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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.01.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180122017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918012201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918012201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1918
- Monat1918-01
- Tag1918-01-22
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Morgen-Ausgabe vezug^reis: L M A!.r«-L..,L-L"IN »I> i«l>«hrUch M. >v>, sl» Adhxlxi »xxxtUch M. 1.7»: »,'ch »»!««» xxswlrllßxx FUIxlxx I»1 -«»4 iidrach» monxIUch M. L2S. »tdrllch M.SÄ: dxkch »I» P»I> Ixxnhxld v«xllchl,x»1 axsx«t.4>x1,xd4 „,xt «ck> M. 1L5, ,I«N»I!«dilIch M. -7o; Mos-ex-Ailjiad« M. Atxx^Lxl,«»« «. ».«. S»nxlxß4-Äxtgol>« M. 0L0 lxoxaNUtz ia»1schU»bUch V»std<V«ll,«tziihr>. Haupischriftleiker: Dr. Erich Everlh, Leipzig. Nr. SS /Untsblatt des Rates und des poUreUuntes der Stadt Leipzig 112. Jahrgang «azeigexprei-: LLLL-L LU; ^Xj4«gi» ». Bxtzlkd«, t» ««kl. T«n »ix kolxxxlixll» >0 Ps. ». IX4I». S» Pf.: »I«ix, »l« Kxlxxilj«»!« M Ps. ,»«wL,I« U PK Sxfch4Nlxxjii,<x x>« Platz»»k>chklft»x t» Priisx »rh-dt. BxU«««x: s«>,miaillaxx M. 7-— »«4 Laxl»»» «»licht. P-ft^dlhr. S>x,xl»»»»x>xr i» Pt. — vxxx- xx» g«ßl««4 I» Pf. S«l»f»«ch-»»,chl», »r. >48«. ,4« ,»d >4»»4. — Poftich«»»»xt» 72» SchxttU«U»», xx» »«tchefUpxIx: Z-d-nxil,-^« Nr. S. Verlag: Dr. Reinhold L Lo» Leipzig. 1918 Dienstag, den 22. Januar Beruhigung in Oesterreich Kein Rücktritt Seidlers Wie«, 21. Januar. (Drahtbericht.) Das Wiener K. K. Te- legr. Korr.-Bureao teilt zu den Gerüchten über den Rücktritt des Kabinetts Seidler mit: Heber einen Rücktritt des Kabinetts Seidler ist hier nichts bekannt. * Wien, 21. Januar. (Drahtberlcht.) Bei einer Beraiung einer Abordnung der Arbeiterschaft mit der Regierung im Abgeordneten hanse erklärte der Ministerpräsident von Seidler, es sei der sehnlichste Wunsch des Kaisers, so bald als möglich den Krieg durch einen ehrenvollen Frieden zu beendigeu. Ist zurzeit nur ein Sonderfrieden mit Rußland möglich, so fällt die Verantwortung dafür auf die Ententemächte, da sie die wiederholten Friedensangebote der Mittelmächte auSgeschlageu haben. Dessen ungeachtet härt die Regierung an dem Ziel eines möglichst bal dige« allgemeinen Friedens fest. Internationale Vereinbarungen über Abrüstung and über Schiedsgerichte bieten dazu nach ihrer Ileberzeogung die ge eignetste Grundlage. Da keine territorialen Erwerbungen aus Ruß lands Kosten von der kaiserlich königlichen Regierung angestredl wer- de«, werde» daroa auch die FriedenSverhaudlungen nicht scheitern. Der Bevölkerung Polens werde eS überlassen bleiben, durch Volksabstimmung aus breiter Grundlage ihre StaatS- ordaung zu regeln, am besten durch eine auf breiter Grundlage gewählte konstituierende Versammlung, deren Entscheidung in voller Freiheit und ohne Beeinträchtigung durch die OkkupationSbchörden ersolgen soll. Die Forderung der russischen Regierung nach Räumung der besetzten Gebiete mühte die kaiserliche und königliche Regierung ablehueu, weil bei der Fortdauer des Krieges an deu anderen Froatea und angesichts der noch nicht gefestigten Verhältnisse Rußlands dies« Gebiete nicht ohne Gefährdung der militärischen Interessen geräuott werden könnten, doch werde bei gutem Willen auf beiden Seiten sicher lich ein Kompromiß mit der russischen Regierung^efund«« werde« kön nen. Da di« Monarchie bei Lösung aller dieser Magen sich von Kein«» eigennützige» Absichten leiten tafle und bereit fei, de» russischen Wün schen so weit entgegen zu kommen, al- die österreichisch-ungarischen Iateressen gestalte«, hegt der Ministerpräsident da- vollständige Der- traue«, daß bei ebenso gutem Willen auf der anderen Seite die Verhandlungen an diefen Fragen nicht scheitern werde«. Die Regie rung ist jeLerzeit bereit, die gewählten Vertreter deS Volke- über ihr« Absichten und über den Gang der Verhandlungen freimütig zu ualer- richten und dadurch das notwendige Vertrauen der Bevölkerung zur aus ¬ wärtigen Politik zu festigen. Zum Schloß wie« der Ministerpräsident auf die am Sonnabend veröffentlichte Erklärung deS Minister« de« Aeuhern Grasen Ezernin hin. In längeren Ausführungen legte sodann der LrnährungSminisker Höfer die Maßnahmen dar, die die Regierung zur Verbesserung der Ernährung-Verhältnisse getrosten habe, und teilte mit, die Regierung sei fortgesetzt mit allem Nachdruck und hoffentlich nicht ohne Erfolg am Werke, durch Verhand lungen mit der ungarischen Regierung und den Verbündeten die Ernäh- rungSverhällniffe im einverfländlgen Zusammenwirken zu bessern. Hierauf machte der Minister des Innern Graf Toggenburg Mitteilung über die geplante Reform des Gemeindewahl recht«. Wien, 21. Januar. (Eigener Drahkbericht.) Heule empfing der Ministeroräsidenl die Führer der Deutschen Partei, am mit ihnen die Notwendigkeit der Einführung de« allgemeinen Wahlrecht« lu den Gemeinden zu besprechen. In den ge mischt-sprachlichen Gebieten soll eine gewiße nationale Rege- long vorher elnlrelea. Die deutschen Abgeordneten nahmen dl« Mitteilung entgegen di« deutsch-böhmischen Abgeordneten verlangten, daß die Regelung deS Gemeindcwahlrechle« nicht von dem Votum de« böhmischen Landloge« abhängig gemacht werden soll, der in der Hand einer tschechischen Mehrheit fei. Abflauen des Streiks in Oesterreich Wien, 21. Januar. (Eigener Drahtberlcht.) Der Streik ist heute im großen ganzen beendet worden. Doch wurde die Arbeit noch nicht überall ausgenommen. Heute sind die Wieoer Blätter wieder erschienest. Wieu, 21. Iauuar. (Eigener Drahtbericht.) DleRegieeung erklärte sich bereit, den sozialdemokratische» Forderungen in der Ernäh- rong«frage nach Einschränkung de« Privileg« der Selbstversorger zuzu- fNckmea und di« Demokrallflerung des Gemeindewahlrech!« »itFrauen- watztrrcht ZufSröen». Aochda-Ktke-SdieaffleistuagSgesetz soll aufgehoben wekden. Die Regierung ist destrebt,eiaenbaldtgen allge- melueuFrleden herbeizuführea und kein «Eroberungen in Rußland zu mache». Dl« polillsch abhängigen selbständige» Staaten können ihr Verhällni« zu Oesterreich selbst regeln. Darauf forderte der sozialistische Parleivorstand dle Arbeiterschaft auf, die Arbeit wieder aufzunehmen. Dl« Arbeit wurde heute morgen in allen Betrieben wieder ausgenommen. M sischer SMs-ruch über die Konstttssste Berlin, 21. Januar. (Drahtbericht.) Di« Petersburger Telegraphen- Agentur verbreitet folgenden Funi-spruch: Petersburg, 19. Januar. Gestern, am 18. Januar, wurde die kon stituierende Versammlung eröffnet. Die Versammlung er öffnete Genosse Swerdlow. Zum Vorsihend:n wurde Tschernow gewählt. Genosse Swerdlow schlug namens deS zentralen Vollzugs ausschusses der konstituierenden Versammlung vor, die Macht der Räte und alle Dekrete, dle vom Rate der Volkskommissare veröffentl cht wurden, bis zur Klarstellung der Beziehungen der konstituierenden Ver. sammlung zur Regierung der Räte anzuerkennen. Die Mitglieder der konstituierenden Versammlung, und zwar die der bolschewistischen, ter linken und der sozialrevolutlonären Fraktion ver- ließen den Sitzungssaal. Am Tage der Eröffnung der Kon- stituierenden Versammlung sanden Kundgebungen der Solda ten statt. Arbeiter und Matrosen haben an den Kundgebungen nicht teilgenommen. In Petersburg wurde ein MarinerevolutlonSausschuß gebildet. Di« Ordnung in der Stadt wird durch Matrosen und Soldaten der Roten Garde aufrechterhallen. Der Führer dec politischen Abteilung: Ryschkow. Eine Unterredung mit Buchanan Lo«dou, 21. Januar. (Reuter.) Lin Vertreter Reuters hakte eine Unterredung mit Buchanan, dem britischen Bot schafter in Rußland, der auf Erholungsurlaub in London an- aekommen ist. Die Auffassung, daß der Botschafter wegen der Lage in Rußland abberufen worden sei, ist vollkommen u n - richtig. Tatsache ist, daß Buchanan bereits vor einiger Zeit alle Vorbereitungen traf, um sich für kurze Zeit zur wohlverdienten Ruhe nach Hause zu begeben. Er konnte sich jedoch nicht ent schließen, seinen Posten auch nur für kurze Zeit zu verlassen. Die kürzlichen dramatischen Veränderungen in der russischen Re gierung und die verwirrte Lage brachten ihn vielmehr zu dem Ent schluß, daß ungeachtet dex äußersten Unbequemlichkeiten und der Arten des täglichen Lebens weder er noch die Mitglieder seiner Familie Petersburg verlassen wollten. Zuletzt gestattete ihm die Entwicklung der politischen Lage, sich nach Hause auf Urlaub zu begeben. Buchanan sagte in einer Unterredung: Die durch die Nahrungsmittelknappheit entstandene Lage ist sehr ernst. Natürlich bekamen wir in den Gesandtschaften nicht das Schlimmste zu kosten, denn die Behörden bemühten sich selbstverständlich, diese Ding« dem diplomatischen Korps so rosig wie möglich erscheinen zu laste». Die Ding« sind so schlimm geworden, daß eine- Tages bet den Gesandt- schäften «in gefährlicher LedenSmittelmangel herrschen kann. Die all gemeine Ansicht ist, daß bi« Lebensmittel la diesem Monat vollkommen aoSgehen werden, und wenn Hungersnot eintcltt, kann man Anarchie erwarten. In diesem Fall wird jedermann in Gefahr sein. Deshalb ist die Lag« sehr ernst. WaS die politische Lage anbetrifst, so kann ich offenbar meine Ansichten in der öffentlichen Presse nicht vollkommen ausdrücken. Eine hauptsächliche Tatsache ist, daß die Bolschewik! zweifellos bi« Herr«» der Lag« im nördlichen Rußland sind, wenigsten- gegenwärtig. Wa di« Verfassunggebend« Versammlung anbetrifst, so schetnt e-, daß die Sozialrevolutionäre gegenwärtig die Mehrheit haben. Aber die« ändert nicht« an der Tatsache, daß die Bolschewik! die tatsächliche Macht habe» und sie behalten wolle», selbst mit Gewalt, wenn die« notwendig fein sollte. Vie bolschewistischen Lehren sind zweifellos über ganz Rußland verbreitet und finden beson ders bei denjenigen Anklang, die nicht« zu verlieren haben. Was die Zukunft Rußland- anbelangt, will ich keine Voraussage machen, selbst wenn ich dazu in der Lage wäre. Don einem bin ich überzeugt: Rußland ist noch nicht am Ende angelaagt. Ein so großes Land kann nicht ausgelöschl werden. Ich glaube, daß sein angeborener gesunder Menschenverstand das Volk befähigen wird, über alles hinweg zu kommen. Für die Zukunft dieses großen Landes mit seinen unermeßlichen Möglichkeiten ist nicht Zerteilung die Haupt sache, sondern Auffindung eines Bindegliedes für die Zukunft. Darin vertraue ich auf die Zukunft des Lande«, in dem ich so viele Jahre zu- gebracht hab«. O- Haag, 21. Januar. (Eigener Drahtberichl.) Wie dl« „Time-" anS Petersburg melden» sei sS den Bolfchewlkiführera absolut ernst mit der aagebrohteu Verhaftung de« König« von Ru mänien. Dle Rumänen haben die HeereSauSschüsse der Bolschewik! aufgehoben, dle russischen Truppen entwaffnet und die Verpflegung von den rumänischen Train« abhängig gemacht. Die italienische« WirtschastsnSte Frankfurt, 21. Januar. (Eigener Drahtberichl.) Dl« »Franks. Zlg." berichtet au« L»aa»or Trotz der strengen Zensur kommen in letzter Zeit immer mehr Anzeichen an di« Oesfentllchkeit, ah sich in Italien die Versorgung infolge zahlreicher Ver- senk»»gen im Mittelmeer und infolge de« wachsenden Toanagemangel« bedenklich verschlechtert Hal. Der vchatz- minlfler Nittl sagte in einer Red« wörtlich: »Unter allen Völkern de« Verbände« ist e« Italien, da« di« größten Opfer bringt. Der Mangel an Kohle und Brotsrüchtea »owie di« Knappheit der Tran«portmiltel schuf recht schmerzlich« L«den«ded!agaagea. Da« Volk weiß, dah diese Leiden nach dem Krieg« noch einig« Jahr« aadauera werden und an« der Fried« nicht «in sofortige« End« unserer Schmerzen bringt. Ja viel« wirtschaftlich« Loden werden sich noch verschärfen, Ader wenn wir uu« auch in alte Leiden schicken, ko können wir ua« doch nicht in all« Vergewaltigung schicken.- DaS sind außerordentlich scharf« Wort«, dle der di« Wirtschatl«- pollttk führende italienische Minister bei einer feierlichen Gelegenheit an di« wirtschaftliche Vollmacht »m Verbände gerichtet hat. Heute veröffentlicht nan der »Eorriere della Sera- eine beinah« drohend« Ausfordrrung an dir V«rdündrt«n, Italirn im «tgensten Interest« bester zu versorgen. Amerikas Bunkerbedirrgurrgen für die Neutralen LhrlsUania, 20. Januar. (Drahtbericht.) Die Blätter ver- öffentlichen neue am 1. Februar 1918 in Kraft tretende Bunker- bedingungen. Danach wirb der gesamte neirtrale Schiffs raum unter die Kontrolle der amerikanischen und der Behörden der Alliierten gestellt. Alle neutralen Reeder müssen sich verpflichten, keine Verbindungen mit den Mittelmächten zu unterhalten, keine Untertanen der Mittelmächte zu befördern, sowie nur Waren, die von den amerikanischen Behörden im voraus gut geheißen sind, und ihre Kapitäne und Schiffsbesahungen auf Verlangen der amerikanischen Behörden zu entlassen. — .Tiden-tegn' bezeichnet diese Bestimmungen al- wett strenger al- die englischen. Sie stellten eine ernste Warnung dar, da sie jeden Schiffsverkehr mit Amerika unmöglich machten, falls ittcht eine Derständtgmtg mtt Amerika erzielt werd«. Zum gleichen Thema wiro uns von unserer Berliner Schrift leitung geschrieben: D Wer in seinem Leben Gelegenheit gehabt hat, mit russischen Studenten zu debattieren, dem sind derlei Redespiele nichts Neues. Der Russe, auch der in russischen Mittelschulen und Universitäten erzogene Jude, ist der geborene Redner. Und er Ist zugleich meist ein sehr geschickter Dialektiker. Er spricht, weil ihm das Sprechen Freude macht und weil er sich selber gern reden hört. Mit Schwung und Feuer und mit leuchtenden Augen, aber er spricht eigentlich immer an dem anderen vorbei. Er will sich die Seele frei machen, und wenn er hemmungslos, von allen Einwänden unberührt, in weltentrückten Konstruktionen geschwärmt Hot, wenn das letzte GlaS Tee ausgekrunken wurde und die letzte Zigarette verglomm, geht er befriedigt von dannen. Er hat «ine Tat getan. Auch Hern Deutscher Derftöndigimgswille und russischer Doktrinarismus In Brest-Litowsk wird der praktische Kern der Verhand lungen von einer Fülle grundsätzlicher Auseinandersetzungen über wuchert. Unsere Unterhändler bemühen sich immer wieder, die Debatte von der uferlosen Doktrin in die reale Wirklichkeit zu rückzulenken. Dle russischen Ultraradikalen aber legen gerade auf die theoretische Begründung ihrer Haltung den größten Wert; sie messen Opfer und Gewinn nach ihrer Uebereinstimmung mit der Idee, die der Maximalismus zum Programm hat. Diese merk würdigen Staatsmänner sind ohne Rücksicht auf die politischen und wirtschaftlichen Folgen bereit, das halbe Reich hinzugeben, wenn damit ihrer Theorie Genüge geschieht; aber sie wehren sich gegen das kleinste, ohne weiteres erträgliche Zugeständnis, wenn es sich nach ihrer Ansicht nicht vollständig in den Rahmen ihrer Doktrinen einzwängen läßt. Wie liegen denn — nüchtern und realoolittsch gesehen — die Dinge im Osten? Die gegenwärtige russische Regierung ist be reit, in die Abtretung der von Fremdoölkern bewohnten, äugen- bkcklich von uns besetzten westlichen Randgebiete deS Reiches zu willigen, natürlich nicht, damit wir diese Territorien annektieren, sondern damit die Völker, denen sie gehören, sich selbst nach eigenem Willen thr staatliches Leben schaffen und gestalten. Nichts anderes ist unser Ziel. Wir wollen uns — Herr von Kühl mann hat es förmlich und ausdrücklich erklärt — jene Gediekc nicht einverleiben; wir wünschen, dah sie selbst entscheiden, ob und bis zu welchem Grade sie sich künftig an uns anlehnen, mit uns vertragsmäßige Gemein chaften ln Ku tureller, wirtschaftlicher oder auch politischer Beziehung onterha ten wollen. Möglich, daß solche Gemeinschaften sehr eng, möglich, daß sie lose sein oder ganz fehlen werden. Wenn die Rusten den Fremdoölkern die reuerworbene Souveränität ehrlich gönnen — und das Selbst- »estimmungSrecht bis zur Lostrennvng ist doch ein« der Haupt thesen der Lenin-Trotzkischen StaatLlheorie —» dann müssen sic ihnen auch erlauben, von dieser Souveränität im internationalen Verkehr den Gebrauch zu machen, der ihnen nützlich erscheint, >as heißt, sich ihre Freundschaften dort zu suchen, wo sie ihre Interessen am besten wahren zu können glauben. Praktisch liegt ja die Annäherung der Polen, Kurlünder, Litauer usw. an Deutschland durch ein System von Verträgen noch in weitem Felde; grundsätzlich aber fließt ihre Möglichkeit aus dem Selbst bestimmungsrechte jener Völker und kann deshalb von denen am wenigsten bestritten werden, dle bedingungslose Verfechter des Selbstbestimmungsprinzips sind. Wenn die Austen und wlr in gleicher Welse die Selbst bestimmung der Randvölker wollen und ihre Durchkreuzung durch Annexionen ablehnen, — worum geht dann eigentlich der Stretl? Um die Art der Willenserklärung der zu befreienden Völker? Die Austen werten die bereits vorliegenden Kundgebungen des Lostrennungswillens nicht so hoch wie wir. Aber auch wir be trachten sie nicht als letztes Wort, sondern gestehen zu, daß sie durch Beschlüsse von aus breiter Grundlage gewählten Repräsen tativkörperschaften überprüft und bestätigt werden sollen. An genommen, die späteren Willenserklärungen fielen anders aus als die bereits erfolgten; könnten wlr versuchen, mit Gewalt über sie hinwegzugehen? Wir würden dadurch jene Völker nur uns zu erbitterten Feinden machen und unseren Gegnern als leiden schaftlichste Anhänger in die Arme treiben. Welche Garantie fehlt also den russischen Machthabern, wenn es ihnen wirklich um nichts anderes zu tun ist, als um die freie Selbstbestimmung jener Aandvölker? Ein Referendum? Wir haben es nicht grundsätzlich abgelehnt und uns nicht unbedingt dazu verpflichtet. Die demokratische Wirkung der Volksabstimmung ist übrigens, wie hier schon einmal dargeleat wurde, etwas zweifelhaft. Ge rade in der Aera, die sie mit besonderer Vorliebe als politisches Mittel benutzte, in der des Dritten Napoleon, hat sie mehr auto kratische als demokratische Zwecke gefördert. Stünden wir einem imperialistischen Rußland gegenüber, das an der Entscheidung, dle das KriegSaeschick gefällt hat, zu rütteln suchte, das jedem Landverluste widerstrebte und seine Fremd völker in eiserner Klammer festhalten möchte — dann wären die Gegensätze wirklich groß und nur zähes Ringen und der drohende Appell an die Macht könnte die Verhandlungen zu einem gedeihlichen Ende bringen. Wir aber haben es mit einem Rußland zu tun, das den Krieg liquidieren will und liquidieren muß, das an einen Appell an die Macht ernsthaft nicht denken kann und das die Verselbständigung der Fremdvölker, dle wir von ihm verlangen, grundsätzlich überhaupt nicht (wie etwa der Zarismus) als Opfer empfindet. Eine Einigung ist also nicht schwer, sondern naheliegend und natürlich; und man muh schon, wie Herr Trotzki, täglich neue Barrikaden der Doktrin errichten, um sie immer wieder zu verzögern. Die russischen Unterhändler mögen sich bet diesem Barrikadenbau vielleicht sehr pflichttreu vorkommen; das russische Volk aber, dos den Frieden ersehnt, wie das deutsche, wird ihrem Beginnen schwerlich mit unbegrenzter Geduld zusehen.
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