Bachs Markus-Passion 27 Parodien sind 1 ). Von all dem können wir in der Markus Passion nichts mehr erkennen, da die Vertonung des biblischen Berichtes verloren ist. Unerkennbar bleibt für uns ein weiterer wichtiger Faktor des Gesamtauf- baus, die Tonartenordnung. Hier helfen uns auch die wiedergefundenen Sätze nichts. Denn bei den Parodien ändert Bach sehr häufig die Ton art. Mir ist es z. B. durchaus unwahrscheinlich, daß „Falsche Welt, dein schmeichelnd Küssen" in der ungewöhnlich tiefen Lage von «Widerstehe doch der Sünde“ gesungen wurde. Auch die Choräle, die wir bei C. Ph. Em. Bach glaubten entdecken zu können, geben keinen sicheren Anhalts punkt; denn, wie ich schon sagte, änderte C. Ph. Em. Bach gelegentlich die Tonlage der Sätze bei Aufnahme in seine Sammlung. Es bleiben, wie mir scheint, nur zwei Gebiete, auf denen wir von der Markus-Passion als ganzer noch etwas feststellen können: Die Instrumen tationsordnung und die Zahlensymbolik. Ich beginne mit der Instru mentation. Zwar ändert Bach auch sie bisweilen beim Parodieren; jedoch behält er sie häufiger bei als die Tonart, zumal wenn der Affektgehalt des neuen Satzes dem des Vorbildes nahe verwandt ist, wie wir von unse ren Sätzen sagen müssen. Die Ecksätze des ganzen Werkes haben vollste Instrumentalbegleitung: Zwei Flöten, zwei Oboen d’Amore, zwei Violinen und Viola, zwei Gamben. Der erste Teil schließt mit Choral, bei dem wir Mitgehen aller Instrumente annehmen dürfen. Der Eingangssatz des zweiten Teiles, nicht so stark betont wie Anfang und Schluß des Werkes, bringt eine Instrumentation, die bescheidener ist als die der Ecksätze des Ganzen, in der aber doch alle Farben vertreten sind: eine Flöte, eine Oboe d’Amore, zwei Violinen und die Gamben, letztere unisono. Es bleiben die dazwischenstehenden Arien. Die drei Arien des ersten Teiles sind nunmehr alle wiedergefunden. Ihre Instrumentation ist wichtig: »Mein Heiland, dich vergeß ich nicht“ ist von zwei Gamben begleitet; »Er kommt, er kommt, er ist vorhanden" läßt die andere Streicherfamilie erklingen: zwei Violinen und Viola; »Falsche Welt“ schließlich kombiniert dieFarben der beiden vorhergehenden, indem zu zwei Violinen und Viola eine Gambe tritt. Ich bin mir dessen bewußt, mich auf hypothetischem Boden zu bewegen; denn dieser Beschreibung der Arien liegt die An nahme zugrunde, daß Bach die Instrumentation der entsprechenden Sätze der Trauerode bei ihrer Übernahme in die Markus-Passion beibehielt, und daß auch die Begleitung von »Widerstehe doch der Sünde“ dieselbe blieb wie von »Falsche Welt, dein schmeichelnd Küssen". Ich glaube aber, wir sind zu dieser Annahme berechtigt, vor allem weil sich hier eine feine Abtönung der Farben ergibt, zu der wir aus Bachs Werken zahlreiche *) Ich denke z. B. an das Duett ,,Herr, Dein Mitleid“, dessen Themakopf in dem Rezitativ ,,Er hat sein Volk getrost“ schon zweimal anklingt.