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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110908027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911090802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911090802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1911
- Monat1911-09
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Be^uqS-Preit für Lttptt, ««» V»i»rt« »»rch ml«« Iroaei «nd Ep«»»l«,«< r»«l tä,lich >»» Pa», »edra»l « Vl- «onatl, L7u Ml. »»«rieliohrr Bei «n<«n> FUtale» «. A»> imtzmeftellen »daed«l» 1» Vl. «ouatl, L»«I. «tttteltihrl. »vck »t, P»l! tmeedal» Veivchland» and d«r »««tlcken Kolonien «eneltätzrl. >.« Ml- «onatl. Ml «»»sthl Poltdeilellaeld Kerner tn Bel,,»», Dänemark. den Donavktoatea, Italien Uuremdurg Stlederland«. Vor, wegen Oenerreich» Ungarn. Vagland, Eckweden. Echweu u Spanien 2n alle« adrigen Siaaiea nar direkt durch dl» Eelchaltokell« d« Blau« «rtzallllch. Da» Lelo»»,«, Logedlatt «rlcheiiu »wal tägltch. Sona. a. Keiettag» nai «»rgen». Vdonneme»«»-<lnnadm, 2»da,»»gall« S. bei »nleren Tragern. Kiltale». Eoedileare» und Lanahmeltellen, iowl» Bojlaauer» Md Bneltragern. L^Tnd-Ausgabe. MipMtr TagMM Lel.-Aaschl. 146S2 («acht«»,»!»»» 14 693 1-694 Handelszeitung. Tel.-Lnschl. 14692 lVachtm^Uch» 14 693 14 694 Amtsblatt des Nates und des Volizeiamtes Ser Ztadt Leipzig. Lnheigen Preis M Inserat« aa» L«»p»ta md U»„bmg dl« llpaltig« Petttjetl« L U. dt« V«klaia«- »«Ue I Ml. - o»n amwStt» ZV Pt. Veklawen llll Ml. Inserate »»» vetzörde» tn> amt» ltchen Teil dl« P«ttt«tle » Pt <brlchasl»anr«i,«a mit PUrtzmrschristm i» Preis« «rtzSht. Rabatt nach La cis. B«tlageg«bübr P«I,«t- -aflag« S L^^«U«nd e^Uoftgedahr. Keslettellt« Aasträa« könne» nicht »»«44- g«jagen werd«» All« da» 2rsch«t»e» a» befttaunten Ta,«» and Platz«» wird lei»« Sarantie ädern»«»«». S»»«ig«n-Lanadme: 2»b«»»I»g«ss« g, bet iüinttichen Kiliale» ». alle» S»»»«e». ikrpedttion«» de» In- md I»»landen Dr»4 mtz v«rl«, «» zisch« ch M«M« 2«hab«r: Vaal Kärst«». «.tzaMm an» ».sch«»,MM; Johanni»,ass« ll -a«pt-SiUal« Dr«»»«»: Seeftratze 4, 1 tlelepho» 4ÜSU. Nr. 24S. freusy, üen 8. Septemdrr 1911. l05. ISlZkASNtz. IMP- Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 16 Seiten, die Abendausgabe 8 Seiten, zusammen L4 Seiten. MsnSoer, Dsllermsngel unü Mtternot. „Wolffs Sächsischer Landesdienst" veröffentlicht folgende offiziöse Auslassung: Die anhaltende tropische Hitze und der Regen mangel haben auch in unserem engeren Vaterland in diesem Jahre in manchen Gegenden eine Folgs- erscheinuna o-habt, die ganz besonders von der Landwirtschaft reckff unangenehm empfunden wird. Der an vielen Orten infolge der abnormen Witte rung aufgetretene Wassermangel scheint jetzt, nachdem über den Stand der Maul- und Klauen seuche aus dem größten Teil der davon betroffenen Gebiete kaum wieder beruhigendere Nachrichten vor liegen, für die Landwirtschaft eine neue auffteigende Sorge zu bedeuten, zumal hier und dort auch noch Futtermangel sich hinzugesellt und den Unter halt für das Vieh immer schwieriger gestaltet. Die Manöver stehen vor der Tür und damit für einen Teil unserer Landwirte eine neue Belastung, die Einquartierung. Da ist es denn nicht zu verwundern, wenn aus den von der Seuche und Wasserarmut am meisten betroffenen Gegenden lebhafte Klagen er schallen und der Wunsch nach