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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-03-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188103155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810315
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810315
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-03
- Tag1881-03-15
- Monat1881-03
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1881
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Erste Beilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 74. Dienstag den 15. März 1881. 75. Jahrgang. Vir öffentliche Gesundheitspflege in Sachsen i« Jahre 1878. (Lu» dem Jahresberichte des Landes-Mcdicinalcotlegiums.) Reinhaltung der Städte und Dörfer. Obgleich Wesen Mangels einer eingehenderen gesetzlichen Regelung dieser Angelegenheit die Bezirksärzte noch des nötbigen Rückhaltes entbehren, "so baden sie, allerdings unter vieten Schwierigkeiten, trotzdem sich redlich bemüht, im Verein mit den Ort-Verwaltungsbehörden vorhandene Uebelstände zu beseitigen. Betreffs der Entwässerung durch Schleußen- anlagen hat Dresden aus dem genannten Jahre bedeutende Erfolge auszuweisen. ES sind daselbst, und zwar vorzugs weise in den Stadttheilen recht» der Elb« und den neu ent stehenden Vorstädten des linken ElbuferS, nicht weniger als 7-44 laufende Meter Schleusten gebaut worden. Ebenso hat in Plauen und Reichenbach i. V. da» Schleustcnnetz beträchtliche Erweiterungen erfahren. Ein Gleiches wird auch von Borna berichtet, wo infolge besten auch eine Abnahme de» Typhu» zu bemerken gewesen ist. Sämmtliche Schleusten- Wäffer münden dort ohne irgend welchen Nachthell in den sehr Wasserreichen Mühlgraben ein. In Bad Elster machte sich die Herstellung einer Schleuste längs der sich am Bergabhange hinziehenden Häuserreihe noth- tvendiq. In den Leipziger Borstadtdörfern Reudnitz. Ncu- rmdnitz. Gohlis und Lindlenau ist die Beschleustung ebenfalls ' rt nnd ergänzt worden. Namentlich sind in Lindenau und GohliS wieder eine Anzahl Stinkgräben beseitigt worden Die Stadt Zittau wird durch die höchst übelriechenden Straßengraben der Böhmischen Borstadt noch arg belästigt. Abhülse dieses unangenehmen Zustande- ist erst dann "zu erwarten, wenn festaestellt sein wird, ob der Staat oder die Stadt die dazu erforderlichen Vorkehrungen zu. treffen hat. Auch die Straßengraben deS großen Jadritdorscs GroströhrS- dors bei PulSnitz sind noch vielfachen Verunreinigungen aus gesetzt gewesen. Flußverunreinigungen haben nur an zwei Ort-n. nämlich in OlberSdorf iMed.-Bcz. Zittau) und in der Stadt Hainichen, den BezirkSLrzten Anlaß zur Thätigkeit gegeben. In ersterem Orte wurden die Verunreinigungen durch die Abfälle au- einer Papierfabrik und mehreren Bleichereien, in Hainichen dagegen durch die einer Gerberei und zahlreicher Wollwäschereien und Färbereien herbeigeführt. Eine merkliche Besterung in dieser Beziehung wurde erzielt durch die Anlage von Klärbassins und, waS Hainichen betrifft, noch durch die Anordnung, daß die Färbereiflotten nur in der Zeit von Abend- 6 Uhr bi- Mitternacht in das Flußbett eingelassen werden dürfen. Teiche innerhalb bewohnter Ortschaften führen durch ihre Ausdünstungen bekanntlich auch öfters zu großer Be lästigung und Gesundheitsschädigung der Umwohner. In NiedcrfriederSdorf (Med.-Bez. Lövau) und Schmölln (Me-.