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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110821027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1911
- Monat1911-08
- Tag1911-08-21
- Monat1911-08
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BezuqS-Preit IÜI U«U>IU> «»» O»I,N« durch »nler« dräger »nd Eo«»iteue« 2mal tSaltch in» pau» »«bracht « VL monatl„ k.70 NIk. otrrlrUahrl. L«t anlen» Filialen ». An» »ahmeftellen adaedoU 78 Vs. «onait, LUSAN. oleNeljähkl. r«ch »»« V»tt: innerhalb Deaychland» und brr drutichen Kolonien otrrteliährl. >.« Mk„ monatl. l^0 Mk. au»schl. Pottdrftrllarld Ferner in Belgien, Dänemark. den Donauftaaten. Italien. Üu;embura. Niederlande. Nor wegen. Oesterreich» Ungarn. Nuhland, Schweden, t-chwet» a. Spanten. In allen übrigen Staaten nur virel» durch bi« ibelchairsltell« de« Blatte» erhältlich. Da, Letpttge, LagedlaU «kichern« »mal täglich. Sonn» n. Feiertag» au» morgen». Abonnement-Annahme I«l>a»»l,,ast« 8, bei unleren Tragern. Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, iowre Boliämler» und Brrelträgern. Nr. 23 l. Abend-Ausgabe MWgerTaMatt los. Jahrgang Monrsg. üen 21. Lluguv ISN » . l" «S2 (N«chs»»Ichl.h, Tel.-Änschl.i 14 693 N46S4 ü,i..^nschl.i»M Handelszeitung Nmlsvlatt -cs Rates und -es Notizeiamtes -er Ltadt Leipzig Lazehtu-Prels fl» Iuserat» «aa L«i»,ia nlk»^lm,«b,n, bi« 1soaltig«Petttr«ilr SBf-die Reklame» »eil« l vkk. o», «»wärt» SU NeNamen llU NtL.- Inserat« »an Behörden im amt» llchm, Teil dl. «etiueil» SO Bl Geschäft»«,eigen mit Blatzoorlchristen u. in der Abendau»gab« im Preis« erhöht. Rabatt nach Tarif. Beilagegeb ii hr Gesamt auslag« 5 Mk. o. Tausend erkl. Postgebühr. Teilbeilag« Höher. Festerteilt« Austria« können nicht zurück gezogen werden. Für da» Ersch«inen an bestimmten Tage» und Plätzen wird kein« Garanti« übernommen. Anzeigen-Annabm«: I«ba»»i»g»ss« 8, bei sämtlichen Filialen u. aNen Annoncen» Lzpeditionen de» In» und Au»lande». »ruck „b Verl«« »»» Fisch« L Nürste, Inhaber: Pnnl NSrfte». Redaktion nnb »eschöftiftell«: Iohannisgass« 8. Hanpt - Filiale Dr«»d«a: Seestrah« 4. l (Telephdn El,. Tie vorliegende Angabe umfaßt 6 Seilen. Das Abkommen unü üss Äuslsnü. Wie die deutsche Presse so beschäftigen sich natür lich auch die führenden Blätter des Auslandes mit dem soeben veröffentlichten deutsch-russischen Ab kommen. Trotz der Zurückhaltung, die sich die französische Presse dem Abschluss des deutsch russischen Abkommens gegenüber auferlegt, machen die Kommentare in den französischen Blättern doch den Eindruck einer nur mit Mühe unterdrückten Verärgerung. Der „Temps" schreibt, das; Deutschland in diesem Vertrage Russland verschiedene wertvolle Vorteile in Nordpersien zugestanden habe. Es sei jedoch nicht wahrscheinlich, dass das Deutsche Reich seine Verpflichtungen einhalten würde. Auch Frankreich habe in dem Abkommen von 1909 Deutsch land wertvolle Zugeständnisse in Marokko gemacht, die Deulschland später nicht als genügend anerkannt habe. Es sei nun einmal eine von Deutschland gern benutzte Methode, sich über abgeschlossene Verträge hinwegzuj etzen. In Petersburg hat die Veröffentlichung des Abkommens große Ueberraschung hervorgerusen, da das Auswärtige Amt die Unterzeichnung des Vertrages bis zum letzten Augenblick in Abrede ge stellt hatte. Die „Rowoje Wremja" drückt den lebhaften Wunsch aus. daß Deutschland diesen neuen Vertrag besser respektieren möge, als es mit der Algeciras-Akte geschehen ist. Das Blatt stellt fest, daß die Verpflichtungen, die Deutschland durch das Abkommen übernommen habe, negativer Art seien, während Rußland sich nur zu Positivem verpflichtet habe. LerBau derBagdadbahn beispielsweise könne den russisch-deutschen Handel gelegentlich sehr gefährden. Dre „Rietsch" erklärt, daß die Vertragsunterzeich nung nur auf Drängen Deutschlands zustande ge kommen sei. Deuffchland sei es sehr daran gelegen, in einer Zeit, wo es mit Frankreich in Differenzen geraten sei, sich Rußland zu nähern. Das Regierungs organ „Rossi i a" erklärt kategorisch, daß das deutsch- ruisischc Abkommen ohne jeden Einfluß auf die zetzige Gruppierung der Mächte sein werde und daß das Interesse der Tripel-Entente keines wegs darunter leiden werde. Das französisch-russische Bündnis und die russisch-französisch-englische Entente würden immer die Richtschnur der russischen Politik bleiben. Zur Beilegung ües englischen Gilcnbsllnerkreiks. Die Botschaft an die Arbeitersyndikate. London, 21. August. Am Sonntag früh wurden 1800 Telegramme an die verschiedenen Arbeitersyndikaie vom Streikkomitee ver sandt, in denen die Beendigung des eng lischen Eisenbahner st reiks angekündigt wird. Schwierigkeiten bei der Rückkehr zur Arbeit. — Neue Unruhen. London, 21. August. (Eig. Drahtmeld.) Die Eisenbahner kehren im allgemeinen ruhig an ihre Arbeit zurück. Bei Len meisten Londoner Hauptbahnhöfen wird heute die Wiederaufnahme des regelmäßigen Dienstes erwartet, nur in einigen Pro vinzialhauptstädten ergeben sich Schwierig keiten, namentlich in Manchester, wo eine Versammlung der Eisenbahner die Entschließung ver warf, die sie ausforderte, ihre Arbeit wieder aufzu nehmen. Auch bei de: N o r d w e st b a h n herrscht noch Unordnung; sie will Leute nur nach Bedarf wieder einstellen, womit sich die Eisenbahner nicht be gnügen wollen. Diese Linie wird daher noch von Truppen bewacht. Aus der Provinz werden U n - ruhen gemeldet, die hauptsächlich von Arbeits scheuen hervorgerusen wurden. In Lincoln ereigneten sich Sonnabend nachts und Sonntag früh ernste Ausschreitungen. Mehrere tausend Unruhe stifter griffen die Eisenbahnstationen und Läden an und zertrümmerten die Fensterscheiben. Es wurde großer Schaden verursacht. Der Aufruhr wurde erst durch Ankunft mehrerer hundert Mann Truppen aus Nottingham unterdrückt. — Am schlimmsten ging es wohl in Llanelly, einer an der Südküste von Wales gelegenen Stadt von 2.'>000 Einwohnern, her. Dort rottete sich eine große Menschenmenge zu- samen, die Steine und andere Wurfgeschosse auf die Soldaten warf. Schließlich blieb den Offi zieren nichts anderes übrig, als die Bajonette auf pflanzen zu lassen und den Angriff vorzubcreiten. Die Menge unterschätzte offenbar Len Ernst der Lage, lachte und verhöhnte das Militär. Auch nachdem der Friedensrichter Jones die Aufruhrakte verlesen hatte, fuhr die Menge fort, Steins auf das Militär zu schleudern. Da endlich erfolgte der Befehl zum Feuern, jedoch wurden erst einige Schüsse über die Köpfe der Menge weg abgegeben. Diese achtete der Warnung aber nicht und plötzlich lagen zwei Tote auf -er Straße. Das wirkte aber nicht für lange. Gegen Abend versuchte man, einen Militär zug zur Entgleisung zu bringen. Darauf wurde ein Angriff auf den Güterbahnhof verübt, aus dem eine Menge von Vorräten gestohlen wurde. Das Werk krönte aber eine in der ersten Morgenstunde Les heutigen Tages verübte Gewalt. Die Menge be mächtigte sich der Güter in den Güterschuppen und des rollenden Inventars. Das Militär kam mit auf gepflanztem Bajonett im Laufschritt herbei, jedoch zu spät, um zu verhindern, daß ein Individuum die Brandfackel in einen Schuppen warf. Alsbald er folgte eine furchtbare, die ganze Stadt erschütternde E r p l o s i o n. Es muß vorläufig dahingestellt bleiben, ob Dynamit oder Munition aufgeflogen ist. Tatsache ist, daß eine Anzahl Personen, man spricht von zwölf, getötet und viele ver wundet sind. Die Hungersnot in Liverpool. ?. O. London, 21. August. In Liverpool herrscht völlige Anarchie. Kein Zug konnte die Stadt gestern verlassen. Da die elektrischen Lei tungen noch nicht wiederhergestellt sind, war es auch Len Straßenbahnen nicht möglich, zu verkehren. Alle öffentlichen Lokale mußten auf Anordnung der Polizei ihre Pforten schließen. Die Lage der ärmeren Bevölkerung der Stadt ist ge radezu verzweifelt. Vor den Häusern sieht man Frauen mit verweinten Augen stehen, die sich darüber beklagen, daß sie nicht einmal mehr Milch für ihre kleinen Kinder herbeischaffen können. In folgedessen hat die Sterblichkeit unter den Säuglingen enorm zugenommen. Die S t a d t b e h ö r d c hat sich veranlaßt gesehen, den armen Familien sterili sierte Milch für die kleinen Kinder zur Verfügung zu stellen, um die Not einigermaßen zu liydern. Auch das Streikkomitee hat den Bäckern und Milchhändlern gestattet, aus den umliegenden Ortschaften Lebensmittel herbeizuschaffen. Diese ge nügen aber bei weitem nicht, auch nur den kleinsten Teil der Einwohner zu befriedigen. Die Arbeiter dringen des Nachts in - ie B ä ck e r l ä d e n e i n, um für ihre Familien den notwendigsten Lebens unterhalt herbeizuschaffen. Die Stadt verwaltung hat an die Streikenden einen Erlaß ge richtet, in dem sie die Arbeiter davor warnt, sich zu weiteren Tätlichkeiten hinreißen zu lassen. Was in ihren Kräften steht, werde geschehen, um die Not der Bevölkerung so schnell als möglich zu lindern. Fortgesetzter Streik im Liverpooler Schiffahrts gewerbe. Liverpool, 21. August. In einer vom Aus sen n d s k o m i t e e abgehaltenen Versammlung wurde beschlossen, alle Angehörigen des Schiffahrtsgewerbes nnzuwcisen. die Ar beit morgen nicht wieder a u f z n n e h m e n, da das Ergebnis der Verhandlungen mit den Vcr ladern noch aussteht. Dieser Beschluß erstreckt sich auf etwa .'>0 000 Mann. Zur LNklrokkofrnge Einberufung eines Minijterrats. Paris, 2l. August. Am Sonntag brachte das „Echo Le Paris" die Nachricht, daß in den nächsten Tagen unter dem Vorsitz des Präsidenten Fallit-res in Rambouillet ein Kabinetts- rat stattfinden werde, in dem der Botschafter C a n>. b o n in Berlin, der zurzeit in Paris weilt, über seine Verhandlungen mit dem Siaats- fitretär von K i d e r l e n - W ä ch t e r Bericht er statten solle. Diese Meldung des „Echo de Paris" wird von offiziöser Seite dementiert, und es wird festgestellt, Laß keine Vorbereitungen zu einer außerordentlichen Sitzung des Kabinetts getroffen seien. Paris, 21. August. Mehreren Blättern wir- aus Calais gemeldet: Der Seepräfekt gab im Auftrage des Marineministers -en Arsenalarbeitsrn bekannt, daß sie behufs I n st a n d s e tz u n g der Unter seeboote und Torpedoboote Ueberstunden zu machen haben. Gleichzeitig wurde vier Untersee booten. die im Hafen von Cherbourg Hebungen machen, der Befehl erteilt, sich unverzüglich nach Calais, ihrem ständigen Hasen, zu begeben. Diese Maßnahmen hätten im Hinblick auf die äußere Lage zu mehrfachen Kommentaren Anlaß gegeben. Madrid, 21. August. Aus Rabat trifft die Nach richt ein, -aß der Oberst Sylvestre sich in den nächsten Tagen nach Arsila begeben wird, um mit Raisuli über verschiedene wichtige Fragen be treffs Elksars zu unterhandeln. Es gilt dies als sicheres Zeichen, daß Spanien keinesivegs gewillt ist, auf Elksar zu verzichten. politische Nachrichten. Der Gesundheitszustand des Papstes. 1'. 0. Rom, 21. August. Der Gesundheitszu stand des Papstes ist durchaus befriedigend. Schon in den nächsten Tagen wird cs ihm wieder möglich sein, seine gewohnten Spaziergänge in den Gärten des Batikans zu machen. Auf Anraten der Aerzte muß sich der Heilige Vater noch jeder an strengenden Arbeit enthalten. Konfiszierung des Boulevardblattes „A Rap" wegen Majestätsbeleidigung. Wie der „Frankfurter Zeitung" aus Pest ge meldet wird, ist das die Obstruktion vertretende Boulevardblatt „A Nap" am Sonntag wegen eines anläßlich des Geburtstags des Königs ge brachten Leitartikels, der eine Reihe schwerer Majestätsbeleidigungen enthielt, konfisziert worden. Der Autor dieses Artikels wurde ver haftet. Der Bürgermeister von Pest hat dem Blatt das Recht des Straßenverkaufs entzogen, wodurch dessen Existenz bedroht ist. Eine Rede des französischen Kriegsministers. Paris, 21. August. (Eigene Drahtmeldung.) Der Krieg sm in ist er hielt in Trcvaux bet einer landwirtschaftlichen Ausstellung eine Rede, in der er unter anderem sagte: Wir sind eine fried fertige Nation, aber wir blicken mit Stolz auf unsere ruhmreiche Vergangenheit. Wir wollen auf keine unserer Ueberl iefe rungen verzichten. Das Vertrauen, das wir in die Geschichte unseres Landes haben, gilt ebensosehr den Wirklichkeiten der Gegenwart wie den Möglichkeiten der Zukunft. 2ch trinke aus das republikanische Frankreich, das seit einigen Monaten der Welt ein so schönes Beispiel nationalen Stolzes, nationaler Tat kraft und Größe gibt. Verschiebung der Reise König Feidinands nach Wien. I'.C. Sofia, 21. August. Der offizielle Besuch, den König Ferdinand dem Kaiser Franz Josef abstatlen wird, ist bis mm Monat Oktober verschoben worden. Der König will den Zu sammentritt der Großen Sobranje abwarten, ehe er sich nach Wien begi-t. Er wird von dem Minister präsidenten Malinow und dem Kriegsminister Nikolajew begleitet werden. Blutige Zusammenstöße zwischen „Mafia"-Anhänger« und -Gegnern. Rom. 21. August. Zwischen den Anhängern und Gegnern der „Mafia" kam es gestern in der kleinen Stadt Caltanisetta zu blutigen Zu lamm en st ö 8 en. Tie feindlichen Parteien gingen mit Messern und Revolvern gegeneinander vor, wobei 2 Personen getötet und zahlreiche schwer ver setzt wurden. Erst als ein starkes Polizeiaufgebot eingriff, tonnte die Ruhe wiederhergestellt werden. Unterzeichnung des französisch-japanischen Handelsvertrags. l'.O Rom, 21.August. Am Sonnabend ist zwischen Frankreich und Japan ein Handels- und Schiffahrtsvertrag unterzeichnet worden. Da dieser neue Vertrag durch die beiden Parlamente erst im Herbst dieses Jahres bestätigt werden kann, so ist ein vorläufiges Arrangement getroffen worden, das bis mm Herbst seine Gültigkeit haben soll. Das neue Uebereintoinmen gewährt den beiden Staaten wesentliche Erleichterung für ihre Ein- und Aus fuhrzölle. Nus Leipzig unü Nmgegenü. Leipzig, 21. August. Wetterbericht der Königl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 22. A u g u st. Südwestwinde. Bewölkungszunahme. Zunächst Ank Ser Galümage. 3j Roman von Marie Stahl. (Nachdruck verboten.) Im Nebenraum, der im altdeutschen Stil, mit Holzgetäfel, Butzenscheiben und Trinksprüchen an den gekalkten Wänden, dunkler und einfacher gehalten war, ging es gemütlicher zu. Hier saßen fast nur Herren an langen, weißen, ungedeckten Holztischen oder in Nischen, durch eichengeschnitzte Wände ge trennt, beisammen. Aus einer dieser Nischen rief und winkte man Flamberg, sobald er den kleinen Saal betrat. „Impus irr tabula!" rief ihm Krockwitz, ein Kol lege, entgegen. „Sie kommen im rechten Augenblick, Sie werden hier gerade durchgehechelt." „Bitte, sich nicht stören zu lassen", erwiderte Flamberg, überließ Hut und Paletot dem dienst bereiten Kellner, setzte sich zwischen Krockwitz und den jungen Rechtsanwalt Hausmeier und griff nach der Speisekarte. ) „Eine Portion Eisbein mit Erbsenpüree und ein Pilsener!" bestellte er, denn in diesem Raum wurde auch Bier geschenkt. „Heucheln Sie nicht gänzliche Wurschtigkeit!" neckte Hausmeier, ein kleiner, verwachsener Mann mit einem hervorragend gescheiten Kopf. „Sie gäben natürlich Eisbein samt Erbsen daran, wenn Sie erfahren könnten, was man über Sie gelästert, troAem Sie hungrig wie ein Wolf aus der Oper kommen. Das Beste an diesen sogenannten Kunst genüssen ist ja das rasende Eßbedürfnis, das sie er wecken. Ein Tristan oder ein Ibsen kosten mich immer das doppelte Abendbrot." „Nun, es liegt doch wohl kein Grund vor, mein lieber Majordomus, weshalb meine Neugier und meine Eßlust nicht zugleich gestillt werden können", bemerkte Flamberg gemütlich. „Wir kennen Ihr edles Selbstbewußtsein", warf Doktor Raumer ein, der Chefredakteur eines ange sehenen Lokalblattes. „Sie zweifeln keinen Augen blick daran, daß wir Hymnen zu Preis und Ehre Ihrer Tadellosigkeit gesungen haben." Er strich sich den vollen Haarbusch zurück, putzte an seinem goldenen Kneifer und sah Flamberg mit zusammengekniffenen Augen ironisch an. „Ich weiß, in Ihren Augen bin ich das Gänse blümchen vom Lande. Aber so weit geht meine holde I Unschuld Loch nicht, Laß ich Sie für einen Harfe- ss schlagenden Lobjängcr meiner Tugend hielte, wenn ich nicht dabei bin", erwiderte Flamberg lachend, und alle lachten mit. „Na ja, um es kurz zu machen, wir stritten hier um Geiersmark, und da man weiß, daß Sie Kar riere machen wollen, wurde die Behauptung auf gestellt, Sie gingen mit ihm durch dick und dünn, „ooüte guL eonts", warf Baron Lesberg dazwischen. Er war Porträtmaler von großer Begabung, der trotz seiner Jugend schon in Mode gekommen. Sein lebensgroßes Bildnis einer bekannten Schauspielerin hatte auf der letzten großen Kunstausstellung in Berlin Aufsehen gemacht, aber seine Spezialität waren Illustrationen für Witzblätter. Er wurde all gemein wegen seiner klassischen Schönheit „der Götterknabe" genannt; er besaß den Kopf cims jungen Antonius. Flamberg war sehr ernst geworden. „Müssen wir uns heute den Abend mit Politik verderben?" fragte er etwas kurz. „Es dürfte Sie doch wohl interessieren — Geiers mark wird Reichskanzler!" rief Herr von Brunnen dazwischen, als spiele er einen großen Trumpf aus. Als Schriftsteller ohne Bedeutung, von dem man sagte, daß er von dem Eclde seiner Frau lebe, trug er das Gepräge eines gedrückten Menschen und machte mit seinem charakterlosen Gesicht, trotz äußerer Tadel losigkeit in der Kleidung einen minderwertigen Ein druck. „Mir haben heut; nicht Len ersten April!" ent gegnete ihm Flamberg ablehnend und scharf, ohne ihn weiter zu beachten. „Diese Information verdankt Brunner seiner Vet- ternschaft mit Raumer. Sic wissen, die geheimsten Intrigeniäden aller Kabinette laufen in Räumers Redaktion zusammen", bemerkte der Assessor von Krockwitz ironisch. „Aber meine Herren, das kann doch ein Blinder mit dem Krückstock fühlen!" ereiferte sich Raumer und schob seine leer gewordenen Schüsseln einem Kellner zu. „Ich meine, was Geicrsmark mit seinem letzten Couv anstrebt. Er will die Regierungsvorlage im Reichstag zu Fall bringen, um damit dem Kanzler einen Knüvpel zwischen die Beine zu werfen. Un- olle seine Operationen zielen dahin, sich zur rechten Stunde als den einzig möalichen Ma..n hinzustellcn. Ich glaube, er hat sicher Chancen." „Man sagte früher einmal, er sei von Rom ge kauft', warf Lesberg ein, der sich Zigaretten dreht.'. „Pah, Altweibergeschichten!" rief Hausmeier. „Solch ein Mann verkauft sich nicht! Er ist eben der Ueberlegene und lenkt die Parteien wie Ma rionetten. Er nimmt sie, wie er sie braucht. An so einen müßt ihr nicht den Maßstab des Bierphilisters legen." „Es gibt doch wohl für ihn nur den einen Maß stab, das ist der des Ehrenmannes", warf Flam berg ein. Raumer machte eine Grimasse. „Na, na, da sind die Begriffe auch verschieden, wie die Tage im April. Kommen Sie inan nicht mit Ihrer Kavaliersehre. Damit macht man keine Po litik." „Ich würde es für Hoch und Landesverrat hal ten, wenn Geiersmark, um Reichskanzler zu werden, sein engeres Vaterland und dessen Dynastie schädigte und deren Rechte seinen Zielen opferte!" rief Krock witz energisch. „Ach, was wollen Sie denn! Ein Mann wie er kann sich nicht auf den engen partikularistischen Standpunkt stellen"!" schrie ihn Hausmeier an. Jetzt wurde der Disput heftig. Man ging von der Person auf die Sache über, die verschiedene Auf fassungen zuließ, je nach dem Standpunkt des ein zelnen. Was dem einen als Verbrechen erschien, war für den anderen eine rettende Tat. Bis der schöne Lesberg dazwischcnrief: „Kinder, für heute habt ihr zur Genüge das Vaterland gerettet, und mich inter essiert von der ganzen Geschichte nur die Sanna Geicrsmark!" Da trat eine vlötzlichc Pause ein. Flamberg machte ein ganz verdutztes Gesicht, als habe ihn icmand auf den Mund geschlagen. „Ich werde sie malen!" fuhr Lesbcrg mit einer gewissen schwärmerischen Begeisterung fort. „Gott ic: Tank, es hat weder mit meiner Kavalicrsehrs noch mit meiner Künstlerehre etwas zu tun, ob ihr Vater Reichskanzler wird oder nicht." „Malen Sie doch Geiersmark selbst, das ist ein Vorwurf für einen genialen Pinsel", sagte Doktor Raumer. „Ich zieh« Sanna vor!" erwiderte Lesberg. ..Nicht nur für Len Philosophen, auch für den Künstler ist das Mcib der Knalleffekt der Schärfung. In erster Linie Las jnng'rnuliche, das M-ib der noch unbe- arenKen Möglichkeiten. Das gibt eine Sinfonie in , Weiß. Mit Narzissen. Sie ist eine N^rzissenseele — I wunderbar — ganz weißer Duft — es muß flim mern wie gefrorener Schnee — wie Schwanengefic- der — Lazu der dunkle Lockenkopf. — In diesem Augenblick habe ich das ganze Bild komponiert, es ist fertig, es existiert. Das Malen ist Nebensache." „Beeilen Sic sich nur etwas, lange wird das nicht mehr dauern mit dem gefrorenen Schnee und dem Schwanengefieder", warf Krockwitz sarkastisch ein. „Dic Kleine enimickelt sich ganz w.tt in letzter Zeit. Was, Flambeig?" „Was meinen Sie? Was wollen Sie damit sagen?" fuhr der Angere-ete auf. „Weiter nichts. Sie versteht es, sich zu amüsieren Und Braut sott sie ja auch schon sein." „Möglich", erwiderte Flamberg mit geheuchelter Gleichgültigkeit. „Vielleicht nur Gerede." Er fing an, sich sehr unbehaglich zu fühlen. „Habt ihr Maler denn auch nur die leiseste Ahnung von der Seele des Menschen, der euch Modell sitzt?" sprach Raumer dazwischen. „Die Seele ist eurer Kunst überhaupt abhanden gekommen, seitdem das große Wort geprägt ist und bedingungslos nach gebetet wird. „Die Kunst um der Kunst willen!" Seitdem eine virtuos gemalte rote Kuh in einem rotblühenden Kleefeld gegen «inen noch röteren Abcndhimmel denselben Kunstwert repräsentiert wie ein sterbender Christus oder eine Venus. Wir haben nur noch Virtuosen, wir haben keine Künstler mehr. Der moderne Kulturmensch ist vorwiegend Techniker. Die Japaner haben ganz recht, wenn sie dem Westen eine technische Kultur zuschreiben und die philo sophische für den Osten beanspruchen. Auch Sie sind Epigone, lieber Baron. Evigone eines Edison und Marroni, eines Zeppelin und Krupp. Sie machen keine Kunst, sondern nur technisch virtuos gemalte Bilder mit einer aparten Note. Und wenn Sie eine Sanna von Geiersmark komponieren, so denken Sie dabei nur mit Hochgenuß und im Hochgefühl Ihres Könnens, das Kunststückchen, an einen weißen Cchwa- nenhuls und weiße Narzissen, auf weißem Hinter grund, in irgendeinem weißen Duffgewebe plastisch zur Geltung zu bringen. Sie identifizieren das ohne geistige Anstrengung mit Jungfräulichkeit, aber die Seele Ihres Modells ist Ihnen Nebensache und schnuppe, was einer frappanten Porträtähnlichkeit keinen Abbruch tut. Das liebe Publikum ist geblen. -et von Ibren technischen Seiltänzereien und .zählt Sie bald zu den ganz Großen." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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