Neue Quellen zu Johann Sebastian Bachs Violinsoli (BWV 1001-1006) Zur Rekonstruktion eines wichtigen Überlieferungszweigs Von Tanja Kovacevic und Yo Tomita (Belfast) Seit dem Erscheinen des Kritischen Berichts zu den im Rahmen der NBA ver öffentlichten Sonaten und Partiten für Violine solo 1 tauchen immer wieder neue Abschriften entweder der vollständigen Sammlung oder einzelner Werke auf. Zu den jüngsten Erweiterungen der Quellenliste gehört eine Gruppe von Abschriften, die einem Überlieferungszweig Berliner Ursprungs angehören (drei der Abschriften wurden auch in Berlin angefertigt). Zwei Quellen aus dieser Gruppe waren der Forschung bisher nicht bekannt, andere wurden in der einschlägigen Literatur nur kurz erwähnt. 2 Eine weitere noch nicht ausge wertete Abschrift liegt außerhalb des hier untersuchten Überlieferungszweigs und wird daher im vorliegenden Kontext nicht berücksichtigt. 3 Die Herkunft einer bereits seit langem bekannten Quelle (P 573) hingegen muß angesichts der hier darzulegenden Erkenntnisse neu bewertet werden. Zudem wird unsere Studie weitere Indizien zur Überlieferung von Bachs Autograph beisteuern, dessen Besitzgang für die Jahre vor 1842 bisher noch ungeklärt ist. 4 1 NBA VI/1 (G. Haußwaid. 1958). : Der umfassendste Überblick zur Quellenlage findet sich bei C. Fanselau, Mehrstim migkeit in J. S. Bachs Werken fiir Melodieinstrumente ohne Begleitung, Sinzig 2000, S. 319-341. Fanselau hat sämtliche „versprengten Hinweise“ auf die erhaltenen wie auch die verschollenen Quellen gesammelt, gesteht aber ein. daß „diese Indizien ... zunächst nur Bausteine“ sind und hofft, „daß sich daraus später einmal ein voll ständiges Mosaik und eine schlüssige Filiation aller Quellen ergibt“ (S. 331). D-SW1. Mus. 942. beschrieben bei Fanselau (wie Fußnote 2). S. 334-335. Zu weite ren Hinweisen auf den Vorbesitzer der Handschrift siehe NBA IV/11 Krit. Bericht (P. Wollny. 2004), S. 180-184. 4 Die Inschrift auf dem Vorsatzblatt des Autographs (P 967) lautet „Louisa Bach I Bückeburg I 1842“. Haußwaid vermutet, daß die Handschrift nach Bachs Tod in den Besitz von dessen zweitjüngstem Sohn Johann Christoph Friedrich überging. Dieser vererbte sie an seine Tochter Christiane Louisa Bach (1762-1852), auf die sich die Widmung höchstwahrscheinlich bezieht (vgl. NBA VI/1 Krit. Bericht, S. 25). Peter Wollny hat vor einigen Jahren die Möglichkeit erwogen, daß die Handschrift erst 1842 in den Besitz der Familie gelangte. Siehe J. S. Bach. Drei Sonaten und drei Partiten fiir Violine solo BWV 1001-1006. Revidierte Ausgabe von Peter Wollny, Kassel 2001, S.V.