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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-04-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187104212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18710421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18710421
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1871
- Monat1871-04
- Tag1871-04-21
- Monat1871-04
- Jahr1871
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1871
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1510 Abg. Bebel: ES sei bereits festgestellt, daß in Deutschland keine parlamentarische Vertretung eristirc, deren Mitglieder keine Diäten beziehen. Wenn man dem Reichstage keine Diäten bewilligen wolle, so geschehe dieS lediglich aus Angst vor dem Ausfall der Wahlen und vor der Social-Demo kratie. (Ruf: nein! nein!) Er mllsse dies hier auSsprecken, damit die Arbeiter wissen, woran sie sind. (!!) Abg. I)r. Bamberger glaubt, daß die Diäten durchaus keinen großen Einfluß auf die Zusammen sctzung des Reichstages auSllben werden. Der BundeSrath könnte hier in leichter und billiger Weise dein liberalen Programm einmal etwas zu Gute thun, und man sollte sich durch Zustimmung zu dem Anträge einmal Ruhe vor diesem Tummel roß der Freiheit verschaffen. (Beifall.) Abg. I)r. Völk (Augsburg) stimmt im Wesent lichen diesen Ausführungen bei; er glaubt, daß, wenn die Reichstagsmitglieder Diäten erhalten, aus Bayern nicht drei andere Abgeordnete hier erscheinen würden, als gegenwärtig hier seien. Beseitige man die Diätenlosigkeit, so oeseitige man damit den Borwurf, daß die Volksvertretung eine gefälschte sei. Ein Eorrectiv für die Einführung der Diäten brauche man in einem Staate mit allgemeiner Wehrpflicht nicht. Nicht durch das Entziehen der Freiheit mache man die Masten un gefährlich, sondern durch das Erziehen. — Es sei viel bester, wenn sich durch die allgemeinen Stim mungen gewaltige Strömungen im Reichstage geltend machen, als wenn sie in der Maste des Volkes wühlen und plötzlich Hervorbrechen. Im Reichstage könne die Regierung diese Strömungen corrigiren. Man lege der Dlätenfrage eine viel zu hohe Bedeutung bei. Er empfehle die An nahme deS Antrages, der auck im Intereste des Besuches des Hauses liege. Reichskanzler Fürst Bismarck: Der Antrag steller hat mich daran erinnert, daß ich früher ein mal gesagt hätte: wenn das deutsche Parlament sich der Sache bemächtigt, so ist der Widerstand viel schwieriger. Ich weiß nicht, ob ich dies gesagt habe, ich nehme cs aber an. Schwierig wird der Widerstand sein, aber wir sind nicht in der Lage, daß wir vor emer schwierigen Aufgabe zurück schrecken (Heiterkeit!, und ich glaube, es wird der andern Seite sehr schwierig fern, die Sache jetzt, und ich hoffe überhaupt, durch den BundeSrath zu bringen. Wenn dte Sache nicht so wichtig ist, wie Sie heute sagen, so begreife ich nicht, weshalb Sie mit solcher Eonsequenz immer wieder auf diese Frage zurückkommen. Welche Einwirkung die Be willigung oder Richtbewilligung von Dullen auf die Zusammensetzung dieses Hauses haben würde, ist Sache des Vertrauens, ich will es mit Sicher heit nicht entscheiden ; ein Versuch wäre ja möglich, aber er würde mir schmerzlich sein. ^Heiterkeit.) Ich wage den Versuch ,licht. Die Diätenlosigkeit wirkt auf die Kürze der Parlamente, und wir müssen kurze Sitzungen haben, sonst können alle diejenigen Leute, welche noch etwas Anderes zu thun haben, nicht als Eandidaten zum Reichstage auflreten. Es ist eine Erfahrungssache, daß diätenlose Sitzungen immer kürzer sind, als Sitzungen, für welche Diäten gezahlt werden. Es giebt im preußischen Abgeordnetenhause einen Kern von Mitgliedern, welche es sich zum Lebensziel gemacht haben, ihrem Vaterlande als Abgeordnete zu dienen. Ich achte diese Hingebung sehr hoch, aber vorherrschend wünsche ,ch sie ,m Abgeordnclenhause nicht, denn cs wäre dieS keine richtige Volksvertretung. Meine Meinung über die Unannehmbarkeit des Antrages ist die selbe geblieben. Was nun Vas Eorrectiv anlangt, so hat meine politische Erfahrung mich überzeugt, daß das Zweikammersystem ein solches Eorrectiv nicht gewahren würde. (Hört! hört!) Ich habe keinen Glauben an die Stärke dieses Gegengewichts. Ein solches Eorrectiv haben wir aber un Bundes- ralh. Er ist ein Slaalenhaus im vollsten Sinne deS Wons. In ihm stimmt nicht die einzelne Person, sondern die einzelne Regierung, das Volk ab. Tasten Sie nicht an den Bundesrath, er ist ein Palladium für die Existenz des Deutschen Reiches. (Beifall.) Hier wird die Beralhung — um 4 Uhr — vertagt. Nächste Sitzung Donnerstag 12 Uhr. T.-O.: Fortsetzung der heutigen, Präsidentenwahl und erste Lesung des ErediigesetzcS. Berlin, 19. April. (Vom Reichstag.) DaS vom Bundeöpräsidlum vorgelegte Gesetz, Herr, die Beschaffung weiterer Geldmittel zur Be streitung der durch den Krieg veranlaßten außer ordentlichen Ausgaben lautet folgendermaßen: tz. 1. Der Bundeskanzler wird ermächtigt, zur Bestreitung der durch den Krieg veranlaßten außerordentlichen Ausgaben des Nordd. Bundes über die durch die besetze vom 21. Juli und 29. November 1870 (BurdeSgesetzblatt S. 191 und 6 >9) festgesteUlen Beträge von 120 und loo Millionen Thaler hinaus weitere Geldmittel bis zur Höhe von 120 Millionen Thalern im Wege des Eredits flüssig ru machen und zu diesem Zweck in dein ^Nominalbeträge, wie er zur Be schaffung von 120 M Uivncu Tbalern erforderlich fein wird, eine verzinsliche, nach de» Bestimmungen des Gesetzes vom 19 Juni 1868 (Bundesgesetz blau S. 9.19) zu verwallendeAn eihe auszunehme» und SeOatzaiiweijungen auszugeben. H. 2. Die Uinlaufozeit der Schatzan.veisuilgen kan» auf einen länge,en Zeitraum alo den eines Jahres festgesetzt, auch kennen denselben nach Anordnung des Bundes kanzle,ö besondere Zinssctreine beiqegelvn werden Die znr Ausgabe gelangenden Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen. sowie die zugehörigen ZinscouponS können sämmt ick oder theilweise auf anslänvtfche oder auch nach einem bestimmien Wk'thoerdälti'iß gleichzeitig auf in und ausländische Währungen, sowie iin Auslände zahlbar gestellt «rden. Dt« Festsetzung des Werthverbällnistes, sowie der näheren Modalitäten für Zahlungen im Auslande bleibt dem Bundeskanzler überlassen. Iin Uebrigen finden auf die Anleihe und auf die Schatzanweisungen die Bestimmungen des an gelegenen Gesetzes vom 21. Juli 1870 Bundes gesetzblatt S. 191) Anwendung. Die Abga. Schmidt (Stettin) u. Gen. haben folgenden Antrag gestellt: Der Reichstag wolle beschließen, den Hrn. Reichskanzler aufzufordern, dem Reichstage baldthunlichst eine Strandungs Ordnung für die gcsammte deutsche Küste vor zulegen/ Tagesgeschichtliche Ueberficht. Ter „Staatsanzeiger" erklärt: Einige Zeitungen melden, daß dem Reichs-General-Postamte die Ordre zugegangen sei, den Packet dien st für die Armee sogleich wiederaufzunehmen. Diese Nach richt ist unbegründet und beruht jedenfalls auf einer Verkennung der Verhältniste. Die Feldpost hat grundsätzlich nur Briefe, Zeitungen. Gelder und Militair-Dienstpackete zu befördern. Zur Be förderung von Privatpäckcreien ist sie nicht ver pflichtet, und deshalb auch mit der dazu erforder lichen umfassenden Ausrüstung gar nicht versehen. Gleickwohl hat daS General-Postamt, um zahl reichen Wünschen zu entsprechen und Klagen ab- zubelfen, zu wiederholten Malen und nicht ohne äußerste Anstrengung und Unannehmlichkeiten aller Art einen Packetdienst für die Armee mit bereit williger Unterstützung der Eiscnbahnverwaltungen und Militairbehörden besonders organisirt; derselbe hat die umfassendste Benutzung erfahren und ist zu einem wahren Hülfsmittel für die Verpflegung und Bekleidung der Truppen geworden. .Kein an deres Postwesen, als das deutsche, hätte das ru leisten vermocht, Dank seinem Staats Fahrpost- instilut und seiner einheitlichen Leitung. Trotz der größten Schwierigkeiten Hai denn auch die Reichs- Postverwaltung bereits unterm 11. April fick, aus eigenem Antriebe mit den Ministerien des Krieges und für Handel in Verbindung gesetzt, um angesichts der 'Nachrichten aus Frankreich den Packet dienst für die Armee wieder aufzunchmen. Die desfallsigcn Verhandlungen schweben noch, und es ist bei der in Frankreich herrschenden Unordnung der Termin des Wiederbeginnens der Päckcreibc- fördcrilng zur Zeit noch nicht zu bestimmen, obwohl Alles geschieht, um denselben zu beschleunigen. Das Kriegsministerium in Berlin hat so eben an die stellvertretenden General-EommandoS ein Rundschreiben gerichtet, welches von den letzteren zur kenntniß der einzelnen Etappen-Eommondos ebrachl werden soll und das sich mit den Störungen cschäfiigt, welchen der Eisenbahnverkehr auf ge wissen Linien noch immer allsgesetzt ist. In diesem Document werden u. A. die bedeutenden Dienste anerkennend gewürdigt, welche die privater Ini tiative entsprungenen Erfriscbungs-Eomites im Laufe deS jüngsten Krieges geleistet. Gleich zeitig aber wird darauf hingewicsen, daß man sich den Unzuträglichkecten nicht länger verschließen dürfe, welche dieselben für den Bahnbetrieb zur Folge gehabt. Da nun die Rückkehr einzelner Soldaten, Kranker wie Verwundeter, vom Kriegs schauplätze aufgehört habe und künftige Transporte nur nock, ganze Lazareche und Truppenkörper um fassen würden, für deren Verpflegung von Staats- wegen aus zu sorgen sei, so wäre der Zeitpunct als gekommen zu erachten, in welchem man den privatenErfrisckmngß Eomitesre. eine Einstellung fernerer Wirksamkeit anheimgeben dürfe. Die Gesammtzahl der in Deutschland bis zum 15,. März d. I. internirt gewesenen kriegsge- fangencn französischen Officiere oder mit diesen im Range gleichstehcnden Militair-Beamten belief sich auf 11,800, welche Ziffer durch Abrech nung von 191 Tesertirten und Verstorbenen, — 102der erstercn, 29 von diesen, — auf 11,669 hinab sank, von denen 10,527 Officiere oder Beamte inner halb der 12 EorpSbezirke des Norddeutschen Bundes untergebracht waren. Es befanden sich unter diesen Officieren 3 Marschälle von Frankreich der vierte hatte sich nach Süddeutschland begeben dürfen), 147 Corps-, Divisions- und Brigadegeneräle, 177 Obersten, 106 Oberst-Lieutenants, 599 (der Charge der Majors entsprechende Bataillons oder Escadrons-Chess, 3219 EapitainS, 3033 Lieutenants und 278k» Unter-Lieutenants. Hierzu traten an Militair-Beamten 7 General-Intendanten, je 10 Militair Unter-Intendanten I. und II. Elaste, 8 Adjointö der Militair-Intendantur I. und 2 solche II. Elaste, 11 Beamte der höchsten Armee-Ver waltung, 28 Verwaltungöbeanite I. Elaste, 15 Ad jutanten der Verpflegungsbranche I und 12 solche II. Elaste, 16 Regiments Aerzte, I Ober-Thierai^t, 51 Thierärzte der I. und 50 der II. Elaste, 13 HülfS-THierärzte, 31 EhefS de Musique, 35 GardeS principaleS, Gardcs du Genie, Gardes d Artillerie und Feldgeistliche. Es bleiben demnach 68 Officiere oder Beamte übrig, deren im fran zösischen Heere von ihnen bekleidete Charge diesseits nicku festgestellt werden konnte. Es ist noch immer äußerst schwrerig, sich in den Telegrammen vom Kriegsschauplatz zu orien- tiren, doch scheinen die Ereignisse fick am 17. dahin entwickelt zu haben, daß d:e Insurgenten in Ae- niereS auf den Ort selbst und die dortige Eisen- babnbrücke zurückgedrängt wurden, in welcher Stellung sic von den Regierungstruppen in Becon, Eelombes und GenevillierS gewissermaßen einge schlossen sind. Vor den Südfvrls scheint im Lause der letzten zwei Tage nichts Erhebliches vorge kommen zu sein, obwohl die allerdings nur als Geruckt gemeldete Verlegung deS Mac Mahon'- schen Hauptquartiers nach Fonkenay aux - Ros S (südlich vom Fort Monlrougc) vermulhen lasten würde, daß der Hauptoff.-nsivstoß gegen die In surgenten von dort au-gehen werde und daß die Kämpfe auf der Halbinsel GennevillicrS nur dahin zielten, die Insurgenten r» bcjchaftigen. Mac Maden verfolgt einstweilen seinen „Plan", Paris vollständig einzuschließen und dann den Hunger sein Gewicht in die Waagschale werfen zu lasten; zu diesem Dienste werden die Truppen am ersten zu gebrauchen sein. ES steht dann von Seilen der Commune eine Reihe von Äusfallsversuchen zu erwarten. Ob die Schrecken des Hungers die Ordnungsmänner zur Energie treiben werden, muß die Folge lehren; in Ver sailles scheint man an diese Aussicht zu glauben. Es hat leider nicht den Anschein, daß es zu Ver einbarungen, um das Blutvergießen zu verhindern, kommen werde. Deputirte des Lyoner Gemeinde- rathes kamen durch Paris, um in Versailles im Vereine mit Deputationen anderer GemeinderLthe zu wirken; doch diese platonischen Versuche werden für den Frieden keine Wirkung haben Am 16. April wurde die Kirche St. Vincent de Paule umzingelt, die Priester verhaftet, die Gegenstände, die zum Eultus dienen, weggenommen. Diese Angriffe auf die Freiheit des Klerus erwecken eine unbeschreibliche Erbitterung in der ganzen katholischen Partei und werden eben so wenig von den Republikanern und Freidenkern gebilligt. Diese Vorgänge erbittern namentlich auch jene Fraktion der Rechten in der National Versammlung, welche von ihren Eollegen die „Bauern" genannt zu werden pflegen. Diese dringen darauf, daß Paris rusammenbombardirt werden müsse Von diesen Männern entwirft der Versailler Correspondent der Independance Belge ein grelles Bild: „Diese Armee der Bauern", schreibt er, „enthält Tnpen, und zwar Typen, von denen der eine komischer als der andere ist." In Paris fehlt es eben sowenig an komischen Figuren, aber die Zeit zum Spotten dürfte schlecht gewählt sein. „Das Innere von Paris", schreibt das Siecle, „bietet ein über alle Gedenkbarkeit trostloses Bild. Die Straßen, die Boulevards.haben vollständig ihr Aussehen ge wechselt, überall Oede und Leere; selbst der Boule vard des Italiens ist verlassen. In den äußeren Sradttheilen ist die Mehrzahl der Männer in den Forts und auf den Wällen." In einer Beschrei bung des Bien Public über die Pariser Zustände wird betont- „Die Frauen sind wütbend, man fühlt den Hunger kommen und der Mangel ist bereits da. Auch die militairischen Führer der Commune sind nicht ohne Besorgnis;, sie sehen ihre Armee zusammenschmelzen und besonders die Mo:al ihrer Armee. Welches Ende wird der Kampf haben? DaS kümmert sie wenig." Das Bombardement von Paris fordert täglich bedeutende Opfer. Am 16. und 17. wur den die Ternes und der obere Theil des Faubourg St. Honorc arg mitgenommen. Eine Bombe siel in das Haus 270 des genannten Faubourg und zündete dasselbe an. Das Feuer wurde aber schnell gelöscht. Auf einem Omnibus am Rond-Point der Ternes wurden drei Männer von Bomben splittern erschlagen, ein Schwein emetzger, der an seinem Laden stand, getödlet, ein Vorübergehender töbtlich verwundet und einer dritten Person daS Bein weggeschlagen. Am 16., 9 Uhr Morgens, erössnete die Batterie des Trocadero das Feuer gegen den Mont Valerien, der sofort antwortete und Pasty, Auteuil, den Triumphbogen und die umliegenden Stadttheile wieder nnt einem Kugelregen überschüttete. Die Bomben sollen bis ganz in die Nähe deS Industrie-Palastes der Ehamps Elysees gefallen sein. Viele Häuser wur den beschädigt. Die Pariser Commune ist mit ihren letzten Wahlen vollständig gescheitert. Die einzigen Eandidaten, welche die gewollte Zahl der Stimmen erhielten, sind Menotti Garibaldi, Viard und Turquet, auf die etwas über 6000 Stimmen sielen. In den übrigen Vierteln wurde fast gar nicht gestimmt. Die Ordnungsmänner, die heute mehr eingeschüchtcrt sind denn je, haben sich bei den Wahlen gar nicht beiheiligt. Wie schon gemeldet, sind alle Lebensmittel bedeutend in die Höhe gegangen und stiegen am 17. wiederum, da sich Jeder Vorrath anzuschaffen sucht. Mehl soll für 18 Tage vorhanden sein. Einige Blätter der Commune donnern gegen die Händler, weil sie jetzt theurer verkaufen. Diese Journale machen die Sacke aber noch schlimmer, da sie Die, welche, um ein gutes Stück Geld zu verdienen, sich mit Lebensmitteln nach Paris wagen könnten, zurück schrecken. Die großen Restaurationen sind fast nur noch von Engländern und Amerikanern besucht. Es bestätigt sich, daß einige Nationalgarden- Bataillone, die bisher zur Commune gehörten, den Dienst verweigert haben. Ungefähr 1000 Na- tionalgardcn gingen zum Feinde über, d h. sie suchten des NachtS, als sie Schtldwache auf den Wällen standen, das Weite, indem sie sich an Stricken in den Wallgraben hinabließeu und sich unter preußischen Schutz begaben. Das Decrel der Commune, welches die Fabriken und Werk stälren für die Arbeiter mit Beschlag belegt, hat in Paris nur wenig Aufsehen gemacht. Man glaubt nämlich nicht, daß dasselbe zur Ausführung kommt, d. h. daß cs mit der Herrschaft der Commune zu Ende ist. ehe die .nöthigen Maßregeln getross n sind, um die Arbeiter in das Besttzihum rhrer Fabrikherren und Meister zu setzen. AuS London wird vom 17. Aprlt gemeldet: So erbärmlich, wie die gestrige, ist kaum je eine Volksversammlung im Hydepark verlaufen. Die „Rothen" traten um halb drei Uhr Nach mittags auf Finsbuiy Square an. Der Aufzug, dessen Anführer Banner mit der Inschrift: „Polen oder: „Es leb»- die Commune!" oder ,.Universelle und soziale Republik" trugen, bestand nur aus ein paar hundert Leuten aus den östlichen Stadt vierteln. Viele derselben schienen, obwohl rohe Bursche, dock gute Wetterpropheten zu sein ; jeden falls batten sie die starken Regenschauer, welche ihr holdes Antlitz abspülen würden, am Morgen schon vorhergejehen und dl-shalb das Waschwasser ge spar«. Im Hydepark angekommen, hielt der Schuh macher Murrap die Eröffnungsrede. Er erklärte. I daß diese Versammlung eine der bedeutendsten sei, die jemals an dieser Stelle abgehalten worden — o Selbsttäuschung! — denn es sei eine Kundgebung zur Befreiung der Unterdrückten in der ganzen Menschhiit. Darauf erging er sich in einer Lob preisung des hohen Zweckes, den die Pariser Com mune verfolge, mit den wohlbekannten Redensarten. Der zweite Redner verlas eine Adresse an .unsere Brüder in Paris", welche selbstverständlich angenom men wurde. Sie erkennt in diesen„Brüdern"vie„Plon- niere des Fortschrittes und die Baumeister eines neuen und reineren socialen Zustandes" ; in den Männern von Versailles dagegen die „würdigen Schüler de- Decembermannes/die feigen und feilen Werkzeuge europäischer Despoten, erwählt von einer pfaffen- dienerischen Bauernschaft, um mit preußischen Banonetten an der Gurgel die Friedensbedingun gen zu genehmigen und einen Theil deS Volke- an dre deutschen Räuber zu verschachern". Die Adresse preist ferner die Einziehung der Kirchen- güter, betrauert den Tod deS tapfern Flouren- und der übrigen Märtyrer, die von den Myrrni- donen der Versailler Rebellen hingeschlachlet wor den seien. Zum Schlüße läßt sie „die universelle demokratische und sociale Republik" hoch leben. AlS schließlich Beutel und Büchsen erschienen, um für eine Vereinscafse »u sammeln, schmolzen die Zuhörer auffallend rasch zusammen, und wie ver lautet, verschwanden während der Einsannnlung auch einige der wandernden socialistischen Ovfer- stöcke. Als die Musik wieder anhub, die Mar seillaise zu spielen als Zeichen des Aufbruches, ordneten sich nur wenige mehr in den Zug, der durch das „Marmorlhor" seinen Rückweg in die Stadt nahm. Man sieht, wie schwach die ganze Kundgebung war; aber darin besteht gerade für den Unbefangenen ihre Bedeutung, indem sie be wiesen hat. daß die socialistische Allerwelts-Repu- blik wenigstens auf englischem Boden keine Wurzel gefaßt hat. IVltes Theater. Leipzig, 19 April. Es ist ein Muster;üngling dieser „Vicomte von LetoriLres", wie er gestern in dem gleichnamigen Blum'schen Stück, einer Aneignung aus dem Französischen, über unsere Breter schritt, ein Vorbild für die Jugend, wa rne Keckheit des Benehmens, die umrschrockenc Händelsucht, die erfolgreiche Galanterer gegen da schöne Geschlecht und die intriguanle Welitlugheit beirifft, welche die Schwächen der Menschen für ihre Zwecke benutzt! Und der Humor davon ist, daß dieser naseweise Jüngling „Allen gefällt" und daß der Dichter in solcher Weise „die Kunst zu gefallen" verherrlicht. Zum Glück ist es die Jugend des ancion röxime, die sich in diesem Ausbund von Liebenswürdigkeit spiegelt, und als historisches