10 Johann von Staupitz und Wenceslaus Linck das Augustinerkloster visitierte, sagte Staupitz: „Jetzund wird mir ein Brief geschrieben, wie zu Wurzen ist ankommen ein gelehrter Mann vom Papst zu Rom, der heißt Tetzel; der spricht: So bald der Gulden oder Groschen klingt, des Seele soll erlöst sein aus dem Fegefeuer." Da rief Luther mit Ingrimm: „Nun will ich der Pauke ein Loch machen, ob Gott will!" In heiligem Zorn predigte er zunächst von der Kanzel zu Wittenberg gegen die Irrlehre vom Ablaß. Dann schrieb er Briefe an die Bischöfe, die für den Frevel verantwortlich waren. Und als das nichts.fruchtete, blieb ihm nichts andres übrig, als der Weg in die Öffentlichkeit. Am Vorabend Aller heiligen 1517 schlug er seine geistesmächtigen 95 Streitsätze an die Schloßkirche zu Wittenberg an, die er in Leipzig hatte drucken lassen: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße, will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete und unaufhörliche Buße sein soll. Ohne Reue und Leid kann keinem Menschen die Sünde vergeben werden. Die, welche glauben, daß sie durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß sind, werden mitsamt ihren Lehrern zum Teufel fahren. Der wahre Schatz der Kirche ist das Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes." Mächtig klang solche Sprache durch die Lande und fand den lautesten Widerhall in deutschen, auch in sächsischen Herzen. In vierzehn Tagen durcheilten die Thesen ganz Deutschland; es war. als wenn die Engel Botenläufer gewesen wären. In der Nacht des 31. Oktober soll der Kursürst Friedrich der Weise auf seinem Schloße Schweinitz geträumt habe: ein Mönch schriebe mit einer riesengroßen Feder an die Mauer der Schloßkirche, und die Feder wüchse, so daß sie bis nach Rom reichte und einem Löwen ins Ohr stieß, der darob so laut brüllte, daß Kaiser und Reich darüber zusammenlief; die Feder aber stammte von einer böhmischen hundertjährigen Gans. Mit Tetzels Herrlichkeit war es aus. Im Paulin um zu Leipzig geborgen, starb er im Kloster und ward in der Paulinerkirche beigesetzt. Inzwischen war der Ablaßstreit, den der Papst anfangs als Mönel sgezänk bezeichnet hatte, zu einer Angelegenheit geworden, welche nie Augen der Welt auf sich zog. Ein Schriftenwechsel ent spann sich. Der kühne Mönch von Wittenberg ward nach Augs- b,urg besohlen, um sich dem Kardinal Kajetan zu stellen. In Be gleitung seines Staupitz und einiger sächsischer und kaiserlicher Räte erschien er. Der Versuch, ihn zum Widerrufe zu bewegen