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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.04.1921
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1921-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19210422018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1921042201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1921042201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1921
- Monat1921-04
- Tag1921-04-22
- Monat1921-04
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Morgen-Ausgabe >>ie»lppg UII» Vororte zw»lm,I »glich l„« Ha»1g»dr<ichl, Sonn lag« al» Mr>rg«n°o-:aod« monaic. M. l». —. viertel llkrt. Ht.SU— für Äddoter woaatl. Ai. >«öv. M»rg«i>-4i»1gad« allein Ai. 7«iv manaixch, Hd«rd-4iiitgad< all«!» M U.— monatlich. Varch «aier» »«»mil'ligrn tzlltaten u>» Hao» g«. brach, monalllch -M. tll.-. »ieileljüdrltch H. SU.-: dv,U> dir löst lanerkald Veatlchlant», sr<! In« Hao« aeilesert» Triam>-Aa«aad« monalllch M. S,—, »trrirllill'rilch M. 27.—. 4lv«>o»v»verland: monatlich M. III.— and Vrncklaidrn-Porlo. v>n,r'rammr,n Aiorg^n. Anigad« SU Pf« Äd«nt-Hu»gad« :a P». Sonntagl-Sntgod« 4Y Ps. hmrdels-IeLttms Da« LelpUakt Ltgcdkatt tntvSl« dir «mkttchen »es.inn«m->amngr, deS States und drS Psltvt.imtr» der Stadl Sctvttq. rr< AmlSacrichtS Leiprt«, lolv» »erlchieoencr auverrr veHürbr«, 115. Jahrgang Anzeigenpreis: Lng°«.N« ^'.'.^o»n'.o.'-Äü M. 2^-; «tnjeig«n »an «iedtrden >m amltiche» Lell t!« ^i»»»»r»ll«^«ll» M. SLV. ».au«a>. Ai. L.—; Kirin« Äazelgen »>« RonparrlUej«»« »an aolmtkt» Aik I^ll, Dellväfltanzeigen mik Pialivorichrlllen >m i rrll« «tdddt. Platz and Valenvorichrlll otzn« v«rdlndilckk«lt. A,ila,«npi«Ii. sür dl« A«lomtauflagr Aik. 12.— n«tto, lür T«liai<slag« Lik ti>.— n«lt, pro M.U«, Paftanllage Pastgrdützr extra. ,«r»iar«cu-«nlchinn uir. lrnur, l« >ui, — P»it>ch«»kont»«i'u . Echriflirilnnn and V«lchi>»Ii»U«: erigzig, S»ha»»ISg,II« R«. 8. «Verla, Dr. diontz.l» ch S» - ».«lpzi» ^ir. 1S1 1L21 Sreitag, den 22. April Stimmungsumschwung inParis lVo n unserem Pariser Mitarbeiter.) Paris, 19. April. Langsam, unaufhaltsam ändert sich der Ton dec Pariser »roßen Presse. Er wird milder, versöhnlicher — unter der Wucht der Tatsacl-en. Der Plan der französischen Regierung, so wie er noch aus Briands Senatsrede sich ergab, war so gewesen: England hat innere Schwierigkeiten, Italien steht vor den Wahlen, Amerika ist nach wie vor desinteressiert: Frankreich wird also am 1. Mai allein dastehen. Ein einfacher Meinungsaustausch von Kabinett zu Kabinett genügt, den Alliierten werden nur die französischen «Strafmaßregeln" in aller Form mitgeteilt und sie im übrigen vor vollendete Tatsachen gestellt: Am 2. Mai rücken Fachs Truppen in Essen ein, welches auch der Inhalt der deutschen Vorschläge sein mag. Dieser Plan ist heute zunichte geworden. Der Meinungsaustausch" von Kabinett zu Kabinett genügte eben nicht. Lloyd George hat wenigstens einen Teil seiner Handlungsfreiheit wiedererlangt: in Italien scheint die kommunistische Gefahr nicht so groß zu sein, wie man gewöhnlich annimmt: Amerika ist durch aus nicht geneigt, abseits zu stehen: und endlich: Frankreich sieht sich selber außerstande, die Besetzung und ökonomische Verwertung -es Ruhrgebietes vom 2. Mai ab durchzuführen. So wird also zunächst in aller Form eine der berühmten inter alliierten Konferenzen abgehalten werden. In Paris wahrschein lich, und zwar nicht vor dem 2. Mai. Damit die «Verbündeten" nicht zu sehr uneinig vor aller Welt dort