Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-07-16
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187407168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18740716
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18740716
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1874
- Monat1874-07
- Tag1874-07-16
- Monat1874-07
- Jahr1874
-
-
-
3808
-
3809
-
3810
-
3811
-
3812
-
3813
-
3814
-
3815
-
3816
-
3817
-
3818
-
3819
-
3820
-
3821
-
3822
-
3823
-
3824
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1874
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Srschet«t täglich früh 6»/, Uhr. Ltlartl», n,» Lrprdilio« Johanm»g«sse 33. vrr-qtM. Myaacur Lr. Isiitt^r. Sprechftmidc d. Redaktion 4il>r,»»i>>^» »r» II-11 Uhr »tach.mi»cg» »»>, «—L »dt. Annahme der für dir n^lchlt- folgcnve Nuiumkr beflimmren Inserate an Wochentagen dis 3 Uhr Nachmittags, an Lonn- und Festtagen früh bis '/,9 Uhr. /illalr skr Z»ser»triianuat>i>>k: Ott» Klemm, Universitätsstr. 22, Louio Lösche. Hainstr. 21. part. M 197. Organ für Politik. Lvcalgcschichtk, Handels- und Geschäftsverkehr. Donnerstag den 16. Juli. Auflage 11,AAS 2td»«>kmr«k»»rr1» ricrtrljäyrlich 1 Tblr. 15 Ngr., nicl. Bringerloh» l Tblr. 2oNgr. Jede unzetne Nummer 2'/» Agr. Vrlrgektmplar k-k-r Gebühren für Sxrradnlaqeu olmr Postbesöcheruug lt.Thlr. mit PoMiorseruvA l4Ählr. Inserate 4 grspaltencvoi, rgo i Szeile 1 '/.Ns, r. Größrtr Schriften laut uufcrrn« Pveisverzeichniß. Lcclamkn unter d. tteiialtkoanftrtch di« Epaltzeike 3 Rgr. Inserate sind stets an d. Ltpebtttoa zu feudeii. > 1874. Bekanntmachung. Am 3. August d. I. ist ein Benesicium der Hosrath Höltzel'schen Stiftung im Betrage von 41 Thlr. 3 Ngr. 3 Ps. jährlich zu vergeben. Perceptionsberechtigt ist zunächst eine verw. oder geb. Höltzel, welche allhier wohnt, in deren Ermangelung aber eine Leipziger arme Bürgers-, Handwerksmeisters hinterlassene Wittwe. welche bereit« Almosen genießt, und letztres allhier verzehrt. Bewerberinnen um diese« Benesicium haben sich unter Beifügung der erforderlichen Bescheinigungen bei uns schriftlich bis zum 18. Juli d. I. anzumelden. Leipzig, am 4. Juli 1874. Der Rath der Stadt Leipzig. ' ^ GM« vr. E. Stephani. kechler. Bekanntmachung. Die Lieferung der für den Betrieb der städtischen Gasanstalt erforderlichen Bücher und Druck- sormulare soll auf die Jahre 1875 und 1876 an den Mindestfordernden, jedoch vorbehaltlich der Auswahl unter den Submittenten vergeben werden. Verzeichnisse der Drucksachen bez. Proben derselben und Lieferungsbedingungen sind in der Gas anstalt in Empfang zu nehmen, Offerten aber bis längstens den 8. August d. I. Abends 6 Uhr versiegelt und mit der Adresse der Unterzeichneten Deputation versehen bei der Run- tiatur deS RatheS abzugeben. Nicht versiegelte oder unrichtig adressirte Offerten bleiben unberücksichtigt. Leipzig, den 14. Juli 1874. DeS RathS Deputation zur Gasanstalt. nähme ausfprechen, eine unbeschreibliche Ver wirrung trat ein, und allmälig gelang es, dem Fürsten eine Bahn zu brechen, auf die eS ihm möglich wurde, seine Wohnung zu erreichen. Während dieser Zeit wurde der Mörder von einer Zahl von Badegästen mehr fortgeschleift als tranöportirt und nach dem Stadtgesängniß ge bracht. Er gab an, ein Böttchergesell Kullmann aus Magdeburg zu sein, und erwiderte aus alle weiteren Fragen nur, „er habe die Unthat aus freiem Antriebe gcthan". Er ist ein junger Mensch von 19 bis 20 Jahren vom rohesten Aussehen, der mir indessen doch zugleich den Eindruck eines verschmitzten Menschen und eines abgefeimten Verbrechers machte; nach einem Fanatiker sieht er nicht aus. In der Aufregung neigten deshalb auch Alle der Annahme zu, daß er zu dem Ver brechen gedungen sein möchte; mit welchem Rechte, will ich nicht untersuchen; aber auffällig ist jedenfalls das Zusammentreffen der That mit der Anfangs erwähnten Persönlichkeit im Priesterrock. Trotz der durch den Vorfall natürlich hervorgerufenen starken geistigen Erregung konnte Fürst Bismarck, den rechten Arm in einer Binde tragend, sich bereits gegen 3 Uhr m das Landgericht begeben; er hatte gewünscht, den Verbrecher selbst zu sehen und zu sprechen. Der Inhalt dieser Unterredung, wie das bisherige Resultat der sofort cingeleiteten Untersuchung entzieht sich selbstverständlich vorerst der Oeffcntlichkeit. Die an dem Mörder vorge nommene Durchsuchung seiner Person hat „an geblich" einen Zettel von seinem Papier aufsindcn taffen, auf dem sich die mit eleganter Handschrift geschriebenen Worte „im Hause mit Aufschrift vr. Diruff zun." finden sollen. Durch die Straßen und vor dem Hause des Fürsten wogt, während ick) dies schreibe, eine erregte Menschenmenge. Zu wiederholten Malen mußte sich der Fürst dem immer und immer wieder mit begeisterten Iubel- rufen nach ihm verlangenden Publicum zeigen. Alle stimmten in dem Wunsche überein, daß die Frevelthat auf das weitere Befinden deS Fürsten keinen nachtheiligen Einfluß habe. Vom Südd. Corr -Bureau erhält die Köln. Ztg- folgende telegraphische Mittheilungen vom 14. Juli. Der rc. Kullmann hat die Absicht, den Fürsten Bismarck zu ermorden, und angeblich mehrere Mitschuldige eingestauden, heharrt aber dabei, auf die eingehenden Fragen der Unter suchung jede Antwort zu verweigern. Der gestern um 2 Uhr Nachmittag« zur Abfahrt fertige Zug (das Attentat hatte um N/,, nicht um 2'/, Uhr Statt gefunden) wurde durchsucht, aber nichts gefunden, was Verdacht hätte erregen können; als derselbe aber in Schwemfurt eintraf, erfolgte die Verhaftung eines als Mitschuldigen verdäch tigen Passagiers. eines Geistlichen. Fürst Bis marck soll oen rc. Kullmann im Gesängniß be sucht haben. (In Bezug auf die Angabe aus Kissingen, daß Kullmann Mitglied des katholischen Geseltenvereins von Salzwedel fei, geht der Re daction von dem in Köln wohnenden Präses der katholischen Gesellenvcreine, Herrn Schässer, die Erklärung zu. daß nach Ausweis der demselben zu Gebote stehenden statistischen Liften in Salz- ivedel ein katholischer Gesellenverein nicht besteht.) Der Special - Correspondent der „Köln. Ztg." meldet derselben: Der in Scbweinsurth Verhaftete und der intellektuellen Urheberschaft des Mord attentat« Bezicktete ist der Priester Hauthaler aus Walchsce bei Kufstein. Derselbe wurde in Kissingen von sechs Zeugen als Derjenige recog- noscirt, der, kurz bevor der Schuß fiel, vor dem Wagen des Fürsten grüßend vorübergegangen und dadurch Veranlassung geworden war, daß der Wogen ein Weilchen halten mußte. Als der Der Mordanfall auf den Reichs kanzler. * Leimig, 15. Juli. Die neuesten Nackwichten, wclcbe sich auf das scheußliche Kissinger Attentat beziehen, stellen wir in Folgendem zusammen. Der „Nat.-Ztg." schreibt man vom 13. aus dem Bade ort: Fürst Bismark hat aus dem jenseitigen User der Saale in dem zu rechter Hand der über die selbe führenden Brücke belegenen Hause deS vr Diruff Wohnung genommen. Der Brücke zu nächst befindet sich eine Restauration von Braun, ein Garten, in dem zur Mittagsstunde ein zahl reiches Publicum zu speisen pflegt; daran schließt sich ein Hotel garni, das demselben Be sitzer gehört. Neben diesen« liegt das Haus des vr. Diruff, dessen erste Etage Fürst Bismarck bewohnt. Auf der andern Seite des Diruff'schen Hauses befindet sich gleichfalls ein Hotel garni ivon Holzmann), das zu Mittag von Gästen zahlreich besucht wird. So ist ^ver Ort deS Attentats um die Mittagsstunde stark belebt, und da der Kanzler um diese Zeit sich zu Wage« nach der Saline zu begeben pflegt, findet sich jetzt regel mäßig sogar ein außergewöhnlich großes Publicum ein, um den berühmten, vielverehrten Mann zu sehen. So war auch heute ein zahlreiches Publicum versammelt, als Fürst Bismarck um N/z Uhr an der Südseite des Diruff'schen Garten den könig lichen Wagen bestieg, während ein Badediener neben dem Kutscher aus dem Bocke Platz nahm. Als die Equipage aus dem Gartenwege in die beschriebene Hauptstraße einbiegen wollte, bewegte sich (wie mir der königlich bayrische Kutscher Schmidt, der Führer deS Wagens, mit theilt) ein mit einem Rocke, wie ihn die katho lischen Geistlichen zu tragen pflegen, bekleideter Mann vor dem Wagen her, so daß der Kutscher gezwungen war, langsam zu fahren und den Mann anzurusen, der sich erst nach mehrmaligem Zuruf beguemte, aus dem Wege zu gehen. Während dieser Zeit war der Wagen bis an die oben er- ivähnte Braun'sche Restauration gelangt, und in diesem Augenblicke wurde aus nächster Nähe eine Pistole aus den Fürsten abgefueert. Der Kutscher, säst starr vor Schrecken, hatte doch die Geistes gegenwart sich umzukehren, er sieht den Fürsten anscheinend unversehrt, will also weiter fahren und wendet sich den Pferden zu; da bemerkt er den Mörder, der, das Pistol fortwersend, in der aus den Restaurationen und Häusern in Folge de- Schusses herbei geströmten Menschen menge verschwinden wollte. Mit einem kräf tigen Peitschenschlage fuhr der Kutscher dem Mörder nun über das Gesicht und gleichzeitig packte ein Badegast (der Hosschauspieler Leverer au- Darmstadt) denselben bei der Kehle. Umsonst bot der Mörder alle Mittel auf, sich seiner Fest nahme zu entziehen (die Hand des Lederer trägt verschiedene Bißwunden), die Menschenmenge hielt ihn fest, man packte ihn an allen Theilcn des Körper- und fast hätte man ihn in Stücke ge rissen, so groß war die Entrüstung über die ver übte Frevelthat. Der Fürst selbst war Gottlob! ziemlich unverletzt geblieben, eine leichte Streifung an dem Knöchel des rechten Handgelenk« war die einzige sichtbare Folge de« Mordversuchs. Fürst Bismarck trat unter Vas erregte Publicum und suchte es zu beruhigen, indem er hinzusüate, „man solle den Menschen dem Gesetze über lassen." Nachdem man die Gewißheit erlangt hatte, daß ein gnädige« Geschick den Kanzler vor dem Schlimmsten bewahrt hatte und der Schrecken der Anwesenden sich gelegt, umringte Alles den Fürsten. Jeder wollte seine Theil- Bekanntmachung. An der höheren Bürgerschnle für Knabe« Hierselbst soll am I. Oktober d. I. ein provisorischer Lehrer für den Unterricht in Deutsch, Geschichte und Geographie mit dem Iahresgehall von 550 Tblr. anqestellt werden. Akademisch gebildete Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnissen und einem kurzen Lebens lauf baldigst und spätestens bis zum I. September ». «?. bei uns einreichen. Leipzig, den 14. Juli 1874. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Koch Wilisch. Rcf. Bekanntmachung. Bei der mit dem 1. Octobcr a. e. zu eröffnenden akademischen Lesehalle macht sich die Anstellung eines Inspectors für dieses Institut nöthig; dessen Function wird in der Hauptsache darin bestellen, in den Räumen der Lesehalle während der Zeit ihrer Benutzung von 10 Uhr friib bis 9 Uhr Abends mit einer anderthalbstündigen Mittagspause Aussicht über Einhaltung der statutarisch voraescbriebeneu Ordnung zu führen, über die eingehenden und abzuliefcrnden Zeitschriften Tagebücher re p. Listen zu halten, die Mitglieder - Cassenbeiträge zu vereinnahmen und über diese Einnahmen, ingleichen über die lausenden TagesauSgaben Rechnung zu führen. Als IahrcSgehalt für diese neuzubegründende Stelle sind 500 Thlr. bestimmt. Diejenigen, welche sich um gedachte Stellung zu bewerben beab sichtigen, wollen ihre diessallsigen Bewcrbungöschristen unter Beifügung der erforderlichen Zeugnisse über Fähigkeiten und bisherige Führung vis zum 1. August d. I. in der UniversitätS-Eanzlei persönlich abgeben. Erwünscht ist es, daß die Bewerber das 30. Lebensjahr erreicht haben. Leipzig, den 11. Juli 1874. Der provisorische Vorstand. Prof. vr. Overbeck. Kutscher den Schuß abfeuern sah, schlug er den Schurken, der in unmittelbarer Nähe stand, mit der Peitsche über den Kopf, woraus die Um stehenden herbeistürzten. Aus Magdeburg berichtet die „Magdeburger Zeitung" unter dem 14. Juli: Auf eine gestern Abend hier anlangende officielle Depesche hm be gaben sich der Polizeipräsident und der Staats anwalt sofort nach der Neustadt, um in dem elterlichen Hause des Kullmann eine Haussuchung vorzunchmen. So weit uns be kannt. ist dieselbe ohne Erfolg geblieben. Der Bater de« unglücklichen jungen Menschen, ein schon bejahrter Mann, erklärte, er wisse gar nicht, daß sein Sohn in Kissingen sei, habe viel mehr geglaubt, daß er sich in Hamburg befinde. Aus Neustadt-Magdeburg gehen der Magdeburger Zeitung über das frühere Leben des Attentäters Kullmann folgende Notizen zu: Derselbe ist in der Neustadt geboren, 20^-21 Jahre alt und der Sohn eines in den Restaurationen in Magdeburg sehr bekannten Handelsmanns, der Spickaale verkauft. Seine Mutter befindet sich schon ungefähr ein Jahr in Halle wegen unheilbarer Geisteskrankheit. Sie wurde an den, Tage wahnsinnig, wo ihr zweiter Sohn eine Stelle antrat, dic^ ihrer Meinung nach das Glück der Familie begründete. Beide Eltern sind aus dem Eichsfelde und natürlich streng katholisch. Der älteste Sohn, Eduard, der hier nur in Betracht kommt, hat 4 Jahre bei einem hiesigen Meister das Böttcher handwerk erlernt, ist dann ein Jahr in der Fremde gewesen, um bei seiner Rückkehr in Ge sellschaft Gleichgesinnter seinen srühern Lehr meister auf der Straße mit Messerstichen zu tractiren, wofür ihn r/« Jahr Gesängniß traf, nach Abbüßuug welcher Strafe er sich kurz vor P singsten d. I. wieder in die Fremde begab, und seinen Vater bis heute ohne Nachricht von sich gelassen hat. Amtsrath Dietze aus Barby, welcher ganz kurz nach dem Attentat den Fürsten Bismarck auf dessen Zimmer begleitete, hat einem Bekannten Folgendes mitaetheilt: Der Fürst war sichtlich erregt und tiesergriffen und sagte beim Eintritt in das Zimmer: Auch hiev; wo ich Heilung zu finden hoffte, bin ich solchen Angriffen ausgesetztl Aus Anlaß des Attentats gegen den Kanzler des Deutschen Reichs geht der „Spen. Ztg." fol gende Mittheilung von geehrter Hand zu: „ES sind fetzt mehr als zwei Jahre, daß eines Abend« in einer der parlamentarischen Soirsen, welche damals Fürst Bismarck gab. die Rede auf die Gefahr kam, in welcher Fürst Bismarck wäh rend des französischen Krieges geschwebt habe, in welchem die furchtbare Aufregung, welche ganz Frankreich beherrschte, und die jeder Gefahr trotz- bietendc Art, wie sich der Fürst, unter Beiseite- setzuna aller Vorsichtsmaßregel«, überall exponirte, die Möglichkeit eines meuchelmörderischen Ueber falls von feindlicher Seite nicht ausschloß. Der Fürst äußerte darauf, sein Leben stehe in Gottes Hand und er sei stets bereit, dasselbe der Sache Deutschlands zu opfern. Uebrigen«, fügte er hinzu, gebe es Meuchelmörder leider auch im Frieden so gut wie im Kriege. Als daraus eine sehr ernste Stimmung in der Gruppe entstand, welche den Fürsten umstand und mil welcher er die Unterhaltung führte, fügte der Reichskanzler scherzend hinzu: „Es wäre vielleicht gar keine üble Einrichtung, wenn man. wie für daS Wild, auch für exponirte Minister eine Schonzeit einführte, während deren nicht auf sie geschossen werden dürfte, dann wüßte man doch, woran man wäre." Diese Aeußerungen erregten große Aufmerksamkeit. Alle waren der Meinung, es handle sich um eine sehr ernsthafte Sache. Der Humor des Kanzlers vermochte Niemanden zu täuschen. Einige meinten, der Kanzler sehe zu schwarz; kurz vorher hatte die Geschichte eine« gewissen Westerwelle gespielt, welchem man die Absicht eines Attentats aus den Fürsten zur Last legte; die klerikalen Blätter hatten sich damals sehr über dieses „Attentat" moquirt, welches sie für „eine Erfindung Stieber'S" ausgaben. Andere aber waren der Ansicht, daß allerdings das Leben Bismarck'«, bei fortgesetzter Appellation an den religiösen Fanatismus, bedroht sei. Ich erneuere die Erinnerung an jene Unterredung, welche man chem Reichstagsabgeordneten noch lebhaft in Er innerung sein wird, indem ich mit Schmerz und Beschämung constatire, daß ein Deutscher sich mit einem so infamen Verbrechen, zu welchem sich selbst ein Franzose während des für sein Vater land so unglücklichen Krieges nicht hergab, be fleckt hat." Die „Nordd. Allg. Ztg." spricht sich über da Attentat in ganz entschiedenen Worten aus. Sie sagt: Diejenigen, welche die That geplant, für deren Ausführung der Verbrecher nur das halb willen lose Werkzeug war, werden sich rühmen dürfen, dem deutschen Namen einen Schandfleck angeheftel zu haben, der selbst vor der gewaltigen Größe unserer neuesten Geschichte nicht verschwindet. Für diese Urheber des Verbrechens war eS gleichgültig, daß Fürst Bismarck seine Gesundheit im Dienste seines Kaisers und seines Volkes hingeopfert; daß er um nur die nothdürftigste Stärkung wiederzu- gcwinncn in einem Badeorte weilte, einem in den Augen jedes civilis,rten Menschen geheiligten Aufenthalt. Für die intellectuellen Urheber des Attentats war der Zeitpunkt gekommen, die düsteren Prophezeiungen zu erfüllen, die seit Wochen und Monaten unheilverkündend durch die Spalten der ultramontancn Blätter gingen, welche letztere schon seit dem März d. I. nicht «Utde wurden, daran zu erinnern, daß Fürst Bis marck „ein sterblicher Mensch sei", daß „Gottes Mühlen langsam aber trefflich klein mahlen", daß „ein Jeder sich bescheiden müsse, früher oder später zu einem von höherer Hand vor- gezeichncten Zeitpuncte seiner Macht und Wirk samkeit wie den andern Gütern dieser Welt zu entsagen". Und gestern Abend noch nahm die „Germania" für die ultramontane Partei „das Recht und die Pflicht" in Anspruch, aus die „Even tualität" des Eintritts der konservativen Reak tion und der Herrschaft ihrer (der ultramontanen) Partei in Preußen und Deutschland sich vorzu bereiten, „damit die Staatsleitung nicht in Ver legenheit sei. im günstigen Moment auf conser- vätiver Seite eine regierungsfähige Partei zu finden." Wir können dem Richterspruch nicht vor greifen, können auch nicht wissen, was seit Mo naten in den katholischen Vereinen und Conven- tikeln, deren Mitglied der Verbrecher ist, vielleicht geredet und geplant wurde, um den Eintritt deS ^.günstigen Moments" zu beschleunigen. Aber dieser letztere Umstand, zusammengehalten mit den bereits constatirtcn Thatsachen, uiit den düstern Todesdrohungcn und den leidenschaftlichen Hetze reien der ultramontanen Presse und mit anderen bekannt gewordenen Dingen, berechtigt wohl zu dem Ausspruch, daß die Hände, welche Ravaillac und Gerard, die Mörder Heinrich de« Vierten und Wilhelms von Oranien. waffneten, auch dem Verbrecher Kullmann die tödtliche Waffe geladen habe«. ^
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- No fulltext in gridpage mode.
- Show single page
- Rotate Left Rotate Right Reset Rotation
- Zoom In Zoom Out Fullscreen Mode