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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.02.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-02-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187002140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18700214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18700214
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1870
- Monat1870-02
- Tag1870-02-14
- Monat1870-02
- Jahr1870
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.02.1870
- Autor
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Selbstverleugnung, die peinlichste Gewissenhaftigkeit und einen großen Aufwand an Zeit erfordernde Arbeit des CorrigirenS der schriftlichen Arbeiten besprochen, die — im Unterschiede von den Volksschulen — an den Gymnasien eine sehr wichtige Rolle spielt. Wenn diese Arbeit schon im Allgemeinen im hohen Grade anstrengt und höchst erschlaffend auf den Geist einwirkt und bei der auch hier so gebotenen Gewissenhaftigkeit des Lehrers eine bedeutende Zeit in Anspruch nimmt, so gestaltet sich dies Ver- hältniß an den hiesigen Gymnasien und vor allem an der Tho masschule wegen der so hohen Frequenz in den einzelnen Elasten ganz besonders ungünstig, indem sich zur Zeit — oei niedrigster Berechnung — die wöchentliche Corrigirarbeit für die einzelnen Lehrer auf in der Regel 20—24 Stunden steigert. Hiernack ergiebt sich, daß der Gymnasiallehrer, und zwar spe- ciell an der Thomasschule, wenn man von den untersten Elasten absieht, — es wird wiederholt bemerkt, daß die Ansätze nur ganz niedrig bemessen seien, — etwa 9—11 Stunden täglich äußerst angestrengt unmittelbar für die Schule zu arbeiten hat, wo bei noch gar nicht in Berechnung gezogen ist, was an Zeit noch etwa von den für jeden Monat vorgeschriebenen und auch wohl noch außerdem sich nothwendig machenden Conferenzen, der sehr zeitraubenden Feststellungen der Censuren, der Anfertigung der Censurtabellen, den Besuchen der Eltern, sowie von dem persön lichen privaten Verkehr mit den Schülern in Anspruch genommen wird. Alles dies absorbirt immer noch ein gut Theil der soge nannten freien Zeit des Lehrers. (Fortsetzung folgt.) Lrennrnde Zeitfragen. ii Sollen die Lehrer nach den Schulklassen oder nach Alters- und WürdigkeitSclaffen bezahlt und aufgebessert werden? „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort." So singt der Dichter, und auf welches Feld paßt das Wort wohl schöner als auf die Schulverhältniste! Zu den Krank heiten auf diesem Felde gehört unter Anderm die Bezahlung der Lehrer nach den Schulclassen. Unser verehrter Stadtrath hat diese Maßregel als unzeitgemäß, als unpädagogisch bereit- auf gehoben, aber eS scheint, als solle sie von anderer Seite wieder aus der Rumpelkammer bervorgeholt und der Schulwelt aufs Neue octroyirt werden. Da erlauben wir uns denn doch einige Fragen, welche man recht wohl beherzigen mag, ebe man den Stadtrath dazu drängt, eine Reform, die allen pädagogischen Interesten der Neuzeit entspricht, wieder aufzugeben. Ist nicht die Lehrtüchtigkeit eines Lehrers die Hauptsache, welche bezahlt werden muß? Und worin ruht diese Tüchtigkeit? In der ganzen Art unter den Kindern aufzutreten, in dem Einfluß auf ihre geistige und sittliche Hebung, - oder in den Correcturen, die gemacht werden und die allerdings in höheren Elasten größer sind als in nieder«? Ist die Eivtheilung der VolkSschulclassen in höhere und niedere nicht ein trauriger, vormärzlicher Wahn? Ist die Schule nicht ein Organismus, in welchem ein Lehrglied gerade so viel Be deutung hat wie da- andere? Und hier müssen wir einen Augen blick das Fragen aufgeben und einmal gerade herausreden. Nichts ist in der heutigen Pädagogik allseitiger anerkannt, als der Grund satz, daß jede Elaste ihr bestimmtes Werk haben muß, in welches ein anderes eingreift, daß jede ein Ziel zu erreichen hat, welches an Wichtigkeit sich nicht von andern Zielen unterscheidet. Die Mittel und Unterlassen der Volksschulen haben eine furchtbare Ver antwortung: bauen sie nicht richtig, nicht lückenlos, so wankt der Bau oder fällt in sich zusammen. Zu sagen: Eine erste Elaste sei wichtiger als eine Elementarclaffe oder siebente und sechste Elaste, ist ein beklagenswerther Irrthum, der nur den Leuten zu verzeihen ist, die nie in eine Schule der Neuzeit hineingeschaut und die alte Zeit noch vor sich haben Wir fragen weiter: Ist die Arbeit wirklich so unermeßlich in den ersten Elasten und so nichtig in den Unterklassen? Unterrichtet in einer ersten Elaste nicht außer dem Classenlehrer ein Schreib-, Zeichnen-, Sing-, Turn-, Physiklehrer und der Direktor? Wenn nun ein solcher Herr der 1. Elaste 20 Knaben und 16 oder 18 Stunden hat, kann er da nicht die allerdings lästigen Correcturen fertigen, ohne sich aufzureiben? Ist denn aber der Unterricht der unteren Elasten, der so viel Herablassung, so viel Geduld, so viel Umsicht, so viel Nachdenken verlangt und der auch Correcturen hat, gar so unbedeutend hin sichtlich der Arbeit? (Man sehe sich nur körperlich gesunde Lehrer an, wenn sie auS 60 und mehrzähligen Elasten herauStreren!) Sind denn überhaupt die mechanischen Correcturarbeiten so wirksam, so nöthig? Kommen denn die Kinder bei allen gewissen haften Correcturen zu fehlerlosem Schreiben? Gebe eS nicht eine Art zu unterrichten, die wenigsten- einen Theil dieser Correcturen beseitigte? (In der Lausitz war ein Schulmann, der kein Buch zu Hause corrigirte. Als die Revision kam, erklärte man seine Schule für eine der besten im ganzen Bezirke.) Wäre es denn nicht eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn man Männer, die in Unterclasten sich auszeichnen und wohlfühlen, darin lasten, fefthalten und sie dann schlecht bezahlen wollte, weil ie nicht rücken? (Etwaige Ausnahmen zu machen, an diese- Kränkungsmittel — nein, an diesen Frevel an der Begeisterung anderer verdienter Mitarbeiter denkt keine fiirsoiHende Behörde.) Ist es denn etwa immer hübsch, wenn die Lehrer aus einer Elaste in die andere rücken? Ist eS denn nicht bester, ein Lehrer wird ordentlich warm in seiner Elaste, macht sich vertraut mit >em bestimmten Kinderschlag, arbeitet sich in die Elastenpraxis, in den UnterrichtSgang tüchtig ein? Ist es nicht für eine ganze Schule oft von Segen, wenn ein krebsamer Lehrer in der Elaste gelaffen wird, in welcher er mit zanzer Liebe wirkt? (Daher sage man ja nicht, die Untern nögen nur sehen, daß sie in die Höhe kommen, denn das hieße: die Lehrer mögen durch Wanderung die Stetigkeit deS Schullebens unterbrechen, was leider schon oft genug durch Todesfall u. s. w. geschieht.) Ist denn etwa, wie die Lehrerfreunde sagen, der Lehrerträg heit Thor und Thür geöffnet, wenn es nach Altersclafsen geht? Hat man da nicht Mittel und Wege genug, den Lehrer, welchen man für unpraktisch, gewissenlos und für was Alles hält, an dem Auffteigen zu höheren Gehaltsclassen zu hindern? Ist das Aufsteigen in der Volksschule von Stelle zu Stelle nach oben etwas Ehrenvolles (wie stch's der alte Zopf denkt) oder ^atte jener Director Leipzigs recht, der da sagte: Die ersten ilassen gebe ich ftetS lieber einem jungen Manne, als einem älteren erfahrenen; oben kann der junge Lehrer sie nicht so viel böse machen wie unten? Ist das Auftücken hinsichtlich des Gehaltes nicht längst an der Freischrle aufgegeben und ist die deshalb schlechter geworden? Haben nicht sogar die Gymnasien diesen alten ModuS glücklich überwunden? (Auch bei ihnen liegt der Gehalt nicht auf der Schulclaffe.) Aber die große, stundenlange Vorbereitung auf die Lectionen in der ersten Elaste, die muß berücksichtigt werden. Nun frei lich, wer in der Geographie, Geschichte rc. nicht fest ist, der muß sich vorbereiten und wird es gern thun, weil für ihn selbst ein Gewinn in dieser Vorbereitung liegt. Aber ist es denn gar so leickt, kleinen Kmdern einen Bibelspruch klar zu machen, ihnen denselben so warm ans Herz zu legen, daß sie daraus wirklich etwas gewinnen für ihr junges Leben; verlangt dies nicht auch Vorbereitung und zwar gewissenhafte? Und wenn es nun auch 'o wäre, daß einmal ein älterer Lehrer auch weniger Arbeit in einer Schulclaffe hätte, müßte denn deswegen das Collegium ihn o schrecklich beneiden? Doch vielleicht können die Gehalte nach der Auszeichnung gehen, die sich ein Lehrer erwirbt. Das wäre manchen Leuten ganz recht, und dem Schreiber dieser Zeilen am allerliebsten ; denn da hörte doch der Vorwurf auf, daß manche Lehrer ihr schönes Brod mit Sünden essen. Aber wer soll's denn sagen, wer der ausgezeich netste Lehrer ist? Will man da nach einer Tradition gehen, die sich nach Manipulationen aller Art bildet; will man nach den Ansichten des Directors gehen; wird der nicht selbst, aufs Ge wissen gefragt, oft Bedenken tragen Einen als den allerfähigsten zu bezeichnen und eine Tüchtigkeitsscala zu machen? (Mancher arbeitet still und fleißig in seiner Elaste; er macht kein Wesen von sich ; sein Ruf dringt nicht in die Welt, aber er wirkt viel leicht mehr alS der, dessen Ruf in der Tagesposaune hängt.) Ist denn nicht auch der Erfolg der Lehrtätigkeit, nach welchem man gehen könnte, von tausend Verhältnissen und Bedingungen (in neren und äußeren) abhängig, und könnte nicht leicht auch auf diesem Wege eine schlimme Ungerechtigkeit geschehen? DaS sind nur einige Fragen, die wir recht sehr zu beherzigen bitten, ehe man das Princip des Stadtraths, welches im Namen der Gerechtigkeit, im Sinne der wahren Pädagogik und zum Wohle der Schule aufgestellt worden ist, wieder umstößt. Wir haben noch viele Gründe gegen die Vertheilung der Ge halte und der Aufbesserungen nach Schulclassen; aber eS sei vor der Hand genug. Wir wollen nun erst den Gegner hören. Zum Schluß noch ein einzig Wörtchen. Wir haben in diesen Tagen sagen hören: „Wenn man doch das Geld, was die Lehrer bekommen, lieber den armen Bürgern gäbe!" Das ist eine Rede, die sehr traurig klingt. Wir wollen nicht an den Judas erinnern und an sein Wort hinsichtlich der hundert Groscken, aber unrecht ist eS, durch solche Reden die Armen selbst, für deren Kinder die Lehrer arbeiten, zu neidischen Gegnern der Lehrer zu machen. Ist denn das alte Wort eines Stadtrathes: „WaS eine Stadtgemeinde ihren Lehrern giebt, das giebt sie ihren Kindern!" nicht auch wahr? Freilich, wenn eine Stadt überhaupt kein Geld zu Auf besserungen der Lehrer hat, nun dann — mag sich Jeder da- Seine dabei denken!
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