Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1853

Leipziger Tageblatt Mid Anzeiger. ^ 222 Mittwoch dm 10. August. I8SS Einiges über Communismus. Schon einige Male sind in d. Bl. Andeutungen darüber, waS man sich unter „CommuniSmuS" zu denken habe, gegeben worden. Auch mir gestatten Sie, daß ich dazu einen aus „vr. Anton Hein rich Springer- Geschichte de- Revolution-zeitalter-" genommenen Beitrag liefere, denn ich halte e- für verdienstlich, wenn alle Die, welche noch nicht völlig klar in der Sache sehen, über die Bedeu tung und da- Wesen eine- Worte-, welche- seit den Jahren der Bewegungen unverstanden in Aller Mund gekommen ist, so weit irgend möglich aufgeklärt werden, um von Theorien und Träu mereien abzulaffen, welche von der Thorheit nur zum Laster führen können, und welche geeignet sind, jede- Glück der Menschen von Grund au- zu zerstören und den vollständigen Untergang der ganzen menschlichen Gesellschaft herbeizuführen. Ganz natürlich müssen wir hier an die Quelle gehen. Da- unglückliche Frankreich ist die Mutter so verkehrter, widersinniger und gefährlicher Ideen. Jetzt wollen wir darüber kurze Andeutungen geben, wie diese sich ent wickelt haben. Da- Gleichheitsprincip blieb in Frankreich so lange auf die politische Sphäre beschränkt, als die letztere noch nicht au-aeschöpft, die Staatsformen noch nicht alle durchgearbeitet waren. Der poli tische Druck, welcher die ganze Zeit bi- auf die erste französische Revolution herab auf dem dritten Stande gleichmäßig wie auf dem Proletariat« hastete, ließ da- letztere seinen eigenen Selbstzweck vergessen und zum bewußtlosen Handlanger der Bourgeoisie werden, rin Verhältnis, welche- nicht eher aufhörte, als bis die Bourgeoisie nach der Julirevolution die unbestrittene Herrschaft im Staate er rang. Selbst in der Julirevolution und die nächsten Jahre nach derselbe» blieb der Communismus ohne allen Träger in der Gesell schaft. Die republikanische Schwärmerei übertönte den vereinzelten Ruf nach Wiederherstellung der ursprünglichen socialen Gleichheit, und so lebhaft sich auch die Arbeiterklasse an den geheimen Clubs betheiligte, so strebte sie doch niemals über die politische Demokratie hinaus. Die Aufstände vom Jahre 1832 und 1834, in den geheimen Gesellschaften der Volk-freunde und Menschenrechte vorbereitet, waren gegm die Monarchie, gegen die politischen Privilegien, aber nicht gegen da- persönliche Eigenthum und die alten Industrie- und Handelsformen gerichtet. Erst die Niederlage der Republikaner brach dem kommunistischen Elemente Bahn. Jene Aufstände scheiterten an dem Widerstande der besitzenden Classe, welche, von dem Instinkte der Selbsterhaltung ganz richtig geleitet, unter der Regierung deS Bürgerkönig- ihre Interessen besser gewahrt sah, als unter einer republikanischen Herrschaft, und gleichgültig die alten republikanischen Julikämpfer in da- Gefängniß wandern ließ. Hier in ungestörter Einsamkeit hatte« die letzteren hinreichende Gelegenheit, sich über die Erfolglosigkeit der Julirevolution aufzuklären, in dem Besitze den gefährlichsten Feind de- Egalltät-princip- zu erkennen, ihren lang- aenährten Grimm gegen alles Bestehende auf die Spitze zu treiben. Die Kerker wurden ihre Schule für die sociale Demokratie, die Geburt-stätte der kommunistischen Verbindungen. Die Geschichte der Babeufschen Verschwörung, schon früher von einem Genossen Babeuf-, Buonarotti, verfaßt, aber bi- dahin ohne allen Anklang geblieben, hatte den Weg in die Gefängnisse der Aprilgefangenen gefunden, der Politik der Verzweiflung, welche unter diesen Republi kanern herrschte. Form und Ausdruck geliehen, für den CommuniS- mus zahlreiche Anhänger geworben, und als die Amnestie vom Jahre 1837 die Gefängnisse öffnete, da war eine große Umwälzung im Schooße de- revolutionarm Stande- vor sich gegangen: die Re publikaner warm Communistm, die geheimen Gesellschaften nun auch dem Geiste nach Proletarierverbindungen geworden, a«f den Fahnen der Verschwörer stand statt der politischen Menschenrechte die Gütergemeinschaft al- Wahlspruch geschrieben, der Kampf galt nicht mehr der monarchischen Verfassüng-form, sondern dem Eigen- thume. Wohl lag e- in den Entwickelung-gesetzen der französischen Revolution, daß die Gleichheit auch diese letzten Formen persönlicher Selbstständigkeit bedrohte, auch die socialen Unterschiede zerbröckeln wollte, wie sie die politischen verwischt; aber ohne Louis Philipp's auf Corruption gestützte Regierung, ohne die gemeine Habsucht, welche da- Bürgerkönigthum wie absichtlich zur Schau trug, wäre der Haß gegen den Besitz wohl kaum zu einem so entsetzlichen Fa natismus ausgeartet, wozu freilich auch Viele- beitrug, daß in Frankreich die Opposition gegen da-Bürgerkönigthum nicht wie in dem gesünderen England mit den offenen Waffen der Association und der Presse geführt werden konnte, sondern stet- in geheime Gesellschaften und Verschwörungen sich barg. Die Unterdrückung der Gesellschaft für Menschenrechte hatte die Lust zu geheimen Ver bindungen nicht behoben; noch während der Proceß der Aprilgefan genen vor der PairSkammer schwebte, war bereits ein neuer Ge heimbund, jener der Familien unter Barbes' und Blanqui'S Leitung entstanden, welcher später in die Gesellschaft der Jahreszeiten über ging. Diese Verbindungen, vorzugsweise au- den Arbeitern ange worben, theilten mit den älteren republikanischen Club- den Haß gegen das Königthum und gaben demselben in mit Blut gedüngten, hinreichend bekannten Worten Ausdruck. Der Unglaube an den Be stand der herrschenden socialen Zustände, der dumpfe Racheschrei gegen die alten politischen und socialen Mächte, dieser Fanatismus der Zer störung und Vernichtung blieb im Proletariate heimisch, auch nach dem die ersten Träger des Communismus von der Staatsgewalt unterdrückt waren. Die travailleui-Z öALlitk^re8, ein Arbeiterclub, der aus den Ueberresten der Gesellschaft der Jahreszeiten sich rekru- tirte, und gleich dieser die vollkommenste Gütergemeinschaft predigte, nationale Werkstätten und wechselseitige Schulen, größeren Lohn und geringere Arbeit fordert, glauben die Egalitä nur dadurch ver wirklichen zu können, daß sie die Existenz de- Fortschritte- und der Liebe läugnen, die Städte und die Familien, die Ehe und den Luxus aufgehoben wissen wollen, und wenn auch andere Arbeiter verbindungen, wie die Reformisten, die Anhänger Louis Blanc'S und Ledry Rollin'S, diese letzten Folgerungen auS dem Gleichheits- principe zu ziehen beharrlich widerstrebten und an die Stelle der Gütergemeinschaft den unklaren Begriff einer Organisation der Arbeit, das unmittelbare Eingreifen der Regierung in den Gang der Industrie, die Concurrenz von Staatsanstalten mit den privaten Werkstätten setzten, so stimmen sie doch mit den reinen Commu- nisten in den destruktiven politischen Ansichten, in der Feindschaft gegen die alten Gesellschaftsformen überein. Diese Arbeiterverbin dungen, ohne eine bestimmte positive Anschauung, blos von dem dumpfen Instinkt de- an ihnen begangenen Unrechte- geleitet, sind die wahre, populäre Form de- Communi-mu-, der seinem ganzen Wesen nach nicht- andere- will, al- Elle nivellirende Gleichheit, welche die erste französische Revolution begonnen, zu vollenden, die alte Gesellschaft gewissermaßen brach zu legen und deren Wider stand gegen die neuen socialen Heilslehren schon im voraus zu brechen. Der Communi-mu- ist da- Selbstbewußtsein de- Prole tariate-, insoweit von socialer Färbung, al- dieser Menschenrasse materiell geholfen werden muß, soll sie der höheren Menschenrechte sich wahrhaft erfreuen, in seiner Wirksamkeit aber wesentlich poli tischer Natur. Seine Thatkrast würde sofort erlahmen, ginge er