- Bez. Bautzens ist durch Aushebung deS Schlamme- derartigen ungünstigen Verhältnissen auf einige Zeit gesteuert worden, während bei dem sogenannten Dammteicke in Kamen; durch diese Maßregel allein Abhülsc nicht geschaffen werden konnte^ weil die Schleichen ihren Inhalt noch immer in denselben entleeren. In den Städten Plauen und Reichenbach wurden aus Antrag deS BezirkSarzte- mehrere Wastertümpel bereit willigst beseitigt. Gegen die Ueberschwemmung von Kellern durch unreines und übelriechendes Master wurde in Zittau und Frankcnberg von Seiten der betreffenden BczirkSärzte die Anlegung einer hinreichend tiefen Strastenschlcuße cmpfoblcn, kam aber nicht zur Ausführung. — Anläßlich des häufigen Auftreten» von Unterleibstyphus in einer Vorstadt von B a u tz c n wurden durch die dortige Behörde zunächst die Abtritt-- und Dünger gruben der befallenen Häuser besichtigt und. nachdem sich da bei mancherlei Mängel und gesundncitSgefährliche Zustände eine Revision sämmtlicder der- Aucb wurde die Einführung wie sie bereits in niedreren anderen Städte» üblich sind, beschlossen. Ebenfalls ungünstige Resultate ergab bei einer in Colditz ziemlich intensiv cnsi- tretenden TyphuSepidemie eine Untersuchung der in den be troffenen Häusern befindlichen Grubenanlagen. Dieselben waren hier fast überall in primitivster Weise hcrgcstellt und hurchtränkten daher den HauSgrund mit Jauche. Maßregeln dagegen sind nicht getroffen worden, sondern erst bei Errich tung von Neubauten zu erwarten. Bei einer Häusergrnppe in Haselbrunn bei Plauen, welche durch einen Bauunternehmer hergcstcllt und haupt sächlich zu Arbciterwohnungcn bestimmt wurde, häuften fick in Folge der mangelhaften Anlage der AbtrittSgrubcn die Lüngerwasten in den Höfen an und die Jauche lies auf die Straßen ab; auch sollten die schmutzigen HauSwästcr Senkgruben geleitet werden. Hiergegen wurde aus Veran lassung de- BezirkSarztcS von der königl. AmtShauptmann- schast die Herstellung dichter AbtrittSgrubcn und für die Hauswäffer die Anlegung einer dichten Sammelgrube in genügender Entfernung von den Wohnhäusern, ingleichen auch bas zeitweise Wegsahren der angesammelten UnrathSoffe und Flüssigkeiten anaeordnet. Auch da- DeSinsectionSverfahren bei Abortan lagen war im Berichtsjahre mehrfach zu erörtern und zu begutachten . . - -- - " ' und und besten neuen Isolirv sch« System zur Einführung. Betreffs der Wirkung der DeSinfection war man mit demselben wohl zufrieden, nur da« Ausspritzcn der Flüssigkeit bei Benutzung der Aborte wurde als lästig befunden, weSbalb man bei einem Umbau der Abortanlagen einer stark besuchten Schule einen Versuch mit dem Friedrich'schcn Systeme machte. Da aber die hier bei lhätigen Apparate, durch welche daS Ausspritzen verhindert und eine selbstthätige DeSinfection hergestellt werden soll durch den Frost le cbt außer Wirksamkeit gesetzt wurden, sc entsprachen sie auch nicht den an sie gestellten Erwartungen Da» Süvern'sche System ist auch in Chemnitz mehr fach einaesührt. Untersuchungen von Proben der. auS den Sammelbassin« der betreffenden Häuser ablausenden Wässer haben hier, wie in Leipzig, nur m einzelnen Fällen unvoll ständige DeSinfection ergeben. Da da» auch für die GerichtSgesängnisse angeordnete Süvern'sche DeSinsectionSverfahren den Dungwerth der Ab fälle beeinträchtigt und die Landwirth« daher zur Abfuhr der UnrathSmasten sich wenig geneigt zeigten, so hatte aus Ver anlassung deS königl Justizministeriums da- Lande- Medicinal collegium sich darüber gutachtlich zu äußern, ob nicht ein andere- ebenso wirksames, aber nicht mit dem genannten Nachtbeite verbundene- Mittel angewendet werden könne, »nd es wurde von demselben, soweit r- sich um die Desinsec- tion frischer Ercremente handelt, zu diesem Behnfe Aetztalk in der Form von Kalkmilch empfohlen, Die weitere Frage, ob vielleicht bezüglich der Erhaltu, Friedrick'sche oder da- Wollmar'sche Süvern'schen vorzuziehen sei,- beantwortete da» Lande- «edicinalcollegium unter Anerkennung ihre- deStnfinrenden Kerthes verneinend. Hierbei sei gleichzeitig bemerkt, daß das Ariedrich'sch« Mittel wesentlich Karbolsäure und Kalk «hält, während da« Wollmar'sche au« mit Eisenchlorid ge tränktem Sägemehl besteht. Letztere« soll sich nach den in herau-gestellt hatten, daraus artiger Anlagen