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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.03.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080316018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908031601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908031601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1908
- Monat1908-03
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Ämtsvlatt des Rates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preit sstr Inserate au» Leipzig und Umgebung di« -gespaltene Petitzeile 25 Pi., stnanzielle Anzeigen 30 P'., Reklamen I M.; von autwLrk» 30 Pi., Reklamen 1.20 M l vomAu»Iand5i-Pi., ftnanz. Anzeigen 75Pl Reklamen 1.50 M. Anseratev Behörden amilichenDeiläOP Beilagegedüdr 5 M p. Dauiend exkl. Post- gedudr. <8eichLsr«an,r,gen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tori- Fcfterteilte Auiträge können nichi zurü<l> gezogen werden. Für da« Urscheinrn oeliimmren Lagen und Plötzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustutplatz 8, bei iämtlichen Filialen u. allen Annoncen Expeditionen de» In- und Aatlantei. Haupt-Filiale Berlin: Carl Dlllicker, Herzogl. Bahr. Hosbuch- handlung, Lutzowstrahe 10. (Delephon VI, Nr. 4603). Nr. 73. Montag 16. März 1908. 102. ZahMiiq. Das wichtigste von, Tage. * Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Die Angelegenheit des Brief wechsels zwischen dem Kaiser und dem britischen Lord der Admiralität Tweedmouth hat am Montag voriger Woche ihre Erledigung in einer Weise gefunden, wie man sie von den großen Traditionen des bri tischen Parlaments erwarten durfte. Wir sehen daher keinen Anlaß, auf die Sache zurückzukommen. * Der römische „Mattino" veröffentlicht eine Unterredung, die der Senator Herzog Andria im April 1905 mit Kaiser Wil helm an Bord der „Hohenzollern" hatte. Andria drückte seine Besorg, nis über die österreichische Politik im Adriatischen Meere und auf der Balkan-Halbinsel aus, worauf Kaiser Wilhelm versicherte, daß Oester reich keine Absichten auf Albanien habe. * Auf Anregung des Zentralkomitees für das ärzt liche Fortbildungswesen in Preußen fand gestern in einer Sitzung im Kaiserin Friedrich-Haus zu Berlin ein Zusammen schluß der in den einzelnen Bundes st aaten schon vorhandenen Landeskomitees zu einem „Rcichsausschuß für das ärztliche Fortbildungswesen" statt. (S- Letzte Tcp.) * Den Grand Prix de Nicc (50 000 Jr.s gewann gestern Baron E. de Rothschilds „E astma n" in einem Felde von zehn Pferden (S. Sport.) Sächsische Oarlainentswoche. Die Zweite Kammer hat in der abgelaufcncn Woche neben ver schiedenen Deputationssitzungen nur vier Plenarsitzungen gehalten, also eine weniger als sonn, gleichwohl zählt die letzte Woche, über deren einzelne Ereignisse zum Teil bereits ausführlich berichtet worben ist, zu den ereignisreichsten und bedeutungsvollsten der sächsischen Parlamentsgeschichtc, und die kommende Woche dürfte ihr darin nur wenig uarbsrehcn. Am ersten Sitzungstage nahm das Hauptinteresse die Petition des Dresdner Professors Dr. Gustav Hoffmann um Festlegung des Osterfestes in Anspruch, weil man hier bei erwarten konnte, die Stellung des neuen Kultus ministers zu dieser das bürgerliche Leben so unver hältnismäßig stark beeinflussenden Frage kennen zu lernen. Er freulicherweise zeigte sich Dr. Beck bereit, daran mitzuwirken, daß der in der Petition angeregte Wunsch, dessen Verwirklichung gerade für unsere Buchhändlerstadt Leipzig von den wohltätigsten Folgen begleitet sein würde, seiner Erfüllung entgcgengcführt wird. Mit Recht wies der Minister darauf hin, daß die Unterrichtsverwaltung ein ganz besonders lebhaftes Interesse daran habe, daß das Schul- jahr möglichst festgelegt werde; wir vermögen aber nicht einzusehen, warum eine Festlegung des Schuljahres nicht schon jetzt