Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188607127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860712
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860712
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-07
- Tag1886-07-12
- Monat1886-07
- Jahr1886
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1886
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Erscheint tätlich früh 6'/, Uhr. Ne-acUin und Lrprditio« Johanne-gasse 8. Aprechkundkn der Nedamvu: BormittagS 10-12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. Dir »t» «in,Händler Monnlcrt»«. «acht ßch dl« Itidam», nicht »^mdlich. «»««»me »e» f»r »t« «Lchftfalge«»» «»»«er »efN««»e« Inserate an Wachentaaen »i» S Uhr Nachmitta,«. an Lann- «n» Keftta,en früh »iS'/,» u»r. Zn den Filialen fiir Ins.-^nnahme. Ott« Klemm, UaiversitLt-strahe 1. L»ut» Lösche, Kathariieastc. 38, p. nur bis «tzr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage LS,«SV. Äbonnemrnlsprris viertelj. 4'/, Mit. iucl. Bruigcrlohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 30Pf. Lelegeremplar 10 Pf. Gebünren iür Extrabeilage» lin Tageblatt« Format gesalj') ohne Postbeförderung ÜO Mk. »>t Postbesörderung SO Mk. Inserate Sqefpaltme Prtitzeile L0 Pf. virögere S-bnftkn laut uns. Preisverzeichnis Tabellarischer u.Ü^fsernsotz nach höhermTarif Kecltnnru unter dem RedactionS strich die SaefpaU. geileöOPf., vor den Famtliennachrlchteu die Sgespaltene geile 40 Ps. Inserate sind stets an die Er»r»itt«N zu seaden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnsnuiuerunäo oder durch Post- nachnahme. 193. Montag den 12. Juli 1886. 80. Jahrgang Amtlicher Theil. Vekanntmachung. In Folge eingegangeiier Beschwerde» über da» Ueber- handnehmen der wilden Kaninchen in de» Gärten deS diesigen Johannilthales sehen wir un» veranlaßt, de» Gartcninhabern daselbst bis auf Widerruf zu gestallen, daß sic in ihren Gärten die wilden Kaninchen wegsangen und lvvlen. Der G brauch von Schießgewehren und Gift ist dabei ausgeschlossen und unterliegt deren Anwendung den gesetzlich angeordnetrn Strafe». Leipzig, den 8. Juli 1886 Der Rath und daS Polizetamt der Ltadt Leipzig. I».4lS5. vr. Georg,. Bretschneider. Kretschmer. Allsschreibllng. Die Erd« und Maurerarbeiten für den Neubau deö SteedenhaufeS sollen vergeben werden. Arbeit-Verzeichnisse und Bedingungen können aus unserem Bauamt (Rathhau« ll. Obergeschoß. Zimmer Nr. 5) ent- noinmen werde». Tie Gebote sind versiegelt und mit der «iisschrift „Neu bau Siecheuhauö, Grd» and Maurerarbeiten" bis ZUIN 23. Juli Nachmittags 5 Uhr cinzurcicheu. Leipzig, Len 10 Juli 1886. Die Baudeputattou de- Rath». Stadtlttüliollitk. Die diesjährige Reinigung und Revision der Stadt bibliothek findet >» der Woche vom 19. bis zum 24. Juli stall. Daher sind alle au-aelielicne» Bücher bi- spätestens Sonnabend, den 17. Juli an die Bibliothek zurückzugcben. La der RevisionSwoche werden keine Bücher auSgeliehcn. Leipzig, den S. Juli 1888. vr. Wustmann. Nichtamtlicher Theil. Vie englischen Wahlen. * Nachdem die englischen Städte sich gegen Glad- stonr entschieden» nehmen auch die Wahlen aus dem flachen Lande bis jetzt einen für dessen Sacke sehr un günstigen Verlaus. Da die Nachrichten über LaS Wablresullat in den ländlichen Tistricte» nur langsam in London zusainmrn- lause», so liegt heute auch wieder nur das bis Freilag Abend 7 Uhr bekannt gewordene Wahlcrgcbniß vor. Gegen Glad- stone