Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-07-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188507026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-07
- Tag1885-07-02
- Monat1885-07
- Jahr1885
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1885
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Erscheint täglich früh S'/,Uhr. Kt-arliou und LrvktMo« Joha»»c«gasse 8. Aprechüundrn drr Kröarltrn: Lormittogs 10—18 Uhr. NachinitwgS 5—6 Uhr. 8>r Ne Alt»»-»« ru>,t1»ndt«r vi»»»<crch«» > »ich» »«»«»üch. »x I apllgcr Amsnh«« »er skr »te «öchskfolzense N«««er üefti««te» Jnkernlr an Wochent»«e» »t« Z UHr >nch»ttt«»S. »» Lao»» nn» Srsttaie» früh »1»'/,» Uhr. I» dn» Filialen skr Ins.-Lll»»h«e: vtt« Me««, U»i»er<itLtsftr,ße U Lont» L-sche, Katharinenftr. 83, p. »ur »i« '/,L Uhr. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und GeschSstsverkehr. Anflage 10,10«. Ädonnr«eitt^rri» oiertelj. 4'/, Ml. iucl. Bringcnoh» b Kk., durch die Post bezöge» 6 Mk. Jede er izelae Stummer 80 Ps Belegeremp. >r 10 Pf. Gebüdren für e xtrabeilaar» (in Tageblatt.F nnat gesalzt) ohne Postbesörl erung 39 Mk. «lt Poftbefürde »ug <8 Mk. Inserate Sgespaltem Petilzeile 20 Pf. Gröbere Schriften laut ruf. Preisoerzeichaiß. Tabellarischer u. Ziffernjatz nach höherm Tarif. tlrrlamen unter dem NedactieaSftrich dic4gefpalt. Zeile 50 Ps.,»ordeu Familieaaachrichteu dir Ogefpaltene Zelle 40 Pl- Jaleratr siud stet- au die «e 11» senden. — Rabatt wird n> Zahlung pnceoowencnäo odc. Nachnahme. 183. Donnerstag ven 2. Juli 1885. 78. Jahrgang. Amtlicher Thetl. 8!t2irnK 6vs Lrrtliöken Verirks- vereiQZ äer 8laät Nontn», Neu U. 2 »11 Tdnnch, - Tür >w 8»nlv ckor Lrntna LürL«r»oün1v. D»»««»rckoo»xr 1) Vntll rasier Uil^Uscker na» Seillsäs- geriodt. — 2) vis nur Tnxssoränurur äss XIII. Xsrrtetnxs xe- etsUten ^hosvlmsendsiteo (vzxl. „^srntl. Vsr.-Ll»tt" Xo. 155. p. 59 uoä X«». lös, p. 178). — 3) VVntll äsa Velegirdev nuw ^ernte- t»». — 4) Lieliekeruo» Wr Nrntlichs 2»seüs nur Xacdtnsit. (Lsk. 11. Or. kticktsr). — 5) ^otran äes U. vr. Scdllllbneti, detr. cka« Uellhnlultso-Institut (Leriedt äs» 8»n.-Xu«okllz»an). vr. klon». Vekanntmachnng, »ie Ausstellung v«n Ursprungszeugnissen für Me vaareu- eiufuhr nach Rumänien betrcssentz. MU dem 1./13. Juli d. I. tritt für die Waareneinflihr nach Rumänien der neue General-Zolltarif tu Kraft, und cs müssen von diesem Tage an alle Maaren deutschen Ursprungs, um die Vortyeile des »wischen Rumäuien und Deutschland bestehenden Meist- begünstigungS-vertrage« zu genießen, von UrsprungSzeuguisseu begleitet sein. Dieie Zeugnisse werden nach geführtem Nachweise von den rumänischen Consulatcn ausgestellt, es ist aber auch gestattet, den Sendungen aus Orlen, in denen ein rumänisches Lonsulat nicht besteht, «rtSdehördlich beglaubigte Urspruug-jeugnisse brizusügcu. Leipzig, 30. Juni 1885. Da» K-ntgfl-Nnnränische Tsnsulat. Woelker. Hoh-Auctiou. Aus dem H«ch»ettzsche»er Walde de- Seidewitzer Forstrevier» ausbereitete 80 Sllk. Nadelholzstämme von 1b—22 am Mittenftärke aus dem Schlage in Abthlg. 80, 60 . eich. u. buch. Klötzer v. 8—1ü cm Oberst. 68 » buch., erl. o. liad. drgl. v. 16—82 cm 32- - --- ZA—29 - 23 - - - - , 30— 60 - 201 - i>. Klötzer von 8-15 . ül » - » » 16—88 » 49 - » » - 23—36 « äb » eich. Stangen » 14 - 160 » sicht. » » 8—14 - sollen Ober- be». > Mt- ten- stirke Unter- stLrke.s aus de» Schlä gen der Sbthei- luageu S7, 66, 70. 79. 80 u. 81 und einzeln in den Bbthlgn. 60, 67. 