möglich sein sollte. Der Einwand des Ministers, daß die Frage noch un- entschieden sei, ob der Beginn des Schuljahres auf das Frühjahr oder auf den Herbst gelegt werden solle, scheint uns nicht stichhaltig. Denn gerade diese Frage läßt sich einfach lösen, indem man, wie es z. B- in Nvrddeutschland vielfach der Fall ist, den Eintritt und die Entlassung der Schüler zum l. April und zum 1. Oktober stattfinden läßt. Eine solche Regelung läßt sich ohne weiteres ermöglichen, ohne daß man sie in Zusammenhang bringt mit der Festlegung des Osterfestes. Und wenn schließlich noch eingewcndet wird, daß zu Ostern die Konfirmationen stattsinden, die für einen großen Teil der Schüler den Abschluß der Schuljahre bilde, so kann man sich auch hier helfen, indem man außer zu Ostern auch zum Herbst, etwa Ende September. Konfirmationen vornimmt. Auch hier lehrt wieder daS Beispiel norddeutscher Großstädte (Hamburg, Berlin), daß dies nicht allein möglich, sondern auch vorteilhaft ist. Bon noch größerem Interesse, wenigstens für den Politiker, war die Sitzung der Zweiten Kammer vom Dienstag nachmittag, wo u. a. das Etatkapitel »Finanzministerium" zur Debatte stand. Hierbei pflegt regelmäßig eine zweite, verkürzte Auflage der all- gemeinen Etatdebatte zu erscheinen, und von dieser Regel gab eS auch diesmal keine Ausnahme. In der Angelegenheit der Schiff- sahrtSausgabcn erklärte der Finanzminister auf eine Anfrage des Abg. Günther mit erfreulicher Entschiedenheit, daß die sächsische Re gierung nach wie vor aus ihrem ablehnenden Standpunkte beharrt. Weiteres über diese wichtige Frage wird man in einigen Tagen '.m Reichstage aus dem Muude des Reichskanzlers hören. Die Erörterung der an die Beratung dieses Etatkapitels an schließenden Interpellation Goldstein über die Beteiligung von Beamten an Konsumvereinen verlief ziemlich ruhig Das wesent- liche. was zu diesem Kapitel gesagt werden konnte, war schon bei der allgemeinen Vorberatung des Antrages Dr. Spieß gesagt wor den, eS fragte sich nur, ob in dem speziellen Falle der Eisenbahn- beamten ein Eingreifen der Regierung stattgefunden hatte. Hier über gab der Finanzminister eine Auskunft, die wenigstens zum größten Teile befriedigte. Wundern muß man sich nur noch, daß das Finanzministerium sich überhaupt veranlaßt gesehen hat, aus die Eingabe der Rabattsparvereine Erörterungen anzustellen, ob und welche Beamte den Konsumvereinen angchören. Dem Grund sätze völliger Neutralität, den der Minister des Innern vor wenigen Tagen als den leitenden Grundsatz der Regierung in dieser Frage bezeichnete, hätte eS mehr entsprochen, wenn auch den Rabattspar- vereinen geantwortet worden wäre: Die Regierung hat keine Ver anlassung und kein Recht, sich darum zu kümmern, wo ihre Beamten am vorteilhafteste» Kümmel nnd Rosinen kaufen. Ebenso müssen wir es als nicht im Einklang mit diesem Grundsatz stehend be zeichnen, wenn -aS Ministerium deS Innern eine Verfügung er lassen hat, worin gegenüber den Konsumvereinen auf Wunsch der Rabattsparvereine auf diese letzteren aufmerksam gemacht und zu gleich bestimmt wird, daß jeder Beamte seine Kenntnisnahme von dieser Verfügung Lurch Unterschrift zu bestätigen hat. Daß Ber- vrdnungen in der Praxis nicht immer so ausgeführt werden, wie es von oben herab beabsichtigt ist, hat sich erst kürzlich in dem vom Abg. Goldstein vorgebrachten Fall gezeigt. Ferner kann nur zu leicht der Verdacht der Gcsinnungsmeierei entstehen, wenn ein Beamter veranlaßt wird, eine Verfügung unterschriftlich zur Kenntnis zu nehmen, in der es heißt: „Da die Wünsche des petitio nierenden Verbandes als nicht unberechtigt anerkannt werden müssen" usw. Wenn der Finanzminister verlangte, daß diese wirt- schaftlichen Bereinigungen nicht als Deckmantel benutzt werden dürften, um darin politische Agitation zu treiben, so ist das durchaus berechtigt, aber, wie Abg. Günther sehr treffend hervorhob, unter schiedslos ist bei wirtschaftlichen Vereinigungen jede politische Agitation zu verurteilen, mag sie nun der Sozialdemokratie dienen sollen oder den Konservativen. Der „Knalleffekt" der ParlamentSwoche, die bewegte Debatte über den Antrag Bär-Roch auf Oeffentlichkeit der Verhandlungen -er Wahlrechtsdeputation, ist an dieser Stelle bereits ausführlich besprochen worden Eins sei aber heute hier noch bemerkt. Als es zur Abstimmung über den Antrag Opitz kommen sollte, der dahin ging, den Antrag Bär-Roch der Wahlrechtsdcputation zur Begut achtung zu überweisen, da wäre cs unseres Erachtens angebracht gewesen, den Antrag aus namentliche Abstimmung zu stellen. Aus der Unterstützung, die dieser Antrag gefunden hätte, würden sich dann manche interessante Schlüffe haben ziehen lassen. Daß -er Hauptantrag fast einstimmig zur Annahme kommen würde, konnte man nicht von vornherein wisse». Was die Sache selbst betrifft, so wäre am besten die volle Oeffentlichkeit -er Verhandlungen, für die sogar bei einem Telle der Konservativen, so z. B. der frei- konservativen Gruppe, Billigung findet. Ist aber eine solche voll ständige Oeffentlichkeit an» praktischen (räumlichen un- zeitlichen) Gründen nicht möglich, so muß, wie auch Abg. Dürr betonte, der Presse offizielle Mitteilung über den Gang der Verhandlungen jeder. Sitzung gemacht werden. Das geschähe am besten dadurch, daß ein von einem Schriftführer verfaßter und unterzeichneter Bericht über jede Sitzung den Pressevertretern allgemein zugänglich ge macht würde. WaS inzwischen werden soll, mögen die Götter wissen. Wenn daS Dresdner Agrarierblatt von Verhandlungen zwischen der konservativen und der nationalliberalcn Partei über gewisse „Annäherungsvorschläge" an die Regierungsvorlage zu berichten weiß, so sei demgegenüber nochmals mit aller Bestimmtheit darauf hingewiesen, daß in dieser Frage jedes Kompromiß vom Nebel ist. A. Asquith. (Bon unserem Londoner L.-Korrespondenten.) London. 14. März. Der Schatzkanzler Asquith, der gegenwärtig der Sache nach britischer Premier ist, könnte es auch der Form nach längst sein. Denn bereits im Dezember haben sämtliche Kabinettsmitgliedcr ihre Bereitwilligkeit erklärt, „unter ihm zu dienen". Die konser vativen „Gekchwätzhäu-lcr^ haben zu Unrecht ausgesprengt, Asquith sei nicht „affabel" genug, und deshalb der „schwarze Hund" des Kabi netts. Die Wahrheit ist, Asquith stellt den schwarzen Hund dar, vor dem sich die Konservativen fürchten. Gerade deshalb ist er der „Premier elect". Aber den „schwarzen Hund", der die stark aus einanderstrebende „liberale Herde" wieder zusammentreibt und bei» einandcrhält, zu spielen, ist ebenfalls kein anderer Staatsmann so geeignet, wie Asquith. Neben ASquith ist Lloyd George heißer Favorit, der erfolgreiche Gesetzgeber für die Schiffahrt, der glückliche Schlichter der großen Lohnkämpfe und der Initiator einer Aera praktischer Eisenbahn reform. Er ist sicherlich der einzige Minister mit großen positiven Leistungen während der zweieinviert-ljährigcn Nmtsdauer des Kabinetts. Er ist der hinreißendste Agitationsredner, der „junge Saul" der Sektierer, die ja die ausschlaggebende Rolle in der libe ralen Partei spielen, nnd die Welshmen sehen in ihm dasselbe etwa, was di: Polen vor hundert Jahren in Poniotowski erblickten. Aber gegen Llond George sprechen einige große Kleinigkeiten und ein kleiner, aber sehr wichtiger Schönheitsfehler. DaS schlimmste zuerst: Er ist kein fleckenloser Freihändler! Und doch wird Free-Trade aller Wahrscheinlichkeit nach eincS der Hauptsiichworte der kommen- den Hauptwahl sein. Daß die großen Finanziers ihn als sozia- listischcn Beelzebub denunziert haben, könnte ihm eher im Lande zur Empfehlung gereichen, bei dem Flügel der Partei, auf den sich das Kabinett von jetzt stützen mnß. Bor allen Dingen ist Llond George aber zu hitzig, trotzdem sein keltisches Kämvfer- und Barden- naturell sich zwischen den Statistiken des HandclsamteS und ihrem Jahrhundertstaub schon merklich abgekühlt hat. Die Ueberhitze ihre- jungen Champions — siehe Winston Churchills Chinesenfeld- zug! — hat der Partei schon beim Wahlkampf von 1906 eine untrag- bare Bürde von Verheißungen aufgeladen. WaS man braucht, ist ein kühles Hirn über einer gleißenden Zunge, ein alter Regisseur, der die Wahl-Mciningcrei mit keinem Zuviel und keinem Zuwenig dirigiert nnd nur soviel Staatsmann ist, als die vhnebin vom Ballast der großen Probleme niedergebeugte Partei im Augenblicke noch vertragen kann. Denn trotz ihrer bigotten Allüren sind gerade die Neukonformistcn der Ehristophorusrolle nun gründlich satt und hatten schon ganz lästerlich zu fluchen begonnen. WaS aber Lloud Georges Chance» auf Null reduziert, das ist seine niedrige „An- cicnnität" in der überreichen Rangliste der künftigen Premiers, m.t der der Liberalismus mit allen seinen Mißerfolgen gesegnet bleibt. Tic ganze politische Misere rührt eigentlich von dem starren Fest» halten der Großvater in der Partei an dem AncicniiitätSgrundiay her. Nur dadurch gelangte Campbell-Bannerman nach HareourrS Ausscheiden zur Führerschaft der L'beralen, nur dadurch auf den Premieifessel, obwohl das Vorrecht des Verdienstes bei den Wahlen und die Befähigung zum NntcrhauSführer in beiden Fällen Asquith, -en schon 1881 Gladstone zum künftigen Premier „salbi:", nach allgemeiner Meinung designierte. Ich glaube, man täuscht sich bei den Konservativen über die Be liebtheit von Asquith. Ich habe in der Wahlkampagne von 19s!6 in vielen Grafschaften der Erklärung -er Wahlresultate beigewvhnt, es gab nur zwei Namen, die stets mit dem größten und stets mit dem gleichen Jubel begrüßt wurden: Joe Chamberlain und „Old ASquith". Es ist ja ganz zweifellos, daß ASqnith niemals vermocht oder Gelegenheit gehabt hat, die Nation mit sich fortzureißen, w e der Invalide von Birmingham. Aber cs gibt doch eine ganze Reihe sehr interessanter Höhepunkte in Asquiths Laufbahn, die ohne weiteres Asquith als die gegebene Ablösung des KlcincngländcrS Campbell Bannerman erscheinen lassen. Asquiths erste politische Erinnerung knüpft an die Gcburtszeik des Imperialismus an. Er hat sie selbst in politisch wirksamer Weise zum besten gegeben. Wie er zur Feier des Friedensschlusses m Krimkricgc mit einer Fahne in der Bubenfaust in einer Sonntags- schul-Prozessio», Choräle und patriotische Lieder singend, die Haupt straße des Norkshirc-Städtchcnk Morley entlang zog." Hier haben wir alle Elemente seiner Persönlichkeit: Robuste provinzielle Kirch lichkeit ohne Askese, Fricdcnsfreude, verbunden mit gesunder Wehr haftigkeit, ein natürliches Verhältnis zu den weiteren Dimensionen der Weltgeschichte, alles dies gefaßt in den Rahmen eines Commvn Sense, der so behaglich cmurutet, wie das Yorkshire Platt, daS durch seine besten Reden hindurchklingt und gewürzt durch einen guten Schub sckticrischer Bancrnschlanheit. Eine Gladstonefigur, ins mystischen Zuges und der reinen Phrase entkleidet, ins Kernhaftere und Volkstümliche übersetzt. Gladstone und Asquith sind beide Oxoneu, aber ein Menschenalter und eine Bildungskluft trennt sic. Gladstone, der Sproß der reichen Manchester Sklavenhalterfamilic im orthodoxen Eton und im bigotten Christchurch zum politischen Kanzclredner und Buchhaltungskünstlsr erzogen. Asquith, mit Stipendien seinen Weg durch die öffentlichen Schulen Londons machend, die Srudienzett in dem realen Bildung zugcwandtcn College Balliot durch PreiSarbeiten erringend und schon als Student im Oxforder Nedetheater durch -en zwingenden Tatsachen stil seiner Advokatenkunst die Begeisterung der eisgrauen noch