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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-08-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188908205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18890820
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18890820
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1889
- Monat1889-08
- Tag1889-08-20
- Monat1889-08
- Jahr1889
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1889
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Erste Anlage M Lchstger Tageblatt mb Anzeiger. 232. DieuStag dm 20. August 1889. 83. Jahrgang. Vom Wein und vom Trinke». * Bon den verschiedenen Definitionen (so schreibt ein Feuillelonist in der „Weser-Zeitung"), die man versucht hat, um iu möglichst wenig Worten dennoch erschöpfend den Begriff .Mensch" darzuthun, kann eine wegen ihrer Kürze und ihrer anscheinend paradoxen Färbung Interesse erregen: „Der Mensch ist das einzige Thier, daS nicht nur trinkt, um seine» Durst zu löschen, sondern au» verschiedenste», oft merkwürdigen Motiven, häufig ohne allen Durst!" — Man braucht ja > «ehr. Luch der wein ist iu gewisser Hinsicht ein solche». Telbst der begeisterte Weintriuker und Weinliebhaber wird! sich hüte«, gänzlich natürlichen unversälschlen, nicht richtig be handelten Traubensaft zu genießen. Grundsubstanz muß selbst verständlich der East der Traube bilden. Aber ohne Wäh rung, ohne Klärung, ohne Leerung de- Fasse- zu rechter Zeit.! ohne richtige Pflege mit einem Worte, würde selbst der edelste! Traube»sa,r ein gar jämmerliche- Getränke abgeben. .Man könnte dabei nicht fingen, dabei nicht fröhlich sein!" Wieweit 1 aber die künstliche Pflege und Bereitung gehen muß. und wie Betrachten wir nun unsere Art und Weise dem Weinbau und dem Wcingenuß gegenüber, so können wir wohl ohne lieber. Hebung sagen, daß wir seil unserer Vorfahren Zeiten die Kunst de» Weinbaues und de» Trinken-, und zwar de- dcrstänvnißvoUen Trinken- wie kein andere- Volk mit Fleiß und Ausdauer geübt habe» und noch üben. Tacitu» giebt schon den allen Germanen da» Zeugniß, daß sie Hunger. Frost und Hitze, aber keinen Durst ertragen konnten. Und wie die Alten snngen, so zwitschern die Jungen! Auch die jungen, jetzigen Germanen sind darin den alten ähnlich. Wahrend Griechen >lLl gerade ans Trinken von Wasser zu denken. -tp«rr<»»- /"»«weit sie mit aller Gewissenhaftigkeit gehen darf, damit einer I und Römer niemals vor der Hauptmahlzeit Wein tranken, iöwp ) ist zwar «n sehr schöner Spruch. ^RückhMt-lo- aber ^ Traubcnflüsfigkeit der Name Wein zugelegt werden könne, f trank der Deutsche schon von^Anbegion zu allen Tage-- und - ' — " * —. — Brüher sind die Gelehrten noch immer nicht einig. Biel ihn zu unterschreiben, muthet man höchsten- einem Fanatiker jür Kaltwassercuren zu Denn wie Alle- seine Zeit hat. so auch- da- Wafferlrinken und Wasserbrauchen in anderer Hinsicht. Wir kommen heutzutage kaum mit dem Wasser allein au», ebensowenig wie mit den übrigen urwüchsig ein» suchen Nahrung-mitteln. Der heutige Culturmensch. da» Product einer mit Dampf und Etektncität groß gewordenen und arbeitenden Epoche, muß neben den Nahrung-mitteln, die absolut nothwendig sind zur Erhaltung der Kräfte und zum immer nicht einig. s leicht die Gelehrten noch früher alt die Richter. —! Man kann unmöglich die Güte oder Größe de» Wein« nur ! mit Waage und Reagentien bestimmen. E» sind gewisse Jnponderabilien dabei, die nicht in daß realistische Schema de« Steuerbeamten oder des Chemiker» Hineinpassen. Beim > Bier ist e« ander». Die einzelnen Sorten davon werden bis > zum kleinsten Bruchtheil »ach bestimmten Recepten gebraut, ^ Farbe, Geschmack, specisische» Gewicht re. müssen für gewisse Nachtzeiten. E« gab einen Morgen», einen Früh« und eine» Be-pcrtrunk. Daneben wurde gelegentlich ein Zwischentrunk, für einen Besucher einen Willkomm»- und einen Abschieds» trunk gethan und vor dem Zubettegehcn half der Schlaf trunk zu einer geruhsamen Nacht. Dieser vielseitigen Neigung zu einem guten Trunk ist e- denn auch zu danken, daß wir Deutschen da- Beste, wa» die Rebe bietet, unser eigen nennen dürfen. ES giebt nicht- Edlere- und Reinere» davon, als da- flüssige Gold von den Usern de- Rhein», des Liederersatz deS verbrauchten Material-. auch noch ander« I Sorten gewisse Kennzeichen besitzen, manche Ingredienzien sind I deutschen Rhein», im geschlissenen Römerglase, nicht- Dus sogenannte Genußmittel haben, die ihm nicht allein angenehm, I <st» nothwendig vorgeschriebe»!, andere anscheinend ähnliche**'—" '^ "" ^ ' ^ sondern eine Art Unterstützung sind nn aufreibenden Kampf streng verboten. Jeder Verstoß gegen diese Borschriften wird iimS Dasein. Man kennt deshalb eine ganze Reihe solcher Aciiußmittel; neben dem Tabak und Haschisch, neben dem Kaffee und Thec haben wir die stattliche Schaar aller geistigen lNlränke. Fast jede- Volk hat sein Lieblinq-getränk, da» künstlich bereitet wird und psychisch und physisch mehr stärkt und erquickt, mehr erfreut alö da- pure Wasser. Wie in Europa Branntwein und Cognac getrunken wirb, so finden >r r een Palmwein bei den Afrikaner», den Kumyß bei den § rgise», de» Raki bei den Japanern. Besonders sind die Leikerschaste» Asiens, denen der Koran den Genuß de» Wein» verbietet, erfinderisch in der Bereitung von berauschenden Ertränken. Denn merkwürdiger Weise ist ihr alleiniger und beständiger Zweck beim Trinken die Berauschung selbst, wäh rend die civilisirten Europäer um des geselligen Zusammen seins willen trinken und zechen, den Rausch aber doch nur gelegentlich als unvermeidliches Uebel mit in den Kauf nehmen. Unter den berauschenden Getränken ist cS allein der au» dem Säst der Rebe gewonnene Wein, der eine culturhisto- nsctie Bedeutung beanspruchen kann. Wenn vom Wesen der Geselligkeit alle menschliche Cultur ausgeht, so steht der Wem im innigsten Zusammenhänge mit der geistigen Bildung der Menschen, er repräsentirt einen wichtigen Factor der Cullurgeschichte, und wenn auch in der jüngsten Zeit der Gerstensaft mit dem Rebensaft rivalisirt, so ist der erster« doch außer Beziehung mit irgend welchen Fortschritten geistiger Entwicklung. Dagegen ist die Pflege der Rebe so oll wie der Anbau der Halmfrüchte und die Zähmung der HauSlhiere, und Erzvater Noah hat durch die Erfindung de- Weinbaues der Menschheit unzweifelhaft ein äußerst Werth volle» Geschenk gemacht. Wenn e» daher in dem bekannten L ebe heißt: „Da griff der Herr in- Paradier Und gab »km einen Weinstock süß", so soll damit doch schließlich nur symbolisch die hohe Be- deulung de- Weinstock» bezeichnet werden. Ebenso galt den allen Griechen und Römern der Wein für ein Geschenk der Göller; wie EereS da» Getreide, spendete BacchnS den Wein. Wo »m Rlterlhum besonder- «in hervorragender Mann sich um die Ausbreitung menschljcher Cultur verdient machte, so lhat er eS instinctmäßig auch für die des Weines, z. B. Mose«, der Gesetze für den Bau des WeinstockS gab, und Alexander der Große, der zugleich mit griechischer Bildung ten Weinsseck nach Babylon krackte. Ueberall ist der Wein steck mit Reckt ein Symbol der Veredelung und Civilisation zewcrdc». Nomadenleben und Kannibalismus vertragen sich nicdl mit der Mühe und Sorgfalt, die der Weinbau ertordert. Unwillkürlich wird durch denselben die Liebe zum häuslichen Herde in daS Herz der Menschen gepflanzt und au- vaga dondirendea Horben entwickelt sich ei» gesittete« Bolk.**) Schon vor Jahrhunderten war eS wie heute da- Product der Rebe, das den mühebeladenen Erdcnpilger zu den höchsten Anstrengungen befähigte, waS ihn zeitweise von Kummer und Lorge hesreite, ihn: süßen Schlaf verschaffte. Wenn freilich die herrliche Gabe mißbraucht wird, folgt der Zchuld unvermeidlich die rächende Nemesis, die unter dem vulgären Namen: Katzenjammer genugsam bekannt ist. Man kann als gewiß annehmen, daß die Trunkenheit genau so alt wie der Wem selbst ist, und der Erfinder de» Weinbau-, der schon er wähnte biedere Noah, war zugleich der Erste, der in der Trunkenheit den üblichen Lärm machte. Auch der in ewiger Jugend und Schönheit blühende griechische Weingott BacchuS, der im Triumph und vo» fröhlichen Genoffen umgeben die Erde durchzog, war der Wirkung seines Göttertrankes ebenso unterworfen wie die schwachen Sterblichen! Ihm zu Ehren feierte man die lärmenden Bacchanalien bei üppigen schwel gerischen Mablrn mit Musik und Tanz, und Jedermann niußle pflichtschuldigst dem Gott des Weins und der Freude zu Einen sein Beste- in Trunkenheit und Ausgelassenheit thuo. TeSbalb blieb BacchuS auch ewig der jugendliche, blondgelockte, der sein Lebe» wie im Rausch genoß und nichts mit der ge letzten Frau Sapientia zu schasse» hatte. „Der Weia ist kein Narr, aber er macht Narren!" Denn die Narrheit wurde bei der Bacchusverehrnng zu einer Art Cultus. Die schmerzlindernden Eigenschaften de» Wein- haben eine klassische Berühmtheit für alle Zeiten gewonnen durch die bc kannten Schillcr'schen Verse: „Trink' ihn au» den Trank der Labe. Wundervoll ist BacchuS <8abe Balsam für- zerrisj'ne Herz!" Auch die religiösen Begriffe der Römer, die man im G zensatz zu den Griechen ernst nennen kann, stehen in ge- n "r Beziehung zum Rebensaft und seiner Macht. Durch die Scheu vor de», trostlosen Jenseits, vor dem gespenstigen Täwinerleben der Unterwelt wurden sie veranlaßt, ihr einzige» Glück >m Genuß zu suchen und alle düsteren Gedanken an Aller und Tod im Becher zu ertränken. DaS Horaz'sche mme es» hjbomlum und gnick »It futurum er»!, sag« guasrer« — in nicht nur ein flüchtige» Scherzwort. E» repräsentirt da» Betcnntniß einer ganzen Generation! Weil Horaz in w.' .lautenden schönen Versen Da» an-zusprecken vermochte, w a alle Well fühlte und dachte, de-wegrn wurde er von aller Welt verehrt und gevrirsei» — Auch die Anschauungen unserer älteste», der deutschen, Vorfahren stimmen mit den "Ioniern und Griechen überein. Walhalla selbst ist der ewige Stz der zechenden und trinkende» Götter und Helden. Al» Belobnung für Tapferkeit und KriegSlüchligkcil empfängt der zum Himmel emporschwebcndc Krieger au» den Händen der Wi'knren da- mit süßem Melh gefüllte Trinkhorn. WaS "-'ei aus Erden schon köstlich dünkte »»»v de- »Schweiße- der cc: lisen" werth — da» wurde im höchsten Maße al» In begriff aller Glückseligkeit al» Siegerpreis nach dem Ende der »bischen Lausbahn verheißen und erstrebt. Lcho» oben wurde al« der gefährlichste Rival de» Wein», b S