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Dresdner neueste Nachrichten : 21.12.1935
- Erscheinungsdatum
- 1935-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id490223001-193512212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id490223001-19351221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-490223001-19351221
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner neueste Nachrichten
- Jahr1935
- Monat1935-12
- Tag1935-12-21
- Monat1935-12
- Jahr1935
- Titel
- Dresdner neueste Nachrichten : 21.12.1935
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43. Jahrgang Sonnabend, 21. Dezember 4935 Anzeigenpreise: lSrundprels: ble Ikpaltigemm-Zeile Im An»' »eigenteil 14Rpf.Giellengesucheundprioalei Aamilienanzelgen sRps.,dle7» mmbreiie mw-Zeile im Tertteil l,lv AM. Nachlaß nach Malstoss«! I oder Mengenstaffel v. Lriefgedühr für Ziffer anzeigen ZV Rps. ousschl. Port». 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Verlag und SauplaeschMflelle: SreSden-A^ Ferdlnandstraße 4 Nr. 297 Krisenstimmung auch in Paris Vertrauensvotum für Baldwin - Oer pariser Kriedensplan endgültig erledigt - Oie Wintersonnenwendseier der SG. Kein freiwilliger RöSlrili Lavals „Nicht angesteckt von der Rücktritt-epidemie" — Sturz durch die Kammer? X Paris, Sll. Dezember Die durch den Rücktritt Hcrriots und Sir Samuel Hoares und die Rebe Mussolinis in Pontinia in der sranzSsische» Hauptstadt ausaclöstc Krisen stim- mung hält u n ve r m i n de r t a n und gibt zu den verschiedenartigsten Vermutungen Anlass. An gewissen parlamentarischen und politischen Kreisen wird erklärt, Hcrriot sei nur deswegen vom Partcivorsitz der Radi- lalsozialistischen Partei znriickgelreten, weil er bei einem Rücktritt des Kabinetts Vaval nicht Mini sterpräsident, sonder» Aussenminister wer den wolle, An sich habe Herriot die Absicht gehabt, auch als Minister zurückzutrctrn. Dann würde aber auf ihn die Verantwortung gesallcn sein, die Regie rungskrise onogclöst zu haben. Darum ziehe Herriot es vor, die Regierung Vaval durch die Hammer stürzen zu lasse». Vaval traf am Freitag morgen wieder in Paris ein. Er begab sich sofort ins Auhenminlstcrium. Mit dem gleichen Zuge trasc» auch der Minister Eden sowie der spanische Vertreter beim Völkerbund, Madariaga, ein. Eden ist bereits nm 1O.SO Uhr mit dem Zuge nach Vondon weite rgervist. Schon von Gens aus wurde» die Gerüchte, die von Vavals bcvorstclwudem freiwilligen Rücktritt sprachen, in Abrede gestellt. Vaval soll dazu erklärt haben: „Vielleicht herrscht in der Welt eine Rücktritts epidemie: ich fühle m!ch aber davon n'.chl angcstcckt." Außerdem soll der Ministerpräsident noch darans hin, gewiesen haben, daß er, wenn er amtömiide wäre, sich vor se'.ner Abreise nach Gens in der Kammer doch nicht so viel Mühe gegeben hätte, seinen Ltnrz zu ver hindern. Aus dem Urteil der Preise seien zwei grundsätz- liche Meinungen angesührt. Der „F igar o" ist gegen eine „unklare Regierungskrise". Ein Rücktritt oder ei» Sturz Lavals wurde iu der missbräuchlichste» und sowohl innen- >vie aussenpolitisch gesährlichslen Weise auegrlegt werden können. Wen,, Laval nur Aussen minister wäre, könne er znrücktrelen oder sich stürzen lassen, aber er sei Regicrungsckies. Frankreich könne heute seine Regierung nur wechseln entweder, um mit andern Männern