voraenommen. der regelmäßigen Revisionen. den Dresdner Cascrnen gemachten Erfahrungen bei Pissoir«, beim Tonnensystem und besonders in Schlachthäusern gut be währt haben, nicht aber bei Abortanlagen mit Spülvor richtungen wegen der in Menge ausschmimmenden Säge- 'päne. Neues Theater. Leipzig, 12. März. Das Lustspiel von Hippolyte Schausert, „Schach dem König" erhielt seiner Zeit den von dem Wiener Burgtheater (4869) au-gesetzten Preis für daS beste Lustspiel. Der Dichter ist inzwischen im Jahre >873 gestorben, ohne in zwei bis drei späteren Stücken die durch die PrciScrtheilung erregten Envarlungen zu rechtfertigen. Das Stück hat einen gesunden, derben Humor, der be- vnderS in der Hauptsccne deS dritten ActeS zur Geltung kommt. Da liegt auch in der Situation eine unleugbare Komik: der fanatische Feind de« Tabakrauchens. König Jacob, wird durch seinen jugendlichen Ganymed, ein verkleidetes Mädchen, selbst dazu verführt, aus der Tabakspfeife zu qualmen. Er hatte erklärt, einen wegen deS verbotenen RaucbenS fortgejagten Schreiber, den er auf frischer That ertappt halte, erst dann wieder zu Gnaden anzunchmcn, wenn er selbst, der König, einmal geraucht haben würde. Das Mädchen, die Geliebte jenes Schreiber«, verführt ibn dazu und verschafft so dem Letzteren seine verlorene Stellung wieder. Da« ist der eigentliche dramatische Kern der Hand lung; und dieser ist auch recht glücklich hcrauSgcstaltet. Dagegen ist die Exposition viel" zu lang; und da- gilt auch von dem ganzen Stücke, obgleich ihm schon ein Act amputirt worben ist; die Hosscenen sind über dies in einem Shakcspcarisircnden Humor gehalten, der vielleicht für daS Zeitcoftüm nicht unangcmcssen ist, aber doch in einem neuen Lustspiel etwas fremdartig gemahnt und zu jenen Witzhaschereicn und Silbensteckercien verführt, wie sic m der allengtischen Dramatik Mode waren Auch laßt der Autor sich eine Verschwendung zu Schulden kommen, wa« die Zahl der mitwirkenden Personen des Drama betrifft, er treibt damit einen für die Hauplhandluna ganz überflüssigen Luxus und muß o meistens die Charakteristik aus daS Skizzenhafte .beschränken. An komischen Streiflichtern fehlt es auch in den Hosscenen nicht, und der allerdings nicht hinlänglich vertiefte Grund- zedanke des Stückes, dag auch die Macht eine« König« nicht un Stande sei, eine allgemein zur Geltung kommende Neue rung der Sitte, überhaupt die öffentliche Meinung zu be zwingen, erhebt eS immerhin über das Niveau der Alltagö- dramatik. DaS Stück hat nur eine größere Hauptrolle» den König Jacob, den gelehrtesten und kleinlichsten König, den England je besessen. Diese Rolle war in den Händen des Herrn 1)r. Förster und wurde so vortrefflich turchgeführt, daß daS ganze Stück dadurch wesentlich an Interesse gewann. Die Scene, in welcher der König sich verleiten läßt, aus dem TabakSpfcischen zu schmauchen, gelang dein Darsteller be sonders, sie war auch mit komischen Nuancen auSgc- stattct. -Herr 1)r. Förster hatte schon den König Jacob in „Arabella Stuart", der allerdings weniger jovial gehalten ist, mit vielen» Erfolg zur Darstellung gebracht. Tie zweite Hauptrolle ist wohl Harnet, des Schiffürheders Tochter, welche da« treibende Agens der beiten letzten Acte ist. sie wurde von Frl. Tullinger ganz munter dargestellt. Der Vater der Harriöl, John Thomsoii. wurde von Herrn Pet tera, als ein Engländer von echtem Schrot und Korn hingestellt. Bei den ich etwas häufenden Verkteidungsscencn des dritten Actes sind noch Lord Rich und seine Geliebte Isabella Cope bctheillgt; die Koketterie letzterer wurde mit herausfordernder Keckheit von Frl. Buhe dargestellt, während Herr Ott der l den Lord Rich mit eleganter Haltung spielte. Der Gcl)eiinsckrcibcr Georg Ealvcrt geht wenig über da« bekannte Liebbaberniveau hinaus; er hat nur eine etwas hervorstechende