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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.04.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190904234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090423
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090423
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-04
- Tag1909-04-23
- Monat1909-04
- Jahr1909
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Am Karfreitag 1909 also ist in Berlin dieses Schiedsgericht zu Grabe getragen worden. Möglich, daß es (ähnlich wie 1906s bei de: leicht entzündbaren Beweglichkeit des Bühnenvölkchens v-cht bald eine fröhliche Auferstehung feiert. Und es ist zu hoffen, daß dann mancher Mangel der heutigen Institution gemieden wird. Mindestens aber be deutet das nunmehr einaehende Bühnenschiedsgericht eine nicht uninter essante Etappe der deutschen Rechtsgeschichte. Dr. L. 8. Irrr Neichsfinaiizreforin. Fortsetzung der KommisfionSberatnng über die Brannt weinsteuer. 0. Berlin, 22. April. (Privattelezramm.) Die Finanffommission des Reichstages ist nicht ganz zufrieden mit dem gestrigen Beschluß des Seniorenkonvents, ihr den Diensiag und Donnerstag für ibre Arbeiten freizugeben. Man wird im Senioren konvent oder im Plenum durchzusetzen versuchen, daß die beiden, der Kommission reservierten Arbeitstage zusammengelegt werden. Die gestern eingeleitete Debatte über die Bemessung deS Kon tingents der Lufthefefabriken, die den Branntwein als Neben produkt Herstellen, wurde sodann weitergesührt. Dem tz 27, wonach landwirtschaftliche Brennereien und Obstbrcnnereieu, die zum gewerblichen Betriebe übergehen, Branntwein zu den niedrigeren Abgabe sätzen mit Herstellen dürfen, wurde auf Antrag der Abg. Dr. Weber und Fuhrmann (Natl.) eine Bestimmung hinzugefügt, wonach land wirtschaftliche Brennereien, die zur Hefeerzeugung übergehen, den Vorschriften der KZ 33 und 39 unterliegen, die eine Kontingenisminderung beim Betriebswechsel vorseheu. Dann nahm man gegen heftigen Wider spruch der Konservativen und Nationalliberalen einen Antrag Müller- Fulda (Ztr.) und Dr. von Czarlinski (Pole) an, für den auch die Sozialdemokraten und Freisinnigen stimmten, den 8 29 (Fest setzung der Einzelkontingente) folgendermaßen zu fassen: Die im Betriebs zähre 1907/08 nach den Vorschriften des bisherigen Brannlwein- steuergesetzes festgesetzten Kontingente bleiben unbetchadet der Vor schriften in den Z8 25 und 39 (Kontingentsminderung beim Bctriebswechsel) bis zum 30. September 1911 in Geltung. Für den folgenden Konlingentsabschnitt erfolgt die Neuveranlagung im Betriebsjahre 1910/11. Hierbei und alsdann von fünf zu fünf Jahren find für die einzelnen bisher beteiligten landwirtschaftlichen Brennereien und für die inzwischen neuentstandenen landwirtschaftlichen Brennereien und Obstbrenuereien die Jahreömengen Branntwein, die sie zu dem niedrigeren Abgabensatz Herstellen dürfen, neu zu bemessen. Bei der Neuveranlagung im BetriebSzahre 1910/11 ist innerhalb rer einzelnen BerwalMngSgebiete das Kontingent einer jeden landwirischafi- lichen Brennerei einer Revision zu unterziehen nnd nach einheitlichen Grundsätzen im VerbaltniS vom bisherigen Gesamtkontingent ,um Durch schnittsbrand neu festzusetzen. Nach längererDebatte über die Kontingents minderung beim Beiriebswechsel, 8 33, wurde die Sitzung abgebrochen, weil die konservativen Mitglieder der Kommiision zu einer FraktionSsitzung