— 10 — Dieses Thier gehört dem Lande Thibet in Hinter-Asien an. Man findet zwar auch in anderen Gegenden Asiens Ziegenarten, die ein ähnliches Haar liefern, welches ebenfalls zu sehr feinen Ge weben verarbeitet wird; allein den Flaum der Kaschmirziege hat es nicht, weshalb man mit dem letzteren sehr ökonomisch umgeht und es selten zu anderem Garn, als zu dem für die Shawlfabri- katiou zu verspinnen pflegt. — Neben dem ausgezeichneten Mate rial ist es aber auch die Behandlungsweise desselben, welche dazu beiträgt, dass die schönsten und kostbarsten Shawls stets nur indische Erzeugnisse sein werden. Die Spinner und Weber in Indien besitzen eine vollkommene Kenntniss ihres zu behan delnden Stoffes und verarbeiten ihn mit den allereinfachsten Werk zeugen und Hülfsmitteln in einer „wahrhaft poetischen Weise“. Alle liochgerühmte Maschinen-Industrie der Europäer ist nicht im Stande, weder die wunderbare Feinheit und grosse Dauerhaftig keit der Handgespinnste, noch die reiche, prächtige Verzierung der indischen Gewebe, die allen Anforderungen der Stilgesetze genügen, zu erreichen. Abweichend von dem Haar der Kaschmirziege ist das Mohair. Das Mohair oder Tiftik wird von einer Ziege gewonnen, die bei der Stadt Angora in Kleinasien lebt. Sie wird dort Kämelziege genannt. Ihr schönes, seidenartiges Haar, welches etwa 8 Zoll Länge erreicht und wie die Wolle des Schafes, meistens zweimal im Jahre, geschoren wird, giebt das Kämelgarn, irrthümlich auch Kameelgarn genannt. Jene Gegend um Angora sendet seit uralten Zeiten Gewebe (Kämelotte) und Gespinnste aus diesem Ziegenhaar nach Smjrna und Konstantinopel, von wo aus es nach Europa kommt. Im Anfänge des 18. Jahrhunderts wurde es bei uns auch zu Perrücken verarbeitet. 2. Die Baumwolle wird von einer Pflanze hervorgebracht, welche mit unseren schönblühenden Geranien, Pelargonien und Malven sehr nahe verwandt ist. Sie kommt in verschiedenen Arten vor, die theils krautartig, theils strauchartig wachsen, eine Höhe von zwei bis zwölf Fuss erreichen, nach einem Jahre absterben oder ausdauernd sind. Die Baumwollenpflanze trägt Kapselfrüchte, die bei der Reife in 3 bis 5 Theile aufspringen und dann eine lange, weisse Wolle, welche den dunkeln Samenkernen als Hülle dient, elastisch hervor quellen lassen. Diese Pflanze, welche jetzt in allen wärmeren Ländern der Erde angebaut wird, wurde im südlichen Asien und Aegypten schon im grauen Alterthume cultivirt. Die Baumwollen-Industrie ist ihrer wunderlichen Schicksale wegen sehr interessant. Sie, die in allen Theilen der Welt als