allgemeinem Aus fall der diesjährigen Manöver aus den Kreisen der Landwirte hier und dort laut wird. Die Entscheidung über die Frage, ob diesem Wunsche nachgelommen werden kann und darf, ist aber keineswegs so einfach, wie es manchem vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag. Neben der ge wissenhaften und sorgfältigen Wahrung der Inter essen der Bevölkerung haben die militärischen Kom- mandobehörden in allererster Linie die Erhaltung der Schlagfertigkeit unserer Armee im Auge zu behalten, für die die Verantwortung dem Vater lande gegenüber allein auf ihren Schultern ruht. Die kriegsmäßige Ausbildung findet ihren Schlußstein gerade erst in den Manövern, die daher für Führer und Truppe von allergrößter Wichtigkeit sind und aus diesem Grunde nicht entbehrt werden können, ohne daß ein empfindlicher Mangel in der Ausbildung herbeigeführt wird. Die Verantwortung für den Wegfall dieser wichtigsten Dienstperiode des Jahres dürfen daher die militärischen Kommandobehörden nur unter ganz besonderen Umständen auf sich nehmen, die eine so wesentlich in den Ausbildungs gang der Armee eingreifende Maßnahme vollauf rechtfertigen. Dieser außergewöhnliche Fall scheint aber doch — auch bei aller gerechten Wür digung der Klagen unserer Landwirtschaft — durch aus noch nicht gegeben zu sein. Freilich haben die militärischen Kommandobehörden die Pflicht, sich dem Ausnahmezustand, der immerhin in diesem Jahre für einen Teil unseres Landes vor liegt, anzupassen, um den Interessen der Bevölkerung nach besten Kräften gerecht zu werden. Auch das Interesse der Truppe selbst verlangt hierbei gewiss« außergewöhnliche Maßnahmen, die vor allem mit dem Auftreten des Wassermangels in gewissen Gegenden Les Manöoergeliindes Zusammenhängen. Tatsächlich haben nun auch — wie wir erfahren — die militärischen Kommandobehörden eine Reihe von eingreifenden Anordnungen getroffen, die ge eignet sein werden, den beregten Schwierig keiten abzuhelfen und auch Beruhigung für die ländliche Bevölkerung der Gegenden herbeizu führen, in denen sich die diesjährigen Manöver ad- spielen sollen. Da ist vor allem die Sorge um A b - Hilfe des Wassermangels zu nennen, der eine ernste Gefahr für die Bevölkerung wasserarmer Orte sowohl, wie für die Truppe selbst, namentlich während der niit Anhäufung großer Massen auf engem Raum verbundenen größeren Manöver werden könnte, wenn nicht eingreifende Vorkehrungen da gegen getroffen würden. Zunächst sollen während der diesjährigen Manöver neben denjenigen Ortschaften, die wegen der Maul' und Klauenseuche als im Bcob- achtungsgebiet liegend bezeichnet worden sind, auch die ganz besonders wasserarmen Orte von Ein quartierung — soweit dies überhaupt möglich ist — frei gehalten werden. Die Ortschaften des Sperrgebietes bleiben selbstverständlich von jeder Belegung durch die Truppe ausgeschlossen. Das bedingt natürlich eine teilweise ziemlich umfangreiche ört liche Verlegung der in Aussicht genommenen Manöver. Des weiteren aber haben die militärischen Kom- mandobchörden schon jetzt die unverzügliche Auf stellung einer großen Anzahl abessinischer Brunnen für den Gebrauch der Truppe in den jenigen wasserarmen Orten ang:ordnet, die von den Manövern voraussichtlich stärker berührt werden müssen. Ilm jede gesundheitsschädliche Nachwirkung durch den Verbrauch von Wasser aus derartigen Brunnen als Trinkwasscr auszuschließen, ist auch die vorherige bakteriologische und chemische Untersuchung dieses Wassers durch eigens in das Manövergelände entsandte Aerzte beschlossen worden. Von dem Rechte, das der Truppe nach dem 8 12 des Naturalleistungs gesetzes zusteht, außer den öffentlichen auch die privaten Brunnen und Tränken während Marsch, Biwak, Unterkunft und Hebungen in Anspruch zu nehmen, soll in diesem Jahre im Interesse der Be völkerung gleichfalls nach Möglichkeit Ab st and ge nommen werden. Die militärischen Kommando behörden haben nämlich umfangreiche Vorkehrungen dafür getroffen, daß der Truppe große Vorräte an Trink- und Tränkwasser aufWagen, teilweise sogar mittels Lastautomobilen nachgeführt werden können. Hierzu sind sowohl Wasserentnahme stellen für große Mengen an Trinkwasser, wie auch die Wagen nebst Bespannung zur Nachführung der Wasservorräte sichergestellt und der Truppe bereits non Beginn der Manöver in kleinen Verbänden zu- geiviesen. Die Truppe wird also voraussichtlich nicht genötigt sein, bei der Deckung ihres Wasserbedarfes auf den vielleicht ohnehin für den eigenen Bedarf knapp ausreichenden Wasservorrat der Ortschaften im Manövergelände zurückzugreifen. Auch den wegen derFutternot ausgesprochenen Befürchtungen haben die militärischen Kommando behörden bereits vorbeugend Rechnung getragen. Die Truppe wird in diesem Jahre während der Manöver nicht den i:n Lande vorhandenen, an scheinend namentlich an Rauhfutter geringen Vor rat in Anspruch zu nehmen brauchen, sondern sie wird aus die von der militärischen Kommandobehörd: an geeignet gelegenen Punkten des Manövergeländes bereits vorbereiteten Magazine verwiesen werden, sobald sich herausstcllt, daß die Futterversorgung für die Pferde während des Manövers wegen des etwa in der betreffenden Gegend herrschenden Futter mangels auf irgendwelche Schwierigkeiten stößt. Rechnet man zu alledem noch hinzu die sorgfältigen und eingehenden Vorkehrungen, die die militärischen Kommandobchörden getroffen haben, um die länd lichen Besitzer vor Flurschäden durch die Truppe und dadurch vor allem vor dem Verlust von künftigen Futtermitteln zu schützen, so muß man wohl unbedingt anerkennen, daß die militärischen Kommandobehörden alles getan haben, was nur irgend in ihren Kräften steht, um der ländlichen Bevölkerung die Manöverlasten zu erleichtern. Die Anschauung, als ob die Abhaltung der so wichtigen uird notwendigen Truppenübungen gerade in diesem Jahre eine be sondere Härte für die Landwirtschaft bedeute, läßt sich hiernach jedenfalls in keiner Weise rechtfertigen. Marokko. Die aus Berlin, Paris und London vorliegenden Nachrichten über den Stand der MarokkooerhanLlun- gen widersprechen einander, so daß ihnen gegenüber große Vorsicht geboten ist. Als sicher hat lediglich zu gelten, daß der französische Minister des Aeußeren Le Selo es seiner Meinung dahin Ausdruck ge geben hat, daß die Verhandlungen noch länger an dauern werden. Inwieweit diese persönliche Ansicht mit Lein tatsächlichen Verlaufe der Diirge über- cinstimmt, werden die nächsten Tage lehren. Im ein zelnen sind folgende Depeschen zu verzeichnen: Paris, 8. September. (Erg. Drahtmeld.) Ueber die deutsch-französischen Verhandlungen gab der Mi nister Les Aeußeren de Selves einem Mitarbeiter des „Matin" gegenüber folgende