79, 81 und 84, Freitag, den IV. Juli dieses Jahre», »an Vormittag '/,1V Uhr an im Gasthaus« zum Schrcrgrnnd bei der Haltestelle Klosterbuch meistbietend gegen sofortige Bezahlung und unter den vor Beginn der Auktion bekannt zu gebenden Bedingungen versteigert werden. Söntgl. Forftrentamt Wurzen und Säntgl. Forstrevier» Verwaltung Leidrwitz, am 29. Juni 1885. Bachmann. von Lindeuan. Nichtamtlicher Theil. Zur braunschweigischen Lrbfolgefrage. Der braunschweigische Landtag hat nunmehr Stellung zum preußischen Anträge aus Ausschließung deS Herzog- von Cumberland von der Thronfolge in Braunschweig genommen. Durch die Erklärung der staatsrechtlichen Commisston, welche der Landtag am 30. Juni einstimmig angenommen hat, ist dem Ver nehmen nach dieAnwartschast VeSHerzogS vonCumberland auf den braunschweigischen Thron endgiltig beseitigt. Damit hat die Sache den umgekehrten Verlaus genommen, als ursprünglich beabsichtigt war. Zuerst sollte der BuudeSrath sprechen und dann die braunschweigische LandcSversammlnng ihre Meinung äußern, jetzt ist da- Letztere geschehen, und der Bundesrath wird erst später seine» Entschluß fassen. Die Montagssitzung re« Justizausschusses ist vertagt worden, augenscheinlich mit Rücksicht aus den Zusammentritt der braunschweigischen Lanke-versammlung. lieber die Sache selbst herrscht, wie man sieht, aus allen Seiten vollständige Ueberein- stimmung, nur die Begründung des preußischen An trages ist auf Schwierigkeiten gestoßen. ES konnte nicht auSbleiben, daß die Mitglieder des BundeSratheS den Fall deS Artikel 76 der Bundesverfassung nicht für gegeben erachteten, sondern lediglich aus Grund einer dem Äunde drohenden Gefahr die Nothwendigkeit deS Ausschlusses des Herzogs von Cumberland von der Thronfolge erkannten. Es ist in der Thal gleichgiltig, auf Grund welcher Verfassung-- < bestimmung der Bundeörath die Ausschließung deS Herzogs von Cumberland von der braunschweigischen Thronfolge be schließt, oder ob er sich durch allgemein staatsrechtliche Er wägungen dazu bewogen findet. Worauf eS ankommt, ist, daß der Herzog aus sein angebliches Recht auf die Krone von Hannover nicht Verzicht geleistet hat, und daß er trotz dem sch bekäbigt glandt, den erledigten Thron eines deutschen Bundesstaates in Besitz zu nehmen. Dann liegt ein unlös barer Widerspruch, welcher durch keine Legirimität-rücksicht ausgeglichen werden kann. Auch die braunschweigische Ritterschaft hat sich dieser Wahrnehmung nicht verschließen können, mir ist die Kund gebung ihrer Meinung in dem bekannten Schriftstück vom 25. J>uni so verworren wie möglich. Die Herren erkennen . den Herzog von Cumberland als den hau-- und verfassungS- I mäßig berechtigten Thronfolger in Braunschweig ap. beklagen f aber gleichzeitig, daß der verstorbene Herzog Wilhelm nicht i Entscheidung über die Erbsolgesrage getroffen habe. Wenn ein legitimer Nachfolger da war, dann brauchte er ihn ja nicht erst zu ernennen, in« Gegentheil würde er durch Bestimmung eine- anderen Thronfolger- nur bestehende 'eaitime Rechte verletzt haben. Nein, derartige Fragen zssen sich nicht leichthin und oberflächlich bebindeln, da eS den Nagel aus den Kops treffen oder davon- Tw Herren von Blilow-BrunSrode, von Velt- ?""