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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 03.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-03
- Sprache
- German
- Vorlage
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-189509035
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-18950903
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-18950903
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-03
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716 einer Lothringerin, davongegangen war. Sie sollte eine eingefleischte Franzosenfreundin sein; von einem jungen Mädchen aber, hübsch, mit traurigen, dunklen Augen und einer Mouche, einem kleinen Leberfleck am Kinn, den ich ganz deutlich bemerkt, von einem solchen wußten sie nichts. II. Die Tage verstrichen in erklärlicher Unruhe. Unsere Leute schossen sich täglich mit den feind lichen Feldwachen herum, bis man am 1. August vom Exerzierplatz auS beobachtete, daß der Feind drüben auf der Spicherer Höhe Erdarbeiten be ginne, was auf endliche ernste Absicht schließen ließ. Und das bestätigte sich, denn das ganze zweite Korps des Feindes war inzwischen zum Angriff auf unfern Exerzierplatz gegen Saarbrücken dirigiert. Die Mitrailleusen auf den Höhen be gannen ihren Lärm, und die Stadt wurde mit Granaten beworfen. Unsere Kompanien wehrten sich mit Löwenmut, aber an ein Halten des Platzes war nie gedacht worden. Die Brücken nach St. Johann wurden so lange gehalten, bis die Kom panien den Platz geräumt. Die Aerzte hatten wenig Arbeit, denn wir zählten nur neununddreißig Verwundete. Als auch ich nachmittags die Brücke erreichte, an der Hauptmann Neydecker noch mit seiner Kom panie stand, da der Befehl zum Rückzüge nicht an ihn gekommen, glaubte ich unter den Nach züglern, den leicht und äußerlich Verwundeten, in einem Reserveoffizier, dessen hübsches, braunbärtiges Gesicht mir ausfiel, denselben jungen Mann zu er kennen, den ich mit Gabriele gesehen — unter diesem Namen erinnerte ich mich nämlich des Mädchens. Ich mußte ihm unbekannt sein, denn er hatte mich nur im Dunkel des Hausflurs ge sehen, und mir fehlte auch jeder Vorwand, ihn anzureden. Was gingen mich seine Familienver hältnisse an! Wie ich flüchtig zu bemerken glaubte, gehörte er garnicht zu dem Regiment, wahrscheinlich vielmehr zu denen, die i» der ersten Eile der Mobilmachung irrtümlich hierher berufen oder dirigiert worden. Es war ei» kolossales Hin- und Her- und Durch- einander-Bewegen der Truppen, die sich während der folgenden Tage aus der Höhe von Quierscheidt Holz rc. sammelten, bis in der Nacht vom 5. zum 6. August ein Telegramm des Kronprinzen von dem an« 4. August erfochtenen Siege über die Division Douay eintraf, das sowohl auf französischer als deutscher Seite neue Dispositionen notwendig machte. Der Feind hatte inzwischen seine Stellung aus dem Exerzierplatz von Saarbrücken verlassen und stand demselben gegenüber auf der Spicherer Höhe, bei Styring und Forbach; das Oberkommando unserer ersten Armee hatte daraufhin nur die Ordre erhalten, seine Vorposten gegen Völklingen und Saarbrücken zu schieben. Jedermann weiß, wie Außerordentliches unsere Truppen an jenem denk würdigen 6. August leisteten bei der Erstürmung der Spicherer Höhe»; was die Bevölkerung der Stadt Saarbrücken an