TYPENFORMEN DER VERGANGENHEIT UND NEUZEIT Man versteht die Gegnerschaft Vespasianos und seiner Schrei ber gegen die Einführung des Buchdrucks in Florenz und die Verachtung seiner vornehmen Kundschaft für die aus Rom und Venedig eingeführten gedruckten Bücher. Aber wie unendlich auch die Typographie der Florentiner Kal ligraphie jener Tage unterlegen war und ist, die bedeu tende Ersparnis und Schnelligkeit gaben dem Drucker in weit größerem Maße als dem Schreiber — als jeder beliebigen An zahl von Schreibern — die Möglichkeit, das Verlangen des fünfzehnten Jahrhunderts nach Wissen und Forschung zu befriedigen. Zur Zeit Gutenbergs waren in Europa etwa vier oder fünf Handschriften in Gebrauch, die sich deutlich in zwei Klassen, in die »gotische« und die »humanistische«, schei den. Jene setzte sich überall durch, nur in Italien machte man ihr ihre Stellung streitig. Die »gotische« Form zeigte nationale Eigentümlichkeiten entsprechend der Handhabung durch deutsche, französische und englische Schreiber; die »humanistische« Form hingegen blieb zu jener Zeit auf Ita lien beschränkt. Inoffizielle Abweichungen der Gotisch fan den für besondere Zwecke Verwendung, wo z. B. kleine Buchstaben benötigt wurden, oder sich aus der Notwendig keit einer raschen Übermittlung von Dokumenten heraus eine flüssige schräglaufende Schrift entwickelte. Die von den Ge lehrtender Renaissance und von den zugehörigen Schreibern propagierte, sogenannte »humanistische« Schrift existierte sowohl aufrecht wie schräg laufend. Derart war die kalli graphische Situation zu jener Zeit beschaffen, als Männer des Nordens ihren Geist anspannten, um mit Hilfe des Druckes von beweglichen Typen eine Form für die Ver vielfältigung von Texten zu finden. i3