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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-08-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188008213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800821
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800821
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-08
- Tag1880-08-21
- Monat1880-08
- Jahr1880
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1880
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.>? M. Lrile Srilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Sonnabend den 21. August 188V. 74. Das Seebad Virppe. * ES ist vielleicht noch eine Holge deS letzten Krieges, -aß die französischen Seebäder von unS Deutschen so viel weniger alS sonst besucht werden. Das m der Normandie gelegene aitberühmte Seebad Dieppe, in früheren Jahrzehnten häufig von denjenigen Deutschen aufgesucht, welche eine weitere Reise nicht scheuten und die zugleich auf der Hin- oder Rückreise «inen Aufenthalt in Paris nehmen wollten, kann dem Ab wechselung suchenden Badegaste auch beute warm em pfohlen werden. Wie schcn oben erwäbnt, findet man Landsleute sehr wenig; die Gesellschaft setzt sich zur größeren Hälfte auS Engländern und im Uebrigen fast durchgängig auS den soliden Elementen der guten französischen Gesellschaft zusammen, während der Strom deS eigentlichen Pariser Lebens in dem nicht fernen Trouville wogt. Bon Paris auS, welches wir von hier über Köln in 24 Stunden erreichen, gelangt man mit den Schnelllügen der Westbahn in 4, resp. 5 Stunden nach Dieppe. Die Bahn überschreitet auf dieser Strecke mehrfach die Seine, oder führt an deren Ufern hin, bis man dieselbe, nachdem man die alte, schön gelegene Stadt Rouen vassirt hat, auS den Augen verliert Dann durchfährt man einen äußerst fruchtbaren, waldreichen Theil der Normandie und erreicht endlich, nach Passirung zahlreicher, oft recht langer Tunnel die alte Stadt Dieppe. Wenn man nicht schon eine bestimmte Wohnung in Aussicht genommen hat, so ist eS jedenfalls anzu- rathen, sich eine solche am Strande zu wählen, wo die elegantesten Hotels und die besten Privatwohnungen liegen. Die zahlreichen Wohnungen inmitten der Stadt sind, wenn auch jedenfalls etwas billiger, doch unseren Anforderungen an Comfort, Reinlichkeit und gute Luft nicht entsprechend. Zudem sind die Haupt straßen der inneren Stadt ungemein lebhaft und be ständig von dem Geschrei der herumziehenden Aus rufer und Händler durchhallt. Die am Strande ge legenen Hotels, von denen daS Hotel Royal das eleganteste, ab«r auch theuerfle ist, bieten dem Badegaste außer höchst comsortabel ein gerichteten, theilweise nach der See zu ge legenen Zimmern, jede gewohnte Bequemlichkeit, vorzügliche Küche, reichhaltige Lesecabinets und dergleichen mehr. — Die empfehlenswerthesten sind: Hotel de Dieppe, Hotel Bristol und Grand Hotel des BainS. In dem letztgenannten erhält man Zimmer von 4 Francs an, doch wird dieser Preis »n der Höhe der Saison, also im Monat August, gesteigert. Für die tsble ä köte zahlt man 5 Francs ohne Wein, tägliche Pension kann man schon von 8 Francs an haben. Die Bedienung ist «ne aufmerksame und (eine für uns Deutsche gewiß nicht zu unterschätzende Annehmlichkeit) die Kellner sind zumeist Schweizer und sprechen »um großen Theil unsere Mutter sprache. Der Strand von Dieppe erfreut sich einer Zierde, welche die meisten Seebäder entbehren. Zwischen den obenerwähnten Hotels und dem Meere