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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1867
- Erscheinungsdatum
- 1867-05-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186705240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18670524
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18670524
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1867
- Monat1867-05
- Tag1867-05-24
- Monat1867-05
- Jahr1867
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1867
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3798 'V. Stadtverordnetenfitzung vom 24. Mai o. In der Tagesordnung Punct Id muß es heißen: Antrag des Herrn Lorenz, die Entnahme der Kosten de- PleißenuferbaueS auS dem Stammverwözen betreffend. Stadttheater. Trotz aufgehobenen Abonnements und durchgängig erhöhter Preise hatte sich daS HauS am 22. Mai zum ersten Auftreten Albert NiemannS vollständig gefüllt — ein neuer Beweis, daß eS im gegenwärtigen Leipzig die Direction auch mit Gästen wagen kann, welche, gewöhnt an die brillantesten Einnahmen, über daS hiesige Budget strenggenommen hinausgebende Ansprüche erheben. Der berühmte „ Wagnersänger", dem selbst Pari- da, wo eS dem Componisten tendenziösen Widerstand leistete, noch auserlesene Huldigungen brachte, war in unserer Stadt seit 1860 nicht mehr gewesen. Er hat seit der Zeit die höchste Stufe künstlerischen Ruhmes erklommen und war im vorigen Jahre eine der ersten „Annexionen", die sich Preußen nicht entgehen lassen mochte. So siedelte er von Hannover nach Berlin über, theilt jetzt seine Tätig keit aber hauptsächlich zwischen Spree-Athen und Elbflorenz, in welch beiden Städten er für je vier Monate jährlich, natürlich mit ganz enormer G-ge engagirt ist. Wir erwähnen daS, weil in unserer Zeit des DampfeS gerade Berlin und Dresden ja kaum mehr Entfernungen von hrer zu nennen sind und eS deshalb wohl leicht zu bewirken wäre, daß Niemann öfter einmal bei uns als Gast einkehrte. Seinen „Tann Häuser", welche Rolle er an genanntem Tage sang, kannten wir für unsere Person bereits, aber wer ihn jetzt auch zum ersten Mal gesehen, wird sogleich den Eindruck erhalten haben, daß er es hier nut einer durchaus und vollauf phänome nalen Erscheinung im Gebiete der Kunst zu thun habe. Diese Persönlichkeit, diese Stimme, dies dramatische Erfassen und Ge stalten einer jeden Aufgabe — Eine-, wie das Andere, ist unver gleichlich. Und mögen Krittler nur immer sagen, Niemann sei in der musikalischen Technik nicht bis zur Vollendung vorgeschritten — er darf unsrer Meinung nach auch gar nicht einseckig vom Standpunct der Schule auS betrachtet werden; nehmt ihn in seiner Totalität, alS Verkörperung großer und glänzender Eigenschaften, die so beisammen und — jede einzeln — in so reicher Entfaltung sich nur höchst selten finden. DaS besonders Merkwürdige an Niemann ist, daß er, ein ge borener Heldentenor, doch zugleich auch lyrischen Partien in schön ster Weise und individuellster Ausprägung gerecht wird — sein , Josef" m MhulS Oper soll unS daS aufs Neue darthun. Frei lich aber ist sein eigenstes Wesen doch immer der Zug nach dem Erhabenen, Grandiosen hin; im sogenannten großen Styl liegen seine genialsten Momente. Ein Genie ist Niemann in der Thal durch und durch, auch insofern, als er eben nicht, wie das Talent zu thun Pflegt, jede Situation und Scene gleichmäßig behandelt und auSarbeitet. Diese Harmonie geht seinen Schöpfungen ab, er hat Augenblicke, wo, wie der