Lccnc, diejenige, in der er sich daS verbotene Pfeifchen anstcckl; DaS brachte Herr Ellmenreich trefflich zur Anschauung. Ter Lord Han des Herrn Conrad war in seiner Geschwätzigkeit von seinkomischer Wirkung; Herr Pohl und Frau Schubert ^Herzog und Herzogin von Lennox) führten ihre Ehcstantssccne ergötzlich durch. Frl. Jürgens (Charles) war ein hübscher Page und fand sich mit ihren Versen ganz artig ab. Alle übrigen kleinen Rollen waren mit den ersten Kräften unseres Schauspiels besetzt; die Herren Seliger. MyliuS. Johannes, Stürmer, Hübner, Sommerstorss bildeten den Hofstaat des Königs. Den Hofnarren, eine Sbakespcarischc Reliquie, spielte Herr Stoeckel mit ebensoviel Munterkeit, wie Herr Tietz und Herr Eichenwald die beiden zum Tode verdammten Verbrecher, mit denen der König in Bezug aus die giftigen Wirkungen des Tabaks cxpcrinicntirt. Außer der Herzogin von Lennox erschienen noch als vor nehme Damen Frau Western (Prinzessin Elisabeth), Frl. Sa trän (Gräfin Montgomcry), Frl. Friedhofs (Lady Ehandos), welche im Schlußacl zusammen mit Frt. Butze in etwas langer Fronte auimarschirt waren und während einiger Scenen allzu sehr den Eindruck von Statisterie machten. Die Ausführung, welche weit bester war als diejenige des Stückes unter der frül)«ren Dircction. machte auch einen lebcndigcrcn Eindruck als damals: namentlich schlug t^. dritte Act ein. Rudolf von Gottschall. Musik. Dilettanten - Orchesterverein. — a. Leipzig, 14. März. Unter dem neuen Dirigenten Herrn Klesse hielt der Dilettanten-Orchester-Verein gestern in der Buchhändler-Börse die 105. Aufführung ab, und sie bewies, daß derselbe auch unter dem neuen Regiment sein rüstiges Streben fortfetzen will. Da wir zur Ouvertüre „Titus" von Mozart, welche da- Concert eröffnet«, zu spät kamen, wurden wir belehrt, daß der Verein mit dem akade mischen Viertel gebrochen hat und sich den wenigen Vereinen zugesellcn will, welche die Tugend der Pünctlichkeit aus ihre Fahne geschrieben haben. TaS Mozart'sche Meisterwerk, welche- allerdings im Mittelsatz Harmonien entwickelt, die nickt gerade eine Spielerei für Dilettanten sein dürsten, blieb, wie wir hörten, nicht ohne Beifall. Der nächste Orchester satz waren die Variationen auS dem Kaiser- Quartett von Haydn. Sie wurden vom qesammten Streichorchester auSgesüyrt, und mit Glück. Die Melodie de- Kaiserliedes, welche sich wie ein goldner Faden durch die liebliche Composition des Vater Haydn hindurch zieht, hob sich deutlich ab, und die le chten duftigen Elemente der Be gleitung schmiegten sich innig aneinander, was namentlich der umsichtigen Leitung zu danken war. Den Schluß des Con- certe« bildete die Symphonie (Ockur l.) von Beethoven, mit welcher sich der Verein neue Lorbeeren erworben hat. In markigen, ausgeprägten Zügen baute sich der erste Satz aus und der erhabene GemuS de« Meister« trat in den Steigerungen de- Grundgedanken« mächtig hervor. Im zweiten Satze trugen alle Mitglieder, selbst die Bläser, deren Grundgewalt sich sonst mehrmals fast allzusehr geltend inachte, redlich dazu bei, daß da- prächtige Motiv allent halben glücklich zur Geltung kam. Der dritte Satz war wohl die schwächere Leistung des Verein»: wenigsten« traten hier und da (z. B bei den svnkopirtcn Noten) kleine Schwankungen ein, doch wurde derselbe unverletzt durchgesührt. Mit ganzer Hingebung gingen die Mitwirkenden an den herrlichen vierten Satz. Wahrlich, wem da- Herz bei dieser Musik nicht so ausgeht, daß er allen Staub der Erde vergißt, der verdient nicht, daß er Ohren hat. Die ganze Symphonie fand eine recht würdige Wiedergabe; der Bereu» hat nur Ehre damit eingelegt. Doch wir dürfen nickt ver gessen. daß daS Concert sich auch eines Kranze- von Lickern erfreute, mit denen Frau Fuchs zeigte, daß sie zwar nur über eine kleine, zarte Stimme verfügt, aber doch mit der selben zu