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Dresdner Nachrichten : 24.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189908242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990824
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990824
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1899
- Monat1899-08
- Tag1899-08-24
- Monat1899-08
- Jahr1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 24.08.1899
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Sette 3V8. Belletristische Beilage r» den »Dresdner Nachrichten". Wenn die Frau in derartigen Stimmungen war. ch in solck ^ Märtyrerin auch in solchen Dingen stellte sie sich gern als . . naen hin, die sie ganz unnöthiger Weise, aber aus voller Lust und Liebe zum Ding vrsceuitt hatte. - Und weil diese sentimentale Unwahrheit den Hausherrn schon oft schwer geärgert hatte und ihn muck heute wieder aufbrachte, hatte er hingeworfen: »Das sind doch wirklich völlig unzutressende, förmlich herdeigezogene Klagen. Emma! Du hast so viel Hilfe, die Flickereien sind doch so wenig dringlicher Art. Deine Ansprüche an Marianne sind wieder einmal ein w eklatantes piel für Deine Reinemachelrankheit. eine Krankheit, die mir oft eine ganze he das Haus zur halben Hölle macht, dag ich den Augenblick berbenehne. wo ein gnädiges Schicksal einmal eine unsichtbare Operation an Dir vollzieht. Ich werde dann hochbeglückt in die Zeitungen rücken: ..Meine Gattin litt seit Jahren an eurem unheilbaren Leiden. Durch den Genuß der Apsilon- pillcn wurde sie schon nach Verbrauch einer Schachtel geheilt." Aber weiter kam der nun auch noch spottende. Wirre austheilende Mann «icht. Seine Frau gerieth in einen schier besinnnngslmen Zorn. »Na ja. wenn's auch nach Dir ginge, würden wir in Staub und Un sauberkeit vergehen und Deine Töchter würdest Tu am liebsten derartig erziehen, daß sie die eigene Mutter durch ihren Trotz und ihre Trägheit zum Hause hinaustrieben. Was Gutes an ihnen ist, hat mein Beiwiel gewirkt! Wepn sie kochen, waschen, stopfen, sticken, stricken, nähen, sich selbst ihre Kleider unfertigen, Gardinen anshängen und ihre Hüte machen können, so haben sic es meinem steten Anhalten zu verdanken. Gin Mann weiß, was er bekommt, wenn er eine meiner beiden Töchter heirathet! Tu, Tu, Ferdinand hättest am liebsten Modevnvven. die Rächte durchtanzende oder unthätig die Zeit verträumende Geschöpfe aus ihnen gemacht. Daß sie xumüchtig. vergnügungs süchtig und eitel geworden — sie sind es Beide, und alle Bitten und Reden und Mahnungen zerschellen, weil Tu ihnen Vorschub leistest — habe ich nicht bei ihnen befördert. Und für Alles da noch Vorwürfe, noch Malicen! Ja, ja i Dank. Tank! Wo giebt es den in der Welt'. Ich bin Tein Koch und Deine Waschfrau, und wenn Alles am Schnürchen geht, so versteht sich das Alles von selbst, wenn ich aber auch für meine Eigenart eins Rücksicht bean spruche, so bin ich ein lästiges Anhängsel, das täglich geichulmeistert werden muß." „Mein Gott, Emma! Wenn ich Dich so sprechen höre, wenn Deine Kinder Dich so hören! Sei doch gut und einsichtsvoll — Niemand vermag Deine treulichen Eigenschaften bester und