liegen circa ISO Schritt breit, in Ausdehnung von nahezu I Kilometer, die schönsten grünen vollkommen ebenen Wiesen und bieten nicht allein den Badegästen den prächtigsten Raum für Spaziergänge und Spiele, sondern sie gewähren auch dem durch daS Glitzern deS bewegten Wasserspiegels ermüdeten Auge den nöthigen Ruhepunct. Bei einem Badeaufenthalte, welchen der Kaiser Napoleon kurz nach seiner Ver mählung mit ferner zungen Gemahlin hier nahm! wurden diese schönen Anlagen unter specieller An gabe der Kaiserin tracirt und sie hat sich gewiß da mit, bei jedem Badegast wenigstens, eine dankbar« Erinnerung geschaffen. Einige Jahre später wurde von der Stadt mit einem Kosten aufwand« von 170,000 Franc- das unmittelbar am Strande liegende Casino erbaut, nach Versicherungen der Einheimischen eine- der schönsten Frankreichs. Der Badegast wird gut thun, sich sofort für die Zeit seines Aufenthalts hier zu abonniren; die vielfachen Annehmlichkeiten, die man dadurch genießt, sind sicherlich mit den 28 Francs, die man für daS Abonnement in der Dauer eines Monats für eine Person erlegt, nicht zu hoch bezahlt. Da der Platz, auf dem daS Casino erbaut ist, sowie der Theil deS Strandes, der an seiner Front liegt, abgegrenzt ist, so entwickelt sich nothwendiger Weise hier das eigent liche Badeleben von Dieppe und auch die Bäder mit Benutzung einer Cabine zum Aus- und Ankleiden sind nur innerhalb deS Casino-Gebiete- zugänglich. Im Casino finden täglich Nachmittag- von */,4 bi- 6 Uhr Concerte statt, die man bei gutem Wetter im Freien anhören kann. Abends wechseln große Concerte» in denen auch namhafte Solisten Mitwirken, mit zwanglosen kleinen d»!» cle reunion ab. Diese Vergnügungen beginnen '/,S Uhr und enden nach II Uhr; größere Bälle, wie sie wöchentlich einmal stallfinden, natürlich noch später. Ein Flügel de- Casino wird von dem Theater eingenommen, in dem zwei- bis dreimal die Woche gespielt wird. Die übri gen Tage spielt die betreffende Vaudeville-Gesellschaft rm Theater in der Stadt. So wenig die Vorstellun gen der hier gegebenen Operetten unseren Anforde rungen entsprechen, so sollte doch Niemand verfehlen, einer solchen beizuwohnen, wäre eS auch nur, um sich einenBegriff davonzu machen, waS dieLeute hier amüsirt und waS sie so herzlich belachen! — Nicht unerwähnt dürfen wir das im Casino befindliche Lesecabinet lasten, welches erne reiche Auswahl französischer und englischer Zeitungen, illustrirter Blätter und der besten französischen Zeitschriften enthält. Sin Eck pavillon de- Casino rft für Mitglieder von einigen Pariser Clubs reservirt, der entgegengesetzte Pavillon aber dem Publicum geöffnet, daS sich hier mit den sogenannten „petit, jeui" amüfirt. die ein cachirte» Roulette, jedoch weder die Aufregungen noch die Chancen de- letzteren bieten, und daher ziemlich harmlo», um nicht zu sagen kindisch »erlaufen, trotz dem aber der Casino-Gesellschaft einen jährlichen Reingewinn von über 50,000 FrcS. abwerfen sollen. Die Physiognomie der Straßen von Dieppe ist die einer belebten Mittelstadt; in den »zahlreichen Läden kann man zwar so ziemlich Alle- kaufen, doch machen die Kaufleute in ihren Preisen einen so großen Unterschied zwischen Einheimischen und Fremden, daß man bester thut, seine Eouipirung, auch waS die vadekleidung anbetristt, in Pari- zu vollenden, wozu die großen Magazine deS Louvre, deS Printrmp» und von Marche volle Gelegenheit dreien. Außer der alten, meist von Fischern bewohnten Vorstadt le