^V'-ltbeim und Gras Schulenburg - Nord - Steincke « nicht klar über die GeschtSpuncte, welche für die Au»>ch1ieF». »y Herzog« von Cumberland von der brau» - schweig,sck- . Erisoige maßgebend sind, da- hat ihnen der U Amtsrichter und »ammerherr v. Münchhausen überzeugend nachgewiefen. Enliv,vcr mußten sie die Legitimität der Erb- wige deS Herzogs anzweisel» und dann die Regelung der yrage durch den Herzog Wilhelm anrusen, oder sie mußten Legitimität deS Herzogs von Cumber- ano von der Entscheidung deS HelZvgS Wilhelm al» einer etweder unberechtigten oder überflüssigen Umgang nehmen. In zweiter Linie verlangen sie vom Herzog VonCumberland, daß er seine Pflichten gegen Kaiser und Reich und gegen den König von Preußen erfüllt, und finden, daß der Herzog daS nicht gethan, also auch nicht den braunschweigischen Thron be steigen könne, eS sei denn daß von höchster Stelle noch ein Mittel gefunden werde, wie die» nachträglich geschehen könne. Darauf erwidert Herr v. Münchhausen ganz richtig, daß die Herren den Abschnitt der Begründung deS preußischen Anträge- wegen Ausschließung de» Herzogs von Cumberland von der braunschweigischen Thronfolge unberücksichtigt gelaffe» haben, welcher erklärt, daß auch ein persönlicher Verzicht deS Herzog- auf die Erbfolge in Hannover die Welfenparlei noch nicht auS der Well schaffen würde, welche die LoSreißung Hannover« von Preußen anstrebt, und daß deshalb dieser Verzicht da- Hinderniß nicht beseitigen würde, welches der Thronbesteigung deS Herzog- in Braunschweig entgegensteht. Abgesehen von der Unmaßgeblichkeit aller dieser Kund gebungen, ist es immerhin interessant, die Stimmung in den verschiedenen Kreisen der Welsenpartei und de« braun schweigischen Adels kennen zu lernen. Man ersieht daraus, welche Vorstellungen heute noch in den Köpfen vieler Deutschen rumoren. Die Weifen sind in Bezug aus Hannover als un heilbar zu betrachten, aber sie haben noch Gesinnungsgenossen, deren Vorhandensein bei Gelegenheit der braunschweigischen Erbsolgeangelegenheit zu Tage getreten ist. E« giebt sowohl in Mecklenburg, als in Bayern Elemente, welche die Sache de« Herzog- von Cumberland zu der ihrigen machen. Die Mecklenburger Ritter und die Bauern von Tuntenhausen, welche ihre^ustimmung zu der Kundmachung de« Herrn von Bernstorff-Gartow erklärt haben, stellen sich damit auf einen Standpunct, welcher der deutschen Einheit unzweifelhaft feind lich ist. E« sind die Zeichen der Angst, daß eine- Tage- auch Mecklenburg oder Bayern von der Karl« Deutschland- ver schwinden könnte, um der fortschreitenden Einheitsbewegung zu weichen, welche in den Schmerzensschreien an- Mecklenburg und auS Tuntenhausen, wie au» dem Fürstenthum Rcuß ver nehmbar werden. Gegenwärtig liegt zu derartigen Kundgebungen nicht die geringste Veranlassung vor. Die leitende svtacht des deutschen Bunde- ist bei Regelung der braunschweigischen Erb solgesrage mit einer Peinlichkeit und Sorgsamkeit vorgrgangrn, daß nur Kurzsichtigkeit und böser Wille darin eine Gefahr für legitime Rechte erblicken kann. Legitim ist vor allen Dingen der Standpunkt, welcher verlangt, daß an den durch die Jahre 1868 und 1870/71 geschaffenen Verhältnissen nicht gerüttelt wird, daß nicht der Versuch gemacht wird, da- Rad der Zeit in rückläufige Bewegung zu bringen. Unzweifelhaft ist da- Streben der Partei, welche die Candidatur de- Herzog» von Cumberland für den braun schweigischen Thron unterstützt, dahin gerichtet, die Sachlage, welche sich seit 19 Jahren in Denkschland entwickelt hat, in Frage zu stellen, an der deutschen Bundesverfassung zu rütteln und den Zustand, welcher vor 1866 bestand, wieder her- zustellen. Die Erklärungen deS Herzogs von Cumberland, deS ^errn v. Bernstorff-Gartow und seiner Nachfolger unv Anhänger stimmen sämmtlich in der sorgfältig verschwiegenen Hauptbestrebung überein, daS Königreich Hannover wieder herzustellen. Der Eine sucht über diesen Cardmalpunct hinweg- zukommen durch Boranstellung de» Satze», daß er den jeweiligen RcchtSzustand de» Reiche» al- die Grundlage seine- Rechte» zur Thronbesteigung in Braunschweig anerkenne; die Anderen verschanzen sich hinter die Erklärung, daß sie die Erfüllung ihrer Hcrzen-wünsche nur aus sri'edlichein Wege suchen; daS A und O aller dieser Schriftstücke ist die Hor nung, daß eine» TageS ein Sturmwind über Deutschland dahinbrausen möge, welcher da» Werk der Jahre 1866, 1870 und 1871 vernichtet und die Herrlichkeit de« vorher bestehenden Zustande« wieder ausrichtet. ES ist seit dem 18. Oktober vor. IS. in dieser Beziehung viel Staub aufgewirbelt worden, die feindlichen Mächte, welche den Zerfall de« deutschen Reiche« al« Ziel verfolgen, sind in einem Umfange zur Aktion und zu Worte gekommen, den man im Interesse einer gedeihlichen Entwickelung der Reichseinrichtungen nur aufrichtig beNagcn kcuui; jetzt endlich treten die ersten Anzeichen eine« Abschlüsse« dieser unerquick- lichen Periode zu Tage, die braunschweigische Landesvcrsamm- lung hat den ersten entscheidenden Schritt gethan, um auS der gegenwärtigen unhaltbaren Lage herauSrukommen. Bevor der Boden für die Neugestaltung der Verhältnisse bereitet werden konnte, mußte volle Klarheit darüber geschaffen werden, daß der Herzog von Cumberland al» Herzog von Braun- schweig unmöglich sei. Theoretisch ist er da» auch bisher ge- gewescn, aber da» Factum eine« Beschlusses, welcher ihn vom Schauplatz der braunschweigischen Angelegenheiten verschwinden läßt, war bisher noch nicht da; jetzt scheint «S endlich sestge- stellt zu sein. * Leipzig, 2. Juli 1885. * Ter Vorstand der Gesellschaft „Constantia" in Aachen proclamirt im Hinblick aus die au« Anlaß de« 25jährigen Jubiläum« de« 53. Regiment« bevorstehende An wesenheit Sr. kaiserl. und königl. Hoheit de- Kronprinzen Kirchentrauer. Die schwere Nothlage der Kirche, die SediSvacan» in Köln, die Fortdauer drr Maigesetze, werden in dem Ausrufe an die katbolischen Bewohner Aachen- mit gesperrter Schrift hervoraehoben, in einem Augenblicke, wo mit der nahe bevorstehenden Erbebung de« vormaligen Erzbischofs Melcher» zum Cardinal die Aussicht aus Wiederherstellung der geordneten Divccsanverhältnisse sich eröffnet und der Bischof von Paderborn die Jnnehaltung der maigesehlichen Vor schriften über die Vorbildung der Geistlichen bei Strafe der Nichterlangung der Weihe vorschreibt. Der Papst also er kennt thatsächlich die in Bezug aus den vormaligen Erzbischof MelcherS getroffene Entscheidung an. der Bischof stellt sich ans den Boden der maigesetzlicbei, Vorschriften über die Vor bildung der Geistlichen, die „Constanlia" aber, katholischer als Papst unv Bischof, construirt nicht nur auS der SediS- vacanz »nd der Fortdauer der Maigesetze die kirchliche Noth lage, die Kirchenlrauer, sondern sühit sich gemüßigt, angesichts der bevorstehenden Anwesenheit de« Thronerben- mit dieser Behauptung demonstrativ in die Oeffrntlichkeit zu treten. Daß daran die Anssorterung zu einem würdigen Empfang und einer würdigen Begrüßung geknüpft wird, klingt beinahe wie Hohn; zum Ueberfkuß wird hinzugestiat: „ihm zur Freude, uns zur Ebre" und am Schluß I ganz im Tone der CulturkampsSvebatten de« preußischen I Abgeordnetenhause» die Vertheidigung der unveräußerlichen Rechte bis zur vollen Wiedergewinnung über die Scene ge führt. Wir glauben nicht, daß Se. kaiserl. und königl. Hoheit, vor diese Aussicht gestellt, Anlaß zur Freude haben oder daß sich die „Constantia" das Ereigniß zur Ehre rechnen kann. ES ist ein sprechende» Zeugniß, wie der katholisch-ultramontane Fanatismus nicht nur die von den berufenen Wahrern der Interessen der Kirche gezogene Linie weit Überschreitet, son dern den Patriotismus, das Preußen- und Dcutschthum in der Hetze der ihm verfallenen Personen völlig ertödtet. Windthorst und die Hctzcapiäne werden ibr Werk in der „Constantia" als gut gethan bezeichnen können, dagegen dürften sie die fast cynische Offenheit schwerlich loben, mit der die Gesellschaft den in ihr lebenden Geist kundgicbt. Denn, wenn daS Centrum durch solche Manifestation auch weder für Herrn Eugen Richter, noch für die Socialdemo kraten an Büiidnißfäbigkeit verliert, so dürsten doch die hoch kirchlichen Deulscbconservaliven ernstlich stutzig werden, ob sie »och mit einer Partei Zusammengehen könne», welche solche Execsse kirchlichen Fanatismus gegenüber dem Throne und verschiedenen Mitgliedern de- Kaiserhauses sich zu Schulden kommen läßt. * Täuscht nicht Alle», so bereitet sich innerhalb der conservativen Partei eine bedeutsame Krise vor. Es wäre in der Thal hohe Zeit dazu. Die letzten Jahre hindurch hat den Conservativen die Gunst de- Schicksals in einem Maße gelächclt, wie sie eS in absehbarer Zeit kaum wieder erwarten können. Und wie haben sie diese außerordentliche Lage benutzt? In ihren eigenen Kreisen greift bereits die Empfindung um sich, baß man nicht den richtigen Weg ge gangen ist. In jedem gesunden StaalSwesen wird man immer eine vorwärtsdrängende und «ine zurückhaltende Richtung finden — da« ist ein alter Satz, besten Trivialität nur seine Richtigkeit erhärtet. Auch in unfern deutschen Verhältnissen hat noch kein Vernünftiger die Berechtigung einer konser vativen Partei bestritten. Aber selbstverständliche Voraus setzung ist, daß sie sich rückhaltlos aus den Boden stellt, der durch die gewaltige Umwälzung seit dem Jahre 1866 geschaffen ist. Das hat aber die extreme Richtung, die unter der Fahne der „Kreuzzeitung" immer mehr zur Herr schaft in der eonscrvativen Partei gelangt ist» thatsächlich nicht gethan. Sie steht der Schöpfung unsere» neuen Staats- wesenS zum mindesten grollend gegenüber, und mehr noch: sie bat mit Eifer die BundcSgenoffcnschast mit derjenigen Partei gesucht, welche die nationalen Errungenschaften von 1866 und selbst die von 1870 aufs Erbittertste bekämpft hat. Gewiß, inzwischenhabcnKreuzzritungS- undCentrumS- partei allmälig gute Miene zum bösen Spiel gemacht; sie kämpfen auf dem Boden des nationalen Staate», weil eS keinen anderen Boden giebt. Aber da« Ziel ihrer gesammten Thäligkcit ist nicht eine Resorni deS Bcilehenden in konser vativem Sinne, sondern e« ist die Uulergrabung, die allmälige Auslösung, der schließlich- Umsturz deS neuen Gebäudes zu Gunsten einer vollständigen Reaktion. Anläufe dazu haben sie in diesen Jahren genug unternommen. Wenn sie gescheitert sind, so ist da« in erster Linie da- Ver dienst de« Fürsten BiSmarck. Thatsache aber ist, daß die innerhalb der conservativen Partei mehr al« billig da» große Wort führende feudale Richtung sich zu dem innersten Wesen unsere- nationalen Staats in einen mehr oder weniger schroffen Gegensatz gestellt hat. Tiefer blickende Conservalive, die neben einer