alte Spruch lautet, „Homer in ihm schläft." Gewiß ist daS ein Mangel, aber jener einzige Mangel, mit dem der Genius nun einmal immer seine irdi che Herkunft büßt. Sollen wir die größten und packendsten Momente deS Rie mannschen Tannhäuser hier verzeichnen- Zuerst beim Sänger krieg, als er dem armseligen Biterolf seinen vernichtenden Hohn ins Gesicht wirft. „Ihr, die ihr Liebe nie genossen, Zieht in den Berg der Venus ein!" König im Genuß und in semer Erinne rung, steht er da auch als König in schöner Männlichkeit. Ein Riese, überragt er in seinem Hochmuth die Anderen, als wären es Pygmäen, aber das trunkene Auge sieht sie nicht, eS schwelgt in den Wonnen deS nur von ihm Geschauten. Emil Vacano hatte Recht: „In stolzer Haltung auf die Harfe gelehnt, gleicht er einem Gotte in seiner bochmüthigen Eitelkeit, einem Gotte, dem Irdischen entrückt, doch nicht zum Himmel, wohin sie ihr entsetztes Auge gnadeflehend richtet, die Heilige! Er folgt diesem Blick, und wie er sich in den Schnölkeleien deS Plafond verirrt, der sündenschwere Erdenblick, erwacht er, erwacht und ist im Nu kleiner geworden um seine Halde Übernatürliche Größe, er sinkt in sich selbst zu sammen, wie daS stolze Gebäude seiner Anmaßung!" Und dann die Erzählung im letzten Act! „Die Stätte, wo ich raste, ist verflucht!" Niemann singt daS nicht, wie andere Sänger, mit dem schaudernden herkömmlichen Effectdrucker, sondern höhnisch, boshaft, verächtlich. ES folgt der Fluch selber: „Hast Du so böse Lust gecheckt u. f. w." Niemann - Tannhäuser rast diese Wort« nicht, noch schluchzt er sie. Stark, schwellend und dennoch tonlos ringen sie sich auS seinem Innern loS und mit der letzten Sylbe liegt der starke Mann leblos am Boden. ES ist daS ein gewaltig ergreifender Moment, der an machtvoller Wirkung nur noch über- trossen wird von dem folgenden: „Da ekelte mich der holde Sang rc." Hier erklingt etwa- unbeschreiblich Dämonisches, eS ist in den schönen Tönen die Verzweiflung und daS Frohlocken der Hölle zu hören. Den Gesammteindruck dieses Tannhäuser möchten wir in die Worte fassen: Ritter und Priester in Einer Person oder auch, mit Uhland gesprochen: „Zugleich ein Sänger und ein Held!" Der Enthusiasmus des Publicums war groß und participirten an dem allgemeinen reichen Beifall nach Verdienst auch die Herren Hertz sch (Landgraf), The len (Wolfram) und Rebling (Wal ther), so wie Frau Deetz (Elisabeth). Frl. Ehl (äußerlich eine „VenuS" eommo 11 kaut, nur im ganz modernen Ballkleid!) und Frl. Platz (Hirtenknabe) gaben sich viel Mühe. Meisterliches bot daS Orchester, der Chor Genügende-, die Regie nicht immer Be- frieoigendeS. Vr. Emil Kneschke. Seidenbaiyucht. In Dresden, Palmstraße 40. lebt ein Mann NamenS Gustav Böning. Demselben gelang eS, im vorjährigen Frühjahr, wo Alles erfroren war, eine Partie kränklicher und halbverhungerter Seidenraupen zu acquiriren und dieselben — nachdem er sie in seiner Schuhmacherwerkstatt placirt — bei seiner eigenthümlichen, naturgemäßen Behandlung alsbald gesunden und nachmals schöne, gelbseioene, glänzende Cocons (Seidenknäulchen) spinnen zu sehen. Diese SeidencoconS nebst einigen Gebinden auf ergenS erfundener Vorrichtung abgewickelter Seide befinden sich dermalen in der In dustrie-Ausstellung zu Chemnitz. Böning, beim Seidenbau er zogen, ist erbötig, jedem Unbemittelten sein Verfahren über Ge winnung, Pflege, Fütterung und Erziehung der Seidenraupen unentgeltlich zu lehren, auch etwaigen Serdenbauunternehmern