Pollet, die ein paar Spaziergänge wohl werth ist, hat D rppe noch einige demerkenöwenhe Gebäude. Hier sei zuerst daS alte Schloß erwähnt, da-, hoch auf den stell zum Meere abfallenden Krei deklippen thronend, weithin die Landschaft beherrscht. Die Sage führt seine Gründung auf Karl den Großen zurück und später ist eS mehrfach der Schauplatz be- merkenSwerther Ereignisse in der französischen Geschichte gewesen. — Ein andere- sehenSwertheS Gebäude ist die alte Kirche St. JacqueS. Ungeachtet vieler, jedoch nicht glücklicher RestaurationSarbeiten zeigt ihr Aeuße- res reichliche Spuren der Verwüstungen, welche die Kriege früherer Jabrhunderte hier angenchtet haben. Ihre Gründung fällt in da- 18. Jahrhundert, doch ist der Bau im 13., 14. und 15. Jahrhundert fertig gestellt und wohl auch vielfach verändert worden. Im Innern sei besonders auf die wunderbar schönen Steinarbeiten hingewiesen, die an die besten Werke der Renaissance erinnern. Ebenso alt, doch weniger gut erhalten und nicht so imponirend durch ihre Größe ist die Kirche St. Remy. doch sei ihr Besuch Denjenigen, die sich für Älterthümer interessiren, ebenfalls empfohlen. Vor der Stadt, in der sogenannten Balle« gelegen, befindet sich ein Austernpark, dessen Ausbeute einen beträchtlichen Handelsartikel der Stadt bildet, denn eS werden von hier aus jährlich über 12 Millionen dieser Weichtbiere versendet. Ein in unmittelbarer Nähe dieses Etablissement- gelegene- Restaurant giebt Gelegenheit, die Auster, frisch auS dem Master ge wonnen, zu genießen, daS Dutzend wird, je nach der Größe, mrt 1 Frc. 30 CtS. bis 8 Frc-. bezahlt. Rege Schifffahrt belebt die verschiedenen Hafen anlagen von Dieppe: insbesondere wird ein nicht unbe deutender Holzhandel mit Schweden und Norwegen unterhalten. Weiter aber ist die Dampferverbindung mit England sehr frequentirt; den Personenverkehr ver mittelt eine täglich zweimalige regelmäßigeVerbinduna in beiden Richtungen mit Newhavem von wo aus die Eisen bahn die Passagiere in zwei Stunden nach London bringt, so daß man die Hauptstadt England- von Dieppe aus in sechs Stunden erreichen kann. Zu jeder Zeit kreuzt eine zahlreiche FisLerflotille in der unmittelbaren Nähe und auf der Höhe von Dieppe und wird der Inhalt ihrer Netze auf dem Fischmarkt der Stadt, einer luftigen großen Halle in unmittel barer Nähe des Vorhafen-, von den Fischerfrauen zum Kauf ausgeboten. Der Besuch diese- Fisch- markteS ist als ganz besonder- interessant hervorzu heben, nicht allein findet man daselbst die ver schiedenartigsten und wunderbarsten Fischaestalten, sondern eS repräsentiren auch die Verkäuferinnen Tvpen, wie sie origineller und charakteristischer nicht edacht werden können und wie sie alS vorzügliche llustration zu den grausigen Erzählungen auS der eit der ersten französischen Revolution und der Herrschaft der Guillotine dienen können. Heute aller dings ist der Wirkungskreis dieser Weiber durchaus harmloser Natur, sie geben auf Befragen nach allen Richtungen hin in freundlicher Weise Auskunft und merkt man eS ihrem Auftreten unzweifelhaft an, daß sie sich ihrer Würde und Stellung alS Leiterinnen deS Fischhandels wohl bewußt sind. Die Preise für die Erzeugnisse des Meeres sind im Ganzen genommen sehr niedrig; die arme Bevölkerung nährt sich hauptsächlich von dem Fleische der großen Meerale und der an diesen Küsten häufig vorkommenden Hund»- und Katzenhaifische. Auch die Zungen der Stockfische werden alS Lecker bissen mehrfach genoffen, doch will selbst die beste Zubereitung dieses Gericht dem Fremden nicht sehr schmackhaft erscheinen lassen. Die unmittelbaren Umgebungen von Dieppe bieten Gelegenheit zu vielfachen interessanten und reizvollen Ausflügen. Die aus dem Meere aufsteigenden hohen Klippen sind wirksamer Schutz gegen die scharfen und salzhaltigen Seewinde, so daß also eine üppige Vegetation überall sich entwickeln kann. Equipagen stehen allerwürtS zur Verfügung und weitere Au-flüge vermitteln regelmäßige zahlreiche Eisenbahnverbindungen. Im August werden außer dem nahe der Stadt große Wettrennen abgehalten, zu denen sich dann Vergnügungen anderer Art, wie Taubenschießen, Regatten u. dergl. mehr gesellen. — Unbedingt ist eine Reise nach diesem Puncte der fran zösischen Küste als äußerst lohnend und interessant nach den verschiedensten Richtungen hin zu bezeichnen und wird ern reiches Material an Unterhaltung und Erinnerung liefern. WaUwerwüstung. Vor Kurzem hielt Professor Göppert in BreSlau einen sehr interessanten Vortrag Uber die Waldverwllstungen. Zunächst wurde aus die enormen Holzvernichtungen Nordamerika- hingewiesen, wo man systematisch die Wälder »iederbrennt, nicht einmal rodet, um schnell Culturland zu erlangen; von dreizehn der Bereinigten Staaten sind zwei Drittel, namentlich im Westen, ihrer Wälder be raubt. Aber auch in Europa Werve die Frage der Walderhaltung eine immer brennendere. Deutsch land besitze gegenwärtig noch ziemlich ein Viertel seiner Grundstücke mit Wald bedeckt, aber jährlich werde die Fläche kleiner. Trotz unserer Kohlen- vorräthe hätten wir alle Ursache, unsere Wälder für etwa- Bessere- zu halten als für eine große Brennholzniederlage. Leider fallen viele unserer Privatwälder der Axt zum Opfer, und nur die Wälder im Besitz« de- Staate-, der Eommuneu und einiger Großgrundbesitzer werden konservativ verwaltet. Wäre e- allgemeiner zur Einsicht ge langt, welchen enormen Einfluß die Wälder auf den Wasserstand der Flüsse haben, man würde jeden einzelnen Baum schonen. Alle großen Flüsse, namentlich Oder, Elbe, Rhein und Donau, nehmen seit Anfang de- Jahrhunderts beständig au Wasser ab, und Das sei ganz allein der Walvverwitstung zunllchreiben. Nie sei die Natur bewuuderuswerther und größer als im Kleinen, und im Kleinen sehen wir, wie im Großen da- Ganz« «halten wird. Wir ahnen nicht, daß jede- Nein« Moo-, welche- wir zerstören, ein kleiner Wasser-Behälter sei, und in viel größerem Maßstabe sei es der Wald. Sehr bedauernSwerth seren aber Massenabholzungen, wie z. B. die begonnene Zerstörung der pracht vollen Allee zwischen BreSlau und Lifsa, wo Tau sende von alten, zum Theil riesigen Bäumen, nach Meinung deS Redners, zwecklos vernichtet würden. Abgesehen vom Einfluß der Baummassen auf daS Klrma, seien sie eS, welche verhindern, daß fast zwei Drittel des Regen» in die unendliche Tiefe verloren gehen. Die Pflanzen, namentlich die tief wurzelnden Bäume, heben daS Wasser gleich Pumpwerken au- der Tiefe zur Ober- fläche, erfüllt mit nährenden Bestandtbeilen, hervor. Entferne man den Wald, so werde der Boden unfruchtbar; man sehe nur nach Palästina, Grie chenland, Italien, wo seit Jahrhunderten der Wald verschwunden ist. Enorm sei der Einfluß der win zigen Moose auf die Wasserfrage. Unser Torfmoos (SpdLgluimi vermöge das Zwanzigfache seine- Eigengewichts an Wasser festzuhalten, daher seien z. B. die Torfmoospolster der Hochgebirge die eigentlichen Mütter, und noch mehr, die Regula toren