sondern auch für seine Frau und für jedes seiner lebenden Kinder, mit Ausnahme derer, welche ihr Wahlrecht entweder selbst aus üben smündige Söhne) oder es durch einen anderen ausüben lassen jver- heiratete und nicht verwitwete Töchter). Nur so würde das Wahlrecht wirklich allgemein, d. h. es würde für jeden Kopf eine Stimme abgegeben. Diejenigen Wahlherechtigten, deren Wahlrecht von anderen ausgcübt wird sWeiber und Unmündige), sind natürlich von jedem Qualifikations nachweis befreit; ein solcher ist nur von demjenigen zu erbringen, der ihr Wahlrecht neben dem seinigen ausübt. Fällt der letztere, d. h. der betreffende Vater oder Gatte unter die oben festgesetzten Ausnahmen, so ruht die Ausübung des Wahlrechts für seine Familienglicdcr ebenso, als wenn er gestorben ist. Ein künstlicher Ersatz für die fehlende natür liche Stellvertretung ist nicht zulässig, weil dadurch sofort dem Wahl schacher Tür und Tor geöffnet würde. Dieselbe Forderung, welche hier soeben aus dem Prinz,» der All- oemeinheit des Wahlrechts adgeleitct wurde, folgt aber auch aus dem Prinzip der Proportionalität von Leistungen und Rechten. Ein Familienvater zahlt nicht nur dem Staat mehr indirekte Steuern als ein familienloser Bürger, sondern er erfüllt auch eine staatsbürgerliche Pflicht, welche dieser versäumt; er entlastet nämlich den Staat und die Gemeinde von dem Proletariat unverehelichter Weiber um einen Kopf und erzieht Kinder, welche er dem Staate bei Antritt ihrer wirtschaft lichen Selbständigkeit als produktives Kapital, d. b als steuerfähigc Bürger zum Geschenk macht, und durch welche er die Wehrfähigkeit, Macht und Größe des Vaterlandes mehren hilft. Gehen wir in der Betrachtung der Verschiedenheit der Leistungen weiter, so zeigt sich zunächst die persönliche Teilnahme an der Vater- landsvcrteidiaung, sowohl der friedlichen Vorbereitung, als der kriege rischen Ausübung derselben, welche bisher noch in keinem Wahlgesetz zum Ausdruck gelangt, ist. Wer persönlich seiner Militärpflicht genügt hat. der hat damit tatsächlich ganz andere Opfer aus dem Altar des Vater landes niedergelegt, als der dazu untauglich Befundene, und dieser Unterschied wurde selbst dann bestehen bleiben, wenn für die letztere Klasse eine Wehrsteuer zur Einführung gelangte.. Denn bloße Geld- opfer können niemals ein volles Acquivalent für mehrjährige persönliche Leistungen gewähren, und noch weniger können sie die Einführung in
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