Erklärung ab: Man muß sich gegenwärtig ebensosehr vor einem lächelnden Optimismus wie vor einem übertrie benen Pessimismus h ü te n. Mein Eindruck ist — cs ist nur ein Eindruck — daß die in Berlin awge- kmiipsten Besprechungen noch länger dauern werden. Paris, 8. September. (Eig. Drahtmeld.) Wie der hiesige Korrespondent der „Frist Ztg." erfährt, hat die französische Negierung neuerdings den Vor sitzenden der „A gencedeC Hanges" inge nügender Weise über Len Stand der deutsch französischen Marokko - Verhandlungen unterrichtet. London. 8. Scpteniber. (Eig. Drahtmeld.) Die hier aus Paris und Berlin einlausenden De- zvschen über die deutschffranzösilchen Verhandlungen bringen die widersprechendsten Meldungen, so L-aß cs sehr schwierig ist, sich ein objektives Bild über den Stand der Marokkoangclegenheit zu machen. Immerhin kann man aus Len Zeilen lesen, daß di« öffentliche Meinung über den Ausgang der Unter handlungen in Frankreich optimistischer ist, als in Deutschland. Man hofft hier, daß die deutsche Regierung insbesondere wegen ihrer schlechten Finanzlage das größte Interesse habe, die Derhand- luiegen auf friedlichem Wege zu lösen. Ein längeres Hinausschieben würde nur Len Erfolg haben, den deutschen Kredit zu schädigen. (?) Kriegssieber in Holland. Amsterdam, 8. September. (Eig. Drahtmeldung.) Trotz aller beruhigenden Versicherungen zeigt die hol- ländische Regierung über den Verlauf der Marokko- verHandlungen eine gewiße Nervosität. Heute wurden die Reservisten nicht entlaßen und bleiben statt 26, 49 Tage unter Leu Waffen. Die Forts sind mit Munition reichlich versehen. In der N ordsee finden lebbafteUeb ungen statt. Es ist unver kennbar, daß politische Kreise in den letzten Tagen von auffallendem Pessimismus über das Ende der Verhandlungen erfüllt sind. Die Spanier. Madrid, 8. September. (Eig. Drahtmeld.) Die hiesigen Blätter sprechen die Vermutung aus, daß die deutsch-französischen Marokkovcrhandlungen bald zu einer friedlichen Lösung führen werden. Ge spannt ist man bloß darauf, wie Frankreich sich nach dem Abschluß des deutsch-französischen Ab kommens zu den spanischen Ansprüchen verhalten werde. Die Verhandlungen hierüber sollen in San Sebastian stattfinden. Sie werden von spanischer Seite vom Minister des Auswärtigen Garcia Prieto und auf französischer Seite vom Botschafter Gefsroy geführt werden. Madrid, 8. September. (Eig. Drahtmeld.) In der vergangenen Nacht waren die spanischen Posten einem ziemlich heftigen Kewehrfeuer vom gegenüberliegenden Ufer Les Ued aus gesetzt. Die Angreifer werden mit aller Strenge aez ü ch tigt wcröen. ohne daß jedoch die spanischen Truvven weiter vorgehen oder eine neue Stellung beziehen sollen. link der Golümsge. 37) Roman von Marie Stahl. tStacheruck verboten.» Hatte er nicht längst gemerkt, daß es einen dunklen Punkt in Klärens Vergangenheit gab, der wie ein schweres Schicksal auf ihr lastete? Klagte nicht seine Mutter stets über ihre Verschlossenheit in allen per sönlichen Angelegenheiten? Und fühlte er nicht selbst überall die Mauer, die sie um sich aufrichtete, sobald man ihr mit teilnehmendem Jntereße nähertreten wollte? Und plötzlich stand ein Bild vor seiner Seele: Kläre, wie er sie zum erstenmal gesehen, im -Schafstall mit dem kleinen, kranken Lamm! Galten damals die Tränen in ihrem Auge, der Blick tiefsten Herzeleids und die rührende Mütterlichkeit ihres Ausdruckes wirklich dem leidenden Tiere? War es nicht vielleicht das blutende Mutterherz, Las um ein eigenes verlorenes Kind trauerte? Gott, wäre das etwas Außergewöhnliches? In diesem Fall sicher mehr Unglück als Leichtsinn! Und ein Unglück, dem sie vielleicht die ganze Reife ihres Charakters verdankt. Aber der Gedanke war ihm doch entsetzlich peinvoll. Er konnte die ganze Nacht darüber nicht zur Ruhe kommen. So sehr er sich be mühte, objektiv zu bleiben, schüttelte ihn immer von neuem ein quälender Zorn, und sein ganzes Nerven system lag auf der Folter. Was sollte er tun? Vorläufig durfte er seine Mutter n.icht beunruhigen. Er kannte sie zu genau; trotz aller Herzensgute hatte sie dis Intoleranz und den engen Horizont der korrekten Frc.„, die das Leben immer nur Lurch eine gefärbte Brille gesehen und es nie gelernt, der unverhüllten, unverschleierten Wirk lichkeit Lie Stirn zu bieten. Mit solchen Damen ist über gewiße Dinge nicht zu reden. Es widerstrebte ihm ebensosehr. Kläre nachzu spionieren. Sannas Vorgehen war ihm entsetzlich un sympathisch. Seine Abneigung gegen Lesberg wurde noch größer durch die Rolle, die er als Aufklärer und Angeber gespielt. Er fühlte, daß der Schlag gegen ihn gerichtet gewesen, daß Lesberg ihm wohl Sanna nickt recht gönnte. Was blieb ihm anders übrig, als ein offenes Wort mit Kläre selbst zu reden. Er hatte merk würdigerweise das Gefühl, als habe er ein Recht, Rechenschaft von ihr zu fordern. Ja, es ging so weit, daß er einen Zorn und den Vorwurf für gerechtfertigt hielt, sie habe ihn getäuscht, betrogen, ihn hinter- gangen, ihm etwas vorgespiegelt, was nicht Ler Wahr heit entsvrach. Am folgenden Tage fuhr er auf ein paar kurze Stunden nach Satzenfelde. Er merkte seiner Mutter sofort an, daß etwas nicht in Ordnung sei. Und kaum war er mit ihr allein, als sie ihm klagte, sie sei in großer Sorge; sie habe erfahren, daß Fräulein Hübner heimliche Wege gehe. Man habe sie sehr spät aus dem Park kommen sehen in einer wilden Eile, und zu derselben Stunde sei ein Fremder aus dem Garten in die Landstraße eingebogen. „Wer ist „man"?" fragte Alexander nachdrücklich. „Oh, ich hörte es von Frau Kuhlemann, die es von den Leuten erfahren hat. So etwas spricht sich bald herum. Denke nur, wie schrecklich, wenn sie ein unerlaubtes Verhältnis hätte!" „Warum hast du sie nicht zur Rechenschaft ge zogen, sie ganz einfach gefragt, was an Lein Gerede Wahres ist?" „Ich weiß nicht — ich wollte erst mit dir darüber reden. Sie ist immer so unnahbar in allen Dingen, die sie persönlich anaehen, daß ich mich fürchtete, etwas zu sagen. Es kann ja vielleicht eine auf gebauschte Geschichte oder nur ein Klatsch von Leuten sein, die ihr gern etwas anhängen möchten. Und dann wäre sie tödlich beleidigt." Alexander mußte fast lächeln, wenn er dachte, wie Kläre seine Mutter in Respekt hielt, die sonst ein energische Frau war. Und wie sie es verstand, sich in ihrer Unnahbarkeit Lurchzusetzen. Es war Tatsache, daß sie jetzt die Herrin im Hause war, während die eigentliche Hausfrau zur Null herabsank. Aber der Wandel hatte sich ohne Herrschaft ihrerseits, nur Lurch überlegene Tatkraft und Intelligenz vollzogen. Und sehr zum Wohle der alternden Frau. Ich weiß, daß dick so etwas zu sehr aufregt, es würde dir eine Migräne zuziehen. Ich werde darum selbst mit Fräulein Hübner reden", sagte er, mit einer finsteren Wolke auf der Stirn. Sollte etwas Wahres an der Sache sein, so werde ich sie sehr nachdrücklich auf das Ungehörige eines solchen Betragens auf merksam machen. Du kannst versichert sein, daß ich mich nicht geniere." Es war Entrüstung im Klang seiner Stimme. „Werde nur nicht heftig — ich fürchte, sie ist sehr empfindlich", wandte Frau von Flamberg zag haft ein. „Aber, Mutter, wir werden uns doch nicht so etwas von ihr bieten laßen! Ich bitte dich, sei nicht zu schwach ihr gegenüber!" rief er, ungewöhnlich ge reizt. „Laß mich nur machen, ich werde schon mit ihr fertig werden. Ich fürchte, wir haben sie zu sehr verwöhnt, sie scheint deine Güte zu mißbrauchen und zu glauben, sie könne sich hier alles erlauben!" Er begab sich in das Zimmer, das früher das Arbeits- und Wohngemach seines Vaters gewesen. Es lag nach dem Hof hinaus und war mit Ledermöbeln, Jaqdtrophäen, Kaiser-, Bismarck- und Schlachten bildern eingerichtet und so das typische Duenretiro de« Land- und Sportsmannes. Alexander schickte Jemelchen, Fräulein Hübner derzubitten und erwartete sie mit der gefurchten Stirn des Anklägers und Richters. Alexander stand mit untergeschlagencn Armen wartend gegen Len großen, altmodischen Schreibtisch gelehnt. Au der Wand über dem Arbeitstisch, auf stark verräucherter Ledertapete, hing ein Lendactßcher Bismarck. Obgleich das Giebelfenster weit geöffnet war, herrschte eine dumpfe Lust in diesem Gemach, ein undefinierbares Gemisch von Tabak, Jagd, Stall, Leder, Hunden unü starken Getränken. Generationen von Flambergs mochten dazu beigetragen haben. Der Tag ging bereits zur Rüste, und ein breiter Strahl Abendsonne, in dem tanzende Staubatome flimmerten, lag blutrot auf dem Smyrnateppich. Die Geräusche, die vom Hof hereintönten, machten die herrschende Stille noch lastender. Als Kläre eintrat, wirkte ihre Erscheinung wieder wie etwas Neues, Ueberraschendes auf ihn. Sie war, wie immer, schwarz gelleiüet, und zum erstenmal fiel ihm auf, es könne einen anderen Grund haben als Las Dekorum. Jedenfalls hatte er nie eine Frau ge sehen, die in diesem einfachen, schmucklosen Schwarz so auffallend wirkte. Und so geschmackvoll. Doch wenn sie noch so kühl und sicher ihm entgegcntrat, er sah die tiefen Lchattenringe um ihre glanzlosen Augen unü den Leidenszug in dem schmaler ge wordenen Gesicht. Aber er konnte einen wilden Groll heute nicht überwinden. „Sie wollen mich hier sprechen?" fragte sie mit stark betontem Erstaunen, das Zimmer mit ver wundertem Blick durchmeßend. „Ja, ich möchte nicht. Laß wir gestört würden", erwiderte er sehr bestimmt, in der Haltung des Herrn vom Hause. „Bitte, nehmen Sie Platz." Er wies auf einen der tiefen Lederseßei vor dem runden Sofa tisch und setzte sich in den gegenübcrstehenden, in den er sich zurücklehnte. Er schlug die Beine übereinander, stützte die Ellbogen auf die Seitenlehnen und be trachtete die Nägel seiner zusammengefalteten Hände. Kläre war zu dem ihr angewiesenen Stuhl gegangen, aber gerade aufgerichtet davor siehengcblieben. „Wir können es wohl schnell abmachen, ich habe zu tun", bemerkte sie, mit einer Falte zwischen Len Brauen. „Verzeihen Sie. aber ick muß Sie heute schon bitten, sich etwas Zeit zu nehmen, was ich zu sagen habe, läßt sich nicht so im Sprunge