ergreifen weiß. Zu loben war erstens, daß sie nur classische, jedes Herz erfreuende Lieder gewählt hatte; sie fang: „Das erste Veilchen" von Mendelssohn — Wiegenlied von Fr. Schubert — „Er ist'S" von R. Schumann, woran ie als Dank für die reichlichen BeifallSsvenden noch eine Zugabe reihte. DaS Wiegenlied und da- Veilchen sang sie natürlich, recht mütterlich empfunden und cS machte namentlich daS piuni88iwo de- letzten Verse- einen tiefen Eindruck. Daß >e sich von Acngstlichkeit, die sie gar nickt nöthig bat. zu sehr beherrschen ließ, beeinträchtigte die Wirkung der übrigen Licker. Möge der Verein in seinem ehrenvollen Streben an der Hand des neuen Führers niemals ermüden! Volksbildungsoerein. ar. Leipzig, 12. März. Der letzte gesellige Abend bes Volks- bildungSvereiiis brachte einen Bortrag des Herrn l>r. Kögel über Grimmelshausens Simpl icissimuS. In zwar knappen, aber scharsei, Zügen gab der Vortragende ein Bild über daü Entstehen dieses Romans und eine Charakteristik de« Helden desselben. Dieser Roman, dem deutschen Publicum zuerst 1668 vorgelegt, erlebte schnell drei Auflagen noch zu Lebzeiten des Bcrsassers und eine lange Reihe von Bearbeitungen und Ausgaben nach GrimmelShausen's Tode Kl aus unsere Tage. Es ist das einzige Buch jener Zeit, das heute noch in weiteren Kreisen mit Interesse gelesen wird, ja dessen Kenntnis, man säst als nothwendig für die Bildung ansicht, wie eS sich denn auch in allen Volks- und Schulbibliotheken findet. Ta- 17. Jahrhundert, wo unter Ludwig XIV. in Frankreich die Literatur in den dramatischen Stücken Corneille'«, Racine'S und MoliSrc'S ihren Höhepunkt erreichte, war sür die deutsche Dichtkunst eine Zeit tiefsten Winters. Die Schöpsungen der ersten mittelhoch, deutschen Blüthcperiode waren gänzlich vergessen, man wußte Nichts mehr von Nibelungenlied und Gudrun, Nichts mehr von Wolsram von Eschenbach, und die herrlichen Lieder Walther « von der Vogel- weide waren längst verklungen. Daß in nicht allzuserner Zeit ein neuer Frühling mit Klopstock und Lessing anbrechen sollte, ahnte man natürlich nicht. Aber obwohl eigentliche dichterische Talente das 17. Jahrhundert in Deutschland nicht hervorgebracht hat, so ist e« doch sür die gesammte Entwickelung unserer Literatur keineswegs ohne Wichtigkeit, denn e« fallen in diese Zeit die ersten Versuche in derjenigen poetischen Gattung, die in unser» Tagen so üppig wuchert, daß sie den übrigen, älteren und wichtigeren Zweigen säst Lust und Licht zu nehmen droht. — man versuchte sich zum ersten Male in der Gattung des Proja-Roman«. Diese Gattung der Poesie ist kein deutsche« Product, sondern stammt, wie schon der Name ergicbt, von unseren südlichen und westlichen Nachbarn, die in der That diese Gattung ersunden haben. Tic ersten und ältesten Versuche in Deutschland sind llebersetzungc» aus den. Französischen. Der erste Schriftsteller, der einen originalen deutsci>en Roinan anfertigte, — dichtete kan» man von diese» an Langweiligkeit »nd Geschmack losigkeit nicht zu übcrtrrssenden Produkten nicht sagen — hieß Philipp von Zesen. Grimmelshausen - Simplicissimu- gehört nun, historisch genommen, hieher, aber seinem Inhalte nach entsernt er sich weit von seinen Vorbildern, denn wir haben hier einen echten Bolksroman vor un-, in welchem von der langweiligen Convenienz der höheren Kreise jener Hett Nicht« zu finden ist. Der Stoff ist durchaus volkSthüm- lich, die Darstellung lebendig und die Schilderungen von einer An schaulichkeit, daß sich mancher gefeierte Romanschriftsteller unserer Tage ein Beispiel daran nehme» könnte. Dazu kommt, daß der Verfasser eine Menschenkenntuiß und Weltbeoback,tung besitzt, wie sic nur wenigen Dichtern überhaupt zu Thcil geworden ist. Aus keinem Geschichtswcrk wird man ein deutlicheres Bild der Schrecknisse des Dreißigjährige» Krieges gewinnen