Während der nun folgenden Jahre des hingebenden Kunststu diums, in das Nolde nicht als jugendlich lebensfremder Schwärmer, sondern als gefaßter und gereifter Mann eintrat, hat er aufgenom men und tief in sich selbst verarbeitet, was die Kunst der ganzen Yor- zeit und der eigenen Gegenwart ihm geben konnte. Er ist so der Schüler einer ganzen Epoche geworden. Ihr bester Schüler zugleich darum, weil er ganz über sie hinausgewachsen ist. Nie aber hat er sich einem bestimmten Meister verschrieben. Im vollen Sinne gilt von ihm Zolas Wort: Le grand homme n’a besoin que de s’exercer, il porte son clief d’oeuvre en lui. Oder wo steckte etwa in Noldes ganzem Werk etwas von Adolf Holzels allzu bewußter Abkühlung der Inspiration durch die Theorie ? Nolde faßte, was er zu sagen hat, in das nur dem Verstand der Verständigen widerspruchsvolle Wort zusammen: »Je mehr man sich von der Natur entfernen kann und doch natürlich bleiben, um so größer ist die Kunst.« Ist das nun eine Absage an die Kunst der Zeit? Ist es nicht viel mehr die Erfüllung ihrer ihr selbst unbewußt gebliebenen höch sten Tendenz, die einzig mögliche fruchtbare Zusammenfassung ihrer auseinanderstrebenden, von Leibi zu Böcklin, von Maröes zu Liebermann schwankenden bildnerischen Kräfte? In jedem Falle stimmen jene Worte Noldes, mit denen er einmal lang ausgesponnene ErörterungenHölzels abschloß, genau zu seinen ersten künstlerischen Arbeiten. Es sind drei große jetzt fast bis zur Unkenntlichkeit verlöschte Zeichnungen aus dem Jahre 189g, von denen ältere photographische Aufnahmen wenigstens eine Vor stellung vermitteln können. Phantastische Vorstellungsbilder, aber so reich in der Formgestaltung, daß der phantastische Inhalt schon hier ganz in graphischer Kunst gelöst erscheint. Zur malerischen Bildgestaltung reichte das technische Vermögen noch nicht aus. Es ist aber eine nahverwandte Stimmung, die zwei, drei Jahre später aus den ersten Gemälden spricht, der seltsamen naturnahen Natur ferne des „Kanals“ aus Kopenhagen, der Phantasie „Vor Sonnen aufgang“, „Heimat“, diesem vor dünnem Himmel unheimlich