unserer Quellen. Sie sammeln daS Wasser und lassen es tropfenweise nach und nach wieder ab. Fehle aber der schützende Wald, so sterbe und trockne da- Moo- dahm, da» trockne nackte Erd reich werde fortgespült, komme ats Sand und Schlamm in unsere Flüsse, deren Bett dadurch er höht werde, so daß wir gezwungen seien, immer kolossalere Uferbauten auszuführen, um nur den Fluß in seinem Bette zu erhalten. Lehmig seien dann die oberschlesifchen Flüsse, deren Niveau oft noch über der umgebenden Landschaft liegt. Auch die Oder bringe stetig mehr Sand und zwinge unS immer höhere Dämme zu schaffen. Dagegen gebe cs nur ein Mittel und daS sei die Cultur der Bäume jeder Art und an jedem nur irgend passenden Ort, an welcher Cultur es auch in Schlesien stellenweise sehr fehlt. Gegen über den baumlosen Flächen und Straßen in Schlesien bemerkt der Vortragende: Wie prächtig präseutiren sich dagegen die meisten Dörfer in Mähren, Böhmen und Ungarn, welche förmlich im Grün ihrer ertragreichsten Obst- und anderer Nutz- bäume sich verlieren. Wo soll für die Oder Wasser Herkommen, wenn alle Wasser-Behälter verschwinden? Im Jahr 1800 besaß Schlesien 4000 Teiche, heute kaum 4—500! DaS sind Zahlen, die keine- CommcntarS bedürfen. „Meine Herren", schloß Geheimrath Göppert diesen Theil seines Vortrags, „ohne vermehrte Baum- cultur hat die Oder-Schifffahrt keine Zukunft. Seit länger al- 40 Jahren suche ich für Schlesien wenigstens für einen Theil der Baumcultur, für Obstbaumcultur, mit hochverehrten Freunden zu wirken; leider geht die Erkenntniß der Wahrheit nur langsam vor sich, und nur klägliche Resultate haben bisher unsere Bemühungen gelohnt. Lassen Sie mich daher an Sie Alle die Bitte richten, auch in Ihren Kreisen für Erhaltung und Neupflanzung von Bäumen zu wirken." Wohl selten haben Worte so schnelle Bestätigung gefunden wie leider in diesem Falle! Denn gleich darauf trat die Oder-Ueberschwemmung ein; daS Wasser de- Himmels stürzte auf die kahlen Ge lände hernieder und rafle, durch Nichts aufgehalten, dem Bette der Oder zu. Königliches Landgericht. Strafkammer II. I. Eines abscheulichen Verbrechen-, der Unzucht mit einem kleinen Knaben, nSachte sich der Handarbeiter LouiS Hermann Thomas aus Lindenau schuldig. Da die Verhandlung unter Ausschluß der Oeffentlich- keit stattfand, so müssen wir unS mit der kurzen Mittheilung begnügen, daß der Angeklagte das Kmd durch irgend welche Versprechungen an sich und mit in- Freie gelockt hatte und daß der Gerichtshof, mit Rücksicht auf die eine mildere Beurtheilung voll ständig ausschließenden Umstände, auf Grund von K. 17«, 3. deS ReichS-Strafgesetz-Buche- eine drei- lährige Zuchthausstrafe nebst fünf Jahren Ver lust der Ehrenrechte als «ne angemessene Ahndung jener Verschuldung erachtete. II. Der Tischler Vincenz Wenzel Tittl aus Liebo witz bei Teplitz stöberte am 1. Juli d. JrS. in den Kellereien eine- Grundstücke- am hiesigen König-- platze auch eine Abtherlung auf, in welcher Wein verwahrt wurde. Die Hindernisse zur Entführung waren unbedeutende und so schaffte der weindurstige Böhme ungefähr ein Dutzend Flaschen heraus. Zwar lautete die Beschuldigung des Bestohlenen auf einen Verlust von dreißig Flaschen; allem bei dem Mangel genügenden Nachweise- hierfür erfolgte nur die Ber- urtheilung rücksichtlich der erstgenannten Quantität, und zwar zu zwei Monaten Gefängnißstrafe, wovon übrigen- ein Monat auf die erlittene Haft in Anrechnung gebracht wurde. III. Die Ehe, welche