01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 20.11.1928
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1928-11-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19281120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1928112001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1928112001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1928
- Monat1928-11
- Tag1928-11-20
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- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 20.11.1928
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Sttefemann zieht die Bilanz von Locarno Statt Erfolgen ein Rückschlag - Schwere Anklagen gegen Frankreich un- England Dvßdem ForlstAmg der NerMdivnnWMtk (Bon unserer Berliner Lchrlftleitungj Berlin, 10. Non. Sicher hat mancher von denen, dte heute 1» den Reichstag eilten, um der Debatte über die Außenpolitik beizuwohnen, daran gedacht, das, der graue Novemberhimmel, auS dem nun schon seit zwei Tagen der Regen fällt, als Symbol für unsere gegenwärtige außenpolitische Lage sehr wohl geeignet ist. Wir stehen — und niemand wird diese Tatsache anzweifeln wollen — in unserer Außenpolitik unter einem Himmel, der voll grauer Wolken hängt. Die Tage, in denen große Teile unseres Volkes sich von freudigem Optimismus tragen ließen, sind endgültig vorbei. AIS ein Ausdruck dieser Stimmung war cs wohl auch zu deuten, wenn zwar die Tribüne» gefüllt waren, hingegen das Parkett der Abgeordneten doch recht große Lücken auswtcs. Erst nachdem der Reichstagspräsident Löbe die Sitzung eröffnet hatte und die Minister, die ihr beiwohnen wollten, bereits längere Zeit ihre Plätze auf der NegicrungS- bank eingrnvmmeir hatten, erschien Rcichsaußenministcr Dr. Stresemaun» in der Hand ein wenig umfangreiches Manuskript haltend. Im Lichte der ftarkkerzigen Lampen, die den Sitzungssaal erhellten, sah man es dem etwas bleichen Gesicht des Außen ministers an, daß er lange Zeit mit schwerer Krankheit ge rungen hatte, und daß er wohl auch jetzt noch nicht ganz ge sundet ist. Mit schwacher Stimme, die aus den Tribünen kaum vernehmbar war, begann der Minister seine Darlegungen. Je mehr ihn aber seine Formulierungen erfüllten, je stärker der Wille in ihm wuchs, eine jahrelang vertretene Politik zu verteidigen und nicht als ganz aussichtslos abtun zu lassen, um so mehr erhielt auch seine Stimme wieder den alte» Hellen und kämpferischen Klang, in die sich verschiedene Male der laute Beifall seiner Partei mengte. Bon einem Dank an den Reichskanzler und von der Feststellung, daß sich die Politik Müllers in Gens durchaus mit seiner. Stresemanns, Einstellung -ecke, kam der Außenminister sofort ans das zu sprechen, was ihm sicherlich am meisten am Herzen liegt: Die Befreiung der Rhcinlande. Daß ihm in der Räumnngssrage durch die Haltung der Bc- satzungsmächte der Erfolg verwehrt wurde, hat Dr. Strcsc- mann gewiß bitter und schmerzlich berührt. Es waren scharfe Worte — vielfach von einer Schärfe, die verwundert aufhorchcn ließ —, die Dr. Stresemaun an die Adresse dieser Mächte rich tete. In weiten Kreisen der linkSeingcstellte» Publizistik ver folgt man noch jetzt den Grundsatz, nur keine» Tadel gegen Frankreich anSzusprechcn, weil sonst für unS nichts zu er reichen sei. Wenn cS eine Sünde wäre, gegen diesen Grund satz zu verstoßen, so hätte Dr. Stresemaun sic heute, und zwar sogar recht ausgiebig, begangen. Warum? Hat er sich nach schwerem inneren Kamps auch zu der Ucberzcugung d u r ch g c r u n g e n, daß in dieser Beziehung alles dcut- s ch e und ach so heiße Bemühen vergeblich geblieben ist und auch in Zukunft vergeblich bleibe» wird? Stützen könnte eine solche Auffassung die nachdrückliche Betonung, mir der Dr. Stresemaun scststcllte, daß für die Räumung keine Gegenleistungen finanzieller Art mehr in Frage kämen. Auch sei jede Politik der Berständigung zur Unfruchtbarkeit verdammt, solange das Rheinland unter fremder Soldateska zu leiden habe. Sicher hätte Dr. Stresemaun mildere Wendungen gesunden, wen» er nicht der Meinung tvare, daß in Paris auch Worte, die eine bittere Enttäuschung aussprechen läßt, mit kaltem Lächeln ausgenommen werden. Im zweiten Teil seiner Rede setzte sich Dr. Stresemaun mit der Kritik der Opposition, im besonderen mit der Gras Westarps, aus einander. Wenn auch seine Politik einen Rückschlag erlitten habe, so sei cS doch notwendig, auch weiterhin für ihre Grund linie und deren konsegucnte Fortsetzung einzntrcicn: ohne Zweifel könne das machtlose Deutschland nur Verständigungs politik treiben. Darin sind sich alle .Kreise einig. Aber cs handelt sich darum, auf dem Wege einer solchen Politik die Mächte für unS zu interessieren und zu gewinnen, mit denen wir im ge meinsamen Vorgehen Vorteile für Deutschland erreichen können. Es ist begrüßenswert, daß Dr. Stresemaun feststellte, daß keine festen Bindungen an einzelne Großinächle vor handen wären, die gelöst werden müßten, um uns die not wendige Bewegungsfreiheit zur Verständigung mit den andere» Mächte» zu verschaffen. Dr. Stresemaun streift kurz die Frage der Abrüstung und geht dann aus die Ncparationsverhaiidlungc« ein. Mit Nachdruck stellt er fest, daß von einer wirklichen Lösung der ReparationSsrage nur z» sprechen sei. wenn sie unsere wirtschaftliche LeistuugSsähigkcit nicht übersteige und keine Gefährdung unserer Lebenshaltung bedeutet. Die Mittclparteie» und auch ein Teil der Sozialdemokraten spenden dein Minister Beifall, als er sein Manuskript vom Rednerpult nimmt und sich wieder neben dem Reichskanzler in der Regierungsbank niedcrläßt. Zieht man die Bilanz der Strescma»»-Rede, so ergibt sich, daß der Minister den Westmächtcn scharf ins Gewissen geredet, seine Politik verteidigt und einen kurzen Ucberblick über das gegeben hat, was nun für uns das wichtigste werden wird: Die Neuregelung des Dawesplancs. Von einer Acndc- rung seiner bisherigen Politik und von einem Zusammen gehen mit neuen Mächten hat der Minister nichts gesagt, kvniile davon, wie man zngebe» muß, auch noch nichts sagen, weil die eigentlichen Voraussetzungen für eine neue außen politische Betätigung von der Gestaltung unserer Tribut- zahlungcn abhängig sind. Erst wenn die ReparationSsrage geregelt ist, wird die Zeit für neue außenpolitische Aktivität gekommen fein. Dr. Strcscmann hat das nicht ausgesprochen, hat es aber deutlich genug durchblicken lassen, daß man sich bis dahin wird gedulden müssen. Unmittelbar nach dem Außenminister nahm sein schärfster außenpolitischer Gegner, der Führer der dcutfchnalionalc» Rcichstagsfraktio», Graf Westarp, daS Wort, der im wesent lichen das wiederholte, was er bereits vor einiger Zeit in mehreren Zeitungsartikel» zum Ausdruck gebracht hat, daß nämlich die Politik, die sich an den Name» Locarno knüpft, nun als abgeschlossen anzusehcn sei. Mit vollem Recht wies Westarp darauf hin, daß cs «umvgllch sei, zugleich Locaruopokitik zu treibe» und große Manöver im besetzten bentschcn Gebiete zu veranstalten. Auch für Westarp steht die Neuregelung der Tributzahlun- gcn im Mittelpunkte des politischen Interesses. Ter deutsch- nationale Redner sieht den kommenden Dingen mit Sorge entgegen. Diese Sorge ist angesichts dessen, was man