mit seinen theoretischen und praktischen Kenntnissen, die er sich durch persönlichen Verkehr mit Italienern vervollständigte, bereitwilligst beizustehen. DaS Mißlingen der seitherigen Seidencultur liegt nicht am Klima, sondern an der unzweckmäßigen, naturwidrigen Behandlung der Seidenraupen, daher sie ohne zu spinnen ver kümmerten und starben. Böning behauptet: die Seidenbauzucht würde in Sachsen bei nur geringem Anlagecapital einen er wünschten und lohnenden Aufschwung erlangen, und könnten na mentlich Invaliden einen passenden Nahrungszweig darin finden. Der jüngst in Dresden verstorbene Commissionsrath Schubart, MitgUed eines kurz bestandenen SeidenbauvereineS, informirte sich nachmals über BöningS Verfahren, bedauerte, seinen in einer Hauptversammlung gemachten Winken kein besondere- Gewicht bei gelegt zu haben und zollte Böning schmeichelhafte Anerkennung seiner seltenen Kenntnisse. — Gegenwärtig hat B. aus selbst erbauten Serdenraupeneiern eine Quantität kerngesunder junger Seidenraupen erlangt und abermals seine Werkstatt damit be pflanzt. Für Freunde der Zoologie sehr interessant. — Versuche, auS den Jahrestrieben deS Maulbeerbaumes Seide zu gewinnen, wenn man sie wie rohen Flachs behandelt, machte B. schon vor 10 Jahren. Allein er erlangte nur kurze Fäden alS Nähseide, grau, glanzlos, ohne Gummigehalt, nicht farbehaltend. Webeseive war dadurch nicht zu erzielen. Nur der Seidenwurm erzeugt daS köstliche Gewebe. Also „Glück auf!" Die drei gestrengen Herren. Bekanntlich können die drei Tage deS 12., 13. und 14. Mai, Pankratius, Servatius und BonifaciuS, nach dem allgemein ver breiteten Volksglauben der Vegetation noch durch Fröste oder durch plötzliche rauhe Witterung nach vorhergegangener größerer Wärme schädlich werden. In der „Neuen Stettiner Zeitung" schreibt v. BoguSlawSky darüber: „Dieser Volksglaube gehört keineswegs zck den leichtfertigen, auf Mißverstand der Verkettung der gleichzeitig eintretenden Er scheinungen der Natur beruhenden Volksanschauungen, wie der Glaube an den hundertjährigen Kalender oder an den Einfluß drS Mondwechsels auf die Witterung, sondern ist gegründet auf die in unseren Breiten in Europa im Frühjahre herrschenden Witte- rungSerfcheinungen, welche ihrerseits ihre Ursache in den allgemeinen Witterungsverhältnissen der Erde, in der Stellung derselben zur Sonne und in der Vertheilung deS Flüssigen und Festen auf der selben haben. Schon der Umstand, daß in manchen Gegenden deS mittleren Europa diese kalten Tage auf den 11. bis 13. Mai fallen (MamertuS, Pankratius und ServatiuS), in anderen noch früher (so bei uns in Stettin am 9. und 10.), und daß Ende Mai vom 25. (Urban) bis 30. (Wigard) ebenfalls öfters ein Rück fall der Kälte (oder geringere Wärme) eintritt, deutet darauf hin, daß diese Rückschritte der bereits höher grstiegenen Temperatur nicht an bestimmte Tage gebunden sind. Der Kampf der Witte rung im Frühling beginnt mit dem Höhersteigen der Sonne und dauert lange fort mit abwechselnden Siegen und Niederlagen der FrühlingSwärme. Diese kann sich lange nicht entscheiden, ob sie dem Laufe der Sonne nach Norden folgen soll, oder ob sie dem abkühlenden Einflüsse der von dem atlantischen Ocean her wehen den feuchten Winde weichen soll. Dies« Winde, welche umgekehrt im Winter Feuchtigkeit mit Wärme (auS Südamerika) herbeiführen, haben in folgenden natürlichen Verhältnissen ihren Ursprung. Weuu
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