Traudensaste» — da- Bier, der Gerstensaft erwähnt. Die Gffibr war d>» vor Kurzem noch nicht groß Sie ist e» ober geworden durch die Fortschritte in der Bereitung de- Bi rcS, in der Mannigfaltigkeit der verschiedenen Sorten und der verhältnißmäßigen Billigkeit. Im Vergleich zum Wein i'> Bier eia Kuustproduct und wird es von Tage zu Tage voraehmsie Element ist da« Wasser. (Piadar.) —) Anbots Schutpe. Se'-nchte de- Wein» und der Trinkgelage. durch die chemische Analyse leicht nachgewiesen, unv so kann der Bicrmantschcr, im Gegensatz zum Bierhrauer, sofort in Flagranti gefaßt und zur Strafe gezogen werde». Wie streng und uunachsichtlich besonder- in Bayern gegen schlechte» Bier vorgegangen wird, ist Jedermann bekannt. Die Jünger de- Baccku- und die Anhänger de» Gam- brinu- haben sich eigentlich von jeher nicht gut vertragen. Die letzteren sollen derber, dicker, schwerfälliger, die ersteren leichter, beweglich, seiner, witziger sein. Daher wird wohl auch BacchuS alt fröhlicher Knabe oder elastischer Jüngling, GambrinuS als gereister, vollkrästiaer Mann dargesteltt. Thalsache ist, daß n» den sogenannten Weinländern, vor allem am Rhein und seinen Nebenflüssen, ein warmherziger, heiterer, lebenslustiger Ton durch daS ganze Volk geht; da» Blut pulsirt rascher, die Freude ist lauter und Heller, die Be- geisterung schneller entzündet. Im Gegensatz zu dieser Leb haftigkeit und leichten Erregbarkeit der Weintunken»«,, Rhein länder glaubt man dem vorzugsweise biertrinkenveil Bajuvaren seßhafte Au-dauer, rin etwa» schwerfällige« Wesen überhaupt, dafür aber wieder zähe- Festhalten zuschreiben zu dürfen Früher mag da« wohl mehr al- jetzt seine Berechtigung ge habt haben, al» die alten schweren Viere, zum Beispiel Braun- schweizer Mumme, Eimbecker Bier:c., Mode waren, wogegen heutzutage die leichten kohlensäurehaUiaen manche Folgen reichliche» Genüsse» nicht so stark yervortreten lassen. Jedenfalls hat sich Gambrinu« als rin gewaltiger Er oberer bewiesen, und heute giebt es kein Land der Welt mebr, in dem man nicht bayerische» respective deutsches Bier kennt und bochschätzt. In Ost- und West indien, in Sibirien und in Egypten steht cS neben dem fra» zösischen Champagner und deutschem Rheinwein aus der feinsten Tafel; in England macht es dem Ale und Porter, in Belgien dem Faro erfolgreich Eoncurrenz. und Süd amerikaner und Australier entwickeln einen dem besten Deutschen gleichkomiuenden Bierdurst! Seit dem Tage, al- IustuS v. Liebig seinen verfänglichen Lusspruch gethan: Bier ist flüssige» Brod, glaubt vollend» der Biertrinker geradem ein Recht zu haben, sich neben dem trockenen auch an da- flüssige Brod zu halten. Der qualitativ stärkere Wein übt schon in kleine» Mengen seine gewisse Wirkung aus den Trinker au- während da- schwächere Bier in viel größeren Quantitäten genossen werden kann. Der Weintrinker wird daher bei seinem Schoppen eher lustig ober berauscht al» der Bier- trioker bei seinem Liter. Wenn im Allgemeinen vom Trinken und Zechen die Rede ist, so wird immer da» Trinken von Wein darunter verstanden; fast niemals oder nur »n speciellen Fällen von einer anderen Flüssigkeit. Ein Fest-, rin Labe oder Willkommcn-trunk besteht nur im Wein, und auch die Trinkpocsie bezieht sich eigentlich nur auf den Rebensaft. Von den Kindern de» Anatreon und Horaz bi- aus Mirza- Schassy und Scheffel singt e» und klingt e» in allen Tönen und Weisen zum Ruhme de» Wein«: Aus dem Feuerquell des Weine» (nichl des Bieres), AuS