sind danach im Ganzen jetzt 318 Wahle», zu scincn Gunsten 206 ausgefallen. Zu erledigen blechen noch 146 Wahlen. Von diesen müssen für die Gegner Gladstone's zum mindesten noch 18, für die Anhänger Gladstone's noch 130 sich entscheiden, wenn dieselben die Mehrheil im Unterhause erhalten sollen. Die Differenz zwischen den Ziffer» der auf beiden Seite» Gewäbltcn bat sich wieder um 8 zu Gunsten der Gegner Gladstone's gcänkert. Vorgestern Abend betrug sie 104, gestern Abend 1l2. Es bieten sich nunmcbr noch andere GesichtSpuncte für die Zlsfervergleickung dar. Die Zahl der gewählten Conservaliven betrug vorgestern Abend 249, gestern Abend 264, sie ist also um 1L gestiegen, während die der Gladstonianer — vorgestern Abend 130, gestern Abend 133 — nur einen Zuwachs an 3 Gewählten zeigt; wenn der GesammtznwachS aus Gladstone's Seile sich bedeutender darstellt, nämlich auf 1t. so erklärt sich die- durch eine Zunahme der gewählten Parnellilcn um 8. Die Conservaliven habe» die Stärke, welche ihnen die letzten Wahlen verliehen, bereits um 14 Gewählte überholt. Im Gegensatz zu den Gladslvnianern, welche, selbst wenn sic noch siegen sollten, ganz in der Gewalt der Parnellilcn wären, haben die Conservaliven sogar Aussicht, von den unionistischc» Liberalen nahezu oder ganz unabhängig zu werden. Zählt man die letzteren, 54 Man» stark, mit den Gladstoniancrn und Parnelliten zusammen, so erbäll man die Gesammtzabl 266, während die Conservaliven bereits 264 Wahlsiege aus- zuweise» haben, also vorläufig eine absolute Mehrheit von 4 Stimmen besitzen. Den Gladstonianer» ohne die Parnelliten sind sie bi- jetzt um l3l Gewählte voran-; nach den letzte» Wahlen betrug die Differenz zwischen den Liberalen und kon servativen, wenn man 3 Wilde außer Rechnung läßt, zu Un- grinsten der letzteren 81 UnterbanSsitze. Anläßlich der Wahlen schreibt di« .Time»': .Die Wahl in den englischen städtischen Distrikten wurde beendigt, und wir könne» jetzt daS Nettoresultat von Mr. Gladstone's Berufung an jenen Theil de« englischen Volker ersehen, der stets die Hauptstütze des Liberalismus gewesen ist. Bei d«r letzten Wahl gewannen die Conservaliven Ilv englische städtische Districte, und die Liberalen NO. Diese- Resultat war hinreichend merkwürdig, um z» zeige», bi- zu welcher Au-behnung c» Mr. Glakstonc gelungen war, sich die englische Dcmokralie zu entfremden Ader das damals über ihn gefällte Urthcil. so überwältigend eS auch war, ist säst ein Triumph im Vergleich mit dem unter einem höchst deinokralischcn Wahlgesetz gctzt abgegebenen Derticl. Von den nunmchr für das Parlament gewählten 225 englischen städtischen DistriclSmitglieVern befinden sich 143 Conservative, 22 liberale Unionisten und 6V Gladstonilen. DieS ergabt eine Majorität für die Union und gegen Mr. Glad sione von nickt weniger als 105. Seine Berufung an daS Volk ist, so» eit es die englischen Städte bctrifsi, mit der deutlichsten unrei'lichierciiste» Verurlbeilung beanlwvrtel worden,die jemals ein englischer Minister erlebt hat. In London sicherten sich die Eonservativcn 48 Sitze, die liberale» Un »nisten 2 und die Gladstonilen nur 1l. Die Politik des Premierminister- ist somit von etwa 4: l verworfen worden. Wenn wir da- ganz« Volum der Metropole nehmen, ist kaS Resultat kaum weniger a»ssalle»> Es ;> a! eine Minorität von über 40,000 Slimmen gea» Mr Oia iione, el »e e,e sieben Fälle inilzu- rechnen. in Vene» Eonservalive »ndeaiistankct