TYPENFORMEN DER VERGANGENHEIT UND NEUZEIT Vorrang streitig machen konnte. Zu Beginn des Jahres 1495 wurde in Venedig eine Presse gegründet, die durch ihren Ruf an Gelehrsamkeit einzig dastehen sollte. Aldus ist aus der römischen Provinz gebürtig, weshalb sein vollständigerName Aldus Manutius Romanus lautet. Er war sowohl Gelehrter wie Geschäftsmann, doch scheint er an den technischen Pro blemen des Buchdruckes nicht so lebendig interessiert ge wesen zu sein wie seine unmittelbaren Vorgänger Jenson und Ratdolt. Sein Interesse richtete sich im allgemeinen auf reine Gelehrsamkeit, und früh widmete er sich der Heraus gabe und Herstellung griechischer Texte, die bis dahin nur als Manuskripte existierten. Seine Produktivität war erstaun lich. Omont, der erfahrene Direktor der Bibliotheque Nati onale, nennt ihn ohne Vorbehalt den größten Drucker der Renaissance. Man muß jedoch zugeben, daß über Aldus’ Verdienste als Drucker Meinungsverschiedenheiten bestehen. Der verstorbene Robert Proctor, dessen Urteile stets Beach tung verdienen, behauptet, daß jene Typen »sämtlich, so wohl die griechischen, wie die Antiqua und Kursiv, kläglich und jeglicher Schönheit bar, nur das Verdienst eines guten Schnittes haben«. Vielleicht liegt hier ein vorschnelles Ur teil auf Seiten Proctors vor, der sich in seiner Begeisterung für korrekten griechischen Druck begreiflicherweise verletzt fühlte; denn Aldus bevorzugte die mit unnötigen Ornamen ten und Ligaturen überladenen schräglaufenden griechischen Kursivschriften. Aldus’ Prestige hatte die unheilvolle Wir kung, der auf einer verdorbenen Kursiv-Handschrift basie renden schräglaufenden, kleinen Griechisch zur Dauer zu verhelfen. Uns beschäftigen jedoch in erster Linie die Anti quaschriften des Aldus, bei denen unserer Meinung nach der Fall anders liegt. Es erscheint ungeschickt von Proctor, sie 20