14 Hans Eppstein drucksmäßig wesentlich von diesen, sei es nun, daß sie lyrisch-kantabel ge halten sind wie in E II, spielerisch-bewegt wie in A II oder nur allgemein entspannt wie in einigen anderen Sätzen. Die Soloabschnitte (deren Thema tik auch, wie in c II und G V, dialogisch sein kann) haben im Gegensatz zu den V-Sonaten immer gemeinsames thematisches Material; normalerweise sind es zwei, die sich voneinander vor allem durch Austausch der Ober stimmen und Tonartwechsel unterscheiden. Quasi-Tuttieinwürfe des Haupt themas kommen regelmäßig vor. Die Fugenthemen als solche sind länger als in den V-Sonaten und vor allem in viel höherem Grade als diese „Cha rakterthemen“ (nach H. Besselers Terminologie 11 ); als Ganzes sind die Fugensätze bedeutend kürzer als in den V-Sonaten und von klarem Aufbau, wenn auch - trotz der häufigen Da-capo-Form - das rationale Moment nirgends so stark betont erscheint wie in der Fuge von V/C. Die vier übrigen Allegrosätze (drei davon Finales) vereinen fugale Technik mit Zweireprisenform ungefähr in der Art fugierter Giguen, machen auch in h IV und c IV im zweiten Teil Gebrauch von der Umkehrung des The mas. Eigenartig ist der Satz f II; zwar ist er als leichteres Gegengewicht zu dem ungewöhnlich langen und lamentosen einleitenden Largo gedacht, was sich nicht nur in der suitensatzmäßigen Gesamtform, sondern auch in der Einführung eines spielerisch-graziösen Seitenthemas (T. 16) ausprägt, doch wünschte Bach sichtlich, ihm etwas von der Bedeutsamkeit eines ersten Allegros zu bewahren, gab ihm darum ein viel gewichtigeres Hauptthema als anderen Zweireprisensätzen und führte - auch dies wieder eine Aus nahme - das Thema zu Beginn der zweiten Reprise sofort wieder ein, wenn auch rein technisch als Kontrapunkt zu einem neueingeführten Thema. (Entsprechend komplex ist auch der Charakter der abschließenden Tutti- fuge: sie ist kurz und finalmäßig leichtbeweglich, aber nicht heiter-ent- spannt, sondern von febriler Unrast; mit ihrer Erregtheit und Affekterfüllt heit sprengt sie den Rahmen des „normalen“ Finales, kommt aber dadurch an Bedeutsamkeit den übrigen Sätzen dieser wohl eigenartigsten unter Bachs V/Kl-Sonaten gleich.) Die Veränderung der spiel- und satztechnischen Gegebenheiten wie auch der Übergang von im eigentlichen Sinne solistischer zu Ensemblemusik führte also Bach, als er sich von der Komposition für Solovioline der für Melodieinstrument und obligates Klavier zuwandte und hier eine für ihn endgültige Form in den V/Kl-Sonaten fand, zu einer in vielen Stücken andersartigen Verwirklichung der Sonatenidee. Geblieben ist vor allem das Da-chiesa-Konzept und die Tuttifuge, diese nun in definitiver Ausprägung. Neu ist eine vergleichsweise moderate Gesamthaltung: während die be setzungsmäßige Exklusivität und spielmäßige Ungebundenheit der V-So- naten zum quasi-impro visatorischen Rubatostil der einleitenden Sätze, zu den enormen Dimensionen der Fugen, zu rücksichtslosen spieltechnischen An- 11 Vgl. H. Besseler, Bach als Wegbereiter. In: AfMw 12, 1955, S. 1—39.