naiiicnt- iilh in der Presse Frankreichs lesen konnte, sicherlich nicht ohne Grund. Wiederholt und nachdrücklich wendet sich der OpposilionSredner gegen die Pläneeincrsogc nann ten Kommerzialisierung. Der TranSscrschutz darf aus keine» Fall ausgcgcbcn werden. Ucber die Forderungen hinaus, die Deutschland bei den Reparationsnerhandlungen zu stellen haben wird, hält Westarp an der grundsätzlichen Forde rung der Revision des Versailler Vertrages fest. Westarp zeich net das Bild des zerstückelten und zerrissenen Deutschlands, wie es ist und wie es leider — namentlich gilt dies für gewisse Kreise in Berlin — immer wieder dem Gedächtnis entschwindet. Der RcichSinnenministcr hat bekannt lich in der Rundfunkrede am lll. Jahrestage der Revolution erklärt, baß man erst als Mensch und dann erst als Deutscher aus die Welt komme. Gegen den Geist, der aus solchen Worten spricht, wendet sich Gras Westarp nicht nur mit Schärfe, sondern auch mit Recht. Deutschland ist ver loren, wenn cs nicht wieder zur volklichcn Geschlossenheit kommt, wenn nicht die nationale Gesinnung zum Grnnd- elcment politischen Handelns gemacht wird. Der ZentrnmSredner, Prälat Kaas. stellt an deir Beginn seiner Ausführungen eine eaplulio den «volenti ge. Er, der präsumtive Außenminister jener Zentrumspartei, deren poli tische Methode in fortgesetzter Undurchsichtigkeit von Taktik und Strategie besteht, bittet zunächst einmal Dr. Strefemann ab. was das böse Zcntralorgan seiner Partei, die „Germania", und der Fraktionskollegc Schreiber ihm angetan haben. „Nachtigall, ick hör' dir lausen", ertönt ein Zwischenruf von links, den das Haus heiter ausnimmt. Dr. Strcscmann kann sich ans der Ministerbank eines Lächelns nicht enthalten. Ebenso- Bcrlin, lst. Nov. Auf der Tagesordnung der stark be suchten Rctchstagssitznng steht als einziger Punkt: „Ent gegennahme einer Erklärung der Rclchsrcgterung über die auswärtige Politik." Mit der außenpolitischen Debatte werden verbunden Anträge der Bayrischen RolkSpartet, der Deutschnationalcn und der Demokraten, die sich auf bas be setzte Gebiet beziehen, und eine Interpellation der Wirtschafts- Partei über die französischen Manöver tm besetzten Gebiet. Bor Eintritt in dte Tagesordnung erklärt Abg. Frick sNat.»Loz.s, seine Freunde hätten der Ausschußentschlteßung zur Aussperrung zugesttmmt. Präsident Löbe erklärt dann unter lautem Beifall: „ES gereicht mir zur Freude, dem nach langer Krankheit genesenen Herrn NeichSanßcnminister bas Wort erteilen zu dürfen." Reichsmtntfter Dr. Strefemann führt auS: Nach längerem erzwungenen Fernsetn habe ich zum ersten Male wieder die Ehre, vor Ihnen über die aktuellen Fragen der deutschen Außenpolttik zu sprechen. Den für uns wichtigen Verhandlungen der September-Völker bundstagung konnte ich nicht beiwohnen. Um so mehr fühle Ich mich verpflichtet, meinen Dank dem Herrn Reichskanzler Ein neuer Ton klingt an Es wird in allen politischen Kreisen ohne Unterschied der Partei mit aufrichtiger Freude begrüßt werden, daß Dr. Strcscmann sich von seiner langen und schweren Krankheit so völlig wieder erholt hat, um sein Ressort vor versammel tem Reichstage in Person vertreten zu können, und die besten Wünsche für weiteres Fortschrettcn seiner Kräftigung be gleiten ihn aus allen Seiten. Ein leichter Schatten liegt aber doch noch aus seinen diesmaligen Ausführungen, und daS ist ja auch nach so langen Wochen, die den Reichsaußenmtnister im Anfang in ernste Lebensgefahr gebracht hatten, voll be greiflich. Dazu gesellt sich das deprimierende Empfinden, daß die schönen Tage von Aranjuez-Locarno von einem nur allzu berechtigten Winter deutschen Mißvergnügens über da» hintcrhältige Gebaren unserer Vertragspartner in der R ä u m u n g s f r a g e abgclöst worden sind. Diese Stirn- mung kam tu der Rede Dr. Stresemanns mit einer früher nicht gewohnten Schärfe zum Ausdruck, die deutlich eine per sönliche Distanzierung von der unzuverlässigen westmächt. lichcn Politik erkennen ließ. Dte „tiefe Enttäuschung" deS deutschen Volkes über den Genfer Mißerfolg stellte Dr. Stresemaun mit Nachdruck fest, die Auffassung unserer Geg ner lehnte er sowohl vom rechtlichen wie vom politischen Standpunkte ans kategorisch ab und betonte dte absolute Un möglichkeit deutscher Gegenleistungen, die über die Räu- mungsfrist des Versailler Vertrages hinausgchen. Wenn der Ncichsaußenminister gleichwohl grundsätzlich an der Ver- söhnnngS- und Verständigungspolitik fcsthaltcn will, weil unS gar nichts anderes übrigblcibe, so tst das zweifellos in dem Sinne richtig, daß mir auch ferner keine Gelegenheit verpaßen dürfen, welche dte Möglichkeit zu einer Verständigung bar bietet. Diese Politik aber hat ihre Grenzen darin, daß zur Verständigung zwei gehören, und daß der gute Wille auf beiden Seiten vorhanden sein muß. Dr. Strefemann konnte jedoch selbst nicht umhin, zu erklären, daß das Verhalten unserer Gegner geeignet sei, den Glauben an ihren guten Willen zu erschüttern. wenig wie man zu erkennen vermag, ob der Rückzieher de» Zentrums tm innersten Grund wahrhaftig tst, ebensowenig vermag man aus den außenpolitische» Anssührungcn des Zentrums zu entnehmen, w» biescö steht, welche Pläne es hegt und ob der volkspartetllche Minister aus die Dauer mit der Gefolgschaft der stärksten Partei der Mitte wird rechnen können. Hie und da Vorstöße, Ansätze zu schärf ster Kritik dessen, was geschah, und im gleichen Augenblick ein Zurückweichen aus die Linie der bisher getriebenen Politik. Kurz und gut. das Zentrum folgt, wenn auch frei bleibend der von Strcscmann eingeschlagenen Marschroute. Der Demokrat Dernburg und der Wirtschastsparteiler Dr. Vre dt beschlossen die Rcdnerrcihe des ersten Tages der großen außenpolitischen Aussprache. Beide forderten keine weitere Beeinträchtigung der deutschen Souveränität. auszusprechen, der, als mir dte Teilnahme an dieser Voll versammlung des Völkerbundes unmöglich wurde, ohne Zögern meine Bitte erfüllt hat, an meiner Stelle an die Spitze der Delegation tn Gens zu treten. Mit meinem Dank an ihn möchte ich die Erklärung verbinden, daß ich für alle Schritt«, die von Dentschland in den letzten Monaten ans außenpoli tischem Gebiet getan worben sind, meinerseits die voll« Ver antwortung mit übernehme, und zwar nicht nur noch der formalen Seite, sondern auch ans Grund der Uebereinsttm- mung der Anschauungen. Lassen Sie mich drei Fragen tn den Mittelpunkt meiner Erklärung stellen: Die Frage der Räu mung, der Abrüstung und vor allem dte Lösung der Repara tionsfrage Die deutsche Relchsregferung hat vor der dteSfährigen Bvllvcrsammlnng des Völkerbundes die beteiligten Regie rungen auf diplomatischem Wege davon in Kenntnis gesetzt» daß sie beabsichtige, tn Genf Re Räumungsfrage offiziell aufzuwerfen. Dte Kritik dieses Schrittes, die sich darauf stützt, daß man einen Mißerfolg hätte voraussehen müssen, kan» ich nicht als berechtigt anerkennen. Wir können diese Frage nicht aus de» Gesichtspunkten der Tak/tk und Opportunität behandeln. Der Zeitpunkt war gekommen, dte RäumiiugSfrage aus der Lphär« inoffizieller und vertrau licher Besprechungen herauszubringcn und unseren Anspruch Re Rede des Außenministers
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