Caroline Therese Dorothee Lobe auS Hopsgarten mit dem Hutmacher Weiß- meier in Halle einging, war nur von kurier Dauer, da die für die Flitterwochen mit einem nachfolgenden glücklichen Ehestand erträumte Mitgift von der einen Seite nicht emtraf und schließlich da- junge Paar eS für da- Beste hielt, sich zu trennen und «in Jede- auf eigen« Faust sich durch die Welt zu schlagen. Freilich that die- die »arte Hälfte auf eine Wnse, die sie mrt verschiedenen Vorschriften im deutschen Strafgesetz in Eonflict brachte. Bereit» in Halle vom dortigen Schöffengericht wegen Betrug- und Unter schlagung mit Äefängniß bestraft, wendete sich die Weißmeier nach Neumockau, miethete ich daselbst bei der Familie E. ein und wußte sich unter allerlei unwahren Vorspiegelungen für mehrere Wochen Wohnung und Kost auf Credit zu verschaffen. Die Angeklagte trieb e» ziemlich arg. Sie schrieb an ihre Mutter eine Postkarte, in welcher sie bat, ihr zu Deckung ihrer Schulden ja nicht unter SOO zu schicken. In Wirklichkeit traf auch eine Antwort von der Adresiatin ein; die Postkarte war jedoch bei Postamt« Leipzig 1. aufgegeben, und zwar, wie der Inhalt besagte, auf der Durchreise der Mutter nach Dre-den. Es war auch die Bereitwilligkeit zur Geld sendung auSgedrückt, indessen hinzugefügt, eS möge die Tochter «st einige Wochen „zur Strafe" warten, um einzusehen, wie gut sie eS gehabt (oder wie sonst der Ausdruck gewählt worden war). AIS jedoch nach einiger Zeit daS angekündigte Geld noch immer nicht eintras und die Eheleute E. de- Warten- müde waren, schrieb Madame Weißmeier eine zweite Postkarte, worauf eine Antwort, direct an E. gerichtet, eintraf. Demnach war die Absenderin krank und bat, rhrer Tochter Nicht- von dem Inhalt der Karte zu verrathen. sie jedoch noch einige Wochen zu behalten rc. Schließlich ver mochte sich die Weißmeier von einer Fortsetzung dieser Schwindeleien — die Antwortkarten waren ja von ihr selbst hergcstellt worden — keinen Erfolg mehr zu versprechen: sie war deshalb eines TageS verschwurt den, mit ihr aber Verschiedenes, was den getäuschten Quartiergebern gehörte, die heute auf eine ungetilgte Rechnung über etliche vierzig Mark blicken. Die Wcißmeier war nach Schmannewitz gezogen und in Gesindedienste getreten, hatte sich aber daselbst de- Diebstahls gegenüber einer Magd schuldig gemacht, während auf daS Schuldconto der Angeklagten noch ein Gelddiebstahl in Halle und zwei Effectendiebstähle in Jena kommen. Der Gerichtshof berücksichtigte bei der Aburiheilung aller dieser Strafthaten auf der einen Seite zwar die Nothlage, auf der andern aber auch die Raffinirtheit der Angeklagten, welche, unter Anrechnung eine» Monats der Untersuchungshaft, zu einem Jahre vier Monaten G efängn iß und zwei Jahren Ehren- rechts-Verlust verurtheilt wurde. IV. Der 57 Jahre alte, bisher völlig unbescholtene Waldarbeiter Johann Friedrich Tischner auS Bran dts hatte um die Mittagszeit deS 27. März d. I., während er im Walde beschäftigt war, sein karge» Mahl etwas aufwärmen wollen und deshalb ein Feuer anaezündet, daS jedoch unglücklicher Weise bei dem herrschenden heftigen Winde alsbald das um liegende Bodenlaub ergriff und eine Ausdehnung von etwa '/« Acker gewann. Trotzdem war eS dem Angeklagten Tischner gelungen, allein des FeuerS Herr zu werden. Der Schaden belief sich auf etwa fünfzig Pfennige. Verschiedene Um stände sprachen zu Gunsten des biedern Arbeiters, welcher treuherzig erzählte, daß schon so oft an der selben Stelle Feuer angemacht worden und Nicht- passirt sei, daß auch daS Feuer Schaden an Bäumen nicht angerichtet habe und weiter, als eS gegangen, gar nicht habe Vordringen können rc. rc. Der Ge richtshof, welcher auS den Herren Kammer-Director Rein, LandgerichtSräthen Kr. Ortenstein und Hoff- mann, HülfSrichtern Divis.