Ein weiterer Kantatenjahrgang Gottfried Heinrich Stölzels in Bachs Aufführungsrepertoire? Von Andreas Glöckner (Leipzig) Erst unlängst haben Marc-Roderich Pfau und Peter Wollny anhand zweier bislang unbekannter Texthefte zur Leipziger Kirchenmusik die Aufführung von acht Kantaten Gottfried Heinrich Stölzels in den Hauptkirchen St. Nikolai und St. Thomas - und zwar im Zeitraum vom 13. bis 19. Sonntag nach Trini tatis 1735 - belegen können. Es handelt sich dabei ausschließlich um Werke aus Stölzels ..Saitenspiel"-Jahrgang (Das I Saiten-Spiel 1 des I Hertzens, I Am Tage des HErrn. I Oder: I Sonn und Fest-tägliche I CANTATEN), dessen Libretti der schlesische Theologe und Liederdichter Benjamin Schmolck (1672-1737) verfaßt hat. Die Autoren sehen es darüber hinaus als erwiesen an, daß Johann Sebastian Bach den vollständigen Kantatenzyklus vom 1. Sonntag nach Trinitatis 1735 bis zum Trinitatisfest 1736 zur Aufführung brachte. 1 Bei meiner Arbeit an einem Verzeichnis des historischen Musikalienbestands der Leipziger Thomasschule 2 wurde ich auf einen weiteren Kantatenjahrgang ' M.-R. Pfau, Ein unbekanntes Leipziger Kantatenheft aus dem Jahr 1735 - Neues zum Thema Bach und Stölzel, BJ 2008, S. 99-122; P. Wollny, „Bekennen will ich seinen Namen “ - Authentizität. Bestimmung und Kontext der Arie BWV 200. Anmerkungen zu Johann Sebastian Bachs Rezeption von Werken Gottfried Heinrich Stölzels. eben da. S. 123-158, speziell S. 137-147. 2 Die Bibliothek der Thomasschule zu Leipzig und ihr historischer Musikalienbestand (Teil 1). Der in Vorbereitung befindliche Katalog ist Teil einer Studie zur Geschichte des Thomaskantorats im 17. und 18. Jahrhundert. - Der historische Musikalienbe stand der Thomasschule ist im wesentlichen verzeichnet in einem handschriftlichen Katalog, den der „Kantorfamulus“ Emst Führer (1902-1974) im Jahre 1920/21 an legte. Nachdem die Thomasschule bei dem schweren Bombenangriff auf Leipzig (in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943) leicht beschädigt worden war. wurde das Gebäude wegen der Gefahr weiterer Angriffe evakuiert. Der Thomaskantor Günther Ramin begab sich noch am Abend des 4. Dezember mit den Alumnen nach Grimma, wo sie bis Kriegsende in der Fürstenschule untergebracht werden konnten. Bei der übereilt organisierten Abreise wurden zunächst nur die Zimelien der Schulbibliothek mitgenommen, darunter alle 44 Originalstimmensätze von Bachs Choralkantaten. Über das Schicksal der übrigen, in der Thomasschule noch verbliebenen Handschrif ten liegen bisher keine gesicherten Erkenntnisse vor. Nach schriftlicher Mitteilung von Christof Vollmer-Gerard wurden diese Musikalien nach dem 20. Januar 1944 innerhalb von drei Wochen nach Grimma verlagert und dort auf der Empore der Klosterkirche aufgestellt; siehe Katalog der ausgewählten. (zusammengelegten weit-