gewählt wurden. Nach einer sehr gemäßigten Veranschlagung haben die Lon doner Districte mit einer Majorität von 50,000 Stimmen die Politik Mr. Gladstone's verurlheilt." De radikale „Pall Mall Gazette" schreibt über den Ver laus rer Wahlen: „Die liberale Niederlage artet in wilde Flucht aus. 1886 wird da« Jahr 1874 al« dasjenige er setzen, welche- den niedrigsten Wasierstand de« Liberalismu» in England zeigt. Die strömende Fluth mag auf unserer Seite sein, aber eS ist die Fluth irgend eine- zukünftigen Tage». Heute regiert die Ebbe, und Niemand kann bis jetzt sagen, wie weit sie zurücklreten wird. Alle-, was man er sehen kann, ist, daß wir einen Schlag empfangen haben, vor dem selbst Mr. Gladsione, ein beherzter Veteran wie er ist, zurücktaumeln muß. ^ Sein Versuch, den Fortschritt zu sorcircu, ist mißlungen. „Der alte Mann in Eile" meinte cS gut, er kühnte sich Biele-, und riSkirle Alle-, um Homerule ohne Verzug durchzubringen. Die Nation fühlt sich beleidigt, rur Eile angetrieben zu werden; John Bull muß sich selbst dazu Zeit nehmen, um anerkannte- Unrecht wieder gut zu machen. Die» ist di« wirkliche Bedeutung unserer jetzigen Niederlagen." Der „Standard" ergeht sich bereit» in Muthmaßungen über die künftige Lage im Parlament, und sagt dabei u. A.: „Abgesehen von den Verdiensten oder Nachtheilen vo» Homerule an sich selbst sagen wir. daß eine feste und stetige Regierung, basirt aus eine Majorität, v>e außer dem Bereich parlamentarischer Zufälle liegt, kn- banpisäcbüchste Bedürsniß de- gegenwärtigen Augenblicks ist. Wenn eine socke Regierung von der Homenilcpgrkei gebildet werde» könnle, dann sind wir nickt sicher, ob sic inckt in gewisser Beziehung einer schwachen und schwankenden Regiernng vorzuziehe» wäre, die zur Bekämpfung von Homernle gebildet würde. Doch sei dem wie ihm wolle, so kann über den Borlheil einer wirklich starken unionislische» Regierung über eine schwache Homcrulc- regierung keinerlei Zweifel bestehen. WaS zu vermeiden am nünschen-werlhesten ist. ist eine Rückkehr zu jenem gleich mäßigen Stande der Parteien, wodurch Mr. Parnell befähigt würde, Herr der Situation zu werden. ES ist eine ernste Frage, ob die Conservative» und die unionislische Partei, wenn sie nur aus einer kieineu Majorität bestehen, im Stande sein würoen, da» große Podien, der Stunde erfolgreich zu be handeln, und ob Umstände nicht noch immer die irische Frage in den Hänven von Mr. Gladsione» al- dem bloßen Werk- eug der Parnelliten, belasten dürften. Ohne unS aus ver richte Muthmaßungen einzulasscn, dürfte man unS gestatte», die allgemeine Behauptung zu wagen, daß eine unionislische Partei mit einer Majorität von nur 20 oder 30 uns nvlhigcn dürste, u»sere ganze Arbeit noch einmal zu thun. Mögen sich die Wählerschaften daran errinnern, daß eS im gegenwärtige» Augenblick ganz aut in ibrer Macht liegt, dem neue» Parla ment eine unionislische Majorität von wenigsten- 80 zu geben. Wir erklären e» nickt für unmöglich, daß sie mehr Ibun türstcn; aber so viel können sie lhu», wenn die Unionisten mit Mr. Gladstone nur di« Sitze halbiren, die noch auSzu- süllcn sind. Hier ist ein Ziel, welche- de- Kämpfen- werlh ist. Werden sie erlauben, daß eS aus Mangel an Energie und unverdrossener Cooperation verloren geht?" „WaS wird die Pflicht der Radikalen im nächsten Parlament sein", fragt Labouchere in seinem Blatte „Truth", „fall- Mr. Gladstone die Regierung des Landes Nicht