erscheinen, werden ihr vertrauliche Bespreuungen der Ministerpräsidenten vorausgehen. Zwischen Lloyd George und Bciand ist s^on abgemacht, daß sie sich am Sonnabend bei Hythe, in der Villa Sir Sasoons in Lympne, treffen werden. Sie haben sich manches zu sagen, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß sie sich schnell einigen. Der funda mentale Unterschied in ihren Anschauungen besteht darin, daß Brian- unter allen Umständen .Pfänder" nehmen will, auch wenn dir. deutschen Vorschläge für genügend erachtet werden, Lloyd George aber verständig genug ist, erst diese Vorschläge zu hören, zu verhandeln, und nachher erst, nachdem die Verhandlungen ge scheitert sind, zu handeln. Man kann sckon fetzt sagen, daß die französische Presse be müht ist, Briand die Bekehrung zu erleichtern. Rach alledem, was hier in Paris seit zwei Wowen geredet und geschrieben wor den ist, nach all dem Säbelrasseln, all den Drohungen, all den Schwüren, all den großen Worten ist diese Wendung ja ziemlich schwierig. Ader gemacht muß sie werden. So erscheint denn heute -er erste verständige Artikel über Deutschlands Vorschläge in einer Pariser Zeitung. Die «Oeuvre" meint, es wäre «töricht, die Ernsthaftigkeit der deutschen Anerbieten zu leugnen". Was den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete anoebt, spricht sie wie auch andere französische Zeitungen davon, daß sich die Deutschen dem sozialistischen Amsterdamer Programm nähern: «Die Einwendungen, de man dagegen macken kann, sind zahlreich: jedoch ist der Grundsatz unbedingt richtig: Deutschland muh wieder auf- t richten, was es zerstört hat. . . . Die Tatsache daß die Arbeiterverbände selbst teilweise den Vorschlag ausgearbeitet haben, ist uns eine weitere Garantie neben der, die die deutsche Regierung uns geben wird.' Zur internationalen Anleihe: .Es ist selbstverständlich, daß das Prinzip einer internationalen Anleihe nur dann angenommen werden könnte, wenn di« Lasten derselben wirk'ick und ans'chNehlich auf Deutschland fallen. Es ist nicht zulässig, daß die Alliierten sich selber entschädigen müssen, und infolgedessen kann ihr Kredit in keiner Meise in Frage kommen. Aber es wäre ebenfalls unzulässig, daß sie daraus verzichteten, Deutschland die Mittel zu verschaffen, seine zukünftige Arbeit mit Hypotheken zu belasten, und zur Zahlung seiner fälligen Schuld die sicheren Ergebnisse seiner industriellen Entwicklung, an der es mit Etter arbeitet, nicht in Betracht zu ziehen " .Wir können übrigens in dieser Beziehung noch eine weiter- Sicherhe't und eine annehmbare sährliche Summe bekommen. Es scheint sehr, daß die deutsche Regierung den von Rathenau vervollständigten Plan A r n ol d R e ck be r g s wiederausnskmen und sich zu eigen machen will. Es bandelt sich darum, der französischen Regierung sür ihre Industrie einen Teil der Aktien der deutschen Aktienaesellfchafken zu überlasten. Unter se nen neuen Formen Kutte das System eher die frohen 'Kartelle als ttoiierie Unternehmen zur Grnnd'age Das Inter este daran wäre groß, unter der Bedingung jedoch, daß die Zahl der Überlassenen Aktien genügend wäre, ihren Besitzern eine wirkliche Teil nahme an der Leitung der Unternehmungen zu sichern, und daß Vor- sicktsmahregeln getroffen würden, um Gewlnnverheimltcyung zu ver meide".' «Endlich bieten die Deutschen unsere gänzliche o^er teilweise Be freiung von unseren alliierten Schulden an. Diese Kombination wäre in allen Punkten vollkommen, und wir wurden sie mit Begeisterung an nehmen. Damit sie uns aber wirk'ich entlaste, bedarf sie ver Zu stimmung der beteiligten Verbündeten: man bars eine Schuld ohne Ein willigung des Gläubigers nicht übertragen. Run aber müssen wir sagen, daß Deutschland nichts getan hak, um sich den Anschein eines sicheren uid zahlungsfähigen Schuldners zu geben: es ist zu befürchten, daß d:c Amerikaner etwa vorziehen, ihr Guthaben bei uns zu behallsi, oder daß sie Pfänder fordern, l-ie untere eigene Sicherheit vermindern.' «Gewiß ist dies alles kein gemünztes Gold. Ader wo soll man Gold hernehmen, um solche Schulden zu bezahlen? And würde Gold sie überhaupt bezah'en? Wir brauchen Arbeit, und die Ar beit hat Kredit nötig. Können wir Deutschland Kredit ge währen? — Ja, aus gute Pfänder. Die werden uns die Deutschen geben, weil sie Schlimmeres sonst befürchten Schreien wir aber nicht zum Voraus, daß sie nichts taugen» daß sie nichts taugen können Das wäre das beste Msttel, nie bezahlt zu werden«' Solche Worte hörte man seit langem nicht mehr. Gestern noch wären sie unmöglich gewesen. «Melkt die Kuh, aber gebt ihr vorerst Futter, sonst geht sie euch ein!" ruft ein anderes Blatt. Die «Libertä" weist ans die ungeheuren Schwierigkeiten der Besetzung hin. Das überchauvinistisch« Organ schreibt den Deutschen die Absicht zu, ihre Techniker zurückzuziehen. «So würde D^itfchland aus dem Ruhrgebiet ein unfruchtbares Land machen, und wir wären genötigt, immer weitere Teile des Reiches zu Beschlüsse des Pariser Kriegsrates Paris, 21. April. In einer Aavasmeldnng heißt cs: Während der Begegnung in Lympne w'rd Briand Lloyd George einen Plan verlegen, den di« besten Köpfe Frankreichs für den Fall ausge arbeitet haben, daß Deutschland bei seiner passiven Resistenz beharrt. Dieser Plen, der morgcn beendet sein wird, ist ei» Riederschlag der fünf Berichte, die von vericyicdenen Sachverständigen ansgoarbeitet wurden. In großen Zügen enthalt er n. a. zugunsten des Reparations kontos die Erheb» rg eines Zolls usschlages von 50 bis 70 Franken pro Tonne Kokle, die aus dem Ruhrgebiet kommt. Der Ertrag der Bergwerke wird dem deutschen Personal überlassen bleiben, das aber von französischen In genieuren überwacht wird, die auch die Verteilung über nehmen. Deutschland wird kein Interesse daran haben, die Kohlenförde rung zu hemmen, da cS ja die Vcrsüguna über die Kohlen erhält. Außer dem sind Erleichterungen zum Bezug von Lebensmitteln für die Bewohner der besetzten Gebiete vorgesehen. Man schätzt, daß der Ertrag der Kohlenbergwerke immer nock 70?« der früheren Förde rung von 275 Millionen Tonnen jährlich ausmachen wird. Diese ein jachen und praktischen Maßnahmen wurden von Le Trocquer "nh verschiedenen Stellen des Arbeitsministcriums ausaearbeiiet. Sie wurden einem von Loucheur befürworteten Vorgehen vorgezogen, das wohl einschneidender, aber auch viel schwieriger in der Durchführung gewesen wäre. Letzterer Entwurf sah auch die llebernahme des Be triebes durch die Verbandkrcgicrungcn sür alle Industrien im Ruhrgebiet vor, also nicht nur sür die Bergwerke, sondern auch für Eisenwerke, Textilfabriken und ähnliches mehr. Zn der Abgabe auf die Kohlen förderung werden noch andere Zahlungsmittel kommen, z. B. die Be teiligung an Industrien, Abgaben auf die Ausfuhr und die ausländischen Werte, die als Bezahlung für die deutschen Kühlen lieferungen noch dem Auslande einqehen werden vsw. Dieser Plan wird in seiner Gesamtheit unter Leitung eines Zioiioberkommijsars zur Durchführung gelangen. Paris, 21. April. Im «Echo de Paris' schreibt Pernnar nach Auskünften von zuständigen Stellen sehr ausführlich über die Schwierig keiten, die sich der wirtschaftlichen Ausnützung deS Ruhrgeviekes enl- qegcnfiellten. Ursprünglich wollte man ein eigenes StaatSvcpartement, ein «Ruhramt", errichten: aber diesrr Pian sei verworfen worden, weil er nur kricgSähnliche Zwangsmaßnahmen geschaffen und m t allen Städterequisitionen usw. doch nur gerade die Kosten der militärischen Besetzung eingebracht hätte. Nach Pertinar soll die unter anderen Maß nahmen schließlich beschiosjene Ausfuhrabaabc 40 vom Hundert betragen. Keine Ware werde mehr nach dem Auslande gcyen Kennen, bevor nicht dieser Betrag bei einer von der Wicdcrqutmechnngs- kommission bezeichnete« Bank, wenn möglich in ausländischen Devisen, eingezahlt worden sei. Englands widerwillige Gefolgschaft Haag, 21. April. In den englischen Zeitungen wird weiterhin sehr große Zurückhaltung gegenüber den Absichten der Franzosen beobachtet: aber es stellt sich jetzt bereits deutlich die Absicht der englischen Regierung heraus, die neuen Gewaltmaßnahmen als eine von Frank reich ausgehende Aktion, an der England das größte Interesse nimmt, hinzustellen, also nach Möglichkeit die moralische Verantwortung für sie Frankreich zuzuschieben. Wenn man «Daily News' glauben darf, würden die Sanktionen dann nicht durchgestihrl werden, wenn Deutsch- l and bis zum 1. Mai ein Angebot macht, das sür Frankreich annehmbar ist. Man erkennt in dieser Forderung das Bestreben Englands, die Verantwortung für das, was nun kommt, möglichst Frankreich zu über lasten. Darüber hinaus muh man aber ausdrücklich daraus ausmerksam machen, daß England sortfährt, fernen Industriekrieg gegen Deutschland mit den politischen Absichten Frankreichs zu verketten. Selbst in den liberalen Zeitungen findet sich jetzt die Lesart, daß zwar nicht Deutschland, wohl aber die «Stines je' bezahlen können und bezahlen müssen. Immerhin hat man den Eindruck, daß in Lympne zwischen Lloyd George und Briand eine sehr ernste Aussprache erfolgen wird. Man muß davon ausgchen, daß politische Gründe erster Ordnung die widerwillige Nachgiebigkeit Englands gegenüber Frankreich bestimmen, und daß der Indnslrickrieg Englands gegen Deutschland nur dem festen Entschluß entspricht, aus einem an sich schlechten Geschäft einen möglichst großen Nutzen zu ziehen. Das Risiko, das England läuft, indem es seine Politik gegenüber Deutschland der französischen unterordnet, ist so groß, daß einige lleberraschungen im Anschluß an die Konferenz vor, Lympne nicht ganz ausgeschlossen sind. In sehr gut informierten Kreisen Hollands hält man die Durchführung dec neuen Sanktionen kurz nach dem 1. Mal für unabwendbar. * » * London, 21. April. «Daily Ehronicle" schreibt zu dec Besprechung in Lympne, da die deutsche Regierung ihren Verpflichtungen aus dem Ver,rage von Versailles nicht nachgekommen sei, sei es nach An sicht der britischen, französischen und t»er anderen alliierten Regier» pen unbedingt erforderlich, die weiteren Schrit.e, die nötig sind um öie Durchführung des Vertrages zu erzwingen, zu erörtern und zu be schießen. Für das britische Kabinett sei es notwendig, festzu stellen, welches die französischen Pläre seien, licvor es seiner Ansicht über irgendeine geplante Aktion Ausdruüc gebe. Es bei'ehe al-cr girier Erru d zu der Erklärung, daß in den Grundsätzen Einig keit herrsch; und daß ein gütitcyes llebereinkommen zwischen den Eng ländern und Franzosen über die zu ergreifenden Maßnahmen «, wartet werden könne, falls Deutschland leinen Verpflichtungen nicht nackkomme. wie stellt sich Amerika zu den neuen Vorschlägen? Paris, 21. April. Eine Berliner Radio-Depesche besagt, düß die neuen deutschen Vorschläge am Sonnabend direkt der Wiedergutmachungskommission übermittelt werden sollen. Bis Mittwoch abend sei aus Washington in Berlin keine Antwort auf das Ver- mittelungserluchen der deutschen Regierung eingetroisen. Man erwarte daher, diß die zwischen Dr. Simons und dem Berliner amerikanischen Geschäftsträger Dresel gepflogenen Besprechungen kein Ergebnis mehr haben werden. (Von deutscher Seite ist, wie demgegenüber fcstgesteilt werden mich, halbamtlich erklärt worden, daß ein Ersuchen um Ver mittelung an Amerika nicht gerichtet worden ist. Die hier zitierte Radio-Depesche fußt also auf falschen Voraussetzungen. Die Sckrisl- leiiung.) In der natürlich französisch orientierten Meldung aus Berlin wird weiter gesagt, daß sich innerhalb des Reichskabinetts ernstliche Meinungsverschiedenheiten über die neuen Vorschläge geltend gemacht hätten. Eine Ministerkrife werde immer noch für möglich geholten. Der Berliner Korrespondent des «Petit Parisien" meldet hingegen, daß die ReichSregi «rung dahin informiert worden sei, daß Amerika grundsätzlich der U< berschreibung der alliierten Schulden auf Deutsch- land zustimme, aber darauf verzichten wüste, bei den Verhandlungen eine Vermittlerrolle zu spielen, da der Erfolg dieser Vermittlung sehr zweifelhaft sei. l eschen, was auf die Dauer unsere Kräfte und unsere Hilfsmittel über steigen würde." Und noch ein anderes Gespenst taucht am Horizont auf: die Vereinig'.'na Deutschösterreichs mit dem Stammesiand. «Die Anschlußbewegung gewinnt jeden Tag an Boden,' ruft IacgueS Bain ville «laaend aus. «Tirol, das die Abstimmung auf den 24. April festgesetzt hat, spottet des Cntenteverbots. Sogar die öster reichische Reg erung selbst pocht auf ihr Recht, die Verewigung mit Deutschland von dem Völkerbund zu verlangen. Was werden wir tun, wenn sich Oesterreich in d'.e Arme Deutschlands wirft? Werden wir Soldaten nach Tirol und Sieie:mark schicken? . . .' Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Man hatte sich die Bcschung der Ruhr als militärischen Spaziergang gedacht. Acht Divisionen genügten. Eine geringe Kohlensteuer würde Frank reich jährlich mehr bares Geld liefern, als es jetzt von Deutschland verlangt. Alles war so schön und einfach. Und nun... Um sich selbst den Rückzug zu erleichtern, hofft man auf eine Kabineltkrise in Berlin. Simons wäre schon nach seiner Rück kehr aus der Schweiz in der Minderheit gewesen und von seinen Kollegen arg getadelt wocden. Die frühere Koalition mit Aus schluß der Volkspa tei übernähme die Regierungsbildung. Die Sozialdemokraten könnten nicht vergessen, daß sie den Frieden in Versailles unlerzei^net hätten und fühlten sich für dessen Aus führung verantwortlich. Sogar von einer Wiederkehr Erzbergers wird wieder gesprochen. (Alle Liese Kombinationen sind falsch. Die Schriftleitung.) Eben lese ich eine offizielle Ankündigung, daß überhaupt keine Besetzung des Ruhrgebietes für den 1. Mai vorgesehen ist. Es würden nur Vorbereitungen getroffen, damit man m litärisch und wirtschaftlich bereit sei, im gegebe nen Fall elnzurücken. Eine schon erfolgte Einberufung zweier Iahresklassen ist wieder rückgängig gemacht worden, ehe sie aus geführt war. Nur in Lille war sie durch den Uebereiser der Gen darmerie veröffentlicht worden. Es wird jetzt bekannt, daß