<^>er evangelisch-lutherischen Kirche ist im Gegensatz zur katholischen '^'Kirche die Rechtsverfassung nicht Wesensstück. Sie ist „unsichtbare" Kirche nnd auch, soweit sie äußere, „leibliche" Wort- und Sakra- mentsgemeinschaft, „sichtbare" Kirche ist, religiöse, nicht Rechtsgemein schaft. Aber will sie Volkskirche sein, „Bolkskirche" hier im Sinne einer ethischen Macht für das Volk als Ganzes, nicht bloß für Kreise der Erwählten und Erweckten, so kann sie der Rechtsverfassung, eines „Kirchentums" nicht entbehren. Sie hat diese seit Luthers Zeit von außen her, von der politischen Gemeinde und von weltlicher Obrigkeit, schließlich vom Staate her empfangen. Sie ist in Deutschland Staats kirche geworden und bis in die neueste Zeit geblieben. Der Staat hat ihr die Rechtssätze und die Organisation gegeben. Ja, er hat sie seiner seits regiert und reglementiert. Das hatte den Nachteil: Sie wurde dadurch in den Dienst der Staatszwecke gestellt. Das konnte ihr Wesen und ihren daraus quellenden eigensten Beruf zeitweise verdunkeln. Eine Spannung zwischen Kirche und Kirchentum ist in der Staatskirche unausbleiblich. Die Geschichte der inneren Entwicklung der Kirche spiegelt großenteils dieses Spannungsverhältnis wieder. Aber die Staatskirche hatte auch ihre Vorteile, die wir heute uns besonders klar machen müssen. Erstens hat das Staatskirchentum die Kirche als Volkskirche gerettet für das ganze Volk, das nach dem Wormser Edikt und seinen Folgeerscheinungen in Deutschland kein anderes sein konnte als das Volk eines Territoriums, als das Staatsvolk. Zweitens hat es die Lutherkirche davor behütet, sich unter dem Zwang der äußeren Verhältnisse von sich selbst aus in eine Rechtskirche zu verbilden, indem es ihr alle Rechtsarbeit von Anfang an abnahm. Damit ist zwar das evangelische Kirchenrecht durch die Schule des Staates und der politischen Gemeinde hindurchgegangen. Aber der Unterschied zwischen der Kirche als religiöser Größe und der Stelle, die Quelle des Kirchen rechtes war, eben dem Staate, trat hierbei doch schließlich immer wieder handgreiflich vor Augen.