Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-09-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187409143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18740914
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18740914
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1874
- Monat1874-09
- Tag1874-09-14
- Monat1874-09
- Jahr1874
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1874
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^ , » ^ G, M. VrflHNM !OßUlH früh 6»/, Uhr. »r»«r11Z, «kPedttt», JoharmiSgasse SZ. Lerautw. Nedacteur Fr. Hitt»rr Sprechstunde d. Redaction v»n»!Na-« »«» N—ir Uhr Hach»»«--« »oa 4—» Uhr. Annahme der für die nüchst- solarnde Nummer bestimmten Inserate an Wochentagen bt» 8 Uhr Nachmittags, au Sonn- »ud Festtagen früh bisUhr FUtitr str Z»strate>a»aah»r: Otto Stemm. UniverfitLtSstr. 22, LoUiS Lbicke. Haiustr. 21, pari. Uchztztr.Tageblatt Anzeiger. L>WN für Kvlitik, Localgcschichte, Halldeis- and StschäMakehl. «,»>«« u^r« vieneliährlich 1 Dhlr. 1b Nme^ incl. vringerlohn 1 Lhlr. 2üNgr. Jede einzelve Nummer 2'/, Ngr. Belegexemplar 1 Ngr. Gebühren für Exw ahne Postbefvrderung 11 mit Postbefvrderung 14 Jaseratr SgespalteneBourgoiSzeile I'/,Ngr. Größere Schrift« taut uusrrrm Preisverzeichnis »rcl«>r> »»ter b. »rbarttonoßeich di« Spaltzeile S Ngr. Inserat« find stet« au d. «rpebÜto» zu senden. M L57. Montag den 14. September. 1871. Wegen Reinigung der Geschäftsräume wird unsere Expedition Heute Mittag 12 Uhr geschlossen. LipsäiUou ckvs I-viprißvr laßsdiattos. Quittung «nd Dank. Für die Brandbeschädigteu zu Meiningen wurden bis heute lt. deS nachstehenden Berzeichniffe« S7S Lhlr. LO Vkgr. u»d LT H^nqnete Mit NleidungSftücken «ud dergl. bei uns abgegeben. Mit unserem aufrichtigsten Danke für diese Gaben verbinden wir die angelegentlichste Bitte um fernere Beiträge. Leipzig, den 12. September 1874. Der Rath der Stadt Leipzig. Ilr. Koch. Schwarz. Apotheker Telle 3 «L, H. G. 1 -»/, E. S. 1 Paquet Sachen, Schneidermeister Ganz 1^5«^, Frau Sn. und Frau E. Seeburg 5 «L, B. R. 1 Paquet Sachen, Northosf, Thomsen u. Comp. 5 «L, H. S. 1 Paquet Sachen, E. FH. 1 Paquet Säcken u. 5 I. I. 2 Schulze u. Niemann 30 C. Metsch 3 »/, Agent Lange verschiedene Kleidungsstücke u. 5 »L, C. A. Hffn. 1 Frau Richter 1 »/, A. L. 2 «L, Roller u. Huste 10 «^, Schneidermstr. Schumann 1 Paquet Sachen, A. W. 1 Gärtner Wagner 5 Franz Jünger 5 »/. Manrermstr. Hosmann verschiedene Kleidungsstücke, G. R. 17. 1 »L, Gesellschaft Glocke 30 W. L. 1 Paquet Sachen, I. Müller 5 W. Z. 1 M. u. O. 10 Friedr. Brandstetter 5 O. Gerber 1 Paquet Sachen, Bicebürgermcister vr. Stepbani 5 I. C. 5 «/, E. H. 1 15 «s>f, vr. Papperitz 1 S. u. G- 10 F. D. 1 «L, Frau Emilie Agner Kleidungsstücke, H. C. 1 Paquet Kleider und 2 »/, Wenig mit Liebe 1 Paquet Kleidungsstücke, E. M. 1 Habedank 2 C. G Weiß u. Comp. 50 »F, Wondra 1 »'p, Schw. Thieriot Wäsche, Kleidungsstücke und 5 »F, Gutbier und Götze 5 N. N. 25 Platzmann Melly 2 P. den ä. Kleidungsstücke u. Wäsche u. 5 «/, aus einer Kegelcasie 1 »L 15 F. 2 A. D. ^r. 1 Fischhändler Händel zr. 2 eine Näherin 1 Paquet Sachen, Personal der Firma C. H. 3 C- K. 1 Gustav Uhlemann 2 M. Schiller 3 «/, Bruno Rückert 5 Carl Hothorn Kleidungsstücke u. 1 »L, A. Z. Sachen, Pastor vr. Huth 4 W. Liebernickel 1 Paquet Kleidungsstücke u. ÄZäsche, Ferdinand Schönheiiner 1 Paquet Stiefel u. 20 A. S. 1 Paquet Kleider, Moritz Röhrig 5 Fleischer-Innung 50 «qF, C. T. 1 »/, Ida 2 