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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-06-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188506105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850610
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850610
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-06
- Tag1885-06-10
- Monat1885-06
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1885
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zu erhebt«, was für Nechle wäre Herr Gablet daun eigentlich geneigt, dein Erzbischosc einzurauineu? Die Ernennung des VijchosS t-iralen Schönborn zum Erzbischof vo» Prag ist im Valican mit lebhafter Befriedigung begrüßt worben. Die Clirie hält die Wahl für die glücklichste, und man ist überzeugt, dag Pm anderer Prälat in Oesterreich in dem Grade wie der aus gezeichnete bisherige Bischof von Budwci» geeignet ist» das Erbe de- unvergeßlichen Cardinnls Schwarzenberg anzutreten. Die Frage, beireffend die Ernennung eines Erzbischofs von Posen-Gnesen, harrt noch immer der Entscheidung. Tie bisher in Borschlag gebrachten Candidaten waren nicht genehm und es werden nun neue Candidaten iuü Auge gefasst. Bei aller Schwierig keit der sehr heikle» Frage hofft man im Valica» aus eine baldige Lösung. * Wie aus Canea vom K. Juni gemeldet wird, baden nach der Ankunft dcS neuen Gouverneurs, SavaS Pascha, die christlichen Functionaire, einem zuvor gefaßten Beschlüsse gemäß, in Masten ihre Demission gegeben. Die Demonstration umsaßlc die Beamten aller Grade und erstreckte sich noch aus die christlichen Gendarmen, welche die Waffen niederlegten. Es fanden feindselige Kundgebungen in Canea gegen den neuen Gouverneur statt. Genossenschaflsversammlung der deutsche« Luchdrucker-Lerufsgenossenschaft. * Leipzig, S. Juni. Am gestrigen Tage fand die erste der in unserer Stadt edzuhaltenden Gcnossenschastsversammluugen im Saale dcS „Eldorado' statt. Dieselbe betraf die Berathung des Slkiluts für die zu begründende „deutsche Buchdrucker« BerufSgenofseaschast". HerrGeh.RcgierungsrathBöttcher auS Dresden eröffnet« kurz nach 10 Uhr die von 41 Delcgirten (mit 1300 Stimmen) besuchte Versammlung, die Erschienenen mir Herz- sschcn Worten begrüßend. Nach Erledigung einiger Formalitäten wnrde sodann Herr vr. BrockhauS zum Borsivcnden und Herr Or. Schmidt, Secretair deS Buchhändler-Börsen-VereinS, als Schriftführer gewählt. Nunmehr wurde zur Statutenberathung 'übergegangcn. DaS Statut lag in einem von der am 7. Januar hierselbst erwählten Commission auSgeorbeiteten Entwurf gedruckt vor. Zu diesem Entwurf, der 50 Paragraphen umfaßt und welcher dem Reichs- versichcrunqsamte bereits zur Begutachtung Vorgelegen, hatte die letzt genannte Behörde verschiedene AbäuderungSanträge gestellt, welche hauptsächlich der mehrstündigen Berathung unterlagen. Da ein allgemeines Interesse an diesen Specialberathungen nicht vor- liegt und wir uns über den Werth und die Wichtigkeit der Unfall« versicheruiigSgesetzgebung bereits zn wiederholten Malen in ver schiedenen Artikeln ausgesprochen haben, so führen wir hier nur die bedeutendere» Bestimmungen des Statuts an. Der Name der Cienossenschasl wird, wie schon erwähnt, „deutsche Buchdrucker-BerufSgenossenschast" lauten. Ein Antrag des ReichSversicherungsamles, das Wort „deutsche" zu streichen, wurde abgelebut. Der Bezirk der Genossenschaft erstreckt sich über das deutsche Reich und umfaßt die Industriezweige der Buchdruckerei, Schriftgießerei und-Schneiderei, des Holzschnitts, der Mejsiualinieusabrikation und die Satiniranstalten. Der Sitz der Genossenschaft ist in Leipzig. Die Genossenschaft wird in neun Seetioueu eingetheilt und zwar Sectio» I: Tie Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein, Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und -Streich, sowie Olden burg (ohne Birkenseld), Herzogihum Braunschweig, Fürstenthümer Schaumburg « Lippe und Lippe - Detmold, endlich die Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck. Sch: Hannover. Section II: Die Provinzen Westfalen und Rheinproviuz, sowie das Fürstenthum Birkenseld. Sitz: Köln. Sectiou III: Die Provinzen Hessen- Nassau und das Großherzogthum Hessen. Sitz: Frankfurt a.M. Section IV: Das Königreich Württemberg, das Großherzog, thum Baden» Elsaß-Lothringen und die bayerische Pfalz. Sitz: Stuttgart. Section V: Königreich Bayer» mit Ausnahme der Pfalz. Sitz: München. SectionVI: die Thüringischen Staaten, die Provinz Sachsen und das Herzogthum Anhalt. Sitz: Halle a/S. Section VII: das Königreich Sachsen und das Herzogthum Sachfen-Altenburg. Sitz: Leipzig. S eeti o n VIII: Provinz Brandenburg mit Berlin. Sitz: Berlin. Section IX: Die Provinzen Schlesien, Pommern, Posen, Ost- und Westpreußen. Sch: BrcSlau. Für jede Section sind VertranenSmünner und Stellvertreter derselben als ört liche GcnossenschaftSorgane zu wählen. Die Bestimmung der Zahl der Vertrauensmänner und Stellvertreter, die Abgrenzung und die Veränderung ihrer Bezirke wird der Genossenschaflsversammlung übertragen. Die Organisation der BernfSgenossenschaft wird in 29 Paragraphen behandelt. Die hierbei vom ReichSvcrsichecungS- amte gestellten Abäuderongsanträge waren meist unwesentlicher, mehr redaktioneller Natur und gelangten durchgctiends zur Annahme. Die besagten 29 Paragraphen handeln übrigens neben allgemeinen Bestimmungen von den Rechten und Pflichten der Genossenfchafls- versammlung, drSGeuossenschaftSvorstands, derSectionsvcrsammlung, des SectionSvorstandrS und der Vertrauensmänner. Weitere 13 Paragraphen bandeln von der Verwaltung der Berussgenossenschast. Eine besondere Discussion veranlaßt«: hier nur der 8 46, welcher besagte, daß die Mitglieder des Genosjen- schastsvorstandeS, der Sectionsvorstände, die Vertrauensmänner, die der Genossenschaft ungehörigen Mitglieder der Schiedsgerichte, sowie d,e Vertreter der versicherten Arbeiter außer dem Ersatz ihrer haaren Auslagen für Reisekosten bei event. eintretender Thätigkeit außer- halb ihres Wohuortes 15 Mark Tagegelder erhalten sollen. Dgs ReiebSversicherungSamt batte nur 12 .^l beantragt, weil der erstere Satz für die Arbeiter bedenklich sei, da er zu unerwünschten Bezugnahmen der Arbeiter anderer Betriebszweige Anlaß geben würde. Die Genossenschastsversainmlung pflichtete diesen Bedenken bei und setzte das Tagegeld aus 10 .4l fest. Der IV. Abschnitt (88- 47—49) handelt von der Ausdehnung der Vcrsicherungspslicht. Besonder-wesentliche Abänderungen erlitt dieser Abschnitt nicht. Der letzte ß. 50 betrifft statutarische Abänderungen und ist hierüber festgesetzt, daß über solche die Genossenschaflsversammlung entscheidet mit der Maßgabe, daß mindestens zwei Drittel der Erschienenen dem AbänderungSantrage zustimmcn müssen. Gegen 3 Uhr Nachmittags war die Berathung deS Statuts zu Ende. Nachdem die Versammlung dem provisorischen Vorstände noch die Ermächtigung gegeben, alle vom Reichsversicherungsamtc geforderten Abänderungen rechtsverbindlich zu vollziehen, konnte unter den üblichen DaukeSworten der Schluß der Versammlung aus gesprochen werden. Genossenschasts-Versammlung der ürauerei- imd Miilzerei-Verufsgenossenschaft. * Leipzig, 9. Juni. Im Saale des „Eldorado", in dem auch am Mittwoch und Donnerstag die hierselbst noch stattfindende» Ge- uoijeusctiast vcnainmlungcn abgchalken werden, wurde beute Vor- mütag 10 Uhr diejenige der Brauerei- und Mälzcrei-Bcrufsgenofje»- ichaft durch Herrn Geheimen Regierungeralh Böttcher eröffnet. Auch hier war der Zweck die Slaiutenbcraihung und nachdem Herr Heinrich (Frankfurt o. M.) zum Vorsitzenden sowie Herr Gabriel Sedlmayr «München) zum Schriftführer erwählt, wurde in die selbe cingetrete». Abäudcruugsanlräge waren von Seite» dcS ReichSversicherungs- amtes überhaupt nicht gestellt und da zu längeren Debatten eine große Neigung in der Versammlung nicht zu verspüren war, so ging selbige sehr schnell und glatt zu Ende. Die „Brauerei - un dMälzerei-Berufsgen offen schüft", wie der angenommene Name lautet, wird ihren Sitz in Frank furt a. M. haben. Die Genossenschaft erstreckt sich über das ganze Gebiet des deutschen Reichs und umsaßt lediglich die beiden In dustriezweige der Brauerei und Mälzerei. Die Genossenschaft wird in neu» Sectione» eingetheilt und zwar bildet die I. Section: Reichsland Eliaß-Lotbringen. Sitz: Straßburg. II. Section: Großherzogthum Baden und bayerische Pfalz. Sitz: Karlsruhe. ' III. Section: Königreich Württemberg und Regierungsbezirk Sigmaringen. Sitz: Stuttgart. IV. Section: Regierungsbezirke Ober- und Niedcrbayern, Schwaben und Neuburg. Sitz: München. V. Section: Regierungsbezirke Ober-, Mittel- uud Unter- sranken, Oberpsalz und Regensdurg. Sitz: Nürnberg. VI. Section: Die Provinzen Ost- und Westpreußen, Posen, Schlesien, Pommern, Brandenburg mit Berlin, die Großherzog- thUmer Mecklenburg-Schwerin und -Strcliy, Provinz Schleswig- Holstein, sceie Stabte Hamburg und Lübeck, nebst vtücuburgijcher Eoclave Eutin. Sitz: Berlin. VII. Section: Regierungsbezirk Magdeburg, Provinz Han- uover, Großherzogthum Oldenburg (ausschließlich Enklaven), Herzog- thnmcr Braunschweig und Anhalt, Kreis Rinteln. Fürstenihum Schaumburg-Lippe und Freie Stadt Bremen. Sitz: Magdevu'l'. VIII. Section: Königreich Sachsen, Rcg>crn»gSbcziit. Merseburg und Erfurt, Thüringische Staaten, sowie Kccis Schmal- kalben. Sitz: Leipzig. IX. Section: Provinzen Hcssen-Nassau, Westfalen, Rhein- Provinz, Fürstenthümer Birkenseld, Lipvc-Detmold und Waldeck, owie Großherzogthum Hessen. Sitz: Dortmund. Wie wir bereits erwähnten, wurde der von der am 8. Januar erwählten Commission ausgearbeitete Statute»eiitwurs last ohne Debatte angenommen; die wenigen Abänderungen, welche beschlossen wurden, waren ganz unwesentlicher Natur und ist bereu Wiedergabe von kcmer Bedeutung. Was die Tagegelder belrisst, so sei bemerkt, daß die Mitglieder des Genosseiischaitsvorstandrs und die Sectionsvorstände nur Reisekosten und baare Auslagen, dagegen die Vertrauensmänner und die aus den Mitgliedern der Genossenschaft gewühlten Beisitzer der Schiedsgerichte außerdem ein Tagegeld von 7 erhalte». Tie Vertreter der versickerten Arbeiter bei Reisen auf Tainpijckisscn oder Eisenbahnen pro zurückgelegtcS Kilometer 5 da, wo diese Ver- kehrsmiltel nicht benutzt werden können, pro Kilometer 30 und außerdem Zehrungskosten >m dopvclien Betrage deS durchschnittliche» Tagesarbeitsverdienstcs, jedoch mindestens 5 .E Um 12V, Uhr hatten di- Bcrathungen schon ihr Ende erreicht und nachdem Herr Geheimer Rcgierungsraih Böttcher, aus eine Anfrage »och erklärt, daß der Geiiehlmgung der Statuten in 8 bis 14 Tagen nach der Einreichung eulgegeiizuiekcn sei, wurde auch diese Versammlung unter den üblichen Taukesworten geschlossen. Anwesend waren, wie noch augefügt sei, 66 Bcrriebsunternebmcr mit 1433 Stimmen. > Lorsica als Keiseziel. * lieber ein im Allgemeinen wenig bekanntes Land, die Insel Corsica, schreibt' der ausgezeichnete Reiscschriflslciler I)r. Theodor Gfeil-Fels in der Münchener „Allgemeinen Zeitung": Bon Winter zu Winter mehrt sich der Besuch der in ihrer köstlichen Lage oft mit Neapel verglichenen stillen Hauptstadt Corsicas. Aiaccio, wo sich nun auch eine kleine deutsche Coionie meist Brustleibcnder und ihrer Angehörigen behaglich ühlt. Denn in dem comsortablen Holei Continentai des Deutsch- chweizerS Hofer, das in voller Südlage an der schönsten Promenade (Lours Grandval) liegt und in den, in der Nähe des Mccrcs gelegenen auch windgefchützleu Hotel Suisse findet auch der Deutsche die wohlthuendc Gemülblichkeit und die wünschbare gute Pflege, und ein deutscher Arzt steht ihm bereitwillig zu Gebot. In lliinalijchcii Vorzüge» wcttesscrt Ajaccio mit der Riviera, die mittlere Temperatur der Winlcrmonnle (November 14.1: Dcccmber 11.80; Januar O.kO; Februar 11.86; März 12.44: April 14.89) ist noch etwas höher als an letzterer Küste und etwas constantcr, die relative Feuchtigkeit (nahe an 80) zeigt höhere Grade, da hier die über das Meer streichen den Westwinde und die üppige Vegetation gemeinsam eine Steigerung bedingen. Doch beträgt die Zahl der Regentage für die Wintersaisoii nur 34, ein reichlicher Thau wehrt andererseits den Uebelständen der Trockenheit. Die Lage der Stadt auf festem Granilboden, berauch allen Spazierwegen zu Gute kommt, begünstigt durch die damit bedingte Staubsreihcit den vollen Genuß der balsamischen Luft. Für die Ab- Haltung der heftigeren und rauhen Nord-, Nordost- und Lstminde orgt der de» Gols einschlicßende Gebirgskranz, dessen landeinwärts ich erhebende majestätische Schnecgipsel dem prächtigen See-Pano- :ama und der üppigen Ebene des Campo d'Oro de» höchsten land- chastlicheu Reiz verleihen. Aber nicht nur Ajaccio, auch die ganze Insel, zumal das gesammtc Gebiet zwischen Ajaccio und Bastia ent faltet malerische Schönheiten in reichster Fülle und verdient einläß lichen Besuch. Es ist daher dankbar zu begrüßen, daß i» die Reihe der kleinen Wörl'schen Reisebücher ein von sehr kundiger Hand, Jul. Herder, mit warmer Liebe für die Naturschünhciteii und kenutiiiß- reichem Berständniß der geistigen und materiellen Vorzüge des Landcs gcschriebener Führer ausgenommen wurde. Das niedliche mit sieben' photographischen Illustrationen und zwei Karlen ausgcstattete Werk zeichnet sich ebenso sehr durch praktische Brauchbarkeit und gewissen- hafte sorgsältige Anweisungen über den Verkehr, die Verpflegung und die ökonomischen Verhältnisse aus, als durch eine vo» feiner Bildung und liebevoller Auslassung zeugende Zeichnung alles Sehens würdigen. In der knappsten Form bilden alle Schilderungen kleine Gemälde, die gleichsam durch Lust- und Lincarperspcctive einen er- weiterten Horizont erhalten. Zuerst wird der Grundriß des hauptsächlich ans Granit und Kalk- sormationcn aufgebauten Gebirgsiandes entworfen, dessen centraler Rücken zu Gipfeln von 1500 bis 2700 Meter sich erhebt, sowie der breiten sruchtüppigcn llfcrflächcn. Neun Zehntel des Jnselzriindes sind unbebaut, aber die Berge hegen einen großen Rcichlhum präch tiger Wälder, die bebaute Strecke ist mit einer Fülle von Süd früchte» bekleidet, Orange», Citronen, Lelbüumen, Granaten, Man del». Feigen; selbst Palmen kommen vor. Höher hinan folgen sich Kastanie», Nußdüume, Pinien, immergrüne Eichen, dann Bucken, Lärchen, Fichte». Die obersten Gipsel sind meist nackte vegetations lose Felsen. Wie im Alterthum, so auch in der Neuzeit, liefert Corsica ausgezeichnetes Bauholz nach Frankreich und Italien. Unter den Mineralien sind die maiinigsachstcn Arten Granit in prächtigen Blöcken am meisten verbreitet, mancherorts mit nuß- großen Granate»; auch Porphyr findet sich in großer Menge, Feld- ipath zuweilen m>t AmcflMen, Serpentin, Jaspis, Achat. Marmor und Alabaster. Mil wenigen Strichen wird der Charakter der Be wohncr anschaulich gezeichnet: der Corse ist kräftig gebaut, durch schniltlich nicht groß, müßig, kühn, rachnichlig (»och »ordert die Blut- rache zahlreiche Opfer), den industriellen Bcschäsliqungc» wenig geneigt und liebt vorzugsweise Jagd, Fischerei und Viehzucht. Cr ist meist arm und doch zu stolz, zu bettcln; seine Volkssprache ist ein Gemisch von toscanisch, sicilianisch. genuesisch und sranzösisch; die Sprache der Gebildeten ist durchweg die sranzösiiche. Bei den Bauern findet man noch den südlichen Hang zur Poesie und zum Volkslied; echt dichterischen Gehalt zeige» ihre Spott- und Todlenklagelieder (vueero). Die Erziehung der Kinder ist jedoch eine noch äußerst primitive, und die Frau hat eine sehr unter geordnete dienende Stellung (gar häufig trifft man den Man» stolz aus dem Maulthier reitend au, während die Frau daneben zu Fuß ihn begleitet). Räuber giebt es keine mehr, die Sicherheit ist auch in den entlegensten Gegenden eine vollständige, nur hüte man sich, den Corien zu beleidigen oder ihn irgendwie in seinem Ehr gesühl zn kränken, denn — als erlaubte Antwort und Gegcnwafse gilt das Stilett. Kein kleines Verdienst des Führers sind die auss Sorgfältigste gesammelten zuverlässigen Angaben über die Zufahrten zur Insel und den Verkehr im Innern, die Messagerien, Privatwagen, Hotels. Das Büchlein sorgt trefflich dafür, de» Reisende» vor Ucbersorderungcn, Conimissionairen, Cicerone» und allen jenen Personen zu sickern, welche, ohne wirkliche Dienste zu leisten, dem Touristen de» Auient halt häufig verbittern. ES giebt den Hüten Rath, statt der Dili geneen, die für den Genuß der Landschalt zu jo ungünstigen Sinn den fahren, sich der Privatwagen zu bedienen (ca. 25 Frcs. per Tag) »nv sich derselben in den größeren Städten zu versichern (da z. B. in Corte keine Wagen z» crhnlten sind und die Coneurrenz- Tiligencen nicht regelmäßig verkehren); eigentliche Lohukutscher giebt cs nur in Ajaccio und Bastia. Auch die Messagerien besorgen Privatwagen, aber zu höheren Preisen. Die Eisenbahn zwilchen Ajaccio und Bastia wird erst 1887 vollendet sein. Die Kost ist in den größeren Hotels eine allen Anforderungen entsprechende, hin gegen in abgelegenen Gegenden nur für Anspruchslose ge nügend; Sparsame thun gm, besonders bei der Ziinmermiethe, sich nach den Preisen zu erkundigen. Der Fübrer giebt auch eine scnr zweckmäßige Auswahl der vortheilhaftestcii Rci'crouten. Zunächst be schreibt er in kurzen Zügen die malerisch am Meeresstrand gelegene, von hohen Bergen umrahmte Stadt Bastia (mit 20,000 Einwoh nern), wie sie der Höh« zuzieht, von den fruchtbarsten Gefilde» mit einer Fülle von Citronen, Orangen und anderen Südfrüchten um geben ist, regen Handel und Industrie, freundliche, gefällige und arbeitsame Bewohner hat und als die civilisirteste aller corsischen Slädle ihre 181 l verlorene Würde als Hauptstadt der Insel wicdcr- gewinnt. Die Stadl besitzt auch ein neues schönes Theater, in welchem während des Winters meist italienische Over» gut gegeben werden. Am großen, mit stattlichen Gebäuden nmkränztcn und eine reizende Aussicht auss Meer gewährenden Nikolausplatze erhielt der große Corse, Napotrb» 1.» eine künstlerisch schöne TrmmphMorew statue von Bartolint. Nordwärts zieht eine aussichtsreiche Posb straße zur 40 Kilometer langen und 14 Kilometer breiten, von der Serra-Kette durchzogenen Halbinsel Cap Corse mit ihren schönen Ost- uud Westthälern, zunächst zum Prachtblick bei Pietrabugno uud zur großartigen Festungsruine, weiterhin nach Brands, berühmt durch eine Stalaktitcngrotte und umgeben voa wildromantischer Vegetation, dann zur Marine von Sisco inmitten von Weinreben und Lliveniväldern; nach Luri, dessen zerstreute Weiler von wohl- gepflegten Gärten, Weiureben, Orangen, Citronen nnd Ledratea umgeben sind: zum Hafen von Tomicco mit dem lebhaftesten Oel-, Wein- und Agrumen-Export; nach dem erneuten, von südlicher Vegetation umringten Roglinno und ins schöne Ersathal, wo da durch Zuruckgekchrtc aus Amerika elegant gewordene Städtchen Ecuturi und seine aus zerstreuten Hügeln terrassenförmig sich erhebenden Hügel liegen. Südlich vom Cap Corse (dem antiken kftomontonuw 8»eruw>, das beim Col de la Terra den großartigstcn Blick über die Halb iiiscl bietet, folgen das durch leinen weißen Wein berühmte Morsiglia. tieie Schluchten, zahllose Muscalsträuche, zackige vo» den Mecrcs- wogcn gepeitscht! Festen bis nach Pnio, das die Hauplcullurstäue für die Citronen bildet, zumal für die köstlich duftende beliebte Bisamcitrone. Jenseits Canari wird die Küste wilder, romantischer, und die Felsen stürzen schroff zum Meere ab. Einen sonnigen Gegen satz dazu bildet die am weiten Gols thronende Stadt San Fiorenzo mit ihrem kleinen, gutgelegenen Hase«, aber ein schleichender Feind in der Nähe, die von nahem Sumpfboden genährte Malaria, hemmt ihre Blüthe; vom Schicksal der benachbarten Stadt Nebbio zeugt nur noch die Äirchenruine Sta. Maria dell'Affunzione. Gegen Calvi führt westwärts das UeberschwemmungSgebiet des Aliso entlang und durch eine schluchtenrcichc wilde Felseugegend eine einsame Straße bis zu dem durch seinen Handel mit Olivenöl, Bisamcilronen, Holz aus den Aseo- und Tartaginewäldern, Häuten und Wolle blühenden Stübchen Ile Rousse, dem die drei kleinen rothgranitencn Jnselselscn gegenüber der Bucht drn Namen gaben. Der Dictotor Paoli hatte den Ort 1758 als Concurrenzstadt von Calvi gegründet mit den prophetischen Worten: llo piaututo 1s korclie per iwpiecnrs Enlri (ich habe damit einen Galgen ausgepflanzt, um Calvi auszuhäugen). Lalvi, das aus das wundervoll gelegene, durch seinen Reichthum an Opuntien und Oliven glänzende Lumio folgt, hat in seiner ärmlichen Oberstadt mit der Cltadelle wirklich etwas vom armen Sünder Paoli's, der bessere Theil zieht als Marine- Vorstadt dem Meer zu. Zwischen Calvi und Ile Rousse liegen land einwärts die sruchtreichen Thälcr der Valagne. wo nordische und übliche Fruchtbäume sich in der Vollkraft begegnen. Von Calvi nach Corte wechselt eine Reihe prächtiger landschaftlicher Scenericn, zunächst die heitersten Gemälde, das reizende Lavataggio, das auf einem Eichen- und Oelbaumhügel thronende Avapessa, das italienisch gebaute Muro und das in paradiesischer Lage sich auSbreitcnde Belgodere, wo sich die Vegetation SicilienS, Algiers und Corsicns vereinigen, kurz darauf aber wilde einsam romantische Pässe. Corte ist die Stadt des heldeumüthigen dcmokratischeu Diciators Paoli (1755—69), der Corsica von der Herrschaft der Genuesen befreite und den Ort zur Universitätsstadt erhob, freilich bald wieder den Franzosen unterlag, welche aber erst 1774 in den Besitz der ganzen Insel gelangte». Paoli kehrte erst 1790 aus der Verbannung zurück und blieb bis 1794 an der Spitze der Regierung. Die Engländer brachte» ihm nur kurze Hilfe; denn sie vermochten die Insel nur 794—96 gegen Frankreich zu halten. Paoli's Haus ist Gerichtshof, seine Statue von Huguenin ziert den Hauptplatz, die Piazza Paoli. Unterhalb der Citadelle ist i» der neu angelegten eleganten „Bille" der cgste Verkehr. Corte ist als Mittelpunkt der Insel auch ein Centrum ibrcr großartige» Naturschönheiteu. Das »aheRestonicathal aus Saum- piadcu zu durchwandern, bietet wahre Salvator Rosa-Scenericn in einen riesigen zerstreuten Granitmassen uni den brauienden Wildbach. Tic Bergsteiger finden aus ihrem jämmerlichen Marsche zum Gipsel des Monte Rotondo (2675 Meter) eine gemüthliche Nachtherberge in sicher Turort sind die (52 Kilometer) Bäder »v» Gattern «ft ihr»» jchwcselhaliigcn Thermen (50 Grad), daS Hotel ist freilich noch sehr einfach; ganz nahe bieten Zicago und der Monte Jncudinc (2136) entzückende Naturgenüsse, an denen auch Reimo und Cristinacce mit ihren Elchwäldern, die Berg- und Wildbachscenerien im Olathal beim Lapo al Monte und Copo Rosso reich sind. Am Südende erreicht man mit Diligence oder Dampfschiff das düstere FeftungsstSdichen vonisacio, berühmt durch seine originelle malerische Lage auf dem kalkigen Vorgebirge und drei vom Meere bespülten Grotten, von denen die (nur bei ruhigem Meer zugängftchr) Grotta Diagonale mit der Grotte von Capri wetteifert. Niemand wird bei näherer Vertrautheit mit dem seingebildeten, liebenswürdigen Führer sich deS Wunsches entschlagen können, die interessante Insel gründlich kennen zu lernen. einer geräumigen Naturgrotle in der Nähe des Bcrgsces, und oben ciue Prachtichau aus das gebirgige Inselrelies, die Fcstlandküstc von Nizza bis Civitavccchia und ganz nahe auf die wundersame Fclsenwildniß. I» einer süussiündigeii Wagentour erreicht man die Bäder von Orezza bei Stazzona, wo ein nobles „Casino" als gutes Hotel dient uud vom Juni bis September der (beschattete) Stahl- brunncn getrunken wird. Der nahe Monte San Pietro (1766 Meter) bietet ein großartiges malerisches Panorama. Bon Corte nach Ajaccio sind Privaiwagen zu benutzen (Corte, wo keine sind, ist daher zweckmäßiger von Ajaccio aus zu besuchen), da die Mcssagerie nur Nachts fährt. Die ganze Strecke ist reich an den wechsel- vollsten Schönheiten, zunächst köstliche malerische Rückblicke aus das Restonicathal und den Monte Rotondo, uud beim langen An lieg aus die gigantischen HochgcbirgSmassen, dann niederwärts die land- chastlichen Reize des TavignothalS mit dem von Kastanienwaldungen umgürtetcii Seraggio. weiterhin die wilde Bergwelt zwischen Monte d'Oro und Monte Renoso, und jenseits des Städtchens Vivario der lange Forst Vizzavonas und der 1145 Meter hohe, zuweilen bis in de» März hinein eingcschneitc Paß von Bizzavona, wo beim einsamen Slalionshaus in der kalten Höhe die gewaltigen Masten der beiden Berge ihre kräftigsten Formen zeigen; nun zu Füßen der Hoch gebirgSwclt das grüne Gravoncthal mit seinen üppigen Eichen- und Kastanieiibäimien, das zerstreute Tors Boccogoano mit den weiß getünchten Häusern, den pustenden Waldungen uud der frischen, er- gilickeiive» Gcbirgslufk. Unten im Thal fassen den Rand des Weges üpv'ge Muscalblüthensträuche ei», gemischt mit mächtigen Forcen, kräuiern und Goldwurzeln, und Cyclamen bilden den Einschlag. Bald verkünden zerstreute schöne Landhäujer und ein Blick auf den Hasen die Nähe der Hauptstadt. Ajaccio, dessen sanitarische Vorzüge im Eingang geschildert wur. de», hat nur 18,0lX) Einwohner und ist erst 1811 vou Napoleon aul das Gesuch seiner Mutter Laetitia zur Hauptstadt der «Insel er hoben worden; die Stadt ist weniger belebt ais Bastia, aber Sitz eines Bischofs und eines französischen Präfecten, sowie als klima tischer Curort im Winter Wohnort einer nicht unbeträchtlichen Frcmdencolonie. Die prächtige Meercslage entfaltet sich am schönsten bei der Zufahrt im Dampfboot von Marseille. Schon von weiter Fcrne erblickt man die mächtige Centralgebirgskette der Intel mit den schöngesormten, säst das ganze Jahr hindurch schnee. bedeckten Hauptgipscln, von denen bedeutende Granitarme in den kühnsten Formen nach dem Meere hin sich recken uud dort die drei Gosse der Westküste umfassen. Die Punta della Parata springt als vom Massiv fast völlig gesonderter Granitkegel mit einem mächtigen runden Gcnuescrthurm bekrönt, als Nordende des Ajaccio - Golfes ins Meer vor. Die Jles Sanguinaires, der schroffe Granitkegel, bilden die Fortsetzung der Punta; die äußerste Insel trägt aus der höchsten Spitze den Leuchtthurm; aus dreffzwciihüchsten Spitze erhebt ich der Semaphor, auf der westlichen Felskuppe ein düsterer römischer Wartihurm. Südlich bildet Cap Muro mit seinem Genueserthurm den Eingangspseiler des GolseS. Die Stadt ist eine Corsenstadt, keine Rivicre-Curstadt; denn der echte Corse hält an den allen Gewohnheiten fest, doch sind Straßen und Plätze meist schön und groß, die Häuser sauber, manche sehr elegant. Der baumbepflanzie, villenbekräuzte Cours Grandval, die Place Bona Parte und Place du Marchä bilden die Fremdenrcgion, während die Hauptstraße, Cours Napoleoo und der Boulcvard-Jerome dem regeren Verkehr derEmwobner dienen. Die Stadt erfreut sich noch der Andenken an feinen großen Bürger Napoleon Bonapartc, Nachkomme einer aus Sarzana (Toscana) stammenden Familie. Der Platz vor Napoleons düsterem dreistöckigen Geburtshaus erhielt den Namen seiner Mutter, der schönen Laetitia Ramolino, Gattin des bedeutenden Advocatcu Charles Marie Vonaparle (geboren 1746), der seine Studien zum Theil i» Corte an der von Paoli gestifteten Universität gemacht hatte und dort Secretair Paoli's wurde, nach der Schlacht von Ponte Nuovo (1769), welche Corsica an Frankreich brachte, mit seiner jungen Gattin (kurz vor der Geburt Napoleon'sj ia das Gebirge entfloh und später sich in Ajaccio niederließ, wo er 1777 zum Deputirten des Adels gewühlt wurde. Sein großer Sohn Napoleon liebte Corsica, sein Lieblingsauscnthalt war Milelli, ein kleines Landhaus mitte» in einem Olivenhain, oberhalb Castelluccio; »och zeigt man dort die knorrige Eiche, unter der er zu „meditiren" pflegte. Eine zweite Besitzung der Ramolino, das Belvedere, hegt von Napoleon gepflanzte Cilroncnbäume. Noch aus St. Helena, wo ihn zwei Corse», ein Arzt und ein Priester, nicht verließen, ries der ehemalige Herr eines Wclttheils: „O Corsica, wie schön ist die Erinnerung welche mir von dir blieb! Mil Freude gedenke ich noch deiner Ge birge und köstlichen Geläuve, und des DufteS (purtnw), den die Insel aushaucht." Vom Stiefbruder der Mutter Napoleon'S, Cardinal Fesch, wurde der Stadt rin Palais mit Gemäldrmuseum geschenkt; am rechten Flügel schließt sich die 1855 von Napoleon III. erbaute Chapelle Fesch an, mit den Grabmilern der Mutter Napoleon'S und des Cardinals Fesch. Aus der Place Napoleon steht eine 1865 errichtete Gruppe von Napoleon I. und feinen vier Brüdern. Der große Saal des Rathhauses ist mit drei Büsten der Bonavarte und der Statue des Königs Jerome geschmückt. Aus der Place du Marchä steht die Cousularstalue Napoleon'S von Laboureur Die größten Vergnügungen in Ajaccio bieten weder daS Thäätre Saint > Gabriel mit seiner italienischen Oper und französischen Comödie, »och die gesellschaftlichen Genüsse, sondern die prachtvollen Nalnrscencricn rings umher. Die Ebene jenseits der Stadt bildet das durch den Gravone gebildete, durch seine Fruchtbarkeit berühmte Campo d'Oro, ein natürliches „Goldfeld". Am Nordufer, wo die Berge steil gegen das Meer absallen und nur einen schmalen Usersaum zwischen sich und der Brandung lassen, sind die Südgehänge theil- wcise bis zur Höhe mit Olivenmaldungen bestanden; wo mehr Humus sich auf dem Granit bilden konnte, gedeihen Orangen und Mandarinen, Pinien, Steineichen, einzelne Palmen, riesige Agaven und Feigen- cactus. Die Barbicaja ist ein Mikrokosmos dieser Vegetation. Zu den schönsten Spaziergängen zählen die Promenadenstraße längs de» Küstensanmes, die neue Straße, welche als Fortsetzung de» CourS Grandval den Olivcnhügel hinan zur Fontaine du Snlario zieht, der Weg nordwärts am Meer zur Batterie du Maestrello, zunächst an zerstreuten „Villas äes worts" vorbei, mit ihren hübschen Gärten und Capellen, wo der wohlhabende Corse begraben wird; die malerischen Wege zur AnSsicht des Pünitencier, zur Chapelle St. Antoine und z» den ehemaligen Räuberhöhlen (jetzt Hirtenwohnungeu) zwischen riesigen Granitblöck.n, die Fahrt von der Puuta Parata zu den nahen Jles Sanguinaires. Zur Sommersrisch« will man d«S 40 Kilometer entfernte Dorf Bastelica einrichten, denn eS bietet WaldeSschatten. erquickende Luit, köstliche» Trinkwoffer. Ein wirk- Musik. * lieber die Leistungen der am 13. und 14. Juni auch ia Leipzig concertirenden Capelle des 2. preuß. Leidhusaren-Regimeuts Nr. 2 (berühmte schwarze Husaren) schreibt das „Berl. Tagebl.": „Die Leistungen dieses Musikcorps haben alle Erwartungen übertrofsen, dasselbe führte die einzelnen Piecen deS sehr gewählten Programm» künstlerisch aus. Die Egmont-Ouverturc von Beethoven und der Fackeltanz von Meyerbeer waren geradezu großartige Leistungen, wie sie mir höchst selten von einem Cavallerie-MusikcorpS zum Vor trage gebracht worden sind, ebenso war die Extrapost-Fantasie eine Glanzpiece für den ersten Trompeter. Der Ltabstrompeter Herr Oppermann, welcher in seiner schönen Uniform mit den nur diesem Rcgimente eigenen Brusttrcssen einen prächtige» Eindruck macht, ist ein vorzüglicher Dirigent, dem daS Verdienst gebührt, das Musikcorps aus diese seltene Höhe gebracht zu haben." * Halle a. S-, 8. Juni. Wenn man von dem diesmaligen Wonnemonat nicht sagen konnte „Der Mai mit seinen Wundern all'", so scheint doch der Juni das Versäumte nachholca zu wolle»; denn er gestattete bereits die Abhaltung verschiedener Garten- Conccrte auch in unserer musikliebenden Stadt. Ein besonderer Reiz lag in dem kürzlich von der Capelle deS 106. Infanterie- Regiments aus Leipzig unter Leitung seines tüchtigen Dirigenten, Herrn Mnsikdircctor Herrmann, im hiesigen „Hofjäger" veranstalteten ersten großenConcert, dessen Besuch ein w o hlv er di ent zahlreicherwar. denn die Leistungen genannter Capelle entsprachen selbst hochgespannte» Anforderungen, so daß man den in Aussicht genommenen weiteren Concerten derselben Capelle in der Saison nur mit Freude ent- gegensieht. In geschickter Zusammenstellung wurden dem Publicum nach dem schwungvoll vorgetrageneu FreicorpSmarsch aus Millöcker'S Feldprediger" interessante uud wirkungsvolle Composttionen von Äubcr, Mendelssohn, Rich. Wagner, Marfchner, Drcyschock, Strauß, Brlse re. zu Gehör gebracht. Der Beifall war nach jedem Bortrage ein derartiger, daß sich die Capelle zn verschiedenen Einlagen ent- 'chließea mußte, sich hier aber auch einen guten Namen geschaffen hat. * William Candidus, der Tenorist des Frankfurter Stadt- Theaters, hat mit Herrn Charles Locke von der amerikanischen Natioual-Opcr einen Contract dahin abgeschlossen, daß er sich ver- pflichtet, zwei Saisons ia Amerika in 180 Vorstellungen zu singen. Serr Candidus ist Amerikaner und Schwager deS berühmten Piano- sortesabrikanten Theodor und William Stainway in New-?)ork. — Der Sänger Perotti vom Pester Nationat-Theater ist gleichsolls ür Amerika gewonnen worden, und zwar zu einer sünsmonassgen Tournde, für welche ihm 100,000 .4l zugesichert wurden. DaS letzte niederrheinische Musiksest, welches in Aachen während der Pfingstfeiertage stailsand, ist von der in- ländischen und ausländischen Presse ungemein günstig beurthcilt worden. Insbesondere hat die Kritik Herrn Capellmcister I>r. Reinecke aus Leipzig, dem ersten Fcftdirigenten, die höchste An- erkennung und Bewunderung gezollt. In der französischen Presse B. wird gesagt: „6»rl lieineclcs g»i a. «lirize »vee uos m a es- tria, uns sobribts cko xsstes, una intellixenes et une pre- elsion «zue oous »von» kort »ckmiress " ssiaretts <iv I-iekce ) Ferner wird derselbe als Gewandhausdirigent, als Pädagog und überhaupt als ein Meister von bedeutendster Qualität von der Kritik gefeiert. * Herr Götze, der berühmte Tenor des Kölner Stadltheatcrs und jetzt der gefeierte Gast der Berliner königlichen Oper, ist von Sr. Majestät dem deutschen Kaiser zum Kammersänger ernannt worden. ' Deutsche Musiker in Amerika. Die frühere Capelle des Leipziger Krystallpalastes ist nach glücklicher Fahrt am 9. Mai in New-Jork angckommen; obgleich nun die New-Hocker Musiker die Mitglieder der Capelle aus Concurrenzgründeu nickt fanden lasten wollten, so entschied doch das Gericht zu Gunsten unserer Landsleute, die als Künstler Hinreisen könnten, wohin sie wollten. Der königl. Capellmcister Friedrich Wagner schreibt unterm 22. Mai an einen hiesigen ihm befreundeten Herrn: „Am Abend d«s 9. Mai langten wir in Philadelphia an und wurden sehr sreundssm empfangen. DaS erste Concert war von ca. 15,000 Personen besucht Der Beifall ist rin außerordentlicher und muß ich fast alle Piece» ck» oapo spielen und wiederholt blasen. Ich bin hier mit der Cavcllc der Löwe deS Tages geworden. Biele Bekannte aus Deuljchlanv begrüßen und beglückwünschen mich. Auch gefallen die schönen blauen Uniformen den Amerikanern sehr gut." Wollen wir hoffe» und wünschen, daß es unseren Landsleuten und dem Dirigenten ver Krystall-Palast-Capelle. welcher un» oft durch feine vortrefflichen Leistungen als Pistou-Birtuose erfreut hat, im fremden Welithcsse gut ergehen und daß eS ihm gelingen möge, glänzende Resultaic zu erzielen. * Der Nachfolger des vr. Damrosch in der Direction dc- Metropolitan Opera Hous« in New-Hork, Mr. Stanton, hat die Mannheimer Hofopernsängeriu Frau Widel und deren Kassen, den lyrischen Teuor Herrn Krämer für die nächste Saison in New- Hork engagirt. Mit dem Tenoristen Nachbaur steht Mr. Stanton noch in Unterhandlung. Königliches Landgericht. m. Strafta««er. I. HauSeiusturz in Nensellerhausen. Im Februar d. I. stürzte plötzlich daS von dem Bauunternehmer Gottlob Karl Noack aus Düben aus eigene Rechnung und für sich selbst in Neusellerhaufen erbaute dreistöckige uud bereit» unter Dach gebrachte Haus zusammen, glücklicher Weise ohne Jemand zu verletzen. Die Schuld an diesem Zusammenbruch wurde dem Eigenthümer Noack und de» bum Bau mitbeschästigten Maurergesellen Andreas Wilhelm Richard Langhammer aus BolkmarSdors, Ferdinand Kollrich aus Wellaune, Wilhelm Ferdinand Wagner aus Roitzsch, Friedrich Wilhelm Engelhardt aus Zörbig und Gottlieb Hermann Oes er aus Dewitz zur Last gelegt, und zwar Noack, weil er zur Herstellung des Baues schlechtes, d. h. fast durchweg feuchtes und schlecht ge brannte» Zicgelmaterial und ebenso schlechten Mörtel verwendet, den Mitangeklagten aber, weil sie diese- untaugliche Matcrial, dessen Unbrauchbarkeit ihnen infolge ihres Gewerbes bekannt war, trotzdem verarbeitet hatten. ES lag nach alledem eine Zuwiderhandlung gegen die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst im Sinne von 8- 330 des R.-Str.-Ges.-Bchs. vor. Der Angeklagte Noack nahm zu seiner Entschuldigung darauf Bezug, daß er die betreffende Parcelle, aus welcher er den Bau er richtet, von dem Ziegeleibesitzer Felgner erworben, diesem gegenüber aber beim Kaufabschlüsse sich verpflichtet habe, das Ziegelmaterial von Felgner zu entnehmen; Letzterer habe dies zur ausdrücklichen Bedingung gemacht und er sei leider daraus eingegangen. Die Mu- angeklagten bezogen sich aus ihr Arbcitsverhältniß zu Noack und daß ihnen die Qualität des Materials doch nicht so genau bekannt ge- wesen fei. Da- Gericht vermochte nur hinsichtlich Noack'S den Schuldbeweis sür erbracht anzusehen und vcrurtheilte denselbeo zu 2 Monaten Gefängniß. Bei der Strasabinejjung wurde zu seinen Ungunstcn aus die große Leichtfertigkeit und die nicht geringe Gefahr, die mit der Katastrophe verbunden gewesen, Gewicht gelegt, anoererfettS zn seinen Gunsten nicht außer Berücksichtigung gelassen, daß ihm vo» Felgner schlechtes Material geliefert worden und daß er zur Ab nahme des Materials Felgner gegenüber sich verpflichtet hatte, überdies dem Angeklagten an und für sich schon ein erheblicher, auf etwa 6000 zu beziffernder Schaden durch den Einsturz erwachsen sei. Hinsichtlich der Mitangeklagten wurde ange- nommen, daß die Beschaffung des McterialS nicht in deren Arbeitsgebiet gehört habe und nicht Sache derselben gewesen sei, da» Material zu untersuchen; es erfolgte demgemäß ihre Frei sprechung vou der erhobenen Anklage. Zur Vervollständigung dieses Berichtes erwähnen wir noch, daß nach dem Gutachten des baulichen Sachverständigen die gelieferten Steine sogenannte Feldsteine von schlechter Beschaffenheit gewesen, daß aber auch diu- sichtlich der Berankerungen rc. nicht allenthalben den Vorschriften entsprochen worden sei; in letzterer Beziehung habe jedoch Noack eine Praxi» verfolgt, wie sie leider i» hiesiger Gegend vielfach be obachtet werde.
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