Opferfreudigkeit zeigte, war be wundernswert. Unvergeßlich ist es mir, wie Männer, Weiber und Kinder, während die Schlacht wütete, herbei eilten, die Spicherer Höhe erklommen, um Verband zeug und Wasser zu bringen, die Verwundeten zu laben und mit Hand anznlegen zur Wegschaffung derselben; ich sah junge Mädchen aus dem Volke unerschrocken sich aus dem Schlachtfeld, auf und vor dem Verbandplatz bewegen, und so manche war uns hilfreich zur Hand in unserm heißen Werk. Als es dunkel, war die Schlacht gegen eine enorme Uebermacht gewonnen, aber unsere Verluste waren groß, die Hälfte unserer Offiziere war ge fallen. Niemand konnte an dem Abend diese Verluste besser überschauen als wir Aerzte. Die Truppen, die seit dem Morgen um fünf Uhr auf den Beinen gewesen, streckten sich ermattet, ohne Stroh und Feuerung, aus den harten Boden, und ihr Schlummer muß dennoch sanft und fest gewesen sein; wir unsererseits dursten an Ruhe nicht denken. Bei Laternen- und Fackelschein setzten wir unser Werk fort, unterstützt durch mild? Hände, die Verband zeug herbeischleppten. Es war ein unheimlich Stück Arbeit! Ein Schlachtfeld bei Hellem Tage bietet keineswegs einen so grauenhaften Anblick, wie man sich dies vorstellt; »ich habe Naturen mit nicht allzu starken Nerven gekannt, die ohne große Erschütterung ihr Auge über den weiten Plan warfen, auf welchem eben der unerbittliche Schnitter seine Ernte ein geheimst, und sie gestanden mir, der Eindruck sei nicht so entsetzlich gewesen, wie sie ihn sich vor gestellt. Die Ermattung durch den Kampf führt die Seele des Schmergetroffenen sanft ins Jenseits hinüber, und der Schmerz der Wunden ist auch nicht ein so unmittelbarer bei denen, die zum Ver bandplatz und von diesem fortgetragen werden. DaS Bewußtsein treu dem Vaterlande erfüllter Pflicht lindert den Schmerz und öfter habe ich auf dem Schlachtfelde einen Verwundeten dem neben ihm hingestreckten klagenden Kameraden zu- rufen hören: „Schäme Dich, weißt Du nicht, daß Du Soldat bist?" — Erst im Lazarett beginnen die eigentlichen Schmerzen, und oft hört man dort die Bitte: „Schießt mich tot, damit es ein Ende hat!" Auch die Physiognomien der Toten zeugen selten von Todeskampf. Die Kugel ist schnell und das Leben erlischt, ehe der Getroffene wohl selbst die Bedeutung seiner inneren Verletzung ahnt. So mancher trägt unbewußt im Kampfe schon die Kugel in der Brust und sinkt erst nach wenigen Schritten zusammen. Anders ist der Anblick selbst für einen Arzt während der Nacht beim Schein der Fackeln und Laternen; Licht und Schatten sind greller, die offenen, kalten Augen der Toten haben etwas Geisterhaftes, und unheimlich dringt uns der Ruf der Verwundeten ins Ohr, die vergessen zu werden fürchten, uns die Arme entgegenstrccken, sich mit blutleeren Gesichtern ausrichten, um sich bemerkbar zu machen — doch das muß ich den Nerven der Leserin erspare». Die Nacht war vorgeschritten, ich und meine Kollegen beneideten die Mannschaften, die drüben aus den Höhen und im Thal in tiefem Schlummer lagen. Auch die Krankenträger waren erschöpft, als ich indes die schwerste Arbeit beendet glaubte, fehlten noch einzelne am Verbandplatz, die wohl noch die Waldung absuchten. Die Stille war unheimlich nach dem Getöse der Schlacht; mir klang noch immer das Hurrageschrei und das Rottenfeuer in den Ohre». Da, plötzlich vernahm ich im Walde einen Schuß, dessen Echo in ziemlicher Nähe durch die Bäume hallte. Einige Träger, die eben die Lichtung betraten, horchten stehen bleibend auf. „ES freibt sich scheußliches Gesindel da drüben herum!" ries einer von ihnen, ein Lazarettgehilse. Er griff nach einem in dem zertretenen Grase liegenden Gewehr, untersuchte cs nach etwaiger Ladung, dann folgte er mir, der ich de» Revolver gezogen und entschlossen in das Gehölz schritt. Reihenweise lagen die Tote» umher, wie sie der Schnitter hingemäht. Eine am Boden nmgeworsene, noch brennende Laterne ergreifend, drang ich vor. Häßliche Gesichter mit brutalem Ausdruck lugten mir hinter den Baumstämmen versteckt entgegen, von einem Baum zum andern huschend und im Dunkel verschwindend. Ein Feldgendarm trat zu mir mit der abgeschoffenen Pistole in einer Hand, die andere in den Nacken eines Kerls mit zer lumpter Bluse gelegt, dem eine goldene Uhrkette niit einem Medaillon aus der Hosentasche hing. „Es sind wohl an die hundert dieser Schufte von unten, von der Grenze da, die sich an den Ge fallenen vergreifen! Einen von ihnen, de» da, Hab ich schon niedergeschosse»!" ries er mir in branden- burgischem Dialekt zu, in das Halbdunkel, aus de» Boden deutend. Meine Aufmerksamkeit war in dessen von ihm abgezogen worden. Wir hatten am Nachmittag und noch am späte» Abend so viel hilfsbereite Männer und Frauen um den Verbandplatz gesehen, die sogar den Trägern unerschrocken zur Hand waren, daß wir ihnen nur Dank wußten; mein Auge war aber auf zwei Ge stalten gefallen, die, eben in das Licht getreten, scheu zurückwiche», den Schatten suchten und hinter den Bäumen verschwanden. „Wer sind diese da?" rief ich dem Gehilfe» zu, auf ein Mädchen deutend, das von einem schon er wachsenen Burschen fort in das Dunkel gezogen wurde. „Die? O, die suchen schon den ganzen Abend! Sie müssen von drüben aus der Stadt oder aus Styring sein!" Ich hätte darauf schwören mögen, daß eS wieder dieselbe war, diese mir so geheimnisvolle Gabriele! Sie trug dasselbe dunkle Tuch über dem Kopf, es war dieselbe Gestalt, dasselbe Gesicht, so weit ich es im Halbdunkel und in der Erregung deS Augenblicks hatte erkennen können. Ihr Kleid war ausgeschürzt, die Unterkleidung mit dem zierlichen Spitzenbesatz stand in Widerspruch mit dem elfteren... Aber daS war nur eine Beobachtung im Fluge, über die zu denken ich weder Zeit, noch Stimmung hatte. Ich kehrte zurück aus das freie Plateau und warf wohl die Augen suchend noch umher, doch als der letzte Karren sich eben langsam zum Thal hinabbewegte, streckte auch ich mich auf das Stroh ... Am nächsten Mittag führte mich mein Weg in die „Post", das Hotel, in welchem während deS Vorspiels der Kommandierende gelegen. Es waren mehrere Stäbe hier einquartiert. Ich hatte einen eiligen Rapport zu machen. I» ganzen Zügen waren heute schon die Soni- tätskolonnen eingetroffen, auch die freiwilligen Samariter waren in ganzen Haufen da; die Frauen fehlten unter ihnen nicht. Zu meiner Ueberraschuug sah ich in der „Post", als ich die Treppe Hinanstieg, vor mir auf den Stufen ein paar zierliche, elegante Füßchen, unter dem Saum eines Kleides; um so auffallender, als bisher in diesem von rauhen Kriegern gefüllten Hause kein weibliches Wesen gesehen worden. Auch die unten im Flur stehenden Ordonnanz-Offiziere schienen überrascht durch diese Einquartierung. „Die Fürstin Salm," hörte ich einen dem andern zuflüstern. Es waren also auch die höheren Samariterinnen schon am Platz. Oben in dem engen Korridor sah ich den General- Arzt, dem ich Meldung zu machen hatte, wie er der erlauchten Dame (der Gattin des aus dem mexikanischen Drama bekannten, bei St. Privat gefallenen Prinzen Felix, die später ihr Tagebuch veröffentlichte) seine Komplimente machte, sich dann an verschiedene andere weibliche Wesen richtete, darauf mich gewahrend, der in wartender Stellung dastand, mir znwinkte und sein Zimmer betrat. Ich drückte mich an de» Damen vorüber, jüngeren und älteren, wie sie da standen, erschrak aber, als ich an einem jugendlichen, aber ermatteten und ab gespannten Gesicht vorüberschritt, das so sichtbar schmerzgebeugt vor sich blickte. „Gabriele!" rief es in mir. Sie war eS ohne allen Zweifel, und wieder hätte ich daraus schwören mögen, daß sie es gewesen, die ich gestern abend im Walde gesehen. Aber die Thür vor mir stand geöffnet, der Vorgesetzte erwartete mich; ich hatte kaum Zeit, in meiner Ueberraschuug noch einmal halb znrückzublicken. Als ich zerstreut zurückkehrte, war der Korridor leer; nur ei» paar schwere Säbel rasselten im Hintergrund über denselben. Ich hatte Befehl, mich sofort nach Forbach hinaus zu begeben, denn auch auf der Straße dahin hatte der Kampf gestern arg gewütet. Tiefsinnig saß ich bald daraus mit.meinen Leuten auf dem Stroh des elenden BauernkarrenS. In den Wirtshäusern an der Straße saßen unsere Soldaten und sangen: „Napoleon, Du Schuster geselle"; Ordonnanzen jagten an mir vorüber; General v. Kamecke stand vorseinem wigwamförmigen Zelt am Wege und freute sich offenbar, daß alles so glänzend abgelaufen, ich aber dachte wieder und wieder: Wer in aller Welt mag diese Gabriele sein? Nicht, daß ich mich in sie verliebt hätte, denn wir hatten >a wichtigeres zu thun; eS intrigierte mich nur, daß sie mir ein Geheimnis bleiben sollte. Unsere Kolonne» wälzten sich während der nächsten Tage »ach Frankreich hinein, und wo der Kanonen donner dröhnte, da flatterte auch unser Fähnchen mit dem roten Kreuz, rastlos, immer vorwärts . . . (Fortsetzung folgt.) Tagebuch. «Srpedittouszett. 1) Amtsgericht: Jeden Wochen tag 8—12 Uhr vorm., 2—ü Uhr nachm. (Sonnabends nur bisü Uhrnachm.). DieGerichtSschreiberei und die S p o r t e l k a s s e von 8—l2 Uhrvorm. und von 2 H Uhr nachm. 2) Eisenbahn-Güterexpe dition: geöffnet von 7—12 Uhr vorm, und von 1—7 Uhr nachm. 3) Stadtrat: Montag bis Frei tag von 8—12 Uhr vorm, und von 2—6 Uhr nachm. Sonnabends von 8—12 Uhr vorm, und von 2 bis bUhr nachmittags. 4) Standesamt: jeden Wochen tag von 10—12 Uhr vorm, und von 2—4 Uhr nachm. Eheschließungen Dienstags und Donner^ tags vorm, ü) Stadt- ündSparkasse: geöffnet jeden Wochentag von 8—12 Uhr vorm, und von 2 bis 4 Uhr nachm. «) Untersteueramt: jeden Wochen tag von 8—12 Uhr vormittags und von 2—5 Uhr nachm. 7) Stadtbibliothek: geöffnet Sonntags von >/,ll—'/,1 Uhr. 8) Kirchnerexpedition: geöffnet vormittags von 8—11 Uhr, nachmittags von 2—5 Uhr. Verantwortlicher Redakteur: A. Raschle in Zschopau. — Druck und Verlag von I. A. Raschle, Paul StrebelowS Nachfolger in Zschopau.
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