E. verw. Zenker 2 E. Sander 5 »L, R. 2 »/, F. G. Sachen, M. W. Sachen, B. W. Sachen, k.. Sachen u. 2 C. H. 2 10 -sf, Scharwerker auS Gohlis Kleidungsstücke, Gruhle 3 Carl Zieger 10 Frau Seitz Kleidungsstücke, F. G- Walther 5 G. H. Böhme 1 Adv. Liebster Sachen u. 3 Friederike Potschcr 15 Th. F M. Sachen u. 7 Kerd. Krimmelbein Nachfolger 10 «/, CH. Dietrich 1 I. B. Hirschsrld 10 -»F, I. G. Quandt ». Mangelsdorf 20 «j^, I. M. Kleidungsstücke, Wäsche, Schnhwerk u. 13 10 «pk, G- Müller 1 »L, I. G. Salessky 50 «L, H. G. L. 2 »iF, Frau Friederike Sonuenkalb 5 »L, vr. Gr. S G. u. Comp. 5 «L, Riemer-Innung durch C. Lcuthier 3 I. T. H. 1 Parthey Sachen, Adv. H. Gz Sachen u. 3 «F, durch Restaurateur Schulze (Klapka) gesammelt bel einem fidelen Hochzeits- Frühstück 12 «/, Schmieder 1 «/, Polizeidirector vr. Rüder 5 Gesellschaft Wanderer 3 2 «pl, Glenck L Weiße 10 «L, Pauline Grüner 5 Ungenannt 1 Paquet Sacken u. 1 »L, vr. Brandes 1 Paquet Sachen, W. Haunstein 3 «/, F. O. Reichert 1 Paquet Kleidungsstücke für Kinder, ein Paquet Bücher und Schreibmaterialien u. 2 »L, Ernst, Carl u. Walther Reichert aus der Spar büchse je 10 »vf 1 F. W. B. bei Schulze Klapka 3 «/, Bürgermeister vr. Koch 5 «L, Reichs aerichtsrath Goldschmidt 15 Frau Lina Herrmann 5 «L, Frau Goldschmidt 1 Paquet Kleidungs stücke, Diakonus vr. Valentiner 5 »/, C S. Kleidungsstücke, C. A. Geier 5 »L, F. u. S 5 GcrichtSrath vr. Merkel 1 Paquet Kleidungsstücke u. 1 »L, C. A. Dreßler 1 Paquet Kleidungs stücke u. 10 »/, Adv. Hennig 5 Rudolf u. Leontine Hennig 2 Fleiscbermstr. Meier 1 Paquet Sachen u. 2 Saul Finkelstein 25 a/. Otto Wilhelnii 1 ?./, Hothorn 1 G. S. 1 Paquet Sachen, vom Staknmtisch in Gramm- Weinstube Ritterstraße 4 durch G. Gramm 21 «/. An der Schule zu Reudnitz ist die 2. HülfSlehrerstelle mit 230 ^ IahreSgchalt und 30 «L jährlicher Wohnungsentschädigung sofort zu besetzen. Bciverber um diese Stelle veranlassen wir. sich b:S zum 0. Oktober d. Z. unter Beifügung der erforderlicken Zeugnisse bei unS schriftlich anzumclven. » Leipzig, den 11. September 1874. Der Rath der Stadt Leipzig. - " ^ G- 3 vr. Koch. Mecbler. Städtische gewerbliche Fortbildungsschule. Anmeldungen von Tagessehulern für das am 5. October beginnende Wintersemester sind bis späitesteuS de« 20. September unter Beifügung des letzten Schulzeugnisses an den Unter zeichneten zu rickten und eS wird derselbe zu persönlicher Annahme solcher, sowie weiterer AuskunftS- ertheilung täglich von 10—IN/, Uhr Vormittags im Schullocale Lessingstraße Nr. 14, Hinterhaus 1 Treppe bereit sein. vir. Festrede am Sedautaae i« der hüher« Mädchen schule gehalten von »o. Trautman«. Liebe Schülerinnen! Heute vor vier Jahren tobte um Sedan eine gewaltige Schlacht. Der Ausgang derselben ist euch allen bekannt: das ganze französische Heer sammt Napoleon, dem frechen Anstifter des Krieges, siel in die Hände der siegreichen Deut schen. Dieser Erfolg steht einzig da in der Weltgeschichte, und von allen Schlachten jenes siebenmonatigcn Krieges ist die von Sedan die cntscheidungSvollste. Darum ist cS der zweite September, den das deutsche Volk erwählt hat zur Feier eines allgemeinen Gedcnkfestes, den es der Freude über seine neu errungene Macht ge weiht hat. Ja, wir haben Grund unS zu freuen! das empfinden wir nicht lebhafter, als wenn wir ver gleichen was wir waren mit dem was wir ge worden sind. Welche jammervolle politische Rolle bat Deutschland seit dem Niedergänge der Hohen staufen gespielt! Welche Fülle von Leiden aller Art hat cs über sich ergehen lassen müssen! Im 14. und 15. Jahrhundert hatte es fast nur Kaiser ohne Kraft und Ansehen an seiner Spitze; das Raubritterwcsen stand in üppiger Blüthe; wilde Fehden wurden zwischen dem aufstreben den Bürgerthum und dem mehr und mehr her unterkommenden Adel ausgefochten. Der Geist des 16. Jahrhunderts war auf die Freiheit, auf da- Große und Edle gerichtet; aber der düstre Psaffenzöaling, der auf dem deutschen Kaiser throne saß, der Spanier Karl V., verstand jene Flamme der Begeisterung nicht und vergeudete die Kraft de- Reiche- in unfruchtbaren Kriegen mit Frankreich. Im 17. Jahrhundert der 30jährige Krieg, der das unglückliche Deutschland körperlich, geistig und sittlich nahezu vernichtete. Am Anfänge de- 18. Jahrhunderts noch einmal ein Zuwachs an Macht und Ehre durch die Siege Prinz Eugen« des tapfern Ritters. Aber nach dem spanischen Erbsolgekriege ging es unauf haltsam abwärts mit Kaiser und Sieicb. Na mentlich gegen die Mitte dieses 18. Jahrhunderts gewährten die öffentlichen Verhältnisse ein tief traurige- Bild. Wir müssen diesen, Elend eine kurze Betrachtung widmen, wenn wir die Errungenschaften der Gegenwart in ihrer ganzen Größe ermessen wollen. Da- Deutsche Reich umfaßte damals ein Gebiet von etwa 12,000 Geviertmcilen mit 26—30 Mil lionen Einwohnern. Dasselbe zerfiel in fast 300 Staaten der verschiedensten Art und Größe: in geistliche -urfürstenthümer und weltliche Kur- fürstenthümer, in Herzogthümer, Fürstenthümer, Markgrafschaften, Landarasschasten, BiSthümer, Probfleien, Abteien, ReichSgrasschaften, Rcichsfrei- herrschaften, Reichsstädte und sogar Reichsdörfer. Der deutsche Kaiser war ein Popanz, den auch der kleinste Reichssürst nicht fürchtete; ein armer ^Schlucker, dessen jährliches Einkommen sich mit Mühe und Noth auf 13,000 Gulden belief. Das aesammte Reichssteuerwescn glich einem kläglichen Almosenheischen. DaS Reichsheer ftand entweder btos aus dem Papiere, oder es war, wenn es wirklich einmal auf die Beine gebracht wurde, ein buntscheckiges Ding ohne alle Waffentiichtigkeit. In der Schlacht bei Roßbach war die „Reichs- armee" so elend ausgerüstet, daß von 100 Flinten durchschnittlich kaum 20 Feuer gaben. Bei einer schwäbischen Compagnie hatte die Stadt Gemünden den Hauptmann, die Stadt Rottweil den ersten und die Aebtissiin von Rotenniünster den zweiten Leutnant zu stellen! Die Rechtspflege des Reiches war über die Maßen langsam, unzuver lässig, ohnmächtig. Bis zum Jahre 1772 hatten sich in den Gewölben des Reichskammergcrichtes 61,233 unerledigte Processe aufgesammelt! Ein Proceß, den die Stadt Gelnhausen vor diesem Reichsgerichte führte, dauerte von 1549 bis 1734, also fast 200 Jahre! Der Reichstag endlich war eine vielfach zusammengesetzte un glaublich schwerfällige Maschine. Die 234 geist lichen und iveltlichen Stände, auS denen er de stand, hatten jeder nur seinen Vortheil im Auge, an ein Wirken zum Wohlc des Ganzen dachte Niemand. Neben dieser Kümmerlichkeit der Reichsgewalten stand hoch aufgeschossen die Macht der Fürsten. Friedrich der Große sprach daS schöne Wort: „Der Fürst ist der erste Diener des Staates" und that danach. Wie er dachte und handelte nur eine winzig kleine Anzahl seiner fürstlichen Zeitgenossen im Reiche; die ungeheure Mehrzahl hatte keine Ahnung davon, daß der Herrsche: außer seinen Rechten auch Pflichten habe. Sie hielt eS lieber mit dem Ausspruche de« 14. Louis „I'etLt o'est mo!^ WaS kann inan von^Landes- vätern erwarten, die einem so nichtswürdigen Regierungsgrundsatze huldigen?! Hier einige Proben von ihren Thaten. Al- der Herzog Karl Eugen von Württemberg seinen Unterthanen unerschwingliche Steuern ausi erlegt hatte, wandte sich Job. Jak. Moser, der beste Kopf und tüchtigste Charakter des ganzen Landes, an ihn mit der unterthänigstcn Vor stellung. er möge doch die harte Verordnung zu rücknehmen. Was geschah mit Moser? Er wurde verhaftet und auf den Hohentwiel ge schleppt, wo er 5 Jahre unverhört in härtester Gefangenschaft gehalten wurde. Derselbe Karl Eugen ließ den Dichter Schubart, der sich frei- müthig geäußert batte, mit List sangen und 10 Jahre auf dem HohcnaSpcrg einsperrcn. Karl I. von Braunschweig zablte seinem Balletmeister Niccolini, einem durchtriebenen Gauner und Kuppler. 30,000 Thlr. jährlich, seinem Wolfen- büttler Bibliothekar, dem großen Lessing. 300. Friedrich August von Anhalt-Zerbst vergeudete die Einkünfte seine« Ländchens in Frankreich; er kam nie heim und verbot seinen Unterthanen bei Zuchthausstrafe, Bittschriften an ihn zu richten. Karl Wilhelm von Nassau-Saarbrück Prügelte einen Bauer, der der Wilddieberei verdächtig war, eigenhändig zu Tode. Am schlimmsten hat wohl Landgraf Friedrich der Zweite von Hessen- Kassel gegen seine Unterthanen gewüthet. Er wollte Kassel zu einer Residenz ersten Ranges erheben; er baute Paläste und Lusthäuser, grün dete eine Akademie und legte Gärten und Kunst sammlungen an. Aber wie sollte er mit der schwachen Steuerkraft eines LändchenS von nur 400,000 Einwohnern die riesigen Kosten solcher Verschwendung bestreiten? Der Mann wußte sich zu helfen. Zuerst führte er daS Lotto ein und zwang seine Unterthanen Loose zu nehmen. Als auch diese Quelle nicht mehr nach Wunsch floß, eröfsncte er einen wvhlgcregelten Menschenhandel mit England. Diesem Lande, das mit dem neu erstehenden Freistaatc Amerika Krieg führte, lie ferte er unter dem vornehmen Namen eines Subsidicnvertrages nach und nach 16,992 Sol daten. Für jeden verkauften Hessen erhielt er 30 Kronen Wcrbegeld, für jeden in Amerika dienenden 37 Kronen jährlich, und für jeden ver kauften, welcher blieb, 20 Kronen. Ja, der Mann verstand den Handel! Er hat denn auch aller Verschwendungen ungeachtet ein Baarver- mögcn von 60 Millionen Thalcrn hinterlassen. Und dieser Friedrich von Hessen-Kassel ist nicht der einzige, der sich durch jenen ruchlosen Men schenhandel für ewige Zeiten gebrandmarkt hat; noch eine Menge andere, namentlich die gleich zeitigen Landesvätcr von Waldeck, Hannover, Hessen-Hanau, AnSbach, Anhalt-Zerbst, Württem berg und Braunschweig haben sich desselben Ber brechens schuldig gemacht. Herrlich und in Freuden leben war die Losung jenes Fürftengesindels; um dies zu können scheute es vor keinem Mittel zurück. Wenn dies ganze Thun und Treiben wenigsten- den Vorzug der Ursprünglichkeit und Eigenart gehabt hätte! aber cS war nichts als ein höchst armseliger Abklatsch der liederlichen Hofhaltung von Versailles. Die deutschen Fürsten, von denen wir hier reden, hatten nicht zwei eigne Gedanken; Sitte, Tracht, Sprache, Witz, Anschauungsweise, alles bezogen sic auS Frankreich. DaS Gefühl für Anstand und Ehre und das Bewußtsein ihres Deutsch- thuniS war ihnen bis auf den letzten Rest ab handen gekommen; französische Gouvernanten dursten den deutschen Fürstinnen sagen: „I?,, on vou8 preuckrLit pour uns Xllemanäo" oder sie rühmen: ^6'e;t un tr68or guo I» ciemokelle; olle ne sait p»8 an mot cl'»IIomLllck." Neben der Verschwendung und Liederlichkeit Louis des XIV. wollten viele kleine Höfe auch noch den kriegerischen Glanz Friedrich- de« Großen nachäffen. Ein solche- Bestreben lief natürlich immer auf eine unnütze unb oft unendlich lächer liche Soldatenspiclerei hinaus So erzählt man von einem Fürsten, daß er seinen Gardisten drei verschiedene Uniformen gab, in denen sie ab wechselnd als Grenadiere , Jäger und Kürassiere auszieben mußten Das Kriegsheer eine« Grasen von Limburg-Styrum bestand auS 1 Oberst, 6 Officieren und wie viel Gemeinen? — au- zweicn! Erbärmlich wie diese Regierenden waren auch ihre Unterthanen. Der Adel war in niedrige« Hoflakaienthum versunken, der Bürger war ein seiger Philister geworden, der Bauer ein roher Sclave. An die Gründung tüchtiger Schulen dachten jene Landesväter nicht; lesen und schreiben können war eine seltene Kunst. Auch Handel und Gewerbe zu fördern siel ihnen nicht ein. Die Straßen und das Postivcsen waren unendlich elend, und eine unqcbeuere Menge von Binnenzöllen hemmte dcn Pcrkehr. Von Gcrmersheim bisRotter- dam gab es nicht weniger als 29 Zollstättc. Diese Uebclständc im Verein mit den druckenden Steuern führten eine allgemeine Verarmung herbei; in vielen namentlich geistlichen Staaten kamen auf tausend Einwohner mehr als 250 Bettler. Wie hätte bei dieser Verkommenheit des öffentlichen Lebens die edle Pflanze der Vaterlandsliebe gedeihen können? Grade die AuScrwähltcstcn unter den Deutsche» wandten sich ab von der Wirklichkeit der Dinge und suchten Trost und Zuflucht in dem Gedanken, daß nicht dieses oder jenes Fleckchen Erde, sondern die ganze Welt ihr Vaterland sei. Lessing, dieser durch und durch deutsche Mann, sprach Worte, die uns an ihm irre machen könnten, die Worte: „Ich habe von der Liebe zum Vaterlande keinen Begriff, und sie scheint mir nur eine heroische Schwachheit zu sein, die ich gern entbehre." So sehr war jener unglück lichen Zeit daö Bewußtsein abhanden gekommen, daß die Vaterlandsliebe so vernünftig, so heilig, so nothwendig sei wie die Liebe zu Vater und Mutter. Da ist denn doch heute a«r Manches ander- und bester geworden. Deutschland wird geachtet und gefürchtet; es spricht in der Politik unsere« Erdtheils das entscheidende Wort. Dies hat sich erst in den jüngst verflossenen Tagen dadurch gezeigt, daß Deutschland die übrigen Hauptmächte Europas zur Anerkennung der spanischen Repu blik vermocht hat. Ganz undenkbar erscheint es, daß sich so bald wieder ein Volk so leichtfertiger Weise in einen Krieg mit uns stürze, wie eS vor vier Jahren die Franzosen gelhan. Und wie das junge Reich angesehen und mächtig steht nach außen, so steht cS fest und wohlgegründet nach innen. Die Hand des Kaisers ist stark gemacht; kein deutscher Fürst ist im Stande auch nur einen I-Punct zu vernachlässigen von dem, waS ihm die neue Verfassung vorschreibt. Das Volk ist nicht mehr preiSgegcben der Willkür und Laune verworfener Despoten, sondern da- Berhältniß zwischen Regierenden und Regierte« ist durch Verträge geregelt. Eine Aussaugung des Lande« durch allzu drückende Steuerauflagen ist heute eine bare Unmöglichkeit; jeden Pfennig, den ein Fürst erheben will, muß zuvor da« Volk durch eine Vertreter bewilligt haben. Die Rechtspflege wird gehandhabt nach allgemein verbindlichen Gesetzen, nicht nach Gunst und Ungunst. Unser Heerwesen ist der Art, daß e« von unser« Freun-
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