dem Zauberqrund de« Becher« Svrudelt «>sk und süße Labung. Svrudelt Schöne« und Gemeine« Nach dem eignen Werth de« Zecher«, Nach de« Trinkenden BegabungI Im Grunde nur eine poetische Umschreibung de» alten: ln vino vsritL«! Im Alterthum waren e- Hebräer, Griechen und Römer, welche sich um die Cultur der Rebe und die Bereitung des Rebensaftes verdient gemacht. Ihren Lohn für die Mühe hatten sie in dem Genuß, den sie beim Trinken und den damit verbundenen Gebräuchen und Festen empfanden. Die berühmteste Traube, wenigsten» der alten Welt, ist wohl die. welche die vo» Mose» auSgcsandlen 12 Kundschafter am Bache E-kol abschnitten, und die so groß und schwer war. baß sie von zwei Männern auf einem Stocke getragen werden mußte. Unter den Römern, die um die Cultur der Rebe sich verdient gemacht baden, ist hauptsächlich Virgil zu erwähnen, dessen Georgien nicht nur den begabten Dichter, sondern auch den ersahrenen Weinbauer zeigt. Ebenso schrieb PliniuS über den Landbau unv zugleich über die Rebenzuchl und Wcinbereitung. Die Kunst aber beS WeintrinkenS und die Freude, die dieser Genuß und diese Kunst gewährt, hat keiner so vielseitig und begeistert in edelster Sprache geschildert wie der römische Dichter Horaz. dessen Loblieder auf den Wein und seine Köstlichkeit noch jetzt, nach säst 2000 Jahren, al» musiergiltige Vorbilder für Feinheit der Empfindung und geläuterten Geschmack gelten müssen. Sein Liebling-wein war der Falerner, der stärkste und edelste Wein de« alte» Italien, der aus den flachen Hügeln vo» Sinurssa und Cosilinum wuchs. Man unterschied «ine herbe und «ine süßere Sorte, welch letztere die berühmteste war. Ver» muthlich ähnelte dieselbe an Farbe und Geschmgck dem heutigen Madeira. Außer dem Falerner werden noch Cäcuder und Massiker von Horaz häufig genannt. Alle diese Weine wurden mit Wasser vermischt getrunken; wer puren Wein trank, galt in Rom und Griechenland für einen Säuser. Man siebt, daß die Ansichten sich darin sehr geändert haben E» würde z» weit sichren, der übrigen Völker bezüglich de» WeinbaueS und WeintrinkenS zu gedenken. Durchschnittlich sind sie alle Freunde de- Traubenfaste» gewesen. Nur die Araber oder besser gesagt die Bekenner der mohamedanischen Religion, welche de» Deingenuß verbietet, mögen al» d e größten Feinde und Schädiger de» Weinstock« und der Wei» cultur einer kurzen Bemerkung gewürdigt werden. Denn während Weinbau und Weincnllur im Abendlande immer mehr zunebmen und zu höherer Blütbe sich entsalten, zeigt sich im Morgenlandc eine rapide Abnahme; dort wo die Wiege der Rebe sein muß. wo da» Klima die Entwickelung begünstigt und b>» ru einer gewisse» Zeit die Einwohner d e Pflege mil Vorliebe betrieben, sieht man durch den despotischen Willen eine» Manne» «inen segensreichen Erwerb-zweia zu Grunde gerichtet, und zwar derartig, daß jetzt nach 12 Jahr- bunderten von einer Wiederbelebung oder gar Bedeutung desselben gar keine Rede sei« kann.*) *) I. Scherr. llultur- and Sitteazeschichle. tigere», als diese feinste aller Blumen, Niemand vermag dem Zauber diese- Trank- zu widerstehen! Die weisen Herren vom Rath, denen da» Wohl der Stadt und ihrer Bürger am Herzen lag. sie wußten wobt, WaS sie thate», alS sie unter dem RatbhauS, war da- Stadtteil» auch noch so klein, de» Keller anlegten und i» ihn hinein manch gute- Fäßlein Traubensaslc- lagerten! Mochte er i» guten Zeilen die Geister noch mehr erleuchten und vergnügen, oder in schlechte» die bedruckten Herzen trösten, — immer erwi-S sich da- ge läuterte Naß aus dem Keller al» geeignetes Heil» und Labe- mittel. Nur bei unS in Deutschland finden wir die Sille deS Rathslrunks officiell eingebürgert, und in keinem Lande der Welt sonst giebt c» so viele stialhSkeller wie in unserem Vaterl.ande, wen» auch nur wenige von ihnen solchen Rus unv Rubin erwarben wie der Bremer Keller! Nicht miuver berühmt wie die Rathskeller waren seiner Zeit auch die Klosterkcller und ihre Weine. Die Kirche batte stets nicht nur einen guten Magen, sondern auch eine seine Zunge. Die Klostermönche verwandten ihre vielen Muße stunden ans Verbesserung der liegenden Gründe, da aus diese Weise auch eine Verbesserung ihrer eigenen Einkünsle erzielt wurde. Sie zeigten dabei eine» sehr verständigen Sinn für die günstigsten Stellen, und zwar so, daß sich bis aus die neueste Zeit die besten Weinberge zum Theit in den Händen der Geistlichkeit, der Klöster und Slisle befinden, wie ja aus den Namen einzelner Weine ihr Zusammenhang damit deut lich erkennbar ist, z. B. Hochheimer Domdechanei. Förster Kirchemtt'ick, Lorcher Psasfenrie« rc. Außer am Rhein und seine» Nebenflügcn wird auch noch in verschiedenen andere» Gegenden DeulschlandS Wein gebaut. Zwischen Potsdam und Grüneberg (52° nördl. Breite), überhaupt wohl die nörd lichste Gegend, in der noch Wein gekeltert wird, wachsen jene edlen Sorten, die der VolkSwitz al« Strumpf-, Fahnen» und Dreimänner-Wein bezeichnet. Er soll nämlich wegen seiner Säure die Löcher im Strumpf unv daS ganze Regiment um die Fahne herum ziisammenziehen; und beim Drci- männer-Wein müssen zwei den Dritte», der den Wein trink!, sesthallen! Ebenso wenig wie von diesen Sorten wollen die Weintriuker etwa- vom Naumbnrger und Meißner wissen, lind dock sind manche davon viel bester als ihr Rus. Beispiels weise giebt eS unter den Meißner» »nd Kößnitzern Nothweinc, die selbst ei» guter Kenner als eine Art Burgunder unv jeder mit Vergnügen trinken würde. IevcnsallS ist Deutschland bisher mit genügenden Mengen Wei» versehen gewesen. Ost schic» eS sogar zu viel zu sein. Ma» kennt einzelne Weinjahre deS lleberstusscS, z. B. Tauseiidfünshunkcrlvreißig und »cim galten die Faß mebr als der Wem! — Fürst BiSmarck soll einmal den Ausspruch getkan haben, eS sei der französische Rothwein da« Rationalgetränk der Norddeutschen. Wenn auch nur der dünne und sänerlichc Mosel- und Rheinwein zu der Ehre des Nationc>>gclräi»kS koniiucn könnte, so wäre da» ja in mancher Hinsicht sehr erfreulich. Dock scheint vorläufig vasiir noch keine große Aussicht zu fein. — Welchen Werth die Weinprobuction repräsentirt, welche Kräfte sie in Bewegung setzt, welchenAntbeil sie a» derArbeit undbemConsnm derMenschheil hat, daS wird unS erst klar, wenn wir die statistischen Ziffern der erzeugten und verbrauchten Mengen überblick-». Rach Otto Hausner's Statistik von Europa l 880 beträgt der Wertb der Wc» Production uiiserrsErdtheilS in rniikenZahlen gegen 2I00M>ll Franc». Davon kommen aus Frankreich S20 Millionen, au panien 425, Italien 405, Oesterreich 400, Portugal 90. Deutschland V5 rc. Die Läiideiflächen. die mil Wem bepflanzt sind, haben eine Größe von 657 Quadratnieilen, wovon allem aus Frankreich 360 kommen. Die jährliche Quantität Wein beläuit sich aus 85 Millionen Hektoliter, wovon Frankreich 45 Millionen liefert. Trotz dieser ungeheuren Masse, trotz dem daß also in Frankreich beinahe so viel Wein wächst wie im ganzen übrigen Europa zusammen genommