Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.06.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100603025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910060302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-06
- Tag1910-06-03
- Monat1910-06
- Jahr1910
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«ezugS-'pret» !ir Ueipzia «»» Borortt durch n»I«re »rigee und Sprdireure 2m»l rtglich iu» Hau« ,edruchl: 8V monatl., «.70^» vierleljihri. vrt uniern Filialen u. Än- oadmeslellen adqedoll: 78 -ch monatl., «.«8 oiertrllädrl. Lurch »te Polt: tnnerßald Lrulichlaub« und der deutschen Kolonien v,erleliidn 8.SS monail. LL- autschl. Poftdestellaeld. ferner l» Belgien, LLnemark, den Donausiaaten. Italien, Luxemburg, Glieder lande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, SüHveix u. Spante» In allen übrigen Staaten nur direkt durch die «etchatttHelle de« Blatte« erdäilUch. ko« Leirxiger taaeblati erschein' 2 mal tllglich Sonn- u Fei riag« nur morgen«. Abonnei «nl-ülni-alime Augukusplatz 8, bei unseren IrLgern Filialen Spediteuren und «nnabmeslelle» >owie PoslLmrern uno Brieslrigern «tnjelverkausepret« »er Morgen, aulgab« Iv H, der i-dendiu«gabe S Redaktton und Geschäftsstelle: Iohanniigasse«. Fernsprecher: 1468L 148t», 14684. Abend-Ausgabe. WpMtrTMblaü Handelszeitung. Ämtsblatt des Aales und des Nokizeiamles der Ztadt Leipzig. Anzeigen-PretS str Inserate au« Leibi', und Umgebung die Sgelvaltene -0 ww breit« Petit»eil« L 4, dl« 74 «ua breite ReNamezeile I Ion auewärt« 6l> «eklam«" t.2l) ^ss: Inserate von -ebbrden m amtlichen teil dt« 74 ww breit« Petitgeile «eschatktun^iarn mit Plahoorschristen and tn der Abendausgabe im Preise erhöht, Rabatt noch Ians. Beilage,edübr L p. Lausend «kkl. Postgebühr. Festerteilte tlulträg« können nicht surück- gexogen werden. Für das ltrichetnea an bestimmten Lagen und Plätzen wird leine Garantie übernommen. «neigen-Annahme: Augustnsplatz ks, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoneen- Sxpeditionen de« In- und »Utlande«. Haupt-sttltalr verlin: Lari Luncker. Her,»gl. Vahr. Hosbuch- iandlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI. Nr. 4MÄ). Haupt-Filiale Lre-den: Seestraße «, 1 (Telephon 462t). pulltttlhe Nachrichten. Verband Sächsischer Industrieller und die Weltausstellung Brüssel. Dem gemeinsamen Besuch der Weltausstellung Brüssel durch die Verbände Sächsischer und Thüringischer Industrieller, der in der Zeit vom 16.—19. Juni d. Js. stattfinden wird, hat sich auch der Verband Württembergischer Industrieller angeschlossen. Ferner ist auf Einladung des Verbandes der vortragende Rat im sächsischen Ministerium des Innern, Geh. Regierungsrat Dr. Morgenstern mit der Teilnahme an der Fahrt beauftragt worden. Die Zahl der an der Fahrt Beteiligten beläuft sich auf 250. Ahlwardt als Kandidat für Zschopau—Marienberg. Man schreibt uns: Für das durch den Tod des Abg. Oswald Zimmermann erledigte Reichstags mandat für den 20. sächsischen Wahlkreis (Zschopau- Marienberg) beabsichtigt auch der frühere Reichs tagsabgeordnete Rektor a. D. Ahlwardt sich als Kandidaten (!) aufstellen zu lasten. Er ist der Hoff nung, die Erbschaft seines ehemaligen -Gesinnungs genossen antreten zu können, und glaubt die Unter stützung der Konservativen und Reformer (unter denen er noch viele Freunde befitzt)dadurch zu erhal ten, daß er in erster Linie den Kampf gegen die Vor rechte des Judentums führen und die Neichsbank- srage aufrollen will. Letztere ist insofern spruchreif, als die der Reichsbank von Reichs wegen erteilte Konzession im Jahre 1911 abläuft. Man ist sich in Neformerkreisen zwar darüber klar, daß Ahlwardt keinen vollen Ersatz für den verstorbenen Abgeord neten Zimmermann bedeutet (Aha, die Red.), glaubt aber, da auch die nationalliberale Partei elnen eigenen Kandidaten aufstellt, durch Ahlwardts Per sönlichkeit erreichen zu können, daß der Wahlkreis nicht gleich in der Hauptwahl an die Sozialdemokratie verloren geht. Eine Kundgebung des Evangelischen Bundes. Im Namen des Zentralvorstandes des Evangelischen Bundes erlässt das Präsi dium eine Kundgebung gegen die Borromäus- Enzyklika des Papstes. Nachdem zunächst alle darin enthaltenen schändlichen Schmähungen des Pro testantismus wiederholt sind, beisst es in der Kund gebung u. a.: „Es wirft dieses ungeheuerliche Urteil über die Nr. löl. deutsche Reformaticn und den Ursprung unserer evangelischen Kirche ein grelles Schlaglicht auf die geschichtliche Bildung des „unfehlbaren" Oberhauptes der rö mischen Kirche und seiner Ratgeber, auf die Unduldsamkeit und Unversöhn lichkeit des Ultramontan ismus, auf den wahren Wert der Friedens reden katholischer Bischöfe und auf die nationale und kulturelle Gefahr der politischen Organisationen der päpstlichen Bannerträger im Deutschen Reiche. Wir erheben deshalb im Namen unserer Mitglie der und wohl auch im Sinne aller bemühten deut schen Protestanten entrüsteten Einspruch gegen die rücksichtslose päpstliche Frie densstörung, die um so verletzender wirkt, weil sie ohne jeden Anlah und ohne jede Beachtung der Proteste wider die Canisius-Enzyklika vom Jahre 1897 die damaligen Beschimpfungen noch zu überbie ten wagt. Jeden evangelischen Christen und deut schen Protestanten muh nun erneut zum Bewuhtsein kommen, wie notwendig für den inneren Frieden des Reiches tatkräftige Abwehr der ultramonta nen Machtbestrebungen ist." Die Kundgebung schlieht mit der Bitte an die Zweigoereine des Evangelischen Bundes, sich dem Protest anzuschliehen. Die Stichwahlparole des Zentrums in Zauer—Bolkenhain. Zauer, 3. Juni. (Priv. Telegr.) Eine Vertrauens männerversammlung des Zentrums im Wahlkreise Zauer-Landeshut—Bolkenhain beschloh einstimmig, den Zentrumswählern Wahlenthal tung für die Stichwahl zu empfehlen. Der Besuch der Turiner Industriellen. Berlin, 3. Juni. (Tel.) Die Turiner Kauf leute und Industriellen waren gestern abend von dem Präsidenten der ständigen Ausstellungskom mission für die deutsche Industrie und vom Präsi dium des deutschen Komitees für die internationale Industrie- und Eewerbeausstellung in Turin 1911 zum Souper in die Ravenösche Gemäldegalerie ge laden. Die Geheimen Kommerzienräte Ravens und Goldberger und Gemahlinnen empfingen die Gäste. Die ganze Veranstaltung in den präch tigen Räumen der Galerie trug den Charakter aus erlesener Gastfreundschaft. Unter den Anwesenden befanden sich der italienische Botschafter Pansa, Staatssekretär Delbrück, Handelsminister Sy- dow, Kommerzienrat v. Borsig, Geheimrat Cassel, Ministerialdirektor Körner, Generalkonsul Mendelssohn, Unterstaatssekretär Richter, Landtags abgeordneter Blell, Geheimrat Vusley, Vertreter des Auswärtigen Amts, des Reichsamts des Innern und der Handels- und Industriekreise. Die Reihe der Toaste eröffnete der italienische Botschafter mit einem Hochruf auf den Deutschen Kaiser, worauf Staats sekretär Delbrück einen Toast auf den König von Italien ausbrachte. Er wies darauf hin, dah zu den kulturellen Beziehungen, durch die Italien und Deutschland miteinander verwachsen seien, neue An knüpfungspunkte in der Industrie hinzugekommen seien. Ein besonders einigendes Moment sei die Turiner Weltausstellung. Sodann begrühte Ge heimer Kommerzienrat Goldberger die Gäste. Er gab seiner Freude Ausdruck, dah sich Deutschland an der Turiner Ausstellung werde beteiligen können. Namens der Gäste dankte sodann der Präsident der Turiner Handelskammer Bocca für die herzliche Ein ladung. Der Streit im Baugewerbe München, 3. Juni. (Tel.) Ein groher Teil der bayrischen, namentlich der Münchner Bau unternehmer beabsichtigt, wie der „Bayerische Courier" erfahrt, auf Grund der in Berlin getroffenen Vereinbarungen am nächsten Mont»" die Ar beit auf den Bauplätzen wieder aufnehmen zu lassen. Die im Gange befindlichen Verhandlungen werden jedoch fortgesetzt. Sollten die Verhandlungen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen so wird die Aussperrung wiederum erfolgen. Diese Meldung steht in gewissem Widerspruch zu der Nachricht, dah eine Einigung bei einzelnen Bedingungen grohen Schwierigkeiten begegnet. Vor dem völligen Abschluß aller Verträge sei an eine Aufhebung der Aussperrung nichtzu denken. Besuch Sa« ««liano» i« Wie«. Wie«, 3. Juni. (Tel.) Der Besuch des italieni schen Ministers des Aeuhern San Giuliano beim Grafen Aehrenthal wird Mitte Juli erfolgen. Zur Kretasrage. Konstantinopel, 3. Juni. (Tel.) RifaatPascha sandte ein längeres Telegramm, dessen Inhalt dir hiesige Regierung sehr deprimierte. Rifaat teilte mit, dah König Georg vonEngland wünscht, /rettsg, üen 3. Juni 1910. 104. Jahrgang. nicht gleich zu Anfang seiner Regierung Schritte zu tun, die Griechenland und den Hellenenkönig beleidigen mühten. Die Schutzmächte hätten zwar beschlossen, die Lage der Mohammedaner auf Kreta zu schützen, ihre Zulassung zur Nationalver sammlung durchzuführcn und den Statusguo wiedcr- herzustellen, dagegen sei auf eine definitive . Lösung der Kretafrage, die die Türkei dringend ge fordert, gegenwärtig nicht zu rechnen. Paris, 3. Juni. (Tel.) Der Londoner Berichter statter des „Matin" will von einem hochstehenden Diplomaten erfahren haben, dah die vier Schutz mächte gegenwärtig über eine an die Regierung und an das Volk von Kreta zu richtende Proklama tion beraten, in der sie erstens die Mitglieder der Nationalversammlung ausdrücklich ausfordern, die muselmanischen Deputierten an den Sitzungen teil ne hm en zu lassen und zweitens der kretischen Regierung erklären, diese müsse dar über wachen, dah die muselmanischen Beamten in voller Freiheit ihres Amtes walten können. Falls die Kreter in ihrer gegenwärtigen Haftung beharren, würden die Schutzmächte die nötigen M ahnahmen treffen, um ihre Forderungen durch- -usetzen. Das Schicksal Korea». Petersburg, 3. Juni. (Tel.) Die bevorstehende Ankunft des japanischen Prinzen Fushimi wird mit der Absicht Japans in Zusammenhang ge bracht, Korea zu annektieren. Tsgeschrunik. 28 Grad Eelsius im Schatten. Berlin, 3. Juni. (Tel.) Gestern war in Berlin der bisher wärmste Tag im Jabre. Die mittlere Temperatur betrug 21,4 Grad, während das Thermometer mittags bi» auf 28 Grad Lelsiu» im Schatten stieg. Ein« Haarkrankheit ««ter be« Schulkinder«. Berlin, 3. Juni. (Tel.) In mehreren Eemeitzde. schulen und höheren Schulen des Nordens sind HO Kinder, fast ausnahmslos Knaben, an einer Haar krankhcit erkrankt, die' sich ähnlich äuhert wie die im April 1908 in Schöneberg ausgebrochene Epidemie. Wie festgestellt wurde, befindet sich der Herd der Krankheit in dem israelitischen Kinderhort, Gips- strahe. Der Arzt des Instituts stellte vor drei Tagen bei drei Kindern kreisrunde, kahle Stellen auf der behaarten Kopfhaut fest, die bis zur Gröhe eines Zwei-Markstückes vorhanden waren. Er überwies Julius WM -j-. Berlin, 3. Juni, tPriv.-Tel.) Der Dichter Julius Wolff ist heute morgen gestorben. So reiht sich Kreuz an Kreuz auf dem Acker der Toten dieses Jahres, die wir mit Wehmut betrauern im Reiche der Kunst und Bildung. Beglückt, noch immer emsig schaffend stand Julius Wolfs, ein Fünfundsiebziger, rüstig unter den Veteranen unserer Literatur aus einer vorvergangenen Zeit, unter den Soielhagen, Stettenheim, Frenzel und Pietsch, den letzten, die wir noch mit Ehrerbretung und kindlicher Liebe im grohen, stets sich veryrößernden Kreise der Jungen und Jüngsten tätig wirken sehen. Mancher von ihren Zeitgenosten schied längst vor ihnen ab, mancher Spätere schon stahl sich aus der Reihe, mancher Enkel sogar. Nun rief der Tod auch wieder einen von den Acltesten ab. An Julius Wolffs Hinscheiden hätte niemand gedacht. Als er im vorigen Herbst seinen fünfundsteb- zigsten Geburtstag und zugleich seine goldene Hochzeit feierte, vernahm man, seine Gesundheit sei vortreff lich und er habe sogar einen neuen Roman vollendet. Der Roman erschien und erfreute die große treue Ge meinde des Dichters. Von ihm selber hörte man dann nichts mehr! die ältesten unter unseren deutschen Dichtern haben ja immer den schönen Zug an sich gehabt, dah man von ihnen am allerwenigsten ver, nahm, eigentlich nur das Nötigste, ihre Werke. Sie selber blieben bescheiden im Hintergrund, was den Heutigen unmodern und unpraktisch erscheint. Nun verlautete erst vor wenig Tagen, dah der Dichter schon wochenlang daniederliege, eine Reise nach dem Süden habe aufgeben müssen, und dah sein Zustand bedenk lich sei. Dann kamen zuversichtlichere Worte aus der Charlottenburger Krankenstube: auf dem Wege der Besserung. Da befiel vorgestern den von langer Betthaft geschwächten, greisen Körper ein neuer tückischer Feind, die Lungenentzündung, und jedes Genesen erschien aussichtslos Meist bewußtlos ist der Dichter heute in den ersten Morgenstunden sanft hinüberacschlummert, nachdem er schon die letzten Tage ohne Besinnung verbracht hatte. Sein Sohn war sein Arzt. Kindeshand hat ihm die müden Augen zugedrückt. Die treue Gefährtin durch fünfzig Jahre wich nicht von seinem Sterbelager. Wie der große nordische Bruder im Apoll, wie Björnson jüngst, starb Julius Wolff in den Armen der Seinen, noch im Tode vom Schicksal bevorzugt und geliebt. Durch sein ganzes langes Leben ist der ab- geschiedene Dichter also bevorzugt und geliebt hin- durchZeqangen. Am grünen Harz im Sachsengau, in der stadt Heinrichs des Finklers, die uns einen Klopstoch schenkte, im alten, traulichen Quedlin. bürg an der rauschenden, raschen Bode ist Iuliu» Wolfs am ik. September 1834 al» Sohn eines kleinen Tuchfabrtkanten geboren und aufgewachsen Das Käsig sie in Quedlinburg noch heute zeigen, das war ein Stoff für Julius Wolff, der ihm vom Herzen her unter muhte. Seine ganze Liebe und seine ganze starke Kunst legte er da hinein, und der uralte Harz wald mit seinen Eichen und Helden läutete und brauste da hinein. Dies Buch allein hätte genügt, den Dichter in seiner Harzheimat unvergessen zu machen. Da ist keiner, der es nicht gelesen hätte: fragt man einen nach dem Raubgrafen, so wissen sie seine Geschichte heute nur aus Julius Wolffs Roman. Ich selber bin in Wolffs engerer Heimat, bin an diesem Buche aroßgeworden, Harz und „Raubgraf" sind mir die liebsten Zeugen meiner Kindheit. Der Harz und die Quedlinburger, die Halberstädter und Regen- steiner, sie leben in diesem Buche. Dafür haben sie dem Dichter aber auch gedankt, in Klopstocks wohl erhaltenem Hause haben sie im Quedlinburger Zim mer sein Bildnis an den Ehrenplatz gehängt, ihn selber haben sie voriges Jahr zum Ehrenbürger er nannt, und die berufenen Leiter ihrer Stadt in sein .Altersheim gesandt, treue, dankbare Grüße zu bringen. Julius Wolff hat dann noch viele andere Bücher, Dichtungen und Romane geschrieben, deren Mehrzahl ihn in lebendigen Herzen überleben werden. Die Aventiure vom „Rattenfänger von Hameln", die ihm das Ehrenbürgerrecht von Hameln eintrug, den „Wil den Jäger", der 99 Auflagen erlebte, die „Lurlei". den „Sülfmeister", einen Roman, mit dem wir Jungen alle aufgewachsen sind auf der Schulbank, an dem wir nach Anweisung unserer Lehrer Geschmack und Sinne gebildet haben. Wolffs Schauspiele sind heute vergessen. Er wußte mit seinen Dichtungen auch immer ein bißchen aktuell zu sein, schrieb zur rechten Zeit die „Hohkönigsburg". Und dann hat er noch einmal ein Buch hinaus gegeben. In seinem 75. Jahre, sein letztes. Wieder einen Heimatroman wie einst zum ersten Male den „Raubgrafen". Der „Sachsenspiegel" heißt lein Schwanengesang. Mit Wehmut werden seine Freunde nun in den Stunden seines Todes wieder die Hand danach ausstrecken. Das war noch einmal ein Buch vom echten, alten Klang, voll Melodik und In nigkeit, reich an Typen, reif an Treue. Der alte Harzwald rauscht noch einmal auf, und sinnend lauscht der Greis den hundertjährigen Eichen im lieblichen Tale der Selke, schaut nach dem trutzigen Falkenstein hoch über Wiese und Wald, wo der Graf Hoyer sah, und Eike von Repgow den „Sachsenspiegel" schrieb. Diese bedeutsame Niederschrift, die keusche, hei- lige Liebe der Gräfin Gerlinde, das Geheimnis des Harzwaldes, die Treue der Edlen im Lande, der Kampf mit der Kirche, das Ahnen einer neuen Zeit, das macht den Inhalt diese» Buches aus, des letzten, da» Julius Wolff uns Hinterlasten hat. Es ist so heimatecht, so ganz wolffisch, daß er kein besseres zu letzt geben konnte. Mit der alten Liebe des Sängers gefällt er sich hier noch einmal am gereimten Lied und streut seine schönen Strophen über die rührende, erhebende Erzählung au». Niemand wird diesen Gymnasium hat er hier besucht, den Harzwald hat er hier durchstreift, der mit seinen raunenden Wäldern fast an die alten Mauern der Stadt im wiesenreichen, fruchtbaren Vorland rührt. Wie eine Warte am Wege liegt Quedlinburg mit seinem schlichten, hoch ragenden Schlosse über der Stadt am Eingang ins Dodetul. Hier ist alter, historischer Boden, den des Knaben Fuß nachdenklich betrat, und die großen Ge schehnisse seines Volkes, das von hier aus einen Herr, lichen Ausgang nahm, standen ihm mächtig vor der Seele. Im nähen Ballenstedt erwuchs Albrecht der Bär, der große, kluge Markgraf Eero hauste in Ruf nähe. in Gernrode, in Quedlinburg selber zeigte man den Finkenherd, da nach der Sage Heinrich, der Sachsenherzog, eine Königskrone fing, und im Dome bewahrte man seine Gebeine. Ein Oheim der Familie Wolff war der letzte Stiftshauptmann des freiweltlichsn Hochstifts Adliger Frauen auf dem Schlosse kurz vor des jungen Julius Eintrrtt ins Leven und hinterließ viel Wissen von Halberstadt und der päpstlichen Kirche in mittelalterlichen Zeiten. Die Stadt und die Geschichte, alles das prägte un- auslöschliche Eindrücke in dem Jüngling, setzte sich unverlierbar in ihm fest. Das Leben führte ihn hierhin und dorthin, er heiratete, machte den Deutsch-Französischen Krieg ccks Landwehroffizier in der Front mit, kehrte gesund und mit dem Eisernen Kreuze geschmückt heim. Er verlor durch den Krieg Besitz und Zukunft als Kaufmann, er kannte seinen Dichterberuf und beschritt auf eines Scheffel Spuren mutig und mit Glück den dornigen Pfad. Die Anerkennung der Literaturgewaltigen in allen Lagern blieb ihm schon damals und später, bis auf den heutigen Tag ftsst gründlich versagt, man be lobte ihn nickt in den Reihen der Zunft, man tadelte und schult ihn sogar der oberflächlichen Nachahmung und warf ihn mit unfähigen Köpfen zusammen. Wolfs hat immer die beste Antwort darauf gewußt, un bekümmert lebte, schrieb er weiter und — a ard ge lesen, viel gelesen. Er war zwar niemals ausschlreß- lich Mode, aber aus der Mode gekommen ist er auch nie. Das Schclmenlied „Till Eulenspiegel rvZivivus" (1874) mackste ihn bekannt, nachdem er zuvor schon in der «allgemeinen aufiubelnden patriotischen Sieges dichtung mit seinem schwungvollen Vaterlandsgesang: „Herrlich auferstanden bist du, Deutsches Reich sich als begabter Lyriker bewiesen, den rechten Ton des Volkes getroffen und sich sehr ansprechend eingesührt hatte. Wolfs wurde mit einem Schlage populär, wie Scheffel es gewesen war. Ein Julian Schmidt be sprach seine Gedichte „Aus dem Felde" wohlwollend und ermutigte ihn man sah sich in ihm an Scheffel und — Eichendorfs erinnert, man vermißte im „Eulenspiegel" echte Menschen in den Kostümen. Und dann schrieb Wolff seinen ersten Roman, natürlich einen Heimatroman, einen historischen, den „Raubgrafen" (1884). Quedlinburg und Halberstadt im Widerstreit, die Aebtisfin und der Bischof, der Raubgraf Albrecht von Regenstein, dessen Abschied eines alten Dichters an sein Vaterland, an seine Heimat ohne Rührung lesen. Mag getrost selbst ein Paul Heyse, der niemals bessere Romane schrieb, auch im hohen Alter nicht mehr, einst Julius Wolff mit harten Worten ob seiner Art gescholten haben, Wolff behielt doch den Sieg, und hat ihn auch zuletzt noch nicht aus der Hand gegeben. Und hätte sein Dichten denn wirklich keine Werte geschaffen, für die er so viel Liebe fand! Nach folger und Nachahmer hat Julius Wvlff genug ge sunden, wie er selber auf den Schultern von Scheffel und Redwitz stand. Nach ibm kamen ein Georg Ebers, Felix Dahn, als der Fähigste dann August Sperl. Unser Dichter lebte in der neuen Zeit abseits, ob schon er Vorsitzender der Berliner Literarischen Ge sellschaft war und freundschaftlich mit den Alten und Aelteren verkehrte. Um ihn trauert seine getreue Gattin. Ihr ziemt für alle Liebe ihres Lebens viel leicht das schöne Gedicht, das Julius Wolff einst mals zum 70. Geburtstag Friedrich Spielhagens dessen Gattin widmete, und das von den Versen seines Alters am meisten hier taugt, das schnellumristene Bild seines Lebens und Schaffens abschließend zu vollenden: unserm Dichter hier hat das Geschick Ein weiblich Wesen zuaeiellt fürs Leben. Das ihm auf Schritt und Tritt, mit jedem Blick, Mit jedem Herzschlag folgt in feinem Streben. Was ihm die Muse bei des Schaffens Lust, Ist ihm die Frau bei seiner Wohlfahrt Pflege, Hingebend, selbstlos, selig sich bewußt, Welch einen Schatz sie hat in Hut und Hege. Mit einer Liebe, die kein Ausruh'n kennt, Umwebt sie ihn in zarter, linder Weise, Und zieht um ihn, wenn ihm die Stirne brennt. Erquickend ihrer Anmut Zauberkreise. Sie ist's, die alles mit ihm teilt und wägt, Die mit ihm fühlt, sich freut und mit ihm leidet. Ihn ganz versteht, ihn auf den Händen trägt. Und still beglückt an seinem Ruhm sich weidet." I^nul 8<-stiNimbur8- * * vom Goethe-Theater in Lailchstedt. Für die nächstjährigen Festspiele im Goethe-Theater zu Lauch- tedt ist ein Wechsel von Schauspiel und Oper in Aus- icht genommen. Für das Schauspiel kommt, wie wir chon berichteten, „Torquato Tasto" in Betracht wäh rend man hinsichtlich der Oper Mozart» „Titus" wählen wird, dasselbe Werk, mit dem Goethe am 26. Juni 1802 das ehemalige neue Schauspiel tn Lauchstedt eröffnete. Am 25. Juni d. I. wollen, wie uns heute mitgeteilt wird, die Leipziger Stu denten mit ihren Professoren tn Lauck- stedt „Die Piccolomini" sowie den „Bür- gergeneral" aufführen. Bei diesem Fest wer- den auch zum ersten Male die historischen Kolonna- den geöffnet, in denen Damen der Leipziger Gesell- schäft Kaufstände errichten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite