11 Das Orchesterspiel und das Studium der instrumentalen Kammermusik sind das ureigentliche Berufsfeld des Orchester- Instrumentalisten. Die obligatorische Bedeutung dieser Fächer ist selbstverständlich. Ein Instrumentalschüler, der nur in seinem Hauptfache Unter richt erhält, kann äusserlich ziemlich weit gefördert werden. Aber er erlangt dennoch nur solistische Fertigkeit und technische Routine, die jeder Oewerbsmusiker durch langjährige Praxis ebenfalls erwerben kann. Das Wesen der Tonkunst bleibt ihm fremd. Es fehlt ihm das Begreifen seiner eigenen Tätigkeit und er verkennt und überschätzt deshalb sein Instrument und seine erworbene Technik. Zur Künstlerschaft genügt es nicht, zu wissen, was und wie es zu tun ist Denn diese Fragen löst auch der Handwerker, dessen Arbeit wie die seinige den Stempel des mechanischen Handelns trägt, so lange er sich nicht um das „Warum “ kümmert. Die theoretische Ausbildung geht mit der musikalischen Hand in Hand, die Ausbildung in der Technik eines Instrumentes ist da gegen überwiegend mechanischer Natur. Das geistige Element ist es, was die Musik zur Ton kunst, den Musiker zum Künstler erhebt. Die Kunst theorie, die Wissenschaft der Kunst, dringt in das Wesen der Sache ein. Sie trennt den gesamten Stoff in einzelne Wissens gebiete und befasst sich mit den Erkenntnissen, Lehrsätzen, Urteilen und Begründungen, bietet also die Resultate der bis zu einem gewissen Stadium der Kunstentwickelung abgeschlossenen geistigen Arbeit. So notwendig, wie jedem Maler bez. Bildner das geistige Begreifen der Körper ist, ihrer Materie, ihrer Dimensionen, ihrer Belichtung, ihrer Verhältnisse zu anderen Körpern, so notwendig, wie er der Lehre von den Körpern, vom Lichte, von der Perspek tive und der Projektion, von den Farben und dem Kunstmateriale bedarf, ebenso wichtig und unerlässlich ist für jeden Tonkünstler die Lehre vom Klange, von den Intervallen, der Harmonie und Rhythmik, von der Melodie und Gegenmelodie, von den musikalischen Formen usw.. In der Pflege der Einzeldoctiinen besteht die Gewiss heit, dass der Stoff rationell und erschöpfend behandelt wird. Nicht die Kenntnis der gesamten Musiktheorie kann von jedem Tonkünstler erwartet werden, denn sie bildet ein Berufs gebiet für sich allein. Aber jeder Tonkünstler soll und muss diejenigen Kenntnisse besitzen, welche der Be deutung seines Hauptfaches im Gesamtbereiche der Ton kunst entsprechen und durch die er imstande ist, das Wesen, die innere Bedeutung des Ganzen klar zu er- kennen, dem er als Glied angehört und dem er mit seiner ..Künstlerschaft“ dienen will.