abberuzen wurden Weiterberatung morgen Freitag. Zur Frage der Srsatffteucrn wird unS von unterrichteter Seite mitgeteilt, daß der Bundesrat außer einer Reichswertzuwachssteuer eine Erhöhung des Kaffeezolle« und eine Zündhölzchensteuer ins Auge gefaßt hat. In bezug auf letztere wird angenommen, daß sie nur ein Vor läufer eines Reichsmonopols auf Zündhölzchen sei» soll. Wie_ die übrigen einzelstaatlichen Finanzminister, so ist auch der sächsische Minister Dr. von Rüger zur Teilnahme an den Beratungen de« Bundesrats über die Ersatzsteuern in Berlin einzetroffen. Die „Natl. Korr." bemerkt zu diesen Beratungen des BundcSraiS mit Recht: „Vielleicht stellt sich dann auch heraus, daß nach den vielen schmerzlichen Erfahrungen dieser letzten Monate man neuerdings in Annahmen und Aniätzen zu schüchtern geworden ist: daß aus der Erbanfallsteuer mehr berauSzuholen sind als nur 50 Millionen; daß der Tabak 70 Millionen bringen kann und für das Branntweinmonopol (was manche Anzeichen vermuten lasten) in diesen Ferienwochen das Verständnis gewachsen ist. Eins aber wird, wie die Dinge sich auch im einzelnen gestalten mögen, unerläßlich sein: daß die Blockparteien sich bald — in anderthalb, höchstens in zwei Wochen — über das Was und Wie einigen. Geschieht daS nicht, dann haben alle Koni- Missionsberatungen keinen Zweck." Eine günstige Wendung scheint sich wenigstens in bezug auf die Branntweinsteuer nach der „Frkf. Zig." insofern anzubahnen, als bei den Konservativen die Bereit willigkeit besteht, in der Frage der Liebesgaben weiter nachzugebcn, indem diese auf 10 .«? reduziert werden. Man glaubt, daß sich die Link.- damit zufrieden gibt. Hiermit dürften dieAnsätze zu einer Verständignngwohl gegeben sein. Auch für die Erbanfallsteuer hegt man jetzt eiwaS mehr Hoffnung. Die „DreSdn. Korr." hat aus zuverlässiger Quelle erfahren, daß der Elferausschuß der Deutschkonservaiiven Partei in den nächsten Tagen in Berlin zu einer Sitzung zusammen treten wird, um sich mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen. Zweifellos ist die Absicht, den Elferausichuß zu einerSitzung zusammenzuberufen, mit auf die Dresdner Revolution der sächsischen Konservativen zurückzusühren. Als eine Art Vorbereitung auf eine der Erbanfallsteuer günstige Ent schließung des ElserausschusseS darf man wohl auch einen Aufsatz der offiziösen „Leipz. Ztg." ansehen, worin den sächsischen Landwirten kräftig inS Gewissen geredet wird, der Haltung des Bundes der Landwirte in dieser Frage nicht zuzustimmen. „Kommt eine Erbanfallsteuer zustande, so heißt es da, und setzt man bei ihr einen Erbteil von 10 000als Mindest grenze, so werden wenigstens 94 Pro z. der sächsischen Landwirte von der Steuer überhaupt nicht betroffen." So erfreulich riese Feststellungen sind, so sehr bedauern wir ihre ziemlich spate Veröffentlichung. DaS große Reformwerk könnte schon viel weiter gediehen sem, wenn d,e Fiuauzpläne der Reichsregierung schon früher in dieser nachdrücklichen Weise durch praktische, einleuchtende Beispiele und Zahlenangaben unter stützt worden wären. Rachverzolnng und Nachvnstcurrung von Tabak. Aus Berlin erhält die „Südd. Tabakzeitung" in Mannheim von berufener Seite die authentische Nachricht, daß nach dem bisherigen Verlauf der Beratungen über die Tabaksteuervorlage in der Subkom mission der Fmanzkommission deS Reichstags es nicht ausgeschlossen er scheint, daß die schließliche Entscheidung