weiter sortsühren kann? Es unmöglich machen, daß irgend Jemand sonst sie fortsührt. Dies könne» sic leicht durch ein engeS Büntniß mit de» Irländern bewirken. Die letzteren haben die Ansnierksamkeit auf da- ihnen vom Lanve geschehene Unrecht dadurch gelenkt, daß sic bewiesen, daß, falls nickt die öffentliche Meinung Irlands befriedigt würde, die Gesetzgebung für Großbritannien und Irland fülle stehen würbe. Die verbündete Demokratie Großbritanniens und Irland- wird im Stande sein, noch klarer zu beweisen, daß nichts geschehen kann ohne ibre Zustimmung gegenüber einer Cvmbination von Tone», Whigs und einem halben Dutzend Radikalen, welche keine eigenen Ansichten zu haben, sondern allein von der Ucberzeugung geleitet zu sein scheine», daß allen«, WaS von einer liberalen Regierung kommt, in welcher sie nicht zählen, Opposition gemacht werden müsse, selbst wenn dadurch die Tories zur Macht gelangen sollten." Daß trotz der jetzigen Niederlage der Homerulcpolitik schon in der nächste» Zeit den Iren weitgehende Eeneessiouen werden gemacht werden, bestätigt neuerdings Lord Har tin gton. In Bacup gab er vorgestern zu, daß. nach dem waS siattgesnnden habe, jede für JUand Verantwortliche Regierung cs für nothwendig sinken 1 niste, zur Ausdehnung der Sclbstregierung in jenem Lande Maßregeln vorzuschlagen, an die noch vor wenigen Jahren keine Partei in England gedacht haben würde. In Watcrsoot sagte er gestern, da- materielle Gedeihen Irland- habe seit der Zeit der Union in hohem Grade zugenommcn, und die einzige Wirkung der Aufhebung dieser Union würde die Schädigung jenes Gedeihen- fein. Gleichzeitig aber billigte eS Lord Hartiugton, daß Irland eine weit ausgedehnte Cvntrole über seine eigenen Angelegenheiten zugesianden werde, soweit die- mit der Einheit de- Reich» und der Oberhoheit de- Reich-Parlaments verträglich sei. Leipzig, 12. Juli 1886. * Der Kaiser ist am Sonntag von Ems abgereist, er bat sich zunächst zum Besuch bei der Kaiserin nach Coblenz begeben. Wie berichtet wird, ist dem erlauchten Monarchen auch in diesem Jahre seine Brunnencur in Bad Ein- ganz vorzüglich gut bekommen und konnte der Kaiser trotz lcrselben die lausenden NegierungSangelegcnheiten in gewohnter Weise ohne jede Unterbrechung täglich erledigen. * Bemerken-wertb, aber nicht unerklärlich ist eS, daß die deutsche radicale Presse ebenso wie die ultrnmon- tane, deren GesinnungSverwandtschast mit den Heine RulerS in England selbstverständlich ist. mit lauter Stimme für Gladstone Partei genommen hat. Liegt dock dem Aus raffen der gemäßigt-liberalen und konservativen Eicmente in Großbritannien, deren Sieg mit jedem Tage vollständiger und entscheidender wird, der ähnliche Gedanke zum Grunde, welcher bei unS die Nationallibcralen und die Mitglieder der Reichs- Partei zusammengefübrt hat und die verständigen Conservaliven in die gleiche Scklachtlinie bringt. Dort wie hier ist daS ge meinsame Angriffsziel der Radicale» und Ultramonlancn die Reichsgewalt und die ihr zur Seite stehende» Parleie», und wen», wie nicht mehr zu bezweifeln ist. der „große alte Mann", welcher nach Lord Palinerston's Prophezeiung „England zu Grunde richten und selbst in einem Jrrenbause enden werte", die kramps- Haft sestgehallenen Zügel der Regierung aus den Händen ver liert, so wird auch in England mit einer neuen Partei gestaltung zunächst für die Zwecke der ReiLScinheit vor- gegangcn werden muffen. Tie Gladstonianer und Irländer werden dann den rcichStreuen, der Demagoaenleilung trotzen den Giuppei, gegenüber nngesälir dieselbe Stellung eninebmett, welche zur Zeit in Deutschland die gemischte Gesellschaft der Polen, Protestler, Welfen, Ultramontanen. Deutschsreisinnigen, Demokraten und Socialbemvkraten inne hat, nur mit dem Unterschiebe, der hoffentlich auch nicht mehr lange zu unserem Nachiheil besteht, daß dort die Opposition in hoffnungsloser Minderheit ist. Zur Rechtfertigung dieser Anschauung weisen wir daraus hin, daß bei den so eben sich in England voll ziehenden Wable» der alte Ruhm Gladstone's und die That- sache schwer inö Gewicht fällt, daß so manche politische Nullen vor wenig Monaten allein aus diesen Nanien gewählt worden sind. Solche Leute (im parlamentarische» Rclhwelsch werden sie »Jlemv' genannt) mußten nothgebrungen wieder als Gladstonianer reinsten Wasser» auslrelen. Ist einmal seine Niederlage entschieden, so hat der Zauber ausgehört und Gewählte wie Wähler werden da- Wort John Brighl'S wahr machen, daß ohne Gladstone's Vorgehen keine zcdn Liberalen aus daS Parncll'sche Home Rule cmgegangen wären. Unseren Ultramontancu stehen zwar nicht die ameri kanischen Reserven der irländischen Agitatoren zu Gebote, und baß die Deutschen im Auslände, mögen sie i» politischer Deukarl noch so weit nach links stehen, vo» Herrn Eugen Richter und seiner Art von Teutschsreifinnigkeit nicht- wissen wolle», ist oft genug zu Tage getreten; aber dafür hat der deutsche UltramvntaniSmuS nicht bloS im Herzen des Vater landes eine viel mächtigere Stellung als die gleiche Richtung in Großbritannien, sondern er besitzt auch in den äußerste» dcntschconservaliven Kreisen Bundesgenossen, welche im eng lischen Protestantismus bei der dort herrschenden politischen Urlheilsiählgkeit der noch so kirchlich und consessioncll Ge sinnten vergebens gesucht werden. Deutschland dal einmal daS zweifelhafte Glück, den Sammelort politischer Zerrbilder adzugcbcn. * Die Nachricht, daß zur Durchberathung eine- neue» BrannIweittsteucrentwursS eine besondere Neich-tagS- scssion im Spätsommer geplant werde, hat sich bereits alS eine BerlegenheitSrrfinbung der ftoffarmen Zeit erwiesen. Ucbcreinstimmend wird versichert, daß ein solcher Plan an maßgebenden Stellen überhaupt nicht zur Erwägung ge kommen ist. In Abgeordnelenkreisen hatte indessen die Nach richt bereits einige Erregung hervorgerusen, wie au» der folgenden, sich über die weiteren parlamentarischen Dispo sitionen verbreitenden Zuschrift an un- hervorgeht: „Als vor einen, Monat, nach dem Scheitern der Branntweinsteuer- Vortage in der Commission, der gute Rath gegeben wurde, den Reichstag zu schließen, ohne da» Plenum vorher noch einmal zujammeutreieli zu taffen, zeigte e» sich bald, wie richtig diese Meinung gewesen. Wem und wozu hat da- unerquick liche Schauspiel, welche» der Reichstag am 25. und 26. Juni bol, gcnützl? DaS einzige Gute an diesem letzten Theile der Session war, daß er zu Ende ging, ehe »och dl« Bevölkerung Zeit gesunden hatte, sich mit ihm zu beschäftigen. Eine außer ordentliche Session im.Spätsommer'» da-soll doch wohl heißen Ente August oder Anfang September, könnte kein bessere- Ergebniß liefern. Nicht als ob wir meinten, daß speciell un sere Partei nicht ihre Schuldigkeit thun würde. Wären am 25. In», alle Fraktionen so zahlreich zur Stelle gewesen, wie die nationaUlbcrale, so hätte die Beschlußfähigkeit nicht an« gezweifen werden können. Und ebenso würbe man. deß sind ivir überzeugt, unsere Freunde stet- auch zu noch ungelege nerer Zeit aus dem Platze finden. Aber im Allgemeinen kann man cö dem Reichstage auS den oft angeführten Gründe» nickt verdenken, wenn seine Bereitwilligkeit und Leistungs fähigkeit gegenüber einer uiibcrechliglen Ueberspannung der Anforderungen versagt. Es müßte schon eine Angelegenheit von schlechtweg zweifelloser Dringlichkeit in Frage sein, wenn man den ReickSiag nach der letzten siebcnmonatlichen Session bereit- nach sechs vder acht Wochen wieder zusammcnbringen wollte. Ist aber die Braniitweliisleuer von dieser Dringlichkeit? Nach der Meinung der Regierung vielleicht. Aber wenn die letztere, was wir srcilich nicht beurlheiten können, nicht andere Gründe dafür hat, als sie Jeder sich denken kann, so wird diese Meinung schwerlich in weiteren Kreisen gethcilt werden. Am nächsten läge dir Vermuthung, baß die Regierung die Brannliveinsieuer erledigt zu sehen wünscht, bevor die große parlamentarische Krise auS Anlaß der Mililairsrage herein- bricht. Diesen Wunsch theilen auch wir. Er läßt sich aber leicht erfüllen, wenn der Reichstag auf Mitte Oclobcr berufen und sofort »üt der Branntweinsteuer besaßt wird. AlSdann könnte diese Angelegenheit recht wohl bis Weihnachten zum Abschluß gebracht werden, und nach Neujahr mag dann getrost der Kamps um da- Militairscplennat beginnen. Eine Bcrusung deS Reichstag« im Sommer würde jedenfalls von vornherein die Wahrscheinlichkeit eine» nochmaligen ScheitcrnS der Branntweinsteuer in sich tragen. Daö aber sollte gerade die Regierung vermeiden. Je mehr man sich innerhalb wie außerhalb deS Reichstag- daran gewöhnt, Brannlwcinsteuer- vrvjecte gewissermaßen als zur Ablehnung prädcstinirt zu oetrachten, um so schwerer wird schließlich ein positiver Erfolg zu erreichen sein. * AuS dem Herzogthum Lauenburg wird gemeldet: Wie in weiteren Kreisen verlautet, haben sich die vereinigten Freieonservativen und Nationatliberalen entschlossen, die Can- kidatur für den Reichstag Herrn v Bennigsen anzubicte». ES ist aber noch sehr fraglich, ob Herr v. Bennigsen wieder in daS parlamentarische Leben einlreteu will. » « * lieber den gegenwärtigen Stand der Cholera läßt sich ein vergleichsweise günstiges Urthcil insofern fällen. alS der Seuchenherd nach wie vor ziemlich stationär bleibt und namentlich die in Triest und Fiume beobachteten Fälle durch aus vereinzelt geblieben sind und wohl den Schluß aus eine Verschleppung, nickt aber aus eine Einbürgerung deS Krank- heitSkcime« daselbst gestatten. Die italienischen Eholeraberickte gestalten sich ebenfalls eher beruhigender als mißlicher; cS scheint, daß die sanitären Vorkehrungen der Behörden ihre Wirkung zu äußern ansangen, und wenn letztere vei der be kannte» Gleichgiltigkeit und Trägheit de- niederen Volke», sowie seiner im höchsten Grade gesundheit-widrigen LebenS- baltung auch vielfach abgcschwächt wird, so zeigt doch der Umstand, daß sic überhaupt merkbar hervortritt, wie sehr die Bösartigkeit de- CholerakeuneS an und für sich schon nachge lassen hat und wie unirabrscheinlich e» ist. daß die Cholera jetzt neck in den mittelcurvpäischcn Staaten mit ihren ge regelte» sanitären UeberwachungS - und Vorbeugungsein« richlungen irgend nennenSwerthe» Terrain sollte gewinnen können. * Die Royalisten in Frankreich entwickeln in den Departements eine sieberhasie Tbätigkeit. banpiiäcklich im Hinblick aus die in wenigen Wochen stattsindenben Gene rat rat h »wählen. Da bei denselben natürlich die Local- intereffen ein« Hauptrolle spielen ist «» für die Royalisten leichter, ihren Einfluß geltend zu machen und auf die Wähler einzuwirkcn. Die royalistische Departementalpreffe, deren treffliche Organisation sich soeben erst bei Gelegenheit der Veröffentlichung de» Manifeste- bewährt hat, und dig in allen Theilen de- Lande- bestehenden Comitb- be treiben gemeinschaftlich die Wahlbewegung und benutzen dazu die ErgebenhcitSadressen an den Grasen von PariS^ für welche augenblicklich Unterschriften im ganzen Lande ge sammelt werben. Die Regierung schreibt ersichtlich dieiev Agitation Bedeutung zu, da der Minister de» Innern stimmt» licke Präfekten de» Reich» noch zur persönlichen Bericht erstattung Nack Pari- beruft. ES muß dem Ministerium natürlich sehr daran liegen, daß die Royalisten nicht wie bei den letzten Tcputirtenwahlen einen großen Erfolg bei den GcneralrathSwahlen erringen, der al- ein« Antwort de-, Lande- auf die Ausweisung der Prinzeu au-gelegt werden könnte. Die Royalisten versichern, daß ihr Erfolg noch glänzender sein wird, al- bei den Oktober-Wahlen, obgleich sie die Regierung bereit- beschuldigen, daß sie .vor leinen Ungesetzlichkeit zurückschrecken werde', um de« Sieg dev Royalisten zu verhindern. * Die chinesische Politik wird von den Franzosen jetzt, wo ihnen der Abschluß einer Handel-Vereinbarung mit dem Reiche der Mitte geglückt ist, ebenso sehr in den Himmel gehoben, wie sie früher, wegen ibre» Mangel- an Entgegen kommen für die Interessen und Wünsche deS Pariser CabinctS. von der öffentlichen Meinung Uber die Achsel angesehen und verlästert wurde. Frankreichs Handel und Industrie sind in viel zu bedrängter Lage, als daß sic nicht jede Aussicht aus «ine Verbesserung ihrer Daseinsbedingungcn mit Freuden begrüßen sollten. In Ostasien steht dem privaten Unter» nchmungSgeiste der Europäer ein geräumige» Feld offen und ist dasselbe auch schon mit bemerkenSwerthem Erfolge angebaut worden, allerdings weit mehr von den Deutschen, Engländern und Amerikanern al- von den Franroscn, obwohl gerade den letzteren ihre umfangreichen Land» crwerbunqen — in Cochinchina. Tonkin, Anam — eine geschäftlich« OperationSbasi- verleihen» deren sich kein anderer Concurrent in gleichem Maße rühmen kann. Hierzu tritt nun in allerneuester Zeit noch die Handels- Vereinbarung mit China, deren Gesammtlendenz wie Einzel- bcstimmungen daraus abrielen, dem französischen Handel in Ostasien eine bevorzugte Stellung zu sichern. Dies soll durch möglichst intensive wirthschaftlichc Ausbeutung de» lonkinesisch» anamitischen LändercomplexeS bewerkstelligt werden. Für vie Durchführung diese« Planes ist eine wohlwollende Haltung China« hochwichlig, ja unerläßlich, da China al< unmittel barer und Lominirender Grenznachbar Tonkin- es voll kommen in seiner Hrnd hat, jeden Handels- und verkehr-politischen Fortschritt letzteren Lande- zu fördern oder zu hemmen. Gegenwärtig cultivirt man nun in Peking eine franzofenfreundlichere Politik und hat dem Pariser Cabinet sogar da» Zugeständnis gemacht, aus eine einfache Anzeige hin da-jenige Zoll-Regime für Tonkin zu« zulasten, wa» den Franzosen daselbst einzusühren belieben wird. Letztere können daher ganz nach Gefallen die wichtige Handel», straße de» Rothen Flusse» dem Welthandel öffnen oder schließen. Wahrscheinlicher ist e», daß dieselbe den fran zösischen Interessenten allein oder doch in privilcgirter Weise Vorbehalten wirb; jedenfalls dürste die französische Zollpolitik in Tonkin demnächst ganz im Sinne des famosen Vertrage» von Tientsin eingerichtet werden» besten Abschluß noch in di^ Zeit der Amtsführung de- darob so arg vrrunglimpfleiz Ministeriums Ferry fällt. Neves Theater. Leipzig, 1t. Juli. Die gestrige Aufführung de- „Don Carlo-", m welcher Herr Matkowsky die Titelrolle spielte, r>ef un» eine Erinnerung an- dem Theaterleben zurück, die mit Bogumil Dawisvn'S jugendlichen Künstlerthaten verknüpsl ist. Bor mehreren dreißig Jahren hatte derselbe in Hamburg am Thaliatheater seine deutsche Künstlerlausbahn begonnen, meisten- in sranzösischcn Stücken. Da« deutsche klassische Drama und da- Shnkcspcarc'sche gehörte damals noch nickt in scincn Bereich. Gleichwobl versuchte er sich einmal aus diesem Gebiete bei einem Gastspiel in Lübeck, wo er zu Gunsten einer Bencfiziantin austrat, und er spielte dort d-n Schiller'scben Don Carlo?. Wenige Sterbliche rverden den Künstler in dieser Rolle gesehen habe» ; denn sie verschwand spurlo» wieder von seinem Repertoire, um später Charakterdarstcllungen auS den klassischen Dramen, dem „Carlo»", in „Clavigo" und dem eisernen, grabeSdüsterii König Philipp in der Schiller'scken Tragödie Platz zu machen. Dawiso» entwickelte in jener Rolle ein hinreißende« Feuer: aber er war ei» ungelenker Liebhaber und sein GcsühlSausdruck hatte etwa- fremdartig Sentimentale-. Wir sind weit entfernt, den Carlo» de- Herrn Mat- kow-ky, der da- Liebhabersach seit Jahren mit Ge wandtheit bekleidet, mit tiefem Seitenpa» der Dawisou'schen Künstlcrschaft, mit diesem jugendlichen Experiment vergleichen zu wollen, da- immerhin etwa- auf der Spitze stand, da der junge Pole sich nickt in die deulsckttdeale Dichtung hereinsand. Gleichwohl sind zwei Sehnlichkeiten unverkennbar: einmal da- lnnreißende Feuer der Darstellung und dann in den Gcinbls- scenen ein etwa- larmoyanter Ton, der an slawische Rübr- seligkeit erinnert. Zündend wirkt« Herr Matkow-ky. wie der BeisallSsturm bewies, der ihn oft begrüßte, und aus de» Höhen de- AfsecteS, wo sich sein Organ voll, groß, imposant cnisaltet, hat sein Spiel etwa- Elektrisches, dem eine un mittelbare Wirkung nie versagt werben kann: so beim Abgang in der Scene mit der Eboli und in beiden großen Scene» mit dem Könige. Auch verfällt er nirgend« in leere Dccla- mation: er arbeitet seine Rollen mit einer Seelcnmalerei durch, welche die ganze Scala der Empfindungen beherrscht. So war besonder» die erst« große Scene mit dem König in alle» Nuancen, von der wärmsten Hingebung innigen Ge fühl- bi- zum vollsten Schmerz der Enttäuschung, mit vor züglicher Steigerung durchgesüdrt. Nur merkten wir hier wie auch in ven Scenen ve« ersten Acte- mit Posa bi-weilen eben jene larmoyanten Töne oder Töne einer süßen lieber» schwenglichkeit, die un« fremdartig gemahnte«, wie denn auch hier und dort leise Accente du chschimmerten, die an ein andere» Idiom erinnerten. Davon abgesehen, hatte diese» Carlo» einen genialen Zog. Die übrige Aufführung haben wir schon früher besprochen. Die Darsteller spielten gestern init besonderem Feuer, hier und dort wurde allerdings de, Schiller'sche Text corrigirt. Störend war'», daß der schrist- lich« Lerhast-brfehl eine Reibe von Scenen hindurch auf der s -
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