mehr zu würdigen als ich, aber Tu mußt doch einräumen. daß — daß —" „Na ja und io weiter und so weiter! Aber das steht fest: Marianne acht nicht zum Kanee und — Marianne bringt die während ihrer Abwesen heit für sie zurückgestellten Arbeiten in Ordnung! Es ist sehr viel zu ver bessern und zu flicken. Strümpfe. Unterzeug, Bettzeug liegt da. Letzteres soll morgen noch mit in die Wäsche." Und die Frau hatte das Zimmer verlassen und Marianne, die ihre Mutter verehrte und lieble, der ade: diese Seite ihres häuslichen Streben- keinen Respekt emfloßre und die unter ihrer sreren, übermäßigen Strenge schwer litt, war gleich am ersten Tage der Wiederkehr das Herz tief herabgesunken. Und bei solchen Allgemeinanschauungen und nach dieser eben statt- aefundenen, sie so peinlich berührenden Scene wollte sie mit ihrer Idee, Schauspielerin zu werden, hervortreteu! Ihre ans strenge Sitte. Ehrbarkeit und Häuslichkeit den Sinn richtende Mutter würde wohl gar einen Ichlag- anfall bekommen können, wenn sie von solchen Plänen nur redete. Der Direktor batte seine Frau aus mehrfachen Gründen geheirathet. Als junger, dem Leben zugewandter Mann, hatte er gerade nach einer äußerst soliden Frau ausgejehen. Er halte gefühlt, daß er eine solche Ge fährtin um seiner seldftwillen wählen müsse Ueberdies war sie — als ver waiste Tochter eines Pastors in dem Haust eines Kaufmanns auferzogen, — ein sehr schönes und auch ein vermögendes Mädchen gewesen. Am Ende der Woche, nachdem das Innere der Tijon'schcn Villa wieder das Ansehen gewonnen hatte, das dem Ideal der Frau des Hauses versprach, raffte sich Marianne auf, um mit ihren Eltern und zunächst mit ihrem Vater zu sprechen. In der Vormittagsstunde. zu einer Zeit, in der sie ihn. wie sie wußte, nicht störte, trat sie in sein blnmcnbesttztes, die ganze Länge bis zum Garten einnehmendes Zimmer, schlüpfte hinter seinen Stuhl und >agre, nachdem sie ihn kurz und zärtlich umarmt hatte: „Darf ic' ' lieber Papa? Willst Tu mich aubören? Jl Du allein kannst mir rächen und Helsen." Und nachdem er sie in gewohnter gütiger Weist ermuntert und sich, zum Hören bereit, behaglich zurechtgerückt hatte, sagte sie chm Alles gerade so. wie es sich anfangs als ein bloßer Sehnsuchtsgedanke, dann aber immer fester m ihr gestaltet habe, glitt auch, nachdem sie zuletzt der Vereinbarung Er wähnung gelhan, die sie mit Paul Halbe geichlonen, an seiner Seite nieder und bettelte durch Blicke und Mienen um Gewährung ihrer Wünsche. „In der Hand eines kräftig Strebenden vermag sich das Geringste zu etwas Großem zu gestalten! Und erreiche ich das. dann war ich doch etwas Anderes in der Wett, als nur Marianne Tijon!" hatte Marianne aus einen schon während ihrer Rede geäußerten Einwand ihres Vaters gesprochen. „Ja, wenn cs Tir gelänge!" hatte er zweifelnd betont. Und eben an dieses Wort knüpfte Herr Tston an. als er nun nach schwerem Kopfschütteln ausführlicher das Wort nahm. ^ „Aber wird es Tir gelingen, Marianne? Wie wenige unter den Lautenden erklimmen einen wirklich hohen Gipfel. Tie Meinen vegetiren. und Tu weitzl doch am besten, wie gering der Schauspieler angesehen ist. Wie sehr sie, insde'ondeic die Frauen, den Verführungen ausgesetzt sind, ist Dir nicht minder bekannt. Und viele junge Mädchen würden sicher lieber Alles hingcben, als sich den krilistrenden Blicken der Menge aussetzen — ihre Gestalt, gar ihre Reize preisgeben. Hast Tu das Alles auch sorgfältig erwogen ? Ja. wenn eine Nothiguna vorhanden wäre! Aber Du benutzest Dich in geordneten, in den besten Verhöltnffien. in Verbältnisstn, nach den Millionen begierig die Hände ansstrecken winden, mein Kind!" Tir einmal etwas sagen, mem habe sehr Wichtiges vor und „Du vergißt meine Mutter, mein theurcr Papa! Verzeih' mir meine Offenheit und glaube, daß ich trotz meiner Worte ihre großen Tugenden schätze und bewundere. Eine Frau, die immer nur das weniger Gute sieht, für dieses stets Tadel auf der Zunge hat und für Leistungen nie ein an erkennendes Wort, deren Liebe in Vermahnungen und guten Lehren sich äußert, die vermag ein Herz, wie ich es besitze, nicht zu erwärmen. Ich fühle mich schrecklich unausgeiüllt. und wärest Tu nicht, Papa, ich wäre schon längst davonaegangen." „Run ebcn. Tn hast doch mich, mein Kind, und Deine Mutter besitzt, wenn ihr das Eine fehlt. Anderes in reichster Fülle! Wo findet sich jegliches so, wie der Mensch es wünscht. Aus dieser Erve nirgends! Sieh' Dich »m. Vielleicht heiralhest Du bald. Ein Mädchen, das wohlerzogen lind auch nicht unvermögend ist, braucht ja nur die Hand auszustrecken." „I'.nd doch blieben wir Beide, meine schwester Jmbcrtc und ich. bisher ledig, Papa. Es ist ein durchaus falsches Wort, daß die armen jungen Mädchen heutzutage sitzcnblcibe». Im Gegen!!,eil' Ringsum heirathen gerade die! Liebe, wahre Liebe, giebt sich nicht mit Zahlen ab." „Ilnd wenn Teine Muster nun Nein tagt? — Sie wird sicherlich außer sich gerochen und nie freiwillig ihre Zustimmung geben. Willst Tn dann wirklich ohne sie und ibren Segen in die Welt gehen und noch dazu in solcher engen Verbindung mit einem jungen, rmverheiratheten Mamv mit einem selbst noch unerprcbten Menschen ohne Mittel, ja. der Tir. statt Schutz und Hilfe zu gewahren, weit eher eine unbeaueme Last werden kann? Ich kenne ihn nicht, aber immer hörte ich von chm. daß er eine starke Neigung besitzt, sich mit den bestehenden Verhältnissen in Gegensatz zu bringen, dag deshalb auch die ihm vorgewtzte Behörde gezögert hat, ihn bisher anznstellen. Gewiß! Er gilt als intelligent und ehrenhaft, aber eben als ein schroffer Gegner des bestehenden Schulsystems!" „Teshalb will er ja auch einen anderen Beruf erwählen, Papa! Ich bitte! Lasse ihn kommen! Sprich mit chm! Ich bin überzeugt, daß Tu den vortheilhaftesten Eindruck van ihm empfängst, und zufolge dieses Ein druckes auch über das Abweichende unserer Pläne anders denken wirst. Wer es ist. der etwas thnt, daraus kommt es an>" „Und wie hast Tu Dir denn die Sache inderPraris gedacht? Tu kannst doch unmöglich gleich versuchen, ei» Engagement zu erhalten. Es bedarf doch des Vorstudiums und zwar eines sehr ernsthaften und nicht zu kurz bemessenen." „Ich habe gedacht, mich nach Berlin und dort in eine der vielen, guten Privatpensioiien zu begeben! Ich will mich an eine bekannte Künstlerin wenden, an eine solche, welch? jungen Tumen gegen Honorar Unterricht erthestt. Wir haben ia so gute Verbindungen. Nachdem ich etwa anderthalb Jabre studirt habe, will ich mich, mit Empfehlungen von dieser in der Hand, zunächst auf einer kleinen Bühne, wenn's sein muß. ohne Gehalt beschäftigen lassen, und was dann folgt, das muß ich dem Geschick und meinem ferneren ernsten Eifer überlassen. Ich denke^ wenn Tu Tein goldenes Her; öffnest und Tich dazu verstehst, mir vierzig Thaler monatlich zu geben, daß ich Alles reichlich zu bestreiten vermag!" ,.9ain ja. das ließe sich wenigstens hören! Ich für meinen Theil will mir auch die Sache, obschon mir der Gedanke, Dich künftig auf den Brettern :u Wissen, außerordentlich unsympathisch ist. durch den Kopf gehen lassen. Wie wir aber mit Deiner Mutter fertig werden sollen, ist mir vor der Hand noch ein Räthsel, mein Kind, und jedenfalls stehe davon ab. auch nur mit einer Silbe zu erwähnen, daß Tu Abreden mit Toktor Halbe getroffen bast. Sie würde von vornherein ihr Veto einlegen. Ich muß auch — es ist selbst verständlich. Marianne — zur Bedingung machen, daß Ihr nicht gerade in demselben Hanse wohnt, daß sich Euer Verkehr ans die Tagesstunden beichränkt, daß Tu Alles vermeiden wirst, was irgendwie einen von einem guten Her kommen abweichenden Charakter besitzt. Ich will nicht, daß man meiner Tochter nachredet. daß man sie öffentlich oder versteckt in Begleitung eines jungen Mannes sieht, von dem man weiß. daß sie mit ihm keine verwanvl- schaftffche Beziehungen verbindet." So und ähnlich redete Herr Dijon und weckte zwar Entgegnungen, aber wegen seiner zuvorkommenden Haltung auch wieder solche Tank- und Hoffnungsgesühle in Mariannes Brust, daß sie ihm zärtlich und gerührt an den Hals flog. Um dieselbe Zeit fand zwischen dem Propst Erwins und Paul Halbe ebenfalls eine Unterredung statt und ihr. Inhalt hatte iifforern eine große Aehiüichkeit mir jener, als auch aus der einen Seite voller Enthusiasmus war und sich auf der anderen schwerste Bedenken geltend machten. Eben trat der Propst aus seiner allgew ahnten milden Ruhe heraus und sagte ra'ch und etwas ungeduldig eifrig: „Ganz schön, ganz schön, was Tie sagen, 5^571 Ttktvr* dlkk>7 ^7k» kurrpn kann nifs-.k kic» Ibren Estern lcktor! Ader Sie dürren dann nicht fortwährend die Liebe ;n betonen. Um derentwillen, die volle Anrechte auf Ihre Rück- Trang nach Ruhm gestaltet nch. weil er mit den Erfolgen wächst, zu einer schweren Krankheit, er verdirbt meistens den Charakter. Und was will denn der Mensch in der Welt? Tech glücklich sein ! Nicht wahr? Tieie Künstler- lau'bahn har wohl noch niemals einem Menschen rechte Zufriedenheit ver schafft ' Ein zehrendes Fieber wühtl in seiner Brust, dessen Lual ihn nicht kür den vorübergehenden Beifall zu entschädigen vermag. Dieselbe Menge läßt um irgend einer Kleinigkeit willen den von ihr Bewunderten ebemo katt herzig wieder fallen, wie ne ihn verhöffchelte, setzt ihn gar höhnisch herab und vergißt ihn mit unheimlicher Schnelligkeit!" Und warmherzig schloß der Provst: „Lieber Herr Toktor! Ich spreche sehr gegen Sie. fast klingt's wohl lieblos. Mich leiten-aber, glauben Sie es mir, die besten Gesinnungen für Sie. Ich bitte Sie nochmals inständig, lassen Sie ab! Gehen Sie den besonnenen, sicheren Weg. den Ihre Vorbildung Ihnen voffchreibt. Machen Sie den alten Leuten, die. mag es Vorurtdeil sein oder nicht, nun einmal in einem Komödianten nichts Anderes erblicken als einen brotlose Künste treibenden Memchen, nicht diewn Kummer. Aus Sie. Sie richteten sich für Belletristische Beilage zu den »Dresdner Nachrichten". Seite 3VS. soausivcieu mir eurer cur ^ryre -vervaunine panenoen ,;rau grunoen wurm war und ist ihre Zukunftshvffnung. Also! Schlagen Sie ein! Verzicht Cie! Bringen Sie aus L.nnk für alle Liebe und Sorge Ihren Ueberzengung dieies Opfer. Sie werden, wird es Ihnen heute schwer, einst mir und s *hr Alter alle ihre Sinne! Der Gedanke an Ihr Wohl, Ihr Fortkommen. Ihr Ansehen beschäftigt sie ausschließlich. Daß Sie sich später ein geordnetes Hauswesen mit einer für Ihre Verhältnisse paffenden Frau gründen würden. ' -' — - . ----- - - " zlchmil gen , , sich selbst danken, wenn Sie tiefere Einblicke in Welt und Leven und insbesondere in diese Welt der Schminke gelhan haben! Glauben Tie mir. dem älteren, erfahreneren Manne!" Einen Augenblick schwankte Paul Halbe bei dieser eindringlichen Sprache. Sein Her; war edel und empfänglich. Neben dem Höchsten, dem er demiühig sich beugte, standen seine Estern ihm am nächsten. Aber dennoch ging aus diesem Kampf der alte Entschluß hervor. „Ich kann nicht, Herr Provst! Ich kann nicht! Gebieten Sie Plötzlich der Anffel, wie eine Nachtigall zu flöten oder umgekehrt. Sie vermag cs nicht In jedes ihrer Geschöpfe legte die Natur eine Eigenschaft, ein bestimmtes Vermögen, einen Trang. einen Trieb! Ost gelangt dieier, gelangt die Befähigung für einen bestimmten Erwerbszweig erst sehr spat und erst dann znm Bo>'chein. wenn der Beruf bereits erwählt wurde. Man vermag iniolgedeffen täglich die Wahrnehmung zu machen, daß Menschen nicht aus ihre», richtigen Platz Uehen uns deshalb auch nur Mittelmäßiges leisten. Und noch eines bestimmt mich neben dem in mir wohnenden.. lünstlich znrnckgeürängten Trieb^znr Bühnenkunst! Ich muß und will der Unwahrheit ein Ende machen, einer Sache zu dienen, die nach meiner innersten Ueberreugnng faljch gehand- haöt wird, s.ie ^chntc in ihrer jetzigen Faaon hat sich gegenüber de» völlig anderen Lebenseriordernisse» überlebt. Gute, pilichttreue. mit praktischen, aus die Verwcrthnng sür'S Leben berechneten Kenntnissen versehene Menschen brauchen wir, nicht durch die zwecklose Quälerei mit asten Sprachen und das Zuviel anderer Tiszipünen schon früh an sich irre gewordene und damit bis zum Schuladgaiig »ntzlvS angestrengte junge Leute. Es mag sein, dag meine Ansichten falsch und! Ich kann aber eben »nr io denlen und eigne mich deshalb nicht zum SchulstaalSdiener. In jedem Fall nehmen Sie innigsten Tank. Herr Propst! Tic mühten sich mit einem fremden Menschen ans bloßer Herzenssreundlichkeit. Ich werde es Ihnen nie vergessen. Meine hvhc Verehrung für Sie wird nie in meinem Innern erloschen " Nach diesen Worten streckte er dem Propste die Hand entgegen, sprach »och einige rücksichtsvolle Worte, die der Familie des Geistlichen galten, und verließ das Gemach. -* * Als er im Hause anlangle, fand er seinen Vater nicht anwesend. Er war in der der Wohnung gegenüber liegende» Tomkirche, um Fremde», die Karten zur Besichtigung des Gotteshauses gelöst, als Führer zu dienen. Ader seine alte Mutter, eure schneeweiße Haube aus dem Kops, mit seinen, gefestigten Zügen, guckte, als die slirmpstlriigende Glocke aiiichlng und Paul aus den Haiistllir trat, von der Küche um die Ecke, nickte mit stillem, freund lichem Blick und sagte, erst seine Frage nach dem Vater beantwortend: „Bist Tu sehr hungrig, mein Junge, oder können wir warten ?" „Gewiß. Mutter, wenn Teine Suvpe nicht auflässig wird!" erwiderte er launig, trat ihr näher und umschlang sie mit seinen Armen. Und in's Plattdeutsche übergehend, fuhr er in neckenden Reimen fort: ^Wat giftet denn hüt, mm Dludder „Ne, min Paul! Pankoken hev il nich. Abcrs ik hev en Höhncrsnpp mit sine Mehlklümv, grad so, as Tu se magst, — un denn hev ik en lütte Fisch, grad söc uns drce. un Kückenbrad'n, mit Arsen so deel, as Ii wullt" „Töte Mudder! Wat geiht Ti an! ? Drce Gerichlen? Tu warst ja en Beriwenner!" „Ne. min Jung. AberS Tu Heft vergcten, wat wi hüt für» Tag het! Uns Hochtieddag, Pani! Un Tinnen Vcdder — nich wahr^ min Paul, Tu dcihst ini de Leev — seggit Tu hüt an düsen Festdng, dnt L» de olle Kourö- diantengeschichlcn in de Eck ichmielcn deihst un wedder unser lntinschc Schul meister sin »n bliesen wist?!" „Ach, Muster. Mutter —" seufzte der Mann bei diesen Worten ffcf- beschwert und mit einem plötzlichen heißen Naß in den Augen Auch zog er sie — mochte aus dem Herd braten, was wollte - in die gerade offenstehcude Wohnst» e, ließ sie sich niedersetzen und sagte weich: „Ich kann nicht - ich kann nicht, meine liebe Mutter! Ich habe es eben dem Provst auch erklärt: Es muß unumstößlich so bleiben, wie ich Vater und Tir gesagt habe." Und sie. die cs hotte, entgegnet? nichts, aber ihre Augen verschleierten sich von Neuem, also, daß die Tinge rings »m sie herum verschwamme». Tie feine Gestalt iank zusammen und ein solcher Ansdruck von Trostlosigkeit, gemischt mit einer ihrer tiefen Liebe zu dem Sohne entspringenden Ent'agung, trat in ihre Züge, daß dem Mann schier das Her; überguoll. Würde ne nochmals Einwendungen gemacht, gar hatte Worte gesprochen haben, würde sich rein Inneres doppelt Verhärtet haben. Aber vornehme Art weckt vornehmes Tenken und Fühlen! Und eben wegen dieser grenzenlosen Betrüdniß in den Zügen der für ihn über alles geliebten Frau, eines An blicke-, denen er nch in dem nachfolgenden Wirrwarr des Lebens noch oft voll zehrender Wehmuth erinnerte, würde er vielleicht doch sein stürmöches Ich bezähmt, dcmwch den ungeheueren Kampf zu Gunsten der Seinigeu auS- gekämpst haben. Aber dann trat Marianneris Bild vor seine Seele, sie, mit ihrer dunklen Gestalt. Mattanne mit ihrer Begeisterung und ihrem Vertrauen aus die Un verbrüchlichkeit seiner Zusage. Und weil dem so war und well er zugleich ihr. die so litt, lindernde Tropfen in das trauernde Her; gießen wollte, sagte er. sie sanft und liebevoll umfassend: „Hör' mich. Mutter, und laß Tir ettvas sagen, was ich Tir noch nicht mittheilte! Wenn ich Lehrer bleiben muß, >'o werde ich mein Lebtag unglücklich sein! Tu aber wolltest doch, nachdem Tu mir das Leben schenktest und mich nnferzogst. nicht, daß ich in Unfreudigkeit und lleber- druß mich hinschlevven sollte! Was in mir ist, kommt von Gott l Denke es. glaube es! Wir können die Wege der Vorsehung nicht erforschen. ES sollte !o sei», daß ich erst sehend wurde, nachdem ich so alt geworden. Es mußte eine Prüfung vorhcrgehen, bevor sich mein Wille erstarkte! Und wisse. Mutter! Ich liebe ei» Mädchen, das mit mir denselben Schritt untcmimmt. Fräulein Marianne Dijon. Sie war. Du weißt, ans dem Gut Haxter. Ich lernte sie kennen und schätzen. Aus der Rückreise eröffneten wir uns in unseren gemeinsamen Wünschen und ich hoffe es, auch sie ist mir gut I Und denke, wir Beide erreichen das Ziel! DoS ist dann doch etwas Anderes, als in einer kleinen Stadt den Staubkittel der Schule tragen. Kinder lehren, meist ohne Tank, trotz aller Aufopferung, sich muhe». Lindere zu erziehen, während der Erzielter bis nn'S Lebensende an sich selbst täglich zu seilen hat! Er» abwechseluugslvscs Ackern ans immer demselben Bode» ist es allermeist. Das büchst Erreichbare ist ein engeres geistiges Zusammenwirken mit der ältere» Jugend, in sie Begeisterung hineinzulcgen für das Große. Schöne. Gute und Wahre. Aber es tritt immer wieder zurück vor dein ui bewältigenden lobten Lehrstoff. Welch' andere freie, große, ungebundene Wett thut sich vor mir ans! Ich werde mich mit de» Geisieslhaten unserer großen Männer beschäf tigen. ich werde das, was sie erdachten, in Leben umwandeln und io ei» anderer Lei,rer, ein Lehrer der Menschheit, der Großen, der Jugend, der Männer und der Franc» werde»! Ich bitte Dich. Iheuere. einzige Mutter, gieb Tu mir wenigstens Deinen Segen! Ich beschwöre Dir hier." der Mann kniete nieder und dengle sei» .Haupt an ihren Schoos;, „daß ick ein tadelloser Mensch bleiben will, daß ich Dir Ehre machen werde! Nun. Mutter. Mutter Sic kannte nicht nnlworten, nicht daS sagen, was er wollte. Ihr Haupt Merle, es flog hm und her und wieder trapste cS unaushaltsam aus den Auge». Tan» aber, »ach einem nochmaligen Anlauf, als er ihre Hände küßte, koste sie sie vo» seinen Lippen, erhob die Reckte, legte sie sanft aus sein Haupt und slüstettc: „In, mein liebes Kind! Du hättest auch meinen Segen obne Deine Bitte! Ich weiß es und ich sichle cs. daß D» Redliches willst, wenn ich es auch nun emmnl nickt als Dein Glück ansehen kann. Dock der liebe Gott lässt ja nie Die zu Schande» werden. Die ernstlich GnteS erstirben. So wollen wir hoffen und dem Hunmel vertrauen. Auch darin, daß er Dir das Herr des Mädchens, das Du liebst, zniveiidrl. daß sie einst Deine Fran wird! Auch sie hat meinen Segen und ich will sie als meine liebe Tochter anlrdrn. sobald Du sic zu uns suhlst. Doch nun stehe auf, mein Junge I Vater kommt. Ich höre ihn draußen! Und noch eins, Paul: Sage chm heule noch nichts, sage ihm, daß Du ihm morgen eine bestimmte Antwort geben willst. Wir wollen uns den Tag nicht — verderben." . * In dem Wohnzimmer der Villa Dijon saßen der frühere Menbahndlrrktor. seine Fra» und Marianne in eine», sehr bewegten Gespräch zusammen. Aber auch Imbette, die ältere Tochter des HanirS, .»zwischen von einer Rette nach Hamburg znrückaekchrt. war zugegen und richtete einen stummen, grollenden Blick auf ihre Mutter, die eben, nachdem Herr Dijon seinen Vortrag beendet hatte, i» bcsinuuiiaslvscr Erregung ans ihre Tochter Marianne rinsprach. Wie ein Wasserstrahl stürzte es von ihre» Lippen und nirdmchnirttrmd klangen ihre Worte: „Mein Gott, was sind das nun wieder für abeutrue» liche Sachen! Wenn ich nur wüßte, wie Ihr beiden Mädchen zu einem solchen Zigrunerblnt knnunt! Immer draußen sucht Ihr Euere Brirtedlgnng. immer im Abweichende»! Könnt Ihr Ench denn nicht arnüaen, wie andere Mädchen? Könnt Ihr nicht in Pflichtübung. Hänsttchkeit, Sitsiamketl Euere Ausgabe suchen und finde»? Schnnipikleri» »»erden! Wabrttch! Nichts kann meinem Ohr nnguiisliger klingen, als dieses Wort, lind nun gar eine meiner Töchter! Der bloße Gedanle macht mich sch»» trank I Hast Du denn icmals etwas Anderes als tlnvortheilhnstes von dteien Damen gebärt k lind ist es und war es nicht auch berechtigt ? Alle, fast Alle sichren einen »nsitt- l-.cheu Lebenswandel Macht wirllich einmal Eine eine Ausnahme, io ist sie in Begleitung einer Schwester oder Mutter! Sonst vergehen sie insaeiammt Ich wünsche aber eine iestrhe Rolle der Daia nicht zu spielen I ES fehlt mtr icde Lust und jede Begeisterung, mit Dir durch die Welt zu ziel»'», damit Du vielleicht einmal Dedornh oder eine andere uns Effekt berechnete Rotte zu gebe» vermagst, sie io zur Darstellung bringst, daß ber Kritiker sagt: Es war eine niigemcssene Leistung! Das ist ich»» bet den beutigcn Ansprüchen viel' Berühmt, mit Recht berühmt werde»? Ja. und was daun? Was habt Ihr erreicht ? Daß rin nicht zu stillendes Feuer in Eurer Brust angeiack« wird, daß Ihr sirr normale, tür friedliche, häusliche Vrrhällniffe verdorben seid Immer wieder lechzt dir »r Eilrlkeit genährte Seele nach nenem Weihrauch " .Aber Mama I ES »lebt doch Ausnahmen. Die Kunst kämpft, bas ist lern altes Wort. Ader die Beschäftigung mit ihr ist rin edles, heiliges Bemühen!" „Ja. ja! Das sind Schlagworlel Ilse Jünger vereinigen selten ein wahrhaft großes Gelingen mit verständiger Beschul»!»»» und einem Lebens wandel. wie ihn Religion und Sitte »orschreibrn l lind deshalb sage ich nein, nein »ird nochmals »ein! Will Drin Vater dieser Tliorhett. btesrn das Mißlingen an der Stirn tragenden Abenteuerlichkeit Vcnschnb tristen, so nrnh er ja wrise», wntz er timt. Jchhelie nicht einnrnl dnbel. Dir sitr eine» bloßen Vernich den Koffer zu packen, und gehst Du hin»»S, erwarte nicht, daß tch auch nur Deine Briefe beanlworle " Nach dieier erriiriligeri und heiligen, besonders von Marianne durch Ein schaltungen unterbrochenen, aber pergcblich in ihrer» «stritt gesinnten Rede sprach zunächst Keiner. Jmberte sah aus Marianne, die dasas, mit einer Miene, in ber Schmer» cind Enitäirickring nril der Erwägung kämpften, ob sie nicht durch gnlr Wo dennoch ihre Mutter erweichen könne. <^orls?tzm'q Tcmnlifl l Rate
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