dieselbe Politik sorlzusetzen, oder, nm einen neuen aussenpolitischen Kurs einznschlagen, was auch eine Aussprache und eine Vertrauens abstimmung jm Parlament ersordere. Auf -er andern Seite erklärt der marxistische „P opu la i re", der übrigens für Freitagabend in Paris eine Protcstvcrsammlung gegen den Friedens vorschlag Laval-Hoare und sür die Völkerbundesatzun- gen ankündigt, der grosse Vorstoss der öffentlichen Mei nung in England, an deren Spitze, sich die Arbeiter partei gestellt hatte, l»be vollen Erfolg gelmbt. Fetzt müsse in Paris über das Vvs Lavals entschieden wer den, des Opfers Mussolinis und Lir Samuel HoarcS. Trotzdem gibt man die Partie Lavals „noch nicht endgültig verloren". Gegner wie Anhänger der Regierung sind sich vor allem darüber einig, nach Mög lichkeit ans alle Fälle den Hanshaltplan unter Dach und Fach zu bringen. Man möchte daher ver meiden, dass die entscheidende Kammeraussprache über die Aussenpolitik Vavals auf den 24. De zember vvrverlegt wird und empfiehlt, es, wie vorgesehen, bei dem 27. Dezember zu belassen. — AIS etivaigen Nachfolger Vavals nennt man in den Wandclgängen der Kammer die -kamen Chautemps, Paul-Bvncour und Mandel. Kronrat in London X Vondon, 2st. Dezember. sDurch Funkspruchs Ministerpräsident Baldwin wnrd« am Freitag vormittag vom König in Privataudienz empfangen. Anschliessend sand einUronrat statt, der nur wenige Minuten dauerte. Nach seiner Rückkehr ans dem Buckingham-Palast hatte Baldwin in der Downing Street eine Unterredung mit dem ständigen Unter staatssekretär im Forcign Lssicc, Sir Robert Bansittart. Die Sanktionen bleiben in Kraft Aber Grdölsperre auf unbestimmte Zeil vertagt So «Verdienst der Dresdner Neuesten Nachrichten Gens, 20. Dezember. lDurch United Presst Ter Völkcrbundsrat hat gestern nachmittag ohne Diskussion die vom Treizehnerausschnss vor geschlagene Entschliessung angenommen. Diese dankt England und Frankreich für ihre „vorbereitenden Be mühungen" und enthält den Beschluss, dass der Drei- zclmcransschttss die abessinische Frage „im Geist der Völkerbundssatznug prüfen soll". Nach der Rats sitzung trat der Achlzchnerausschuss ldcr Sanktions- ansschnsst zu einer össcntlichcn Sitzung zusammen, in der die Entscheidung über die Erdölsperre n n s u n b e st i m m t e Zr i t v e r t a g t wurde. Ausser dem wurde ein Uebcrcinkommcn darüber erzielt, dass der Völkerbund weiterhin dafür sorgen solle, dass die bereits beschlossenen SanktlonSmassnahmcn von allen Mitgliedsstaaten durchgcsührt werden. Die bisher be schlossenen Sanktionen bleiben also in Kraft. Warnung -es „Temps" an Italien X Paris, 20. Dezember Fn einem Artikel äusscrt sich der „TempS" zu dem Rücktritt Hoares. Die Worte Mussolinis in Poniinia schienen, wie man in Vondon betone, Hoare in seinen Rücktritts absichten bestärkt zu haben. Der grosse Real politiker Mussolini scheine also weiter auf Krieg zu bestehen, und die Tatsachen, die sich um Genf und den Völkerbund gruppierten, weiterhin aus dem Auge lassen zn wollen. Seit Begin» deö afrikanischen Streitfalles habe die italienische Diplomatie eine ganze Anzahl von Fehlern gemacht. Es sei zn hoffen, dass sie nichtnocheinen weiteren mache, der schwere Folgen nach sich ziehen könnte. Die Pariser Vorschläge seien, wie Laval in seiner aussenpolitischen Erklärung in der Kammer gesagt stabe, die äusserste Grenze der cngllsch-sranzösischeu Anstrengungen. Feder Versuch, im Augenblick weiter- zugchcn, würde erfolglos sein. Mussolini müsse, wie gross auch der Mut der von ihm geführten groben Nation sein möge, begreifen, dass dieser Mut nicht den Sieg über die Missbilligung davonzutragcn vermöge, die sich zu vcrgrösscru drohe. Oie Schlacht am Talazze SonderkabeldiinsiderDreSdner Neuesten Nachrichten Asmara, 20. Dezember. (Durch United Presst Die dreitägigen Kämpfe in dem zerrissenen Berg land östlich des Takazzeslusseü, die nach italienischer Versicherung siegreich für die Italiener abgeschlossen sein sollen, stellen die blutigsten Kampfhand lungen seit Beginn des Krieges dar. Die an den Kämpfen beteiligten italienischen Truppen mussten ihr Letztes hergebcn, um die Schwierigkeiten des Geländes und den überaus hartnäckigen Wider stand der Abessinier nach den abessinischen Anfangs erfolgen überwinden zu können. Die Italiener geben zu, dass die Abessinier noch niemals eine derartige Kampfkraft und Ausdauer gezeigt haben wie hier. Die Abessinier hätten nach den italienischen Berichten erst dann den Rückzng angetrctcn, als thre halbnackten Krieger von dem italienischen Maschinengewchrseuer reihenweise hingemäht worden waren. Die im italienischen Heeresbericht angegebene Zahl von k>00 abessinischen Toten erfasst vermutlich bei weitem nicht die Gesamtverluste der Abessinier. * In Addis Abeba wird erklärt, dass die Kämpfe noch nicht beendet seien und günstig für die Abessinier stün den. U. a. wird berichtet: Die abessinischen Truppen machen unter erbitterten Kämpfen langsam weitere Fortschritte. Das Hauptziel ihrer Anstrengungen richtet sich ans die heilige Stadt Aksum und ans Ad na. Die Verluste sind auf beiden Seiten gross. Die Italiener verwenden zu ihrer Verteidigung vor allem Tanks und Flngzeuge. SirSamuelSoaresiragischekMgang Dramatische Szenen in der großer« ttnterhaussihung Von nnscrm ^.-Korrespondenten Vondon, 20. Dezember Zweimal hat die englische Negierung im Laufe der unerhört dramatischen Nnterstansdebattc ein Ver trauensvotum erhalten. Gegen den arbciter- partcUichcn Antrag stimmten 007 Abgeordnete, so dass die Regierung eine Mehrheit von 202 Stimmen er hielt. Der von Earl Wintertvn eingcbrachte konser vative Antrag, der die ausdrückliche Billigung des Kabinetts erhalten hatte, erhielt eine Mehrheit von 207, Stimmen. In beiden Fällen staben praktisch alle Mit glieder der Regierungsparteien für das Kabinett ge stimmt. Ein derartig überfülltes Unterhaus hat man seit Jahren nicht mehr erlebt. Alle Gänge waren besetzt, die Galerien überfüllt. Man sah die Botschafter aller grossen Staaten, und ein seltener Zufall wollte es, dass der Prinz von 'Wales, der mit besonderer Auf merksamkeit der Debatte solgte, zn seiner Rechten aus gerechnet den russischen Botschafter hatte. Nie zuvor haben sovielc Abgeordnete dem vor der UnterstauSsitzüng abgestaltcncn kleinen Gottesdienst beigewvstnt. Aber nicht etwa ans dem Grunde, nm sich geistlichen Beistand sür ihre kommende schwere Aus gabe zu erbitten, sondern einzig, weil nach alther gebrachter tlnIerstauStradition nur der Abgeordnete einen Litz belegen darf, der vorher dem Gebet bei gewohnt hat. Man kann im Bilde bleiben und scststellen, das; die gestrige iinterhaustttzung ein Bild aus der frühchristlichen Kirche wieder anslebcn liess: Wie damals der Sünder vor die Gemeinde hintrat und össentlich vor seinem Volk seine Sünden bclanntc, so auch gestern die Regierung. Baldwin hat sein „pntvr povt'uvi" l„Valcr, ich habe gesündigt") ge sprochen. Er war so ehrlich, vor das ttntcrstans stin- zntrcten und zu sagen: Aus m i r ruht die ganze Ver antwortung, eS war m e i n Irrtum. Noch vsscncr er klärte später der Schatzkanzler 'Neville Chamberlain, dass ein Fehler begangen worden sei, und säst die selben Worte gebrauchte gleichzeitig Lord Halifax im Oberhaus. Die Hauptperson des gestrigen Tages aber war der z n r ü ck g c t r e t e n e Aussen minister Sir Samuel Hoare. Gesenkten Hauptes ging er durch die 'Reisten der Abgeordneten und setzte sich aus die Bank, die den zurückgetrctcnen Ministern Vorbehalten ist. Es dauerte geraume Zeit, ehe er ausschauic und so zum erstenmal einen Blick auf dad überfüllte Hans warf. Die Spannung stieg bis zum Siedepunkt, als der „Sprecher", wie der Vor ¬ sitzende des Unterhauses heisst, nach Beendigung der Kleinen Anfragen durch den allgemeinen Lärm die drei Worte sprach: „Sir Samnel Hoare!" Hoare, den die Vorgänge der letzten Tage körperlich mitgenommen staben, nahm, bevor er zn sprechen ansing, schnell ein Stärkungsmittel nnd begann dann mit rüstiger, fester Stimme seine Rede. Er schien in keiner Weise nervös. Schon nach den ersten Worten statte man den Eindruck: hier spricht ein Mann, der weiss, was er will, der zn seinen Taten steht, sich nicht bengl und nicht entschuldigt. Vom ersten Angcnblick an statte Hoare daS O st r dcS H a n s e s , und schon nach wenigen Minuten war es klar, dass er auch seine Sn m patl> ic statte. Skis kurz vor Beendigung seiner Rede blieb er klar und ruhig. Tann aber konnte er seiner Gefühle nicht mcstr recht Herr werden. Er sprach langsamer. Es zuckte nm seine Mundwinkel. Er schüttelte den Kops, als ob er irgendwelche imaginäre Anfragen beantworten wollte. Dann riss er sich noch einmal zusammen nnd sprach sehr klar die Worte: „Mein Gewissen ist rein. Ich bin ganz ernstlich der Ansicht, dass das, was ich tat, der einzig mögliche 'Weg unter den gegen wäriigen Umständen war." Dann stock:« er wieder, und mit leicht verschleierter nnd unterdrückter Stimme wünschte er dann seinem Nachsvigcr mehr Glück, als ihm beschiedcu gewesen sei. Während Hoare, der, nachdem er alle Kräsic zu sammcngenvmmen statte, nach seiner Rede vor dem Znsammenbrnch stand, sich niedersetzte, kam von allen Seiten lebhafter Beifall, der vielleicht weniger der vorgelragencn Sache, bestimmt aber dem Plan ne galt. Hoare fass da, völlig erschöpft. Sir Austen Chamberlain, der ihm zur Leite lass, beugte sich über ihn nnd frage ihn so laut, das; man es überall stören konnte: „Kann ich Ihnen steifen?" Hoare verneinte durch ein KopIIchütteln. Inzwischen war der Führer der sozialistischen Opposition, Major Atiec, zn seiner Rede aufgestanden nnd begann mit rin paar sür Hoare sehr stzmpatstischcn Bemerkungen. Hoare schien nicht mehr zu merken, was nm ihn vorging. Er stielt den Kops gesenkt. Man svürte, er war am Ende seiner Kraft. Er packte seine Auszeichnungen zusam men, sprach ein paar Worte zn Austen Chamberlain nnd ging, wie wenn eine schwere Vast aus istn drückte, durch dte Reisten der Abgeordneten, die in völligem Schweigen verharrten. Hoare schlug die Hände vor das Gesicht, um dem Unterhaus nicht das Schauspiel eines weinenden Ministers zn geben. Er versuchte mit aller Kraft, seine Tränen znrückznl,alten. Es gelang ihm jedoch nicht mehr ganz. Eine erschütternde Szene. Das Ende eines Zwischenspiels Telegramm unsres Korrespondenten F. Loudon, 20. Dezember In säst allen Mvrgcnblättcrn Londons findet man menschlich herzliche Worte für den scheidenden Aussenminister. Es muss aber überraschen, das; eigentlich niemand aus richtig versucht, Baldwin zu verteidigen. Im Gegenteil, nach der männlichen Haltung, die Hoare eingenommen hak, wirkte Baldwins gestrige Rede schwächlich. Der Premierminister hatte dem Haus vor ein paar Tagen „rin offenes Wort" versprochen. Er hat den Satz von den „versiegelten Lippen" gesagt. Aber Baldwin hat sein Wort nur znm Teil gehalten. Er hat ossen ge sprochen, und er hat gewiss auch einige Dinge enthüllt, die bisher unbekannt waren. Aber alle diese Offen heit ging in genau der umgekehrten Richtung, die er noch vor ein paar Tagen anfzeigle. Damals versprach er Osscnhclt, um das Unterhaus von der Notwendig keit der Pariser Vorschläge zu überzeugen. Gestern war er ossen, um die Pariser Vorschläge zu erledigen. Was man Baldwin verübel«, ist, dass er keine klare Linie sür Englands künftige Politik auf» gezeichnet ha«. Gewiss hat der Premier sich erneut zum Völkerbund und zur „kollektiven Sicherheit" bekannt. Er und später auch der Schahkanzler Neville Chamberlain haben theoretisch sehr radikale Dinge gesagt, aber, da es nur allzu ossenkundig geworden ist, dass die so- genannte kollektive Sicherheit sich kN der Praxis znm mindesten im gegenwärtigen Augenblick als eine höchst sragliche Angelegenheit erwies, hätte man ge- wünscht, dass Baldwin nicht nur theoretisch gesprochen, sondern dass er mit praktischen Vorschlägen aus de» Plan getreten wäre. Ucbcr die tatsächliche Vage äusser«« sich »och am klarsten der Schaftkanzlcr Neville Chamberlain. England hat, wie er auösührte, von allen Mittelmccr- staaten einschliesslich Frankreichs sür den Fall eines italienischen Angriffs weitgehende Versicherungen er halten. Aber Versicherungen sind etwas ganz andres als tatsächliche Vorbereitungen, erklärte Neville Chamberlain, und derartige Vorbereitungen sind bis her nicht getroffen worden. Es scheine sicher, dass Lcl- sanktionen von Italien mit militärischen Repressalien beantwortet würben. Die englische Regierung er kläre, dass, wenn der Völkerbund Oclsanktivncn wolle nnd wenn alle Völkerbundsstaatcn bereit seien, auch alle Konsequenzen zu ziehen, dann würde ancst England diesen Weg wcitergchen. Aber alle, die dies Ziel ernsthaft wollen, müssen auch die Mit tel gebrauchen wollen. Neville Chamberlain ist mit diesen Sähen beträchtlich wcitergegangen als Baldwin. Baldwin hat gegen Schluss seiner Rebe auch von den durch die VölkerbundSsahung übernommenen Ver pflichtungen der andern Mächte gesprochen und er klärt, bass man sich mit dieser Tatsache zu beschäftigen habe, wenn der abessinische Krieg vorbei sei. Aber selbst ein Blatt wie der „D a i l u T e l c g r a p h", den man wohl als den wärmsten Verteidiger der Re- gierungSpolitik ansprechen kann, fragt: Warum soll man diese Frage nicht seht behandeln, besonders
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