— 9 — verschiedene Eigenschaften besitzen. Wir wollen hier nur auf diejenigen Eigenschaften hinweisen, deren Berücksichtigung uns am nothwendigsten erscheint. Bei Leinenzeugen soll z. B. die Glätte der Oberfläche, das milde Weiss und die grosse Haltbarkeit der gebleichten Flachsfasern, die geringe Empfänglichkeit derselben für Staub und Schmutz, die ihnen eigenthitmliche, dem Körper wohlthuende Frische in Betracht gezogen werden. Bei Baumwollenzeugen (2) soll die angenehme Mattheit der Oberfläche Berücksichtigung finden. Bei Herstellung und Verwendung der Wollenstoffe soll die Leichtigkeit und Weichheit, das Durchscheinende, der natürliche Glanz, die Wärme, die Sättigung der Farben und die schöne Faltenruudung zur Anschauung gebracht werden. Bei Seidengeweben (3) soll der Metallglanz, das Leuchten des Colorits, die Tiefe und Schärfe der Falten begünstigt, die Schroffheit der Gegensätze der Farben durch den Reflex, d. i. Widerschein des Lichtes, gemildert und eine harmonische Zusammenwirkung der Töne gefördert werden. Zu einem vollen Verständniss der Eigenthümlichkeiten, welche das Wesen der genannten Stoffe ausmachen, gelangt man natürlich am ein fachsten durch die vergleichende Anschauung der Stoffe selbst. In gewissen Fällen, namentlich wenn Stoffe berücksichtigt werden sollen, die nur im Altcrthum gebräuchlich waren, und die daher ent weder nicht mehr vorhanden, oder in Museen schwer zugänglich sind, hilft man sich auch durch die Betrachtung getreuer Nachbildungen derselben in Sculptur oder Malerei von den betreffenden Völkern jener Zeiten. Wir nennen in dieser Beziehung die berühmten Wollstoffe der alten Indier, Assyrier, Babylonier, Perser und Aegypter, die leichten, einfachen und ungemusterten Gewebe der Griechen, die starken, filz artigen Wollenzeuge der Eömer, die glatten, gewürfelten Plaids der früheren Bewohner von Schottland, Spanien und Portugal, die pelz artigen Stoffe und die mit langen, knotenförmig aufgerollten Haaren bedeckten Friese der alten Deutschen und Nordländer. Bei der Betrachtung der genannten Stoffe oder deren Nachbildungen gewännt man bald die Ueberzeugung, dass die mannigfaltigen Eigen schaften des Materials bereits im grauen Alterthume bei den Producten der Weberei, Wirkerei, Stickerei u. s. w. mit ausserordentlichem Ver ständnisse verwerthet worden sind. 1. Indische oder Kaschmir-Shawls und Mohair. Das überaus zarte Material, welches man in der Shawlweberei zu den Kaschmir- shawls verarbeitet, ist das geraufte Haar der Kaschmirziege.