-Auditeur vr. Pechwell und nsseffor Groh zusammengesetzt war, entließ denn auch Tischner mit einer billigen Strafe von fünf Mark. Die Anklage führte Herr Staatsanwalt Schwabe. Vermischtes. — Der Begründer und Verleger de- „Kladdera datsch", der Besitzer des Friedrich-Wilhelmstädtischen Theaters, AlbertHofmann, eine der bekanntesten und beliebtesten Persönlichkeiten de- literarischen Berlin, ist am 19. August, im Alter von 62 Jahren, nach langen Leiden zur ewigen Ruhe einaegangen. Der seit 1845 als Verlagsbuchhändler m Berlin etablirt gewesene Mann konnte die Ehre sür sich in Anspruch nehmen, durch rastlose Thätigkeit, regen Geschäftsgeist und unermüdlichen Schaffens drang sich auS kleinen Anfängen zu den Höhen »er Finanz-Aristokratie emporgearbeitet zu haben, der er angehörte, ohne den üblen Duft oeS groß- prahlerischen Parvenüthum- an sich zu tragen. Immer beiter und witzig, zuweilen geistvoll, hatte er im Verein mit Dohm, Kalisch und Rudolf c'öwenstein im Mai de- JahreS 1848 den „Kladde radatsch", da- einzige politisch-satirische Witzblatt in- Leben gerufen, da- sich über die Sturm- und Drang- »rriode der jungen Preßfreiheit hinaus in der preußi schen Hauptstadt dauernd zu erhalten vermochte. Die Neschichte de- „Kladderadatsch", der Verfolgungen, die er erduldete, seine- Gedeihens und seiner immer steigenden socialen und politischen Bedeutung wird für den Culturgeschichtschreiber unserer Tage der einst ein wichtiger Factor sein, und die joviale Physiognomie Albert Hofmann'S gehört zu Denen, deren Bedeutung für da- einflußreiche Witzblatt alsdann nicht wird unterschätzt werden dürfen. — Der Rechtsbegriff „Mensch" im Sinne de- deutschen Strafgesetzbuchs deckt sich, nach einem Er kenntniß de- Rcich-gericht-, II. Strafsenat-, vom 8. Juni d. I., nicht mrt dem Begriff „Mensch" nach den Grundsätzen deS CivilrechtS. Während nach dem Civil recht und namentlich «ach den einschlägigen Bestimmungen de- preußischen Allge meinen Landrecht» die besondere Persönlichkeit »nd Rechtsfähigkeit eine» lebenden Kinde- erst mit der Vollendung seiner Geburt ihre« Anfang nimmt, und insofern dem Neugeborenen erst von da an der Lollgrnuß der menschlichen Rechte zukommt, jilt nach dem deutschen Strafrecht da-Kind be reit- dann als Mensch, gegen welchen ein Mord, Todtschlag oder eine Körperverletzung verübt wer den kann, wenn e- erst zum Theil — mit irgend einem Glied — den Schooß der Mutter verlasse» hat. Eine Mutter demnach, welche vorsätzlich ihr eheliche- Kind (in Bezug auf uneheliche Kmder ist in tz 217 de- Strafgesetzbuchs besondere Bestimmung getroffen) in der Geburt tödtet, und ebenso ihr etwaiger Mitthäter sind wegen LodtfchlageS, oder, fall- die That mit Ueberlegung au-geführt worden, wegen Morde- zu bestrafen. Ü Eisenach. 19. A»g. Der Fischottern- Jäger E. Schmidt au» Westalen, welcher ans Veranlassung de- Thüringischen Fischzuchtverein- »a- Flußgeb,et der Saale und Ilm besucht bat» ist vor wenig Tagen aus Ersuchen de- Höf ischer Bonewitz auch hier eingetroffen, u« d,e Nesse und Hvrsel von dem in beide» Flüssen in ziemlicher Anzahl vorhandenen.
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