unbefangenen Würdigung der Gegenwart zugleich die Existenzbedingungen einer conservativen Partei in der Zukunft i»S Auge saßlen, haben sich über die Gefährlichkeit der in den letzten Jahren von ihrer Partei eingeschlagenen Bahn längst nicht mehr getäuscht. Jetzt aber hat die Bloßstellung einer höchst bedenklichen Agitation-Methode und anderseil» die Offenheit, mit welcher die „Kreuzzeitung" die ganze conservative Partei zu einer reinen Junkerparte« zu stempeln sucht, auch weiteren Kreisen die Augen geöffnet. Immer mehr erkennt man jetzt die Berechtigung jener warnenden Stimme, welche ein echt konservativer Mann mit dem derben Rufe: „Wider Junker und Pfaffen!" vor Jahren vergebens erhoben. Möge man ihr jetzt endlich folgen! * Der ReichStagSabgeordncte Wörmann in Hamburg hat am 27. Juni vor einer großen Versammlung de- RcichstagSwahlvereinS seinen Rechenschaftsbericht über seine parlamentarische Thäligkcit abgelegt. ES waren auch die Mitglieder der deutschsreisinnigen Partei zugelassen. Von letzterer Seite waren Herrn Wörmann heftige Vorwürfe über seine Thätigkeit, namentlich seine Abstimmung über daS Börscnsteuergesctz gemacht worden. Der Redner führte u. A. auS: Wenn er und die nalionalliberale Partei sich aus denselben Standpunct, wie der in die Subcommissicn gewählte Deulschsrcisinnige gestellt und erklärt hätten, sic könnlcn nicht Mitarbeiten, so würde man sicherlich ein weit schärferes Gesetz alS da- gegenwärtige bekommen haben. Man spreche immer von den .Jasagern", eS sei aber viel schwerer, ja zu sagen, als immer zu verneinen (stürmischer Beifall). Ein hervorragendes Mitglied der deutschsreisinnigen Partei habe gesagt, man könne fick wobl den Luxus deS Rcinsageiiö gestatte», wisse nian ja doch, daß das Gesetz unter allen Umständen angenoininen werbe. Im Weiteren wurde Zolltarif und Tampsersubvenlion be handelt und dabei auSgesührt: „Wenn wir stet« „ur aus principicllem Standpunct« beharren, dann wird eS bald dahin kommen, daß im Reichstage »ur zwei Parteien vorhanden sind, Conservative und Dcutschsreisinnige. Zuständen, wie sie in England bestehe», daß zehn Jahre die Conservativen und zehn Jabre die Freisinnigen da» Regiment führen, sind wir in Deutschland nicht gewachsen. DaS Heil unseres Vaterlandes liegt allein bei den Miltelparteien, und wenn cs auch häufig im Reichstage den Anschein hatte, al« ob die divcrgircnden Ansichten der Nationalliberale» sich nicht würden zusammcnbringcu lassen, so ist eS doch immer wieder dasselbe Gesübl gewesen, welche» die Nalionalliberaleu bat einander finden lasse», da» Nationalgcsühl (anhaltender Beifall), und diese- Nationalgcsühl soll unS auch ferner lcilei, und soll unser Vaterland groß, soll eS zu dem größten aller Länder machen!" (Anhaltender, minutenlanger, lebhafter Beifall.) * Ucber die Verhandlungen in der Strafsache gegen die Führer der von der .Pommerania" eingebrackten eng lischen Fischkutter gehen der »Kölnischen Zeitung" au» Nur ich noch folgende Einzelheiten zu: Der Führer des Fahrzeuges „Scheine", James Dosiet aus Goalston. war beschuldigt, am 3. Juni d. I. zwischen Ballrum und Langeroog innerhalb der im internationalen vertrage vom 6. Mai 1882 »» Paag festgesetzten Grenze des deutschen Fijchereigebietes die Fischerei ausgeübt zu haben. Nach den durch eine» Dol metscher übertragenen Mittheiluugea de» Angeklagteu uud den Aussühruugen de« Tommandanten der „Pommcranla", Tapitaii Lieutenant Freiherr v. Sohlern, war am gedachten Tage eine Fischerflotte von 150—200 Fahrzeuge», nater Leitung eines Com- modore stehend, mit dem Fang beschäftigt. Bei der Wahrnehmung de- „Avi!os" zogen sich dieselben eilig zurück. Dem Führer de» „Scheme", James Dosset, der soeben sein« Netze ausgeworsen hatte, gelang es nicht, dieselben so schnell Mieter einzuheben, io daß die „Pommcranla" ihn abschnitt und nach Wilhelmshaven schleppte. Der Angeklagte giebt der Hauptsache nach das Ver gehen zu, behauptet aber, von dem internationalen Vertrage vom 6. Mai 1882, gegen dessen Artikel 2 er verstoßen hatte, keine Kenntniß gehabt zu haben. Lapiiain-Lieutenant von Soblern sagt saus, er müsse anuehmcn, daß dies doch der Fall sei, da doch alle» deutschen Fischer» der beiderseitige Vertrag bekannt sei. Dem zweiten Angeklagte», dem Führer des KuttcrS „Patt", George Wright au« Goalston, wird dasselbe Ver gehen, am 6. Juni in gleicher Weise bei Norderney begangen zu haben, zur Last gelegt. Auch dieser räumt die Tdalsachcn ein, be hauptet aber ebenfalls, keine Kenntnis von den bestehenden Gesetzen gehabt zu haben; die Festnahme Dosset's war ihm bekannt, nicht aber, wie er ongab, die Ursache hierfür. Der Staatsanwalt begründete die Anklage unter Darlegung des Sachverhalts. Der Bertheidiger sucht die Schuld vou beiden Beklagten dadurch abzuweuden, daß er an- giebt, dieselben hätten unter Beseht des Lommodorc der Fischerflotte gestanden. Der Staatsanwalt weist nach, daß die« die Führer nicht straflos mache; außerdem bemerkte Dosse», daß der Toinmodore ihm nicht« zu sage» habe. DaS Urthetl lautete, wie schon mitgetheilt, unter Zugrundelegung de» 8- 296» de» Reich».Strafgesetzbuchs und des Artikel- 2 de« internationalen Bertrnges vom 6. Mai 1882 gegen beide Jnhastirte aus sechs Wochen Gcsängniß unter Anrech nung, dem Anträge de» Bertheidiger« entsprechend, der bereits ver büßten Untersuchungshaft, außerdem aus Einziehung sämmtlicher aus beiden Fahrzeugen befindlich gewesene» Fanggeräihe, Beschlag nahme der gefangene» Fische »nd Erstattung der Koste». * In Frankreich ist die Uniform der GeneralstabS- ossic irre abgeschafft, und jeder in eine GcneralstabSstellung abcowmandirte Osficier trägt di« Uniform seiner Waffe. Um jedoch die specielle Stellung jede» Einzelnen äußerlich kenntlich zu machen, dienen besondere Abzeichen, dargestellt durch verschiedene Farben an den Kragen der Wasfenröcke. Diese sind weiß für die zum Stabe des Präsidenten der Republik und de- KriegSnnnifterS gehörige« Osficiere, sowie für die Militairattachös, schwarz für die Generalstabsosficiere der Armee-Corp-, roth für die bei den Divisionsstäben, bimmelbla» für die bei den Brigadestäben rommandirlen Generalstabsosficiere. Außer diesen Abzeichen tragen stimmt, liche Osficiere de» GrneralstabeS Achsetschnüre. * Italien ist eifrigst bemüht, seine Schlagfertigkeit für überseeische Expeditionen zu erhöhen. Vor Kurzem erst schloß die Regierung mit der »Allgemeinen Italienischen SchifffahrtScompagnie" einen Vertrag — vorläufig auf ein halbes Jahr —, wonach diefe Gesellschaft im Kriegsfälle sofort 7 große Dampfer an die Kriegsflotte abgiebt und sich außerdem gegen Zahlung von 500,000 Lire pro Jahr ver pflichtet, von ihren über 100 Dampfern keinen in da« Aus land zu vermicthen oder zu verkaufen. Später ist durch königliche» Decret vom 3. Mai er. eine besondere Bereit- schafl-stellung (ln rtior-v») für die Flotte eingeführt. Sämmt- licke Kriegsschiffe in der BereitschastSstellung müssen 48 Stunden nach Completirung ihre« Personal« kriegsbereit und 24 Stunden nach erhaltener Ordre bereit- zu kleineren Touren fähig sein. Die schon im Frieden ernannten SchiffScommandanten sind für die stete Bereitschaft ihre« Schiffe« verantwortlich. Da nn Frieden zugetheilte Personal verbleibt im Kriege auf denselben Schiffen; e« dient al« Stamm, um den sich die CompletirungSmannschasten gruppiren. * Die zweite holländische Kammer hat den von dem ullramontanen Abgeordneten Reeker« eingebrachten An trag bezüglich Aushebung der Beschränkung der Fischerei in der Zulder-See mit kleiner Majorität angenommen. Im Jahre I88l war nämlich die gesetzliche Bestimmung ge troffen worden, daß während lO Monate de« JahrcS daö Fischen mit Schleppnetzen verboten wurde, da mit diesem Netze zugleich mit dem ausgewachsenen und zur menschlichen Nahrung dienenden Fisch eine große Menge kleiner Fische gefangen werden, welche nur als Viehsutter oder als Dünger gebraucht werden können. Die Fischer von Lollcnbam hielten sich nun dadurch in der Ausübung ihres Gewerbe» für beein trächtigt, sie übertraten daS Verbot sortwäbrend und wurden dafür aucb gestraft. In den Zeitungen war während der letzten 3 Monate ein sehr lebhafter Federkrieg über die Frage geführt worden und der Abgeordnete NeckcrS stellte den An trag, daS Verbot aufzuheben, ein Antrag, der denn auch mit 4l gegen 32 Stimmen angenommen wurde. Jnbcß ist eS noch fraglich, ob die erste Kammer dem Beschlüsse der zweiten zustimmen wird. Ein Sensationsproccli in Rom. * Wir haben gelegentlich der Besprechung italienischer Angelegenheiten schon oftmals daraus hingcwicsen. daß gewisse Vorgänge und Erscheinungen in Italien, seien sic politischer oder socialer Natur, keineswegs mit dem in anderen Ländern üblichen Maße gemessen werden dürfen. In politischer Be ziehung wird man sich immer vor Anie holten müssen, daß Italien teil anderen europäischen Staaten gegenüber eine AnSnabniSstellung einnimmt, welche da- ganze politische Leben tcö Lande« beeinflußt. Der gegenwärtige italienische Staat bat nämlich seine Enistchnng nnd sein Vvrbantensein ausschließ lich derNevolulion zu verdanken, weöhalb man sich nicht wundern darf, wen» kort mehr oder nimdcr revolutionair angehauchte Elemente noch eine gewisse Nolle spielen »nd bei wichtige», daS Land belrrssendcn Fragen und Anlässen sogar von der Regierung bcrücksichligt werden. Diese kann sich eben von ihreni revolutionaire» Ursprünge nicht loSmache». ja sie muß mit diesem rechne», weil sie sonst bald alleinsteben unv der allgemeinen Opposition erliegen würde. Eine in der Ge schichte d-S Lande« wurzelnde conservative Partei ist in Italien nicht vorhanden und kan» nach der Lage der Verhältnisse auch nicht vorhanden sein. D>e Partei, welche sich dort die Bezeichnung .konservativ" beilegt, ist nur eine blinde An- bäiigcrin deS KlcnkaliSmuS und de« PapstlhumS, welche sich bekanntlich gegen die Regierung in der schärfsten Opposition befinden. So vermag die Regierung, besonders die gegen wärtige. sich nur aus einen gewissen beschränkten Anhang zu stützen , der aber auch nicht immer ganz zuverlässig, weil er in der Regel zumeist durch allerlei fragliche Mittel »nd Versprechungen zusammengebrackt wird, die, wenn sie nickt weiter verfangen, die Regierung dennoch im Stich« lass--» können. Was nun die socialen Verhältnisse Italien« betrisst, so sind diese auch wesentlich andere wie in den übrigen enro»
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