Genrebild wirb der Held und damit das Stück einigermaßen ent schuldigt. Diese „Kunst zu gefallen" erscheint als eine jetzt veraltete Mode und würde heutigentags eine „Kunst zu mißfallen" sein. Freilich gilt das nicht von der Bühne, wenn die kecke Hosenrolle von einer Darstellerin gespielt wirb, welche uns den muntern Jüngling mit bestechender Liebenswürdigkeit verführt, seine Ausgelasienheil, seine Schlauheit, seine simulirte Trunkenheit, sein ganzes Doppelspiel uns anziehend zu machen weiß. Dies war in der Thal gestern bei dem „Vicoime" der Frau Hase mann-Kläger der Fall, und an angenehmer Keckheit ließ der Schlingel nichts zu wünschen übrig. DaS frische Talent der Dar stellerin bewährt sich gleichmäßig in allen Rollen. Gleichwohl erschien uns der Grundton in ihrem „Vicomte" noch zu deutsch seelenvoll; es vibrirte darin eine gewisse Wärme des Gemülhes, welche sich mit dem frivolen Raffinement dieses echt- französischen „Galgenstricks" nicht verträgt. Herr Hascmann machte aus dem Gegner des „Vicomte", dem Baron Tibull, eine ganz amüsante Charge. Sehr erheiternd wirkte be sonders das Erscheinen dieses Dümmlings mit der schwarzgeflickten Nase, welche der junge Vicomte un Duell so künstlerisch zurechtgemeißclt halte. Herr Hansel er gab den heuchlerischen Parla- mentsrath Desperrstres, den stillen Liebhaber des Trunkes und der Mädchen, der lauter Weinflaschen in den Einbänden seiner Bibliothek verbirgt, mit dem echten BacchuSgesicht und ru der Trunkscene mit einer, wenn auch etwas derb ausgeführten, doch sehr wirksamen Komik. Namentlich war sein andächtiger Monolog vor dem Heiligthum seiner Classiker gut und charakleristi ch durcügeardeiiet. Fräulein Sch äff er spielte die Schnecke« stau Mariane namentlich im ersten Act, mit vieler Leb- b.fligkeit; Fräulein Zipfer war als „Hermme" Alles, was sic zu sein nöihig hat, ein anmuchiges Mädchen zum Verlieben. Heir Asche als „Hof meister Pomponius", Herr Tictz als Schneider meister Grevin und Pantoffelheld, Frau Bach- mann (Veronika) als liebende Mutter einer buckeligen Tochter, Fräulein Birnbaum alS „Prinzessin von Soubise", eine liebesbedüisiige große Dame, und Herr Stürmer als „Prinz Soubise", der berühmte Held von Roßbach, eine weltgeschichtliche Größe, geschnitzt aus demselben Holz, wie das Meisterstück der Schöpfung, der Baron Tibull, faßten ihre Roll n entsprechend auf und empfingen alle die Nasenstüber vom jungen Vicomte, dre ihnen mit AuSnabine ter Holsen Hermine mehr oder weniger zu T Heck wurden, mit der geziemenden Grazie und Wurde. Rudolf Gottschall. Dresdner Bors», 19 Aprrl Lresdntt strucrvers. Nrli» pr. Glück Lytr. — G LH-deOch« P.». - » Lnldu P L - bz Frticntellrr.'tzriori'a^ — » 8etd'chtSbch.a ck» IH » Loode'sch- P. «>». »f- «- Lrrsda. V.-Pi. d« — O. khrviwl! aller wichtiger dtp deutsch-fra Verbesserter Vielfach ge PublicumS h dir mit so Kriegs Chron besserten; Abt steinen zu l reichhaltig bisher erschik Veachtung b, G tlkM u litrllWk So z. B. »oLII Voel MM » Soebe Verlag bandlunj 2 für un Eine A> Mel Laien wiibligfi schlagen gemacht Z» ! IM E -vcirtLlSdi-Ac 17« dz Zrttenkeürr cko. eil seldschtößch ckv 2voj S Rediugrr — (H S. Dawp' ch Idt ltd-Dampsich»* — E. «MeMchgs. l'Ol.j d» Meserl. ChE-.a, — S ernpf -ur sauber gegen! v. vt rmpn Holz! geschl Gros direct oster
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