mehr als der grünen Kommilitonen entzündend. Gladstone war sein ganzes Leben lang der Grandseigneur, Asquith erarbeitete sich erst seinen Rang als Anwalt, dann als Parlamentarier, stets haus hälterisch mit seiner Kraft und stets ei» Erfolg von Chamberlain, damals noch Gladstonischen Liberalen und Homeruler, am Schluffe seiner Jungfernrede als Ministrabel begrüßt von Rosebery, vier Jahre nach seinem Eintritt ins Unterhaus, während des gewaltigen Kohlcnstrciks auf de» schmierigsten Knbinsttspostcn berufen, in daS Ministerium des Innern, das seit Peel keinen besseren Inhaber besessen hat. Manches auS Asquiths Laufbahn mag das Volk ver gessen haben Unvergessen aber ist sein Titancnkampf mit der eigenen Partei während des Burenkrieges, in -cm er offen aut Chamberlains Seite trat, -cr einzige Imperialist der Tat Les ganze» Liberalismus Und unvergessen ist sein großartiger, stets persönlich vornehm geführter Kampf gegen den ChambcrlainismuS und für den Freihandel am Beginn des neuen Jahrhunderts, der -em Liberalismus die Wahlschlacht des Januar 1906 gewann. Asquiths Finanzpolitik unter dem neuen Regime hat einrn Teil der Wählcrmassen »nbesriedigt gelassen. Aber jetzt, da cr die Gladstoncsche Bürde der Exchequcrverwaltung und der Premier schaft auf sich genommc» hat, da er imperialistische Flottcnpolitik, Steucrentlaftung der ärmere» Klassen, aktive Tcmperenz- und aktive Sozialpolitik in radikaler, aber noch positiver Form, und mir brutaler Offenheit Lurchzusctzen wagt. in. wie sich bereits gezeigt hat, der ganze Liberalismus bereit, ihm als einem Großen noch einmal die große Chance zu geben, die Champbell-Banncrman ver scherzt hat. Seit 1826 Vater Matthew im irischen Cork -aS Nüchternheits gelöbnis unterzeichnete, ist die Tempcrenzbewcgnng die gewaltigste und die reichste aller politischen Maschinen im Staate geworden. Selbst die Konservativen haben ihr 1904 mit der Act, die Asquith jetzt radikal au-baut, ein heuchlerisches Zugeständnis gemachi. Und sogar im Obcrhause tritt die Geistlichkeit geschlossen für die Tem- pcrenzplänc «in. ASquiihs Vorlage ist in Wahrheit milder, ais man erwartete: sie fußt auf den Vermitteluugsplänen, die in den achrziger Jahren John Bright einbrachte, die allseitig, nur von Gladstone nicht akzeptiert wurden, und die auch von den Konser- vativen in den Grnndzügen angenommen wurden. Es ist nichi wahrscheinlich, aber cö ist keinesfalls unmöglich, daß Asquith Liccnsiug-Bill, maßvoll amcndiert, Gesetz wird. Seit 37 Jahren ist aber keine liberale Tcmp-renzbill in die zweite Lesung gelangt. Cs ist bezeichnend genug, daß nicht bei dieser Bill der Oppositionsführer Balfour, sondern in einer großen Homerule-Dcbatte den Haup.- angriff auf ASquith machen will, Homernlc, welche die Iren zn -re- Vierteln in der Tasche zu haben glauben, während von Asquith di? Sage gcht, daß cr kein zuverlässiger Homeruler sci. Aber auch hier dürfte die Opposition eine rasche Enttäuschung erleben, genau, nie eS ihr mit der Schnlvorlage ergangen ist, die zwar radikal Ikon- fesstonSlose Staatsschulc, Abschaffung der Religionsprüfnng für Lehrer, Entziehung tcS Slaatszuschusscs au private Konfessions schulen), aber so ausgcsiatlkt worden ist, daß daS Oberbaus sie eigentlich annehmcn muß, nnd die jedenfalls wieder den ganccn LiberaliSyruS auf sich einigt. Man sagt, ASquith spicie überhaupt nur noch für die liberal Galerie Soviel ist jedenfalls richtig, daß ans seinem Wege das Gros des Liberalismus mit dem 1906 die Schlacht gewonnen wurde, wieder zu ihm stoßen wird und daß cr offenbar ernstlich ge willt ist, mit ladikalcm Schulgesetz, Tcmpcrcnzgesetz. Flotten programm und Freihand.'lsschrei. einen Wahlgang zu waaen. den die Konservativen, voran -aS Oberhaus, wohl nicht allzu ciiig suchen werden
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