erörtern", wandte er wieder mit der Herrenmiene ein. „Es tut mir ungeheuer leid, wenn ich indiskret sein und Ihr Ge fühl verletzen muß, aber es sind mir Dinge zu Ohren gekommen, die ich nicht aus sich beruhen laßen kann, cchne eine Erklärung von Ihnen zu fordern. Denn ich bin es. aus den in letzter Linie die Verant wortung für alle in diesem Hause zurückfällt. Sie werben mir zuaeben, Fräulein Hübner, Laß wir Sie als gleichberechtigtes Mitglied in unserem Familien kreise ausgenommen und stets als ein solches be handelt haben. Und wir richteten uns sogar nach Ihren Wünschen, als Sie eine Mauer aufzurichten be liebten, hinter der Sie jedesmal verschwanden, wenn man Ihnen und Ihren Lebensschicksalen persönlich »'übertreten wollte. Wir nahmen an, Laß irgendeine trübe Erfahrung Sie dazu veranlaßte, unü respek tierten die begreifliche Scher» vor üer Preisgabe eines Unglücks. Las wie ruf Ihre Familienocrhültnisse be zogen. Nun sind mir aber von verschiedenen Seiten Mitteilungen gemalt worden, die mich zwingen, einige Fragen an )ie zu stellen, und ich bitte Sie, mir dieselben offen zu beantworten." Kläre batte regungslos, steif im Stuhl sitzend, zugehört. Ihr Auge glich fast einer Wachsmaske. nur in ihrem Auge war ein scharfes Funkeln, das sich steigerte und immer kälter, härter wurde. „Nein", unterbrach sie ihn jetzt mit einem metallischen Klang in der Stimme, „ich werde Ihnen kein- einzige Frage beantworten, Lie. mir persönlich gilt. Ich teile Ihre Auffassung nicht, daß mein per- sönliches Schicksal Sie angeht. Wir stehen in dein Verhältnis des Arbeitgebers und Arbeitnehmers. Für den Lebensunterhalt, den Sie mir gewähren, bin ich Ihnen eine bestimmte Summe von Leistungen schuldig. Weiter nichts. Zv-nn diese Leistungen Ihnen nicht genügen, könne»» Sie mir jeden Tag kündigen. Und wenn Ihnen irgend etwas an mir mißliebig oder anstößig ist, können Sic dasselbe tun. Alles andere verweigere ich entschieden. Meine Schicksale und meine Person behalte ich für mich, ich habe sie Ihnen nicht mitvermietet." Alexander war verblüfft. „Das ist eine seltsame Auffassung", wandte er fast heftig ein. „Sie müßen mir zugeben, daß ein jeder berechtigt ist nach dem Woher und Wohin und nach der Lebensführung dessen zu fragen, den er zu seinem Hausgenossen macht und, wie ich in diesem Fall, Zur Genossin meiner Mutter und künftigen Frau. Ja, wenn wir Sie nie in unseren Kreis gezogen und wie ein Familienglied behandelt hätten, läge die Sach« etwas anders. Aber wie es nun einmal ist, sind Sie uns gewisse Rechenschaft schuldig." „Nein, denn Sie haben mich in Ihren Kreis ge- zogen trotz meiner Reserve, trotzdem ich von vorn herein deutlich zu verstehen gab, daß es von meiner Seite eine Grenze gäbe, die ich nicht überschreiten wollte. Und diese Grenze erhalte ick auch jetzt auf recht. Wie gesagt, Sie haben die Wahl, entweder Sie behalten mich, wie ick bin. ohne jede Frage und Ein mischung in meine Privatangelegenheiten, oder Sia kündigen mir heute oder morgen oder wann Ti« wollen." Alexander war aufgesprungen und mit starken Schritten ein paarmal im Zimmer auf und ab ge gangen. Jedesmal, wenn er die Lichtsäule mit den wirbelnden Staubatomen kreuzte, flimmerte es golden in seinem Bart und Haar. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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