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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-08-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188608300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860830
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860830
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-08
- Tag1886-08-30
- Monat1886-08
- Jahr1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1886
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4878 einer gemeinsamen Inspiration folgenden Blätter verlangen vie Occupirung Bulgarien-. Nur über die Zeit de- Em- areisen» in den Ging der bulgarischen Ereignisse sind die Stimmen im Zwiespalt. Bon der einen Seile wird eine sofortige Okkupation für geboten gehalten, von der anderen dagegen eine noch abioartcnde Haltung angerathen. In diesem letzteren Sinne äußern sich z. B- die „St. Peter» burgskija Wedomosti": „D e Okkupation Bulgarien» ist offenbar unvenneidltch. Doch wild sich Rußland schwerlich in diesen Wirrwarr stürzen, um da von ihn, befreite Land mit neuen blutigen Opsera zu beruhigen. Die Ruhe Bulgarien- ist dieser Opfer nickt werth. wenn nicht gleichzeitig auch die russischen Interessen selbst Berücksichtigung finde». Die Stunde der Intervention ist nahe, hat aber noch nicht ,geschlagen." Die „Nowosti" dagegen scheinen die Gefahren für dringender zu halten: „Die Nachricht über die aufgeregte Stimmung in der bulga« rischen Armee berechtigt zu der Annahme, daß die interimistische Regierung in den ersten Tagen Schwierigkeiten begegnen wird, zu deren Bekämpfung nicht eine oder zwei «Sarnisonen genügen werden. Selbstverständlich darf Rußland eine Anarchie im Lande nicht zu lasten, doch wird da- bulgarische Lolk wohl selbst bei seinem natür lichen Beschützer um Hilfe nachsuckeu. Wie Rußland im vor liegenden Falle handeln wird, wagen wir im Augenblick nicht zu entscheiden; wir sind aber überzeugt, daß die Mächte Rußland- ,schützende Intervention jeder anderen Handlungsweise, durch welche -sich die Bewegung leicht über die ganze Balkanhalbtnsel au-dehnen könnte, gern vorziehen werden". , Da» Organ de» Herrn Katkow äußert sich mit außer ordentlicher Befriedigung über die Rovolution Zankow» in Sofia, die e» unter die Aktionen der russischen Regierung zu rechnen scheint. Die .Moskauer Zeitung" schreibt: Rußland war tatsächlich isolirt, die Ereignisse spielten sich nicht bloS außerhalb seiner Controle, sondern ihm zum Trotz ab. Ja -der europäischen Presse und selbst in den bedeutenderen Organen ; derselben wurde über Rußland als über einen ohne Krieg besiegten Staat gespottet, Alle gratulirten einander mit der Zurückdrängung Rußland- in der orientalische» Frage. Tagtäglich tauchten sabricirte Nachrichten von russischen Jntriguen aus, wozu die Politik diese- Lande-, angeblich ihrer Ohnmacht bewußt, greise, um den Laus der Dinge in Bulgarien zu wenden. Rußland schwieg und Alle- ging ruhig seinen Gang. Es kam die Zeit der Zusammenkünfte» Con- greste und Gerüchte von Bündnissen und der Friedensliga. Alle .sahen fmit einer gewissen Unruhe aus Rußland, welche- einige Zeichen von erschöpfter Geduld zu erkennen gab. Wir waren weder in Kissingen noch in Aastein, wo mau uns erwartete: da- srappirte. jUnd siehe, wie leicht und bequem spielte sich der Schlußakt der Tragikomödie ab. Rußland sichert, indem e» die sreundschastlichen Beziehungen zo den Nachbarlichen würdigt, seine Selbst ständigkeit, und seine Action-sreiheit wurde nicht beschränkt. So war .es stet-, doch so schien eS nicht immer. Jetzt merkt e» Jedermann. Die Geradheit der russischen Politik verpflichtet die alliirtea Regierungen zu eben solchen geraden Handlungen. Die- hat in der bulgarischen Angelegenheit nun seine Früchte getragen. Da- Ferment der Jntriguen ist verschwunden und der Prinz von Batten- iberg ist seinem Schicksal überlasten. Die Berliner offieiöse „Post" applandtrt fast zum Fall de- Fürsten. Die Hoffnungen England- zerschelle», Bulgarien wird nicht mehr der Zankopsrl Oesterreich- und Rußland- sein und „da- Drei-Kaiserbündniß tritt nun schärser kalt je hervor." In demselben Sinne spricht sich die „Kölnische 'Zeitung" aus. Wo bleibt der allmächtige Einfluß England-, welcher ^angeascheinlich da- alleinige Uebel der Ereignisse aus der Balkan halbinsel war? Höchst würdig und die dauernden Interessen Rußland» .und seiner Dynastie fast allein wahrend, findet die „Peters burger Deutsche Zeitung" den Muth, sich wie folgt au»zusprechen: Der mit Untreue, Uuwahrhastigkeit »nd Hinterlist geführte Ge waltstreich war nicht genügend vorbereitet, um in aller Ruhe zu verlaufen. Die Früchte, die di« au dem Fürsten Alexander verübte Lhat trägt, möge» den neuen Machthabern jetzt schon bitter und stachlich genug erscheinen. Selbst zugegeben, daß bei un» in Ruß land der ernstlich« Wunsch vorhanden war, den Fürsten Alexander »tcht mehr ans dem Thron de» durch russische« Blut zu- sammenaekittetea bulgarischen Laude» szu sehen: so scheint eS ua» doch uufraglich, daß eine revolutionairr Bewegung, die da- Land de» Gefahre» de» Bürgerkriege» preiSgiebt und damit auch leicht den Anstoß zu internationalen Verwickelungen geben kann, hier schwerlich Befriedigung erwecken kann. Wäre Fürst Alexander wirklich von einer allgemeinen Bewegung seine- Volke- fortgeschwemmt worden, so hätte man sich hier vielleicht gefreut, eine tabula raa», eia reine- Feld für eine neue, aus dem Ein- vernehmen der Großmächte beruhende Lousolidtroug der bulgarischen Verhältnisse vor sich zn haben. Aber die nicht im Einklang mit der Gesammtbevölkerung stattgesundene Verschwörung einzelner, unter einander uneiniger, zum Theil durchaus radikaler Elemente mußte schlimme Folgen haben. Telegraphische Meldungen: * Wien, 28. August. (Allg. Ztg.) Laut bulgarischen Meldungen wurde der flüchtige Verschwörer Gruew in Bender verhaftet. Zankow sei schwer verwundet. * Bukarest, 28. Aaguft. (Allg. Ztg.) Der „Moniteur Officiel" veröffentlicht folgender Lommunique: „Die „Jadävendance Roumaine", stet» bereit, Seasation-aachrichten zu erfinden, hat deren in der letzten Zeit im Ueberfluß verbreitet. So spricht sie seit den Ereignissen in Bulgarien von nicht- al« von der Mobilisirung der Armee, von der Absendung von Verstärkungen nach der Dobrudscha, von der Zusammenziehung russischer Truppen in Bessarabien, und daß die königliche Regierung ihren in Urlaub befindlichen Vertretern den Befehl gegeben, aus ihre Posten zurückzukehren. Alle diese Mit theilungen entbehren jeder thatsächlichen Begründung. Boa einer Mobilisirung, ob vollständig oder theilweise, ist gar keine Rede; die königliche Regierung weiß schlechterdings nicht- von russischen Truppenzusammenziehungen in der Dobrudscha, und kein einziger ihrer beurlaubten Vertreter hat Befehl erhalten, auf seinen Posten zurückzukehren. Die frechste Fälschung gleichwohl ist die Nach richt. welche Sr. Majestät dem König die folgenden Worte in den Mund legt: „Wenn Ich hätte vcrmuthen können, daß der Fürst von Bulgarien Rußland ausgelieiert werden sollte, so würde Ich di« Nacht gehindert haben, Galatz zu passiren, wa- auch die Folgen davon gewesea wären". Die „JndSpendance Roumaine", eia Blatt, da- seit langem nur von falschen Nachrichten lebt, hat die vor erwähnten Mitteilungen lediglich erfunden, um die Bevölkerung Rumänien- und de« Au-lande- in Jrrthum zu führe». Rumänien sieht mit Ruhe die Ereignisse sich entrollen, da die Großmächte im gegenseitigen Einverständnisse entschlossen sind, den Frieden Europa- aufrecht zu erhalten. * Lemberg, 28. August. („Berliner Tageblatt".) Fürst Alexander- Abreise von Lemberg war mit einer seltsamen Epi'ode verknüpft. Der Fürst selbst wollte von dem Hauptbahuhof, wohm auch mich Baron Riedesel bestellt hatte, absahren; als der Wagen de- Fürsten bereit- an dem Magazin-gebäude vor dem Hauvtbahnhos war, trat ihm der Polizei-Agent GlinianSki entgegen mit dem Bedeuten, der Extrazug stehe am Lzernowitzer Bahnhof. Der Fürst machte nun Kehrt und sandle den Bahahosriuspector vom Lzernowitzer Bahnhof zu unS. um un- zu benachrichtigen. Obwohl zehn Minuten gewartet wurde, mußte der Extrazug, an geblich um den Gang der anderen Züge nicht zu stören, absahren, ebe wir ankamen, worüber der Fürst selbst noch aus dem Bahnhof leb- haste- Bedauern au-iprach. Zur Ausklärung diene, daß von Wien an die hiesige Statthalterei ein Telegramm! eiuging mit der Weisung, jede- Aussehen möglichst zu vermeiden. Polizeidirector Krzaczkoiv-ki selbst war auf dem Hauptbahnbos, benachrichiigte »»- aber nicht, daß die Abfahrt von dem anderen Bahnhof erfolge. Ber- muthlich will man Berichte über die Fürstenreise Hinte,treiben; auch da» sonstige Verhalten der Polizei ist seltsam. Bei dem Fackelzug gestern Abend hielt man diverse Fackelträger an, ließ aber das Gros vassiren; dieses Verhalte» der Polizei, welche offenbar aus Ansrage »Wien die Antwort erhielt, nach eigenem Ermessen vorzugehen, aber allzu lebhafte Demonstrationen zu hintertreiben, entspricht im Allgemeine» der ganzen Ballhau-platz-Politik in der bulgarischen Frage. Leipzig, 30. August 1886. * Se. Majestät der Kaiser bat zu bestimmen geruht, daß zu den Festlichkeiten in Ofen, welche am 1. und 2. September stattsinden sollen, sich eine militairifche Deputation, bestehend au»: dem Generallieutenant v. Schlichling, Commanveur der l. Garde-Infanteriedivision, dem Oberst v. Etzdorfs. Commanveur de» GrenadicrregimentS Kronprinz (I. Ostprcußischen) Nr. l. dem Oberst Freiherrn v (schlemitz, Commandeur des Leib-Kürassier-Regiments (Schlesischen- Nr. l, dem Hauptmann v. Kalckstein vom Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Reqiment Nr 1 und dem Ritt meister Gras zu Dohna I. vom t. Garde-Dragoner-Regiment — nach Ofen begebe. Die genannten zwei Obersten, sind die Commandeure der beiden noch in derselben Formation be stehenden Regimenter, welche im Jahre 1686 mit den Ver bündeten gejochten habe»; die beiden anderenOssirirre tragen Namen, die sich vor Ofen zu jener Zeit besonder» guten Klang erworben haben. * Die „Schlesische Zeitung" berichtet au» „unzweifelbast glaubwürdiger" Quelle, daß unser Kaiser, sobald er von der Entschließung der bulgarischen Revolntionaire, den Fürsten Alexander in Ncni al» „Staatsgefangenen" an Rußland zu übergeben, nach St. Petersburg ein Tele gramm ungefähr deS Inhalte- gerichtet habe, er hoffe, der Zar werde für die persönliche Sicherheit dcS Fürsten Alexander Sorge tragen. ES wird auch die Vermuthung geäußert, daß Prinz Alexander von Hessen zu Gunsten der persönlichen Sicherheit und Freiheit seine» Sohne» die Intervention de» Kaiser» angerusen habe. Wir geben diese Meldung, da sie ein vorsichtige» Blatt wie die „Schlesische Zeitung" bringt und auch von anderer Seite bestätigt wird. * Nack einer Meldung au» Berlin wird sich Geheim rath vr. Rottenburg in den nächsten lagen vom Fürste» Bismarck verabschiede», um seinen Sommer-Urlaub anzu- treten, den er in England zubringen wird. An seiner Statt wird der Geh. LcgationSrath Gras Rantzau, der aus Urlaub zurückerwartet wurde, den Dienst beim Fürsten über nehmen. * Der Parteitag der nationalliberalen Partei für die Rheinprovinz und Westfalen wird Sonn abend, den 2., und Sonntag, den S. October, in Köln statt finden. * Am 26. August wurde vor dem Schöffengericht zu Neustadt an der Haardt eine Angelegenheit geklärt und hoffentlich auch zum definitiven Abschluß gebracht, welche seiner Zeit nickt nur in der Pfalz, sondern auck weit darüber hinaus viel Staub ausgewirbclt und wiederholt auch den Reichstag beschäftigt, wie auch namentlich Herrn Eugen Richter lange Zeit Stoff zu den gröbsten Schmähungen gegen die nationalliberale Partei gegeben hat. ES handelte sich nach der Darstellung deS „Pfälzischen Courier" und de» „Frankfurter Journals" um jenes Placat, welches am Morgen vor der letzten ReichStagSwahl in Neustadt und Umgebend verbreitet wurde und besten Inhalt ein Brief bildete, den im Jahre l878 verschiedene Herren auS Neustadl an Herrn vr. Albert Bürklin richteten, um ihn zur Uebernahme einer ReichstagScandidatur zu be wegen. Auf dem Placat war ein SchlüßpastuS deS Briefes weggelasten, sowie die Jahreszahl 1878 im Verbältniß zur anderen Schrift verschwindend klein gedruckt, vermuthlich, um oberflächlichen Lesern die Meinung beizubringen, die dort Unterzeichneten Herrn (jetzt Hauptvcrtreler der deutsch-frei sinnigen Partei im Wahlkreis Neustadt-Landau) seien mit der Wahl de« Herrn vr. Bürklin auch 1884 einverstanden. Eine Wirkung in bezeichnetem Sinne dürste die« Placat jedoch nicht gehabt haben, denn erstens war der Inhalt des Briese- vorher schon allgemein bekannt, dann hat dir deutsch freisinnige Partei auch sofort ein Gegenplacat heransaegeben, sodaß die letztere Richtung von der Sache eher Vortheil als Nachtheil gehabt haben mochte. Nun wurde trotz energischer Abwehr des nationallibcralen WahlcomitöS letzterem seitens der fortschrittlichen „Neuen Bürgerzeitung" wiederholt vorgeworfen. eS habe dieses Placat veranlaßt und verbreiten lasten, und hat dieselbe dabei sehr beleidigende Acußerungen gemacht. Im Reichstage hatte eS bekanutlich Herr Abg. Triieger übernommen, mit großem Aufwand von Entrüstung die Parteileitung im Wahlkreise für dieses Wahlmanövcr verantwortlich zu machen und dasselbe u. a. als die .größte politische Gaunerei" bezeichnet, die ihm bis jetzt vorgekommcn. Nach der Wahlprüsung hatte die „Bürgerzeitung" wieder mehrmals schweres Geschütz ausgesahren, was den Borstand deS nationalliberalen WahlcomitSS in Neustadt, Herrn vr. Knecht, veranlaßte, gegen den Redakteur des genannten Blattes, Herrn vr. Alexander Schmidt, eine Beleidigungs klage anzustrengen, um den Hetzereien einmal ein Ende zu machen. Der AuSgang de» ProeeffeS hat nun dem Wahl- comilS der nationallibcralen Partei eine glänzende Genug- thuung bereitet, da- Urthcil lautete aus eine achttägige Ge- sängnißstrase für den Nedacteur deS fortschrittlichen BlatleS. Die Motive des Urthcils erkannten ausdrücklich an, daß die Verhandlung die Schuldlosigkeit de» nationalliberalen Wahl- comitöS an Herstellung und Verbreitung deS PlacateS ergeben hätte. Ob Herr Richter, nachdem er spaltenlange Artikel über den Gegenstand gebracht, nunmehr auch von diesem Proceß Notiz nehmen wird? * * » * Der niederländische Colonialministe r lehnte in Beantwortung einer auS der Ersten Kammer an ihn ge richteten Interpellation über die Lage von Niedcrländisch- Indien es ab, die Verantwortung für die Acnderung der Politik in Atchin zu übernehmen; zur Besserung der traurigen Lage der Zuckerindustrie in Indien werde er binnen Kurzem bestimmte Regierung-Vorschläge machen. Wenn die Zweite Kammer wieder zusammenkommt, um sich mit der Unter suchung über die Arbeiterfrage zu beschäftigen, wird sie reichliches Material vorstude», denn nicht nur wird der „normale Arbeitstag" in wisseuschastlichen Zeitschriften und tbeilweise so, al» ob noch nie ein Wort darüber geschrieben worden wäre, erörtert, sondern die Ceutralbebörde des all gemeinen Arbeiterbundes hat an alle Bczirksablhcilungen eine Reihe von Fragen gerichtet, die auSsührlich beanlivortct worden sind und der Volksvertretung vorgelczt werden sollen. * AuS Petersburg, 26. August, wird der .Vosstschen Zeitung" geschrieben: .Da» gestrige Tiner zu Ebre» Dßrou l-des bildete einen etwas düsteren Abschluß seines Besuch» in Rußland. Die Arrangeure, russische Journalisten, die zum Kreise der „Now. Wrem." gehören, erwarteten eine lebhafte Bctheiligung der verschiedensten Kreise der russischen Gesell schaft und dementsprechend waren auch Anordnungen getroffen. Doch anders stand eS in den Sternen geschrieben. Einige hochgestellte MilitairS, darunter der bekannte Genervt Drago- mirow, erhielten höheren Ort» die Weisung, ihre Sym pathien für Döroulöde nicht zu belhätigen, und die Arrangeure den wohlgemeinten Rath, dem Diner keinen politischen Cha rakter zu verleihen. BloS einige dreißig Personen — Oberst Kamarow fehlte natürlich nicht, wohl aber alle bervorragcndcren Schriftsteller — versammelten sich zur großen Enttäuschung deS Hoteliers und verbrachten nicht volle drei Stunden mit Toasten, die Kunst und Literatur feierten. Bevor noch der Sect eine animirtere Stimmung geschaffen, brach die kleine Gesellschaft nach PaivlowSk aus, um dem Conccrt beizuwohno:. Da die Theilnchmer ihre Ansichten nicht aussprechen konnten, ist die kurze Dauer de» Festmahl» gewiß verständlich und möglicher Weise sollte durch schnelle Aushebung der Tafel auch vorgebeugt werden, daß DLrouISVe die nebenbei ausgesprochen« Bemerkung: „Frankreich ist besiegt, aber nicht geknechtet und kann sich mit der Sachlage nie versöhnen", nicht wiederhole. Unter den Theilnehmern deS Banket« on miniature befanden sich auch drei Mitglieder deS slawischen Vereins, die dem sranzösischcn Ehrengast bei Ueberreichung der prächtig ein gebundenen Sitzung-derichle de» Vereins die Sympathien desselben auSsprachen. D6ron!Lde versichcrle, schleunigst nach Frankreich abreisen zu müssen, weil er als Candidat für den ersten vacant werdenden Dcputirlenpostcn ausgestellt sei". * Der in der Assabbai commaiidirende italienische Major Canda hat kürzlich mit einer Abthcilung Insantcrie in dem 14Kilom. von der Bai entfernte», von einem Dankali- Stamme bewohnten Dorfe Margableh eine Haussuchung vor- genommcn, weil ibm angezeigt war, daß sich dort Srlavcn- händler mit Sclave» verborgen hielten. Die Eingeborenen setzten Widerstand entgegen und bedrohten die Leute de» Major», so daß man, um sich ihrer zu erwehren, von den Flinicn Gebrauch macken mußte. Zwei Dankali-Frauen büßten den Widerstand der Männer mit dem Tode, indem sie im Getümmel erschossen wurden. * Aus der königlich italienischen Schiffswerste von Castellamare hat man kürzlich m Gegenwart de? Marine- minister- Brin ein neue» KriegSsabrzeug eigener Art vom Stapel lausen taffen, welche» von kleinerer Dimension ist al» die in letzter Zeit erbauten großen Kriegsschiffe, aber in einer Seeschlacht infolge seiner Schnelligkeit und seiner gute» Aus rüstung sehr nützliche Dienste verspricht. Es hat den Namen Tripolis" erhalten, besitzt eine Länge von 70 Metern und eine Breite von 7.88 Metern, soll 5 Torpedo-Apparate und 6 Dampsiiiaschinen von je 1200 Pscrdekrast erhallen und 18 italienische Meilen in der Stunde zurücklegen. Seine Armi- rung wirb au» einem starken Panzer. 8 großen Kanonen und 8 Revolverkanonen bestehen, Die Fachmänner bezeichnen da» Fahrzeug als Torpedokreuzer. * Da» Material bezüglich der letzten Volkszählung in Frankreich liegt dem Pariser Ministerium de» Innern seit Kurzem vollständig vor. soweit da» eigentliche Frankreich in Betracht kommt. E» fehlen demnach einstweilen noch die Zahlenergebniffe au» Corsica» Algerien und den überseeischen Colonien, doch wird angenommen, daß binnen etwa 14 Tagen sämmtliche Informationen zur Stelle sein und somit die Re gierung in den Stand setzen werden, die ziffermäßigen Nach weise der Bewegung der Bevölkerung für den Zeitraum von l88l bi» 1886 zu erbringen. Die Volkszählung fand in Frank- reich am 29. und 30. Mai d. I. statt. Am 15. oder 20. k. M. sieht man der amtlichen Bekanntmachung de» Gesammtcrgcb- nissc» im „Journal officiel" entgegen, sammt einem Erlaß de» Präsidenten der Republik, welcher den Abschluß der ZSH- lungSarbeiten verkündet und die Gesammtzabl der Einwohner Frankreich» nebst Colonien angiebt. Diese-Zahl betrug im Jahre 1881 37,672,000 Einwohner; soweit die neuesten statistischen Erhebungen vermuthen lassen, dürste die Zählung de» lausenden Jahre», entgegen den letzthin ver breitet gewesenen Zeitungsnachrichten, keinen Rückgang der Bevölkerung ergeben, sondern im Gegentheil einen Zuwach» von etwa 450,000 Köpfen. Die Gesammtzifser stiege demnach auf 38,025,000 bi» 38.105,000 Einwohner. Unter den großen Städten weisen Lyon. Marseille, Toulon, Bordeaux einen Zu wachs von 22,000 hi» 35,000 Köpfen auf. Die mittleren Departements, Aveyron, Tarn, Lot, Cantal re. sind gleichfalls an Einwohnerzahl gewachsen, und zwar im Berhällniß de» Uebcrsckuste» der Geburten über die Sterbefälle. In den Departemen» de» Osten» so Wohl al» de» Westen» ist die Be völkerung beinahe stationär geblieben. Die Departement» der unteren Seine, der unteren Loire und die anderen mit See häfen versehenen Departement» verzeichnen eine durchschnitt liche BevölkcrungSzunahme von 12,000 bi» 17,000 Einwohnern. Da» Seinedeparlement, d. h. die Hauptstadt Paris selbst, hat nur um einen ganz unbedeutenden Betrag an Seelenzahl zugenommen. * Die weltbekannt« englische Finna Iardtne, Mathe- son L Co. soll den ersten chinesischen Eisenbahnaustrag erhalten haben, und zwar für die Strecke Tamsui-Kclung in Nord-Formosa. 'Die Bahn hat vor allen einen strategi- scheu Zweck, denn der neue Statthalter will die Insel gegen die Angriffe der Zukunft in VertheidungSzustand setzen lassen. Lord Rosebery hatte bei dem Geschäft die Hand im Spiele und stellte obiger Firma sogar die Dienste eine» mit der chinesischen Sprache vertrauten Consularbeamten, Herrn Donald Spence, zur Verfügung. Aus Formosa befinden sich noch, im Sande eingebettet, die Reste der ersten chinesischen Eisenbahn, deren Material Vom Festlande al» Geschenke der Insel überwiesen, aber nie benutzt wurden. Dem „Manchester Guardian" zufolge hätte dieselbe Firma außerdem große Ka- nonentiefernngen für Formosa übernommen. Ob sie dabei viel verdienen wird, ist sehr die Frage, dmn die Chinesen pflegen dergleichen Aufträge unter der Hand au»zubieten und das billigste Angebot anzunehmen. Fürst Lismarck aus dem Lahnhofe zu Neichenbach. Reichenbach. 28. August. „Se. Durchlaucht der Reichs kanzler Fürst BiSmarc! hat gestern nebst Gemahlin und be gleitet von einer wenig zahlreichen Dienerschaft mit dem Egerer Abendzug, im eigenen Salonwagen reisend, den hiesigen Bahnhof pajsirt und sich über Leipzig direct noch Berlin begeben" — würde in diesem trockenen ZeitungSstil wirklich das constatirt und gekennzeichnet sein, waS gestern zur Zeit der TagcSrüste aus unserem Bahnhose sich abgespielt hat? Nimmermehr! Wer zu den Bevorzugten zählt, die zweite Hälfte der sechsten NachmittagSsiunde gestern aus dem Bahnbos verlebt zu haben, der wird sich glücklich schätzen und hat ein Recht dazu. ES haben sich Erinnerungsbilder in seine Seele eingeprägt, die niemals ihm verkäuflich sind, die keine Zeit verwischen wird. Gerade in den letzten Tagen, da der politische Himmel so jählings sich umdüsterte, hat ja da» deutsche Herz so vielfach in einem Gefühle der Beklemmung Umschau gehalten nach seinem Kanzler, der jenseits der Grenzen seine» neugestalteten Reiche» noch am Gesundbrunnen der Natur Stärkung und Erbolung schöpfte. Ob er nicht bald heimkchre nach diesem diplomatisch hochbewcgten Sommer, srug man sich; ob er nicht bald wieder erscheine inmitten unseres deutschen Volke», da» bei dem Anblick der heftiger werdenden Dunstgebilde im Orient wohl hier und da in Sorge gerieth. Wie der Client seinem Sachwalter, der Patient einem Arzte vertraut, der ihm schon oft wirksame Hilfe gewährt, so ist da» deutsche Volk ja längst gewöhnt, aus den großen Kanzler seine Zukunft zu bauen und in guten Zeiten wie in ernsten Tagen sich ihm ganz zu vertrauen. Mit wachsender Aufmerksamkeit verfolgte man gerade in der abgelausencn Woche die bekannt werbenden ReisediSpo- sitionen de» Fürsten-Reichskanzler, als eS offenkundig wurde, daß er die Badecur in Gastei» abschließen und >,ch nach Berlin zurückbegeben werde. Daß er dabei die diesseitige Babuliiiie benutzte, erregte von Anfang an eine stille, er wartungsvolle Freude. Man sah den Jupiter von Stunde zu Stunde «aber kommen, wußte ihn Mittwoch noch i» Salz bürg, vorgestern und gestern Vormittag beim russischen Minister de» Aenßern. Herrn v. Gier», in FranzenSbav und beute Nachmittag gelang e» noch in letzter Stunde einigen Wenigen, da» Geheimniß abzulauscken: „Fürst BiSmarck kommt." Wer konnte da die Lippe schließen? Wie ein Lauf feuer machte eS die Runde, und al» der Zug pünktlich 5 Uhr 36 Minuten aus der Egerseite vorsuhr, mochten bereit« hun dert Personen aus dem Perron anwesend sein, eine Zahl, die sich nachher während de» Aufenthalte» verdoppelt und verdrei facht hat. Alle» drängte nach den, Salonwagen hin, der äußerlich wie innerlich zwar einfach auSgestattet, aber doch svsort al» solcher zu erkennen war. Im Innern entstand eine Bewegung mehrerer Personen, der Wagenschlag öffnete sich und heraus kam ein Hund — e» war Tyra», der Reich-Hund: er wurde zur Tränke geführt. Am Fenster de» vorderen WagencndeS bingegcn erschien eine ältere, etwa» angegriffen auSsehcnde Dame und man erkannte in ihr sehr bald Ihre Durckl. die Fürstin Bismarck, welche ruhigen Blicke» dem versammelten Publicum und der Bewegung aus dem Perron ibre Aufmerk samkeit schenkte. So hielt die Situation eine Zeit lang an und wohl oder übel begann man. sich in das Schicksal zu ergeben: „Fürst Bismarck zeigt sich nicht". Doch halt. Aus ein Hoch und ein paar Worte, die die Fürstin zurück in den Wagen sprach, erhob sich in dem mittleren Raum des Wagen- langsam eine hohe Gestalt und bald erkannte man i» ihrer ganzen Stattlichkeit die Person unsere» Fürsten-ReichSkanzIer. Er bedeckte sich mit dem spriickwörtlichen Ealabreser und trat zur Seite seiner Gattin an den Wagenschlag. Brausende .Hochs erschütterten die Luit. Der Fürst dankte, wiederholt 'da» Haupt entblößend. Die Fürstin trat zurück; der Fürst füllte allein da» Fenster au». Mit lautloser Stille mustert« das Volk eine Zeit lang die Person deS Fürsten, dann brachen die HvchS von Neuem lo». Der Fürst, der schwarzen Geh rock, um den weißen Stebkragen eine schwarze Eravatte ge schlungen und im Knopfloch die LieblingSblume des Kaiser» trug, machte bei seinem Erscheinen aus Alle einen ernsten Eindruck. Ohne eine Miene zu bewegen, sah er herab aus die vrrsaminetle Menge, saßt« einzelne Personen bisweilen näher in» Auge und ließ seine großen blauen Augen unter den buschigen Brauen mitunter auch aus die Umgebung schweifen. So stand er vor un». der gewaltige Kanzler, der bei Weitem nicht mehr die Körperfülle wie in den 70er Jahren an sich trägt, mit der man ihn in Kürassierunisorm und mit dem Pallasch zn sehen so sehr gewohnt ist. Welch eine Fluth von Gedanken wurde bei solch einem Anblick wachs Da» war also der Ministerpräsident au« der Conslictzeit, der BiSmarck von NickolSburg, derselbe, der vor dem BauernhäuSchcn zu Donchery mit dem gefangenen Napoleon verhandelte, derselbe, der im Spicgelsaale de» Versailler Schlosse» das wieder erstandene Reich proclamirte. den Franzosen in Franlsurt den Frieden dictirte, der die Zielscheibe wiederholter Attentate war. der da» Reich aus friedlichen Bahnen erhielt und «» nach Innen und Außen stärkte» der vielangeseindete. vielver götterte Parlamentarier im Reichstag! Welch eine Summe menschlichen Ruhme» hat dieser Mann auf sich gedeckt. Man konnte seinen eigenen Gedanken nicht völlig folgen, die immer und immer wieder sich lo«ringenden Hoch» gaben ihnen eine andere Richtung. Etwa 10 Minuten mochte, so gestattet, die Situation angehalten haben. Dann nahm der Fürst im mittleren Theile seine» Wagen» wieder Platz; der Wagen selbst wurde nach dem Leipziger Gleis rangirt und da« Volk lief eilig nach. Man hatte sich bald wieder. Es folgte dasselbe Bild. Da» Publicum faßte Posto vor dem Wagen und spähet« gierig nach jeder Bewegung im Waggon au». Man begnügte sich damit. Ein noch in jüngeren Jahren stehender Herr, der in der direkten Umgebung de» Fürsten sich sehr vertraut bewegte, wurde von Bielen für BiSmarck'S Sohn, den StaatSsecretair Herbert BiSmarck, gehalten. Eine gewisse, durchaus nicht zu verkennende Aehnlichkett sprach allerdings sehr dafür; mindesten» mußte e» dann eine dem Fürsten sehr nahestehende Person sein, und ebenso wie eine zweite Mitreisende ältere Dame zur directen Begleitung der durchlauchten Herrschaften zählen. Die hohen Reisenden hatten sich einige Gla» Böhmischen Biere» und u. A. auch Würstchen in den Wagen reichen taffen und verzehrten diesen Imbiß theil» sitzend, theil» stehend. Fürst BiSmarck, der hierbei einige Zeit außer Sicht gekommen war, erhob sich wieder, da das Publicum durch seine erneuten Hochrufe ihn mehr oder minder herau»forderte, und zeigte sich wieder am offenen Fenster. Sein Auge erheiterte sich, die vorher so ernsten Mienen zeigten, daß sie auch freundlich blicken konnten. Fürst BiSmarck gab an diesen natürlichen Ovationen, die aus dem Volke selbst herauskamen, offenbaren Wohlgefallen zu erkennen. Man war sich in seinen Empfindungen näher gekommen und der Beweis dafür sollte alsogleich folgen: Al» die Locomotive den Wagen an den inzwischen vor- gesahrenen Hofer Zug angestoßen und da» Publicum, aber mal» der Bewegung folgend, auch an dem neuen Standpunct, unmittelbar am KönigSzimmer, wieder Ausstellung genomnien hatte, trat BiSmarck von Neuem an da» offene Fenster, musterte mit scharfem Auge die versammelte Menge unv sprach schließlich einen unter dem Fenster stehenden Telegraphen beamten an. der ein Kind emporgehoben hatte, damit e» den Fürsten bester sehe. „Ist da» Ihr Kind?" redete der Fürst Herrn Leitungsrevisor Schmidt — so hieß der Beamte — an. woraus eine verneinende Antwort, alS'vald aber die weitere Frage de» Kanzler» folgte: „Haben Sie Familie?" „Iawobl, 4 Söhne!" war die schlagfertige Antwort, für die der Fürst eine freundliche Miene und vie Worte hatte: .Da» ist schön: — werden tüchtige Soldaten werden; — segne sie Gott!" Auf diesen schlickten Dialog folgte eine kurze Pause, auSgcsülll von tosenden Hock». Das freudestrahlende Gesicht eine» entblößt zur anderen Seite des Wagensenster» stehenden Herrn in« Auge fastend, sprach er auch diesen an: „Sie haben recht gute Würstchen hier. Wer macht denn die? Sind recht gepfeffert; die Herren müssen viel Durst daraus bekommen. Doch da» Bier scheint auch sehr gut". — Ein hiesiger Fleischer. Man liebt da» hier, Durchlaucht; unsere Biere hier sind gut", erwiderte Herr Eisengießereibesitzer Ferdinand Braun von hier, der Angeredete, und sofort schloffen sich an diese gemüthliche Scene wieder die brausenden Hoch» von vorhin an. Eine Stimme au- dem Hintergründe wünschte Sr. Durchtaucht, daß er noch lange dem Reich gesund erhalten bleibe. Ein freundliche» Nicken und Lüsten de» Hute» war der Gegengruß Bis marck'», da» Volk sccundirte die Scene mit abermaligem Hurrah. „Durchlaucht sehen recht wohl au»", unterbrach nachher Herr Braun die eingetretene Ruhe. „Die Cur scheint gut bekommen." „Nun, nein. Gastein hat meine Nerven etwas angegriffen", entgegnet« BiSmarck und begeisterte Hochs besiegelten auch diesen natürlichen Gedankenaustausch. „Der politische Himmel hat sich recht umdüstert, Durchlaucht? Man hat in den letzten Tagen Sorge gehabt." er faßte Herr Braun von Neuem das Wort. Der Kanzler blieb hieraus die Antwort schuldig, richtete sich hoch aus und lehnte sich von Neuem m da- offene Fenster. „Gewiß, man ist nach dem Sturz deS Fürsten Alexander zu Anfang der Woche um den Frieden besorgt ge wesen", bestätigte nochmals Herr Braun, „doch man hat mit vollem Vertrauen jederzeit zu Ihnen emporgcsehe». N»„, die Gefahr liegt dock wohl nicht so nahe." — „I, bewahre", versicherte der Kanzler, „lesen Sie Goethe'S Faust!", war die lakonische Antwort des Fürste»-Reichskanzler. „Durch laucht, waS Sie hier scheu, wir Neichenbacher sind gute Deutsche. Wir sichen treu aus Ihrer Seit«, auf >i»S können Durchlaucht rechnen!" „DaS ist schön, da« freut mich", entgcgnete der Kanzler aus diese patriotische GesüblS- entwickeluug des Herrn Braun. „Doch nur, wenn Noch an Mann geht", setzte der Fürst hinzu. „Auch ich bin. wenn eS nothwendig wirb, gern noch einmal dabei", ließ sich in diesem Augenblick Herr Revisor Schmidt a»S Zwickau vernebmen, zu dem sich wendend Fürst BiSmarck sruz: „Haben Sie schon Kriege mitgemacht? Sie haben wohl bei den Schützen, bei den Schwarzen gestanden?" „In Plauen, bei dem 105. Regiment, Durchtaucht." erwiderte der Angesprockene. Losbreckende Hochs setzten in diesem Momente der Unterhaltung ein Ziel. „Fürst BiSmarck hoch!" ries eS auS hundert Kehlen; „auch die Familie Sr. Durchlaucht soll leben!" rief eine kräftige Stimme, eine kurze Pause benutzend, dazwischen und von Neuem Hock und wieder Hoch. Bei dieser letzteren Begrüßung winkte Fürst BiSmarck seine Ge mahlin ans Fenster, die dankend sich verneigte. So hielt die Situation noch einige kostbare Minuten an. ein älterer Herr wünschte „glückliche Reise!", der Fürst dankte, daS Volk brach in Hurrah auS. Mit jedem Augenblick stieg die Stimmung höher, und als der Zug 6 Ubr 4 Minuten sich wieder in Bewegung setzte und Herr Braun dem Fürsten-RickSkanzler noch berznast und sreudig bewegt zurief: „Aus sröblickeS gesunde- Wiekerscben im nächsten Jahr!" — da machte sich ein Jubel Lust, den nur eine wahrhafte und innerste Begeisterung hervorzubringeu im Stande ist DaS Volk drängte förmlich dem Zuge nach, die Beamten hatten ibre liebe Noth und der groge Kanzler selbst machte die Andrängcnden ans die Gefahr aufmerksam und suchte sie durch Worte und Hanvbemegungen zurückznhalten. Unter solchen Kundgebungen fuhr der gewaltige Minister unsere- erhabenen Kaisers von bannen. Da» Volk löste sich aus und auf allen Gesichtern war eia Zug de» Glücke» zu lesen, dieser hochi»teresia»len halben Stunde aus unserem Bahnhos mit angewohiil zu haben, eine halbe Stunde, wie sie nur wenige» Menschenkindern der glückliche Zufall in den Sckooß gelegt. Man war sich bewußt, daß solche Scenen »ur einmal der Zufall schaffen kann. (Neichenbacher Wochenblatt.)
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