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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1869
- Erscheinungsdatum
- 1869-11-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186911097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18691109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18691109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1869
- Monat1869-11
- Tag1869-11-09
- Monat1869-11
- Jahr1869
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1869
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10342 entrollt sich auf der Bühne. Diese friesischen Helden, die nebenbei etwas Seeräubern treiben, sind in ihren Gelagen und Verschwörungen mit köstlichem Humor geschildert; Gerd von der Heide ist ein solches Juwel eines Raubritters, der auch auf Frauen schönheit freibeutert. Mit noch stärkeren Strichen ist Adolf von Oldenburg als ein Vollblutshumorist geschildert, der uns ohne Aufdringlichkeit an ähnliche Charaktere Syakespeare's erinnert. Auch die beiden Mädchen, die entschlossene Almuth, die zarte Gela, sind in ansprechendem Contrast neben einander gestellt. Die Sprache hat epigrammatische Schärfe, originelle und nicht übertriebene Bild lichkeit und treffende Localfärbung ; nur die Jamben haben durch häufige Spvndäen in den letzten Füßen, etwas Choliambisches? Rach dem Eindruck der gestrigen Aufführung können wir unserer früheren Kritik noch hinzufügen, daß der Handlung auf der Bühne der dramatische Zug und Fortgang fehlt, indem die häufigen episodi schen und genrehaften Einschiebsel die Spannung lähmen, so wie daß auch die Mschung des Ernsten und Komischen nicht immer gelungen scheint, indem das Erftere oft nicht bedeutend genug ist, um den Eindruck des Letzteren auszugleichen. Der unsympathische Charakter der Gräfin gewinnt erst gegen den Schluß hin einiger maßen die Theilnahme des Publicums. Der Dichter hat zwar, in Folge jenes Einwurfes der Kritik noch ein politisches Motiv eingefügt, um den Eigensinn der Mutter gegenüber ihren Töchtern zu erklären. Doch ist das Motiv nicht einleuchtend und stark , um als tragischer Hebel zu dienen, ie gestrige Aufführung hatte zwar eine gut ausgearbeitete einheitliche Physiognomie; doch war der Grunvzug zu hart, zu holzschnittartig; es wurde zu sehr auf den Effect gespielt und dieser dadurch oft verfehlt. Namentlich aber muß Herr Mitterwurzer dem Charakter des Oldenburgers mehr Haltung geben. Sein Adolf von Oldenburg war kein ritterlicher Humorist; er war mehr ein Possen reißer, der an die Clowns des Circus erinnerte. Auch das rothe Costüm und die komische Ausführung des Hinkens spielten die Rolle auf ein Gebiet hinüber, das zu vermeiden gerade die In tentionen des Dichters verlangen. Wirkung machte er allerdings mit dieser Auffassung, die er auch mit unleugbarem Darstellungs- talent durchführte, aber diese Wirkung zerstörte den Gesammtem- druck. Frau Straßmann spielte die Titelrolle mit aller Herb heit, die sie erfordert, die aber in ihrer consequenten Einseitigkeit der Darstellerin eben keine lohnende Aufgabe stellt. Ein innerer Conflict in diesem ungebrochenen Charakter tritt ja erst gegen den Schluß hervor, und hier erreichte Frau Straßmann durch'ergrei fendes Spiel eine Wirkung, die dem letzten Eindruck des Trauer spiels zugute kam. Die Nolle der „Almuth" war offenbar falsch besetzt; sie mußte nicht von Fräulein Delia, sondern von Fräu lein Link gespielt werden, der sie auch dein Rollenfache nach ganz allein zukommt und für deren Naturell sie überdies vortrefflich paßt. Fräulein Delia gab sich alle Mühe, den Mißgriff der Di- rection auszugleichen durch tüchtiges und gewandtes Spiel; sie charakterisirte mit Verständniß und Lebendigkeit; aber der tragische Ton liegt ihr einmal ferner und sie verfehlte denselben mehrmals in störender Weise. Fräulein Sperner gab die zarte Gela mit Innigkeit, nur war sie nicht immer deutlich und verständlich. Herr Herzfeld spielte den tapfern Engelmann von Horst mit richtiger Auffassung; in einigen Stellen, wie bei seinem Er scheinen auf dem SeerLuberschloß, wünschten wir noch durch greifendere Energie. Herr Link dagegen gab die Rolle des Gerd zur Heide ohne den ritterlichen Vagabondenhumor, der sie kennzeichnet. Er that hierin zu wenig, wie Herr Mitterwurzer . m komischer Ausführung zu viel that. Das übrige Personal ist ein sehr zahlreiches. Die Söhne der Gräfin, Enno, eine ganz episodische Figur, und Eduard wurden von Herrn Mittel und Fräulein Roth, der alte Mauritz von Dornum, der milde Chorus der Tragödie, von Herrn Grans angemessen dargeftellt. Von den seeraubernden Edeln gab Herr Straßmann den trotzigen Hero Onken von Esens mit entsprechender Charakteristik, eben so Herr Krause den trunkenen Iko von Knyphausen. Von den übrigen Rollen erwähnen wir noch den Kanzler (Herr Deutsch: nger), den Bremer Kaufmann (Herr Seidel), eine Dienerin, d:e von Fräulein Haas im letzten Act mit warmer Empfindung gegeben wurde, und die beiden Landsknechte , Herr Claar und Herr Engelhardt, die ihr Fütterungsgespräch mit der nöthigen Andacht vortrugen und die einzelnen Victualien mit einem den Appetit erregenden Nachdruck betonten. Rudolf Gottschall. Leipzig, 8. November. Gestern Abend wurde der Oper: „Die Entführung aus dem Serail" neueinstudirt der Schwank: Dir wie mir oder ein Glas Wasser" von Roger voraus geschickt. Die Heldin desselben ist eine gelangweilte Wittwe, und es ist unglaublich, was gelangweilte Wtttwen in einactigen Lust spielen alles zu thun fähig sind. Daß die unserme, von Fräulein Delia recht lebendig dargestellt, einen Blumenstock zum Fenster hinauSwirft, ist noch das Wenigste. Sie verliebt sich auch in aller Eile in den Unglücklichen, den dieser Stock getroffen und der hereintritt, auf dem Frack noch ein kleines Blumenbeet, in welchem Vergißmeinnicht wachsen könnten, Und nachdem sie diesen jungen Mann, der vor ihr niederkniet, anfangs förmlich verhöhnt hat, macht sie ihm später eine so lebhafte Liebeserklärung, w:e man es nur von einer jungen Wittwe erwarten kann. Doch nun rächt er sich und verhöhnt sie. Ein Blumentopf, ein Glas Wasser, ein Kammermädchen, zwei Cylinderhüte, ein zerknitterter und ein neuer, eine zerbrochene und eine neugekaufte Nipptischfigur sind die zahlreichen Requisiten der Handlung. Herr Mitterwurzer spielte den Advocaten, der durch den Blumentopf in so magischer Weise elektrisirt war, mit bester Laune. Der Schwank ist im Ganzen herzlich fade. Dir wie mir, aber nicht mehr uns, wenn wir bitten dürfen! < Rudolf Gottschall. Vaudeville - Theater zur Guten Guelle. „Ein unglücklicher Familienvater" von Hübner ist in der letzten Wocke das zugkräftigste Stück geworden, um so mehr, da das Spiel bei jeder Wiederholung nur noch gewonnen hat. , Die „Posse" selbst — das Stück steht indeß eigentlich weit' über dem blos possenhaften Genre — gemahnt allerdings stark an das kurz vorhergegangene „Man soll den Teufel nicht an die Wand malen", unterscheidet sich aber doch auch wieder in ganz wesentlichen Zügen von diesem. Der Stadtverordnete Poppe (Herr Panzer) hat trotz eines sechsmal angestrengten Scheidungs- processes sich dem Pantoffel seiner stärkern Hälfte (Fräulein Schneeberg- nicht zu entziehen vermocht. Als ihm aber der von der Gemahlin abgeunesene Schwiegersohn Kalitte (Herr Helbing) die vertrauliche Mittheilung macht, man empfinde im Collegium der Stadtverordneten die höchste und die tiefste Miß billigung über Herrn Poppe's unwürdige Stellung und sein Mandat sei in Gefahr, er werde mindestens zum Ersatzmann degradirt werden; so übt schließlich der Muth in der Brust seine Spann kraft, und mit einer Möhre bewaffnet, an welcher er soeben noch seine hauSväterlichen Küchentalente geübt, sprengt der Hausherr seine lächerlichen Fesseln. Alle Partien — es kommt außer den Genannten noch die Tochter Poppe's (Frau Hartmann) hinzu — werden sehr gut durchgeführt, und wenn Herr Panzer den Vorrath seiner Couplets um das Zehnfache in gleicher Tonart vermehren könnte, so würde auch er allen Ansprüchen genügen, die der immer erneute Hervor ruf an ihn zu stellen weiß. Daß der Genannte aber auch, wo er gar nichts zu sagen har, nicht nichtssagend wird, daß er dann durch sein stummes Spiel sogar auf Augenblicke die Theilnahme von den Hauptcharakteren der Darstellung abzulenken vermag, das zeigte uns „Das Salz der Ehe", welches am Sonnabend zum ersten Male in Scene ging. Es war dies eine Aufführung, welche an Glätte des Zu sammenspiels sowohl wie an Gesammtzeichnung und Nuancirung der Personen nichts zu wünschen übrig ließ. Die ungemeine Mundwind Mühlenwerkgeläufigkeit der Frau Hartmann machte es in der That sehr glaubhaft, daß der biedere Onkel Schwätzer niemals zu Worte kommen kann; wohlthuender Weise aber kam trotzdem nirgends, selbst nicht in dem Salzfaßgezänk, ein gequetschter, stechender Ton zum Vorschein. Rechnen wir dazu das Mienenspiel der Frau Hartmann, so elektrisch wie ihr ganzes Auftreten lebendig, be sonders aber in diesem Stücke den Eindruck des munter blitzenden Auges, so sind wir in der angenehmen Lage, ihr für diese Leistung uneingeschränktes Lob gewähren zu können. Herr Helbing Mt seine Rolle ebenfalls in inniger und doch pikanter Weise aus. Nicht unerwähnt'mag bleiben, daß in der Sonnabendvorstel lung auch der Capellmeister Herr Häver nick durch seine Com- position „Fackeltanz" sich Anerkennung erwarb. Tagesgeschichtliche Nellerjicht. In der am letzten Sonntag Vormittag in Berlin statt gehabten Volksversammlung zur Besprechung desVirchow- schen Abrüstungsantrages sollte d:e Resolution beantragt werden: „Der Wohlstand des Volkes leidet unter dem System des bewaffneten Friedens, welches gegenwärtig in fast allen europäi schen Staaten Platz gegriffen. Die dadurch erzeugte Besorgniß vor einem Kriege bedingt häufige Störungen der Arbeit in allen Zweigen der Industrie. Durch die seine besten Kräfte verzehrende Kriegsbereitschaft wird das Volk in so hohem Maße belastet, daß die gerechtesten Forderungen auf Verbesserung von Staatseinrich tungen zu productiven Zwecken, insbesondere die auf Hebung deS Unterrichts gerichteten Forderungen nicht befriedigt werden können. — Alle Völker bedürfen des Frieden- und alle Völker fordern ihn. — An unserer Volkvertretuna ist es, mit der Forderung auf Abrüstung voranzugehen und den Parlamenten anderer Völker zu- rurufen: Wir wollen den Frieden, lasset uns gemeinsam wirken für den Frieden!" Leider nahm diese Volksversammlung ein schmachvolles Ende. Die „Berliner Montagszeitung" berichtet, darüber: vr. Löwe sprach einleitende, kräftige Worte, machte darauf aufmerksam, daß in der Militairftage diese Versammlung das Fundament zu künftigen, hoffentlich wirkungsvollen Beschlüssen legen würde, und wollte schließlich zur Wahl des Vorsitzenden
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