die interalliierte Konferenz be stimm! am 2. oder 3. Mai in Paris zusammenlreten wird. Auf der Tagesordnung steht in erster Linie die Prüfung der Leukschen Vorschläge: demgemäß lvare der englische Standpunkt he^te schon durcl-gedrungen, die Zusammenkunft Briands mit Lloyd George am Sonnabend in Lympne eigentlich unnütz. Run aber werden bei derselben Gelegenheit noch eine ganze Reibe anderer An gelegenheiten behandelt werden. Die obeFchlesische Frage, wie sie durch die Abstimmung sich darbictet, wobei donn^edens"1ls auch Deutschland gehört werden muß: die orientalisch« Frage, die mit jedem Tao« verwickelter wird und wahrscheinlich lange Verhand lungen erfordert; das Schicksal der Kabel im Sliilen Ozean und die Frage der Insel Iap. Alle diese Angelegenheiten sind so wichtig, ihre Lösung so schwierig, die Interessen der Verbündeten so weit auseinandergehend, daß die Verhandlungen darüber wohl kaum weniger als einen Monat Lauern werden. Den französischen Zeitungen fällt demgemäß jetzt die undank bare Ausgabe zu, das von ihnen selbst aufgewiegelte Publikum zu beruhigen. In der einen wie in der anderen Sache sind sie ja Meister. Der «Journal" sagt schon heute morgen, die mili tärischen Maßnahmen seien nur nebensächlich: Hauplja^c >ei, daß Frankreich geholfen werde. «Die Sanktionen können dies mal keine moralischen Repressalien, keine Einschüchterungs- und Erpressungsmaßnahmen sein." Wie sagte doch Briand? «Der Gendarm geht mit dem Gerichtsvollzieher..., wir werden Deutsch land mit der Faust am Kragen packen..." Heute schreibt «Le Petit Parisien": Jedermann wünscht aufrichtig, daß die deutschen Vorschläge annehmbar seien... London und Rom ver abscheuen jede Gcwaltmahregel...' Nur die Ueberchakvinisten von rechts sind noch nicht so weit: Pertinax etwa im «Echo de Paris" hofft noch immer von der Negierung «Feitigkeil in der Abwehr der deutschen Winkelzüge". Aber jä-ließiicy trügt weder der «Echo de Paris', noch dec .Gaulois", noch die «Action Fran<;atse' irgendwelche Verantwortung. Sie stützen haupt sächlich den «Wiederaufbau'minister Loucheur, der im höchsten Grade persönlich daran interessiert ist, daß der ganze «Wieder aufbau' in den Händen der ihm ergebenen Unternehmer bleibt. Vielleicht ist die französische Negierung auch durch den gestri gen Ausgang der K a m m e r e r sa tz w a h l in einigen Departe- menlen slutziggeworden. Ueberall ging nämlich die Stimmenzahl des «nationalen Blocks" ganz beträchtlich zurück, obwohl es sich um durchaus sichere, reine Bauernbezirke handelte. Vor einem Jahre noch wagten die Kommunisten z. B. im Oisedepartement überhaupl keine Kandidaten aufzustellen: die Bürgerlichen erhielten damals 58 200 Stimmen, die geeinigten Sozialisten 14 100. Heute er hielten die Bürgerlichen 47 000, die beiden sozialistischen Listen zu sammen 21 600 Stimmen, die Kommunisten allein fast 11 000 lbei reiner Bauernbevölkerung!). Im «Nord' hatten sich 61 Prozent der Wähler enthalten, in der Oise immerhin noch 30 Prozent: erschreckt ruft der «Petit Bleu' aus: «Die Wahlenthaltung ^iner solchen Anzahl von Wählern ist keine brutale Manifestation, sie ist eine Lektion, cine Lektion, die nicht zu hören ein Verbrechen wäre. Ein solcher Geisteszustand ging zu allen Zeiten den großen Krisen vorher: blutige, vernichtende Revolution, oder blinde Reaktion. Möge es noch Zeit sein, sich aufzurafsen und zu handeln...' Vielleicht hat auch die Regierung Briand das Gestern begriffen...
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