LEBENDE KRAFT Ja, die Menschen hatten im letzten Jahrhundert fana tisch an der Aufgabe gearbeitet, den leblosen, unbewegten, starren Stoff, vor allem die Kohle, in lebendige, bewegende Kraft zu wandeln. Das wußte der Student Rudolf Diesel, und er wühlte sich in seinen Büchern und in den Vorlesun gen der Münchener Polytechnischen Schule immer tiefer in das Wesen und Werden jener Maschinen hinein. Es schien ihm keineswegs befriedigend, diese Maschinen nur als ein Aneinandergefüge von eisernen, stählernen und messingnen Teilen zu betrachten. Sie waren mehr für ihn. Sie kamen ihm beinahe vor wie lebendige Wesen, wie Geschöpfe, die eine Seele haben. Und immer tiefer drang der Student in diese Seele, in das Innerste der Maschinen ein. Es wuchs ein Gefühl befreiender Spannung in ihm, wenn er in seitenlangem Rechnen, mit Zahlen, Formeln, Brüchen und Kurven sich bis zur Innenwelt des Zylinders vortastete, wenn er sich hineinversetzen konnte in das zutiefst Geheimnisvolle, das in den scheinbar so nüchter nen Maschinen vor sich ging. Er lernte sie immer besser kennen, diese Welt der Maschinen. Er wußte, daß es kaum mehr als hundert Jahre her waren, seitdem forschende und probierende Männer aus den ersten, primitiven Dampfmaschinen ver besserte, arbeitsame Wesen gemacht hatten. Von Bildern und Zeichnungen her kannte er jene allerersten Dampf maschinen aus den Jahren um 1730: Es waren unförm liche, schwerfällige Geschöpfe gewesen, mit dicken, lang sam auf und ab wippenden, eichenen Schwingbalken, mit mehr als mannshohen Dampfzylindern, mit Kesseln, die nichts weiter zu sein schienen als bauchige, ins Ungeheure vergrößerte Teetöpfe.