als au« dem Simplicijsimu«. Im Simplicissimu« hat Grimmelshausen in den Hauptzügen die eigene Lebrusgeschichte dargestellt. Aber wie Goethe in seiner klassischen LcbenSgeschichtc, »y hat auch Grimmelshausen Wahrheit und Dichtung so in einander verwebt, daß eine Auflösung des Ge webe« sür un« unmöglich ist. E« hat sich Alle« ereignet, WaS erzählt ist. aber Nicht« bat sich so genau ereignet, wie es erzählt ist. Grimmelshausen läßt den Simplicissimus seine Geschichte selbst erzählen. Die Sprache des 17. Jahrhundert- kommt uns schon ziemlich alterthümlich vor, ist aber auch sür den Nichtgelehrten ohne Weiteres noch verständlich. Die Redeweise de« Simplicissimu« ist sehr kräftig, manchmal so, daß wir Bedenken tragen könnten, manche Stellen in Damengesellschast vorzulcsen. Jene Zell war aber »och nicht so schwachnervig und zimperlich wie die unserige „Nicht« verzierlicht und Nicht- vcrkritzelt, Nicht« verlindcrt und Nicht« vcrwitzclt" ließe sich als Motto vor den Roman setzen. Herr I)r. Kögel gab hieraus einige der wichtigsten Stellen aus dem Romane bekannt, schilderte die Knabcnzeit de« Simplicissimu«. die Entwickelung des Knaben aus fast thierischer Rohheit zu einem denkenden Menichen, und thcilte ferner einige der interessantesten Episoden aus dem Soldatenlcben de« Helden, >owie au« besten Reisen und Wallfahrten mit. Am Schluffe seines Vortrages sprach Herr vr. Kögel die Hoff- nung au«, daß die Zuhörer durch denselben sich veranlaßt suhlen werden, das Buch selbst in die Hand zu nehmen. Reicher Beifall der Anwesenden und der Dank des Vorsitzenden, Herrn vr. Meißner, lohnte den Vortragenden sür seine vortreffliche Schilderung. Auch die gesanglichen Leistungen de« Verein- „Immergrün" fanden wie immer lebhaften Beifall. Neuer Leipziger Thierschuh-Verein. In der letzten Monatsversammlung wurde über folgende Fragen allgemeiner Natur verhandelt. An den Reichstag sowohl als auch an den BundeSrath ist im Lause de« vorigen Monat- eine Petition um Be seitigung der Vivisektion eingereicht worden. — Vom sächsischen Ministerium deS CultuS und öffentlichen Unter richt- ging ein Schreiben ein, welche- folgenden Wortlaut hat: DaS Unterzeichnete Ministerium hat, wie dem Grsammworstand des Reuen Leipziger Dhierschutzvercin» zu Leipzig aus dessen Schreiben vom 14./16. diele- Monat- eröffnet wird, seiner Zeit über die In halts der Eingabe vom 4. Mai vorigen Jahres bei dem Patho logischen Institut» zu Leipzig vorgekommene Verbrühung einer An zahl von Hunden mit siedendem Wasser im Einvernehmen mit den Ministerium des Innern und dem Landes-Mcdicinal-Lollegium ein gehend« Erörterungen veranstaltet und hieraus an die Dircction de« genannten Institut« da« in der Sach« Erforderliche verfügt. Dresden, den 17. Februar l88l. Ministerium de- Cnltus und öffentlichen Unterricht-, v. Gerber. Mit dieser Antwort saßt der Neue Leipziger Tierschutz Verein Beruhigung, zumal von glaubwürdiger Seite hervor gehoben wird, daß sich die Verhältnisse iin Pathologischen Institute insofern zu Gunsten der Versuchsthicrc gebessert zu haben schienen, als seit einigen Monaten bei Vornabme ver schiedener Versuche exakter verfahren würde; auch befänden sich gegenwärtig nur ungefähr 4l» Hunde, meist ausgediente Eremplare jeder Rare und Größe in Käsigen de» Institut-, welche zu den an ihnen au-zuführcndcn Versuchen aufgehoben würden. Weiter wird mitgetheilt, daß die in voriger Monat-Ver sammlung angeregte Eingabe, den Schutz unserer Sing vögel bei ihrem Zuge durch Italien betr., an den deutschen Boisckaster in Rom bereit- am l2 Februar abgegangen und in Drutschland allerseits sympathisch begrüßt worden sei. Diese Angelegenheit wurde, wie au« Zusendungen ersichtlich, in der italienischen Presse bereit« ventilirt Mit diesem Schritte glaubt der N. L. Th -V, sei noch nicht genug grthan und wird aus