dabin gehen wird, die er forderlichen Mehrerträge aus der Besteuerung des Tabaks durch eine Zoll- und Steuererhöhung zu gewinnen, und zwar vielleicht in Form eines Wertzollzuschlags in Verbindung mit einer entsprechenden Erhöhung desSteuersatzeS für inländischen Tabak. Sollte die Tabaksteuerfrage in dieser oder ähnlicher Weise ihre Lösung finden, so würde, um den nachteiligen Wirkungen der wobl als- bald einsrtzenden Vorabsertigungen zu begegnen, eine Abgabenerböhnng mit rückwirkender Krast von einem bestimmten Zeitpunkt ab ein, geführt werden wüsten. Um die damit verbundenen Schwierig. 1 w. i./r.« i^r. «s> vi.R« Bezug«-Prei» ißr -»» «««<» «s»» Lrta« »nd Svrdttinr« t»1 gebracht, VV § m»nntl„ L.70 »trrMtShrt. v«t untern FUtatio a. »nnadmeOellen adaehuU» 7» ch mun-tl.. >->2 vierteltthrl. vurch »4, Gottr Druttchland« ,a» d« beuttche» «»Ionien »terreljthri. ».»» uv. ««natl. um» anStchl. Postdeüellaeld. gern« tu Bel-i»», Dänemark, den Donaustaatea, Italien. Lnremdura, Rieder lande. Rar» weaen, Oesterreich- Unzar», Rußland, kchroedra, Schwei» ». Spanien. In alle» adrigen Staate» aur direkt durch dt» »Rch«t,It,ll. d« Blatte« «HLiilich. Da« Letoeia« Tageblatt «rtcheint u>Scheut- ltch 7 «al nnd Mar m or^n«. UbonnemenEnnadme i Uoaot»n«»latz T bei untere» Trägern. Mltaieu, Spediteur« und Luna-mestellen. sowie Po-tmter» und Briet Iräzcr». Di» einzelne Rnmmer kotier 1» 4^ «rbektt», «,» »ekchiftskrll« Jodannitgalte 8. Ferntvrrcher > I4S92, I4SSS» 14804. MpMerTaMatt Haudelszeitung Amtsblatt -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. 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Das wichtigst«. * Die sächsische kirchliche Konferenz in Chemnitz hat zu den Z w i ck a ui»r Thesen in bemerkenswerter Weise Stellung ge nommen. (S. Dtschs. R.) * Kaiser Wilhelm wird auf der Rückreise von Korfu in der zweiten Maiwoche nach Wien kommen, um Kaiser Franz Josef einen Besuch abzustatten. * Der Reichstag behandelte am Donnerstag den Antrag der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft über Beschränkung der Einfuhr- scheine. (S. Reichstagsbericht.) * Die Finanzkommission des Reichstages setzte am Donners tag die Beratung der Branntwein st euer fort. (S. d. bes. Art.) * Die Kommission des Reichstags für d-n Gesetzentwurf über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs be endete am Donnerstag diezweite Lesung. "Frankreich hat, nach einer Meldung der offiziösen „Agence Havas", im Einverständnis mit England beschlossen, die Unabhängigkeit Bulgariens im Prinzip anzu erkennen. Die Veröffentlichung der Anerkennung, die noch von der vorherigen Erledigung einiger Formalitäten abhängig ist, dürfte wahr scheinlich erst in 24 oder 48 Stunden erfolgen. k 1S.Z2L. * Der sozialistische Deputierte Jaures veröffentlicht in der Pariser „Humanits" einen Aufsehen erregenden Artikel, worin er be- bauptet, daß als Pseudoterroristen verkleidete Polizei- agiknten ein fingiertes Attentat auf Fallieresund Clemenceau während des Aufenthalts in Nizza geplant hätten. (S. Ausl.) ««kl» 0450 S0.7V^ - 5275 8520 »t«r. r. L. * Der jungtürkische General st ab beschloß, nicht die Stadt Konstantinopel, sondern nur den Jildis anzugreifen. Die Meldungen von einer Verständigung zwischen Abdul Hamid und dem Komitee werden offiziell dementiert. Die Absetzung des Sultan- soll beschlossene Sache sein. (S. d. bes. Art.) 8-" ... Das Vtthnensehiedsgericht. Am Karfreitag ist in Berlin eine Institution zu Grabe getragen worden, die auch außerhalb des Bühnenlebens Beachtung verdient: das Bühnenschiedsgericht. Nachdem nämlich am 30. Januar 1909 die Gene ralversammlung des Deutschen Bühnenvereins sd. i. der Rechtsschutz verband der Intendanten und Direktoren) die bestehende Schiedsgerichts ordnung einseitig dahin abgeändert hatte, daß das Schiedsgericht nur noch für die seltneren Differenzen zwischen Bühnenleitern, nicht aber für die viel häufigeren und in sozialer Beziehung wichtigeren Streitfälle zwischen Bühnenleitern und Bühnenmitgliedern weiter bestehen solle, hat am 9. April die Interessenvertretung der Mitglieder, die Deutsche Aühnengenossenschaft, auch ihrerseits das gemeinschaftliche, mit ehren amtlichen Schiedsrichtern beider Interessengruppen besetzte Bühnen schiedsgericht für aufgehoben erklärt. Nicht so ganz unwichtig ist dieser Beschluß für das deutsche Rechts leben; denn das Bühnenschiedsgericht war, ähnlich wie die Militär gerichte, die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, sowie die Dörsenschieds- gcrichte, ein Versuch, einen Teil der Rechtsprechung den ordentlichen Gerichten zu entziehen und einem besonderen Gerichtshöfe von Berufs genossen zu überweisen. Schäden und Vorzüge der Sondergerichte sind häufig mit Heftigkeit 'diskutiert worden. Vorteilhaft ist, daß ein Gerichtshof von Berufs genossen dem juristischen Berufsrichter an intimer Kenntnis spezieller Standesinteresten naturgemäß überlegen sein muß. Ueberflüssig wird die leidige Abhörung von Sachverständigen, auf deren Schultern ängst liche Verufsrichter einen Teil ihrer Verantwortung abzuwälzen pflegen. Vor allem ist vorteilhaft, daß vor einem Sondergerichte der Anwalts zwang nicht erforderlich ist. Und es ist nicht ganz unbekannt, daß, dank der gesalzenen Gebührenrechnungen unserer Advokaten, die „Braten brühe" oft viel teurer ist als der „Braten". Eine gütliche Einigung durch Vergleich scheitert in zahllosen Fällen nur an der Höhe der An waltskosten. Anderseits ist es nachteilig, daß die schwer errungene deutsche Rechtseinheit durch Sondergerichte in mittelalterlicher Weise wieder oufgegeben wird. Für gewisse Streitfragen möchte schließlich jeder Be- russkreis sein Sondergericht haben. Schwierigkeiten bietet aber die ge ringe Schulung solcher nebenamtlicher Schiedsrichter für den Beruf der Rechtsfindung, die Auswahl geeigneter, unabhängiger Persönlichkeiten und die Art der Entlohnung, die mindestens für die Auswärtigen durch Tagegelder erfolgen muß. Endlich ist es auch z. B. einem seßhaften Hosschauspieler mit Dauerkontrakt gar nicht so leicht, das ganze Elend der kleinen Wanderkomödianten ganz zu überschauen. Der viel ge feierte Heldentenor schert sich den Teufel darum, ob die „Kollegen" draußen in der Provinz verhungern. Von der Hofoper bis zur Schmiere ist ein himmelweiter Unterschied. Und während der Berufsrichter durch den endlosen Kampf wider strebender Interessen, der sich täglich vor ihm abspielt, zu größerer Un befangenheit, Unparteilichkeit erzogen ist, fällt es dem Laienschieds- richter besonders schwer, gegen die speziellen Interessen seiner Standes- genossen dann zu entscheiden, wenn sich innerhalb eines Berufes zwei Sondergruppen, insbesondere Arbeitgeber und Arbeitnehmer, gegen überstehen. Im Bühnenleden stehen sich gegenwärtig zwei solche Sonder gruppen (Bühnenleiter und Mitglieder) mit besonderer Schroffheit gegenüber, nachdem im letzten Jahrzehnt zwischen beiden Korporationen Waffenstillstand, beinahe Frieden und Freundschaft bestand. Denn das von einer gemeinschaftlichen Kommission geschaffene neue Bühnenvcr- tragsformular wurde, obwohl es gegenüber dem bisherigen Zustande den Mitgliedern immerhin beachtenswerte Besserungen brachte, in Ber- W »25 Freitag 23. April 1909. lin im Dezember 1908 von der Delegiertenversammlung der Bühnen genoffenschaft mit solcher Schroffheit abgelehnt, daß auch das eigene Präsidium entthront wurde, weil es Len Entwurf befürwortete. Ein Bruch mit dem bisherigen System der sog. „Leisetreterei" den Bühnen leitern gegenüber sollte damit geschaffen werden. Der Bühnenverein dagegen mußte dies naturgemäß als Kriegs erklärung auffassen und blieb seinerseits die Antwort nicht schuldig. T)enn in seiner Generalversammlung vom 30. Januar 1909 sperrte er die wichtige Benefize für die Genossenschaftspensionskaffe, lehnte es ab, die sonst zuweilen nicht leicht beizutreibenden) Beiträge der Ge nossenschafter künftig weiter von der Gage abzuziehen und direkt an die Genossenschaftskaffe zu senden und weigerte sich endlich, das gemein schaftliche Bühnenschiedsgericht noch weiter zu besetzen. Die Genossenschaft aber trat ihrerseits die sog. Flucht in die Öffentlichkeit an, veröffentlichte Material über das wirtschaftliche Elend des Schauspielerproletariats und trat heftig in eine Agitation für das von den Wissenden längst ersehnte „Reichstheatergesctz" ein. Und diese stürmische Bewegung hatte in der Tat bereits einige prak tische Erfolge, denn bereits Anfang Februar beschäftigte sich der Reichs- tag mit dieser Materie. Auch läßt das Reichsamt des Innern Er mittelungen, insbesondere durch die Gewerbekammern, vornehmen. Die Besetzung des Schiedsgerichtes, das nunmehr in diesem Jn- tereffenkampfe eingehen soll, hat schon vor mehr als einem Jahrzehnt Anlaß zu erbitterten Kämpfen zwischen Bühnenverein und Genoffen schaft gegeben. Ursprünglich stellte der Bühnenverein (Direktoren) drei, die Genossenschaft (Mitglieder) zwei Schiedsrichter. Diese Be setzung war unhaltbar, denn ungeschulte Laienrichter werden nur in seltenen Fällen befähigt sein, gegen ihr eigenes Standesintereffe zu entscheiden. Der vielerörterte Streiffall Haverland gegen Barnay zeigte die Unfähigkeit eines derartig besetzten Schiedsgerichtes aufs deutlichste. Für mißtrauische Gemüter, die da glauben sollten, all die leidenschaft lichen Kämpfe wären um die schönen Augen eines jungen Bühnen sternes gekämpft worden, sei dazu bemerkt, daß Fräulein Haverland damals unmittelbar vor ihrem Uebertritt ins Fach der .Helden mütter" stand. Der Tatbestand lag ziemlich einfach: Gegen Mittag mußte am Ber liner Theater in Berlin eine für denselben Abend angesetzte Vor stellung einer Erkrankung wegen abgesetzt werden. Angeseht wurde da für Gvrthes „Iphigenie". Anna Haverland weigerte sich aber, die Titel rolle zu spielen, obwohl sie den Text genau beherrschte, und zwar weigerte sie sich deshalb, weil sie den Standpunkt vertrat, daß eine solche Rolle zur inneren Sammlung mehr als einige Stunden Vorbereitung »er fordere. Ziemlich zweifellos handelte es sich in diesem Falle nicht um eine Absage aus bloßer Laune. Offenbar hatte diese denkende Künstlerin ernsthafte Bedenken gegen das künstlerische Gelingen irines solchen Ein springens. Anderseits war nicht zu verkennen, daß im finanziellen Interesse der Theaterleitung die Abendvorstellung nach Möglichkeit ge rettet werden mußte. War dem Publikum bekannt, daß es sich um eine Ersatzvorst-llung handelte, so konnte auch der künstlerische Ruf der Dame selbst bei einem mäßigen Gelingen kaum ernsthaft leiden. Beide Parteien platzten also so heftig aufeinander, baß auch vor dem damaligen Fünfmänner-Schiebsgerichte naturgemäß die 2 Schieds richter der Genoffenschaft für die Künstlerin, die 3 Schiedsrichter des Bühnenvereins aber für den Direktor Barnay stimmten. Schließlich aber erklärte das Schiedsgericht selber, in dieser Sache nicht entscheiden zu können — also eine unverblümte Bankrotterklärung. Erfreulich war unter diesen Umständen der auf diesen Streitfall hin erfolgende energische Beschluß der Delegicrtenversammlung der Bühnengenossenschaft vom 13. Dezember 1894, ein derartig ungenügend besetztes Schiedsgericht überhaupt nicht mehr zu beschicken. Es folgte dann die Zeit des „Rumpf-Schiedsgerichtes". Und es muß anerkannt werden, daß gerade die Urteile dieses nur mit den 3 Schiedsrichtern des Bühnenvereins besetzten Gerichtshofes außer ordentlich vorsichtig waren und daß gerade in diesem Zeitraum jede Parteipolitik zugunsten der Direktoren sorgsam vermieden wurde. Dieser Zustand war jedoch auf die Dauer unhaltbar. Bereits 1896 erfolgte eine Neuorganisation des Schiedsgerichtes in der Weise, daß Bühnenverein und Genossenschaft je 3 Richter stellten, die Stimme des vom Bühnenvereine zu stellenden Obmanns aber den Ausschlag bei Stimmengleichheit gab. Immerhin also kaum eine Besserung. Am 1. Februar 1905 trat dann eine neue, nach Mglichkeit an die Zivilprozeßordnung angelehnte Schiedsgerichtsordnung in Kraft. Oertliche Schiedsgerichte, Senate mit je 3 Schiedsrichtern jeder Gruppe und Rekursgerichte mit je 5 Rekursrichtern von jeder Korporation bil deten hiernach die 3 Instanzen. Nun mag sich das Bühnenschiedsgericht, besten Entscheidungen durch einen höheren Beamten des Reichsmarineamtes in nicht gerade ge schickter Form veröffentlicht wurden, im wesentlichen bewährt haben, so weit es sich um die nicht häufigen Streitigkeiten zwischen Bühnenleitern unter sich bandelt. In dieser Torsoform soll es ja auch noch künftig weiter vegetieren. Ungleich größere Schwierig^- ten aber ergaben sich nach wie vor in den häufigeren und wichtigeren Fällen, wo Konflikte zwischen Bühnen leitern und Mitgliedern zu entscheiden waren. Erschwert wurde hier die Nechtsorechung besonders durch die temperamentvolle Art, mit der in Künstlerkreisen sachliche Streitfragen verfochten werden und häufiger noch als anderwärts in persönliche Differenzen ausarteten. Ein wesentlicher Nachteil blieb es, daß auch nach der neuesten, am 1. Februar 1905 in Kraft getretenen Schiedsgerichtsordnung die gleiche Zahl der von jeder Interessengruppe in die Senate und ins Rekurs gericht abgeordneten Schiedsrichter eine gerade Gesamtzahl ber Richter ergibt. Jeder juristische Säugling aber weiß, daß ein Richterkollegium von gerader Stimmenzahl ein Unding ist. Nur bei Ken örtlichen Schiedsgerichten, also der unteren Instanz, ist man auf das Ei des Kolumbus gekommen, insofern dort die gewählten Schiedsrichter schon bei Beginn der Spielzeit einen ständigen Obmann zu wählen haben, der nach § 118 d:r Schiedsgerichtsordnung möglichst ein Rechtsverständiger sein soll und nicht Bühnenleiter oder Bühnenangehöriger sein darf. 1V3. Jahrgang.
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