Vorschlag de- Vorstand«- beschlossen, dafür zu wirken, daß den Singvögeln durch Erhaltung und Anpflanzung von Hecken, Slräuchcrn und Bäumen allenthalben mehr Gr legcnheil zun, Nisten geboten werde. Der Vorstand wird beauftragt, daS in der Sache Erforderliche zu lhu». Der Vorstand wird ferner ersucht, seine Aufmerksamkeit dem massenhasten thierquälerischen Erjagen von KrammetS vögeln, wie eS in der Nähe von Tanna und Gesell im Vogt land« verübt wird, zuzuwenden. Dort ist nämlich die Chaussee mit Vogelbeerdäumen bestanden. Die KrammetSvögel koniinei, m großen Schaaren, um ihr Lieblingssuttrr zu genießen, werden aber von den unter den Bäumen aus der Lauer tchenten Bogclhändlern ausgeschcucht, und durch volle Sckrot- latunaen auS weitläufige» Flinten zu Hunderleu niedcr- esckostcn. Hierbei ereignet eS sich stets, daß angeschostenc sögcl noch eine Strecke sortfliegen, dann aber „iekcrsinken und selbstverständlich einem elenden Tode enlgegengeßen. — Bei dieser Gelegenheit wird aus die thierquälcrische Art de- WildsangenS in Schlingen (in den sogenannteil englischen Gärten) hingewicscn und der Wtznsch ausgesprochen, daß diese sowie da- Schießen der Feldtaubcn, welche« in manchen Gegenden geschehen darf, wenn da- Thier auf dem Felde liegen bleibt, gesetzlich nicht mehr gestattet werden möge. Einem Anträge, sür weitere Anpflanzungen des Pogel- becrbaumeS in unserer Stadt wirken zu wollen, wird nicht ltattgcgcben, da ein Bediirsniß hirsür nicht vorlieac. Nantwein noch mitgetheilt worden, daß der süd- wie der wejtvorstädtische Schrcbcrverein der Bitte deS N. L. Th -V., im Winter aus den Vereinsgrundstücken Futterplätzc sür Singvögel unter- ammlung vertagt, und nur daraus hinqcwicscn. daß der Rath der Stadl Leipzig sich an diesem Orte der nistenden Vögel in anerkennenSwerlber Weise angenommen und ver ordnet habe, streng darauf zu achten, daß die kleinen Sänger bei ihrem Nist- und Brutgeschäfte nicht gestört werden. Die Neichsgesehe wider die Trunksucht im Mittelalter. Da bekanntlich der Erlaß eines Reichsgesetzes auch wider die Trunksucht im Werke ist, dürfte es wohl allgemein interessant sein, gelegentlich auch einmal zu erfahren, wie in dieser Beziehung gegen unsere Vorfahren processirt worden ist, von denen schon der römische Geschichtschreiber Tacitn« in seiner inc Jahre l»8 „ach Christi Geburt geschriebenen ethnographischen Schilderung Germa nien« sagt, daß die Deutschen Freunde froher Gelage leien. Die erste Spur eine« reichsgesetzlichen Borschreitens wider die Trunksucht findet sich unseres Wißen« unter der Regierung de« deutschen Kaisers Maximilian I. (1493—1519) und zwar in de» > 38 und 39 des Wormser Reichtag« Abschieds vom Jahre 1495. ort steht: „(st. 38.) Item (desgleichen), daß die Königs. Majestät allen Kurfürsten, Prelaten, Grasen, Freien, Herrn vnd Stenden schreibe und gepite, in jren Hofen, von yren Dinner», auch snst allen jren Uiiderthan«,,. das Trinken ^ gleichen, vollen und halben nit zu gestaten, sundrrn das ernstlich zu straffen, vnd ist geratschlagt, daß sein Ko. Mojest, solch« in feiner Gnaden Hofe zu verbieten vnd zu honthnben ansahe. (st. 39.) Desgleichen, daß eS auch durchaus in allen Weltzcüge» »nd Veltlccgerit Verbote» vnd nit gestatet werde." Ein weitere« bezügliche« Verbot findet sich im st. 22 des Königl. Tag« zu Lindau vom Jahre 1497, wo es heißt: „Des Zutrinkcns halbe» ist geratschlagt, daß in den Lande», da sollich Zutrinken von Alter in Gewohnheit gewest, ain nede Oberkail verfügen soll daß solich Zutrinken nit gestattet, sondern abgestellt vnd ver mittelt werbe, inmassen aus dem Reichstag zu Wormß auch davon gehandelt ist. Doch soll sollich Zutrinken in Waldlagcrn allen Menschen, vß wellichen Landen die sehr», verboten sein, iu- maßen das der Abschied zu Wormß auch aosweift." Mit dieser Stell« stimmt fast wörtlich überein der st 47 des Reichstag« Abschied« zu Fren bürg im Breisgau vom Jahre 1498. Im Tit. XXIX de« Reichstag-Abschied« zu Augsburg vooi Jahre I5M wird dann der Lindauer und Frenburgrr Beschlun über das Zutrinke» nochmals ausdrücklich hervorgehobeu, aber zugleich folgende bittere Klage über ihre Nichthaltung angehängt: „haben Wir doch vernommen, daß solch Unser und des Reich- Ordnung und Satzung bisher wenig vollnzoge», sonder» daß der angezeigte Mißbrauch und Nnwesenlichheil allenthalben, in allen Landen, je länger je mehr ciabricht »nd sich mehret, darum soviel desto nothdürstiger, solchem strenglicher und ernst licher dann bisher», zu begegnen: Gebieten darum allen nnd jeden Churfürsten, Fürste» und anderen Ständen — dry Ber meiduna Unser Ungnad, s olch Zutrinken tn ihren Fürstenthmnen, Landen, Ge- bieten und Oberkeiten, allenthalben ernstlich bei ziemliche» Pönen und Straffen zu verbieten, auch solch Gebot« ernst- lich zu handhaben." Bis zum Jahre 1530 war dann die deutsche Reichsaesetzgebung aus diesen« Gebiete unthätia. In diesem Jahr« aber erschien die zu Augsburg unter Kaiser Karl V ausgerichtet« „Reformation guter Polizei", welche in ihrem Tit. VIII. von Neuem bitter beklagt, daß die „in vergangenen Reichstägen de- Zutrinken« halben gesetzte Ord nung bis anhero wenig gehalten worden, sondern es hat sich der angezeigte Mißbrauch und Unwesenheit des Zutrinken- allenthalben — gemehrt, daraus Gotteslästerung, Mord, Todtschlag, Ehebruch und dergleichen Uebelthaten gesolat und noch zu dem, daß etwa durch Trunkenheit die Heimlichkeiten so billig ver- schwiegen, ossenbahrt werden, auch solch Laster den Teut- fchen, deren Mannheit von Alter- hoch berühmt, bei allen srembden Nationen verächtlich. Desgleichen, daß zu vielmahln in Kriegsläussten dadurch zwischen den K riegsleuten Zwytracht «nd Meuterei ent- standen, auch gegen den Hauptleutrn Ungehorsam gebärt, darzn werden dadurch alle Zehrung crhöcht. und ehrliche Gaftung und Gesellschaft, davon etvan die Teutschen sürnemlich gepreiset wor den, gemindert und vermitten, zu geschweige», bah da- Zutrinken ein endlich Uriach »st alles Uebells, und dem Menschen an seiner Seelen Seligkeit, Ehr, Gunst, Bcrnunfft und Mannheit nachtheilig" — Aus diesen Beweggründen wird dann schließlich das Zutrinken „bei zimlichen Pönen und Strafen" nochmal- aller Ortrn ernst- lichst verboten. Das nächste Reichsgesetz, was ans diesen Gegenstand zurückkam, war die auch unter Kaiser Karl V. im Jahre 1548 zu Any-t-arg errichtete „Resormalion guter Polizei", welch« im Tit. Vlll die betreffend« Verordnung der Augsburger Resormalion guter Polizei vom Jahre 1530 wörtlich wiederholte und daran nur noch den Zu satz hing: „daß die Haußväter ihrem Haußgesinbe, Kindern, Knechten und Mägden unterlagen (sollen)» daß sie sich der Lästerung, Fluch, und Schwur Gottes, seiner lieben Mutter, und Gottes heiligen, auch de« Zutrinken- gänzlich enthalten, wir Air da- hiermit ernstlich gebieten nnd strrnglich gehalten haben wollen. Wir wollen auch, daß die Oberkeiten ihren Psarhrrrn und Predigern beseht«» sollen, alle Sonntag dem Volk zu verkünde«, daß sie sich des Zutrinken- ent halten. mit Erzählung der Laster, so au» der Trunken heit folgen, wie ihnen deshalb von den Oberkeiten ein Berzrichnuß zugrftellt werden soll." Bisher handelten olle bezüglichen Reichsarsetze nur vom Zn- trinken; als aber »m Jahre 1577 unter Kaiser Rudolf H. «»ver mal« eine Polizeiordiiung und zwar zu Frankfurt o. R. errichtet wurde, welche übrigen« von der vorigen vom Jahre 1548 nur noch dadurch abwich, daß sie den obgedachten Zusatz sür das Hausgesinde nicht wieder brachte, erließ mau jene Polczeiordnang vom Jahre 1577 nicht nur sür das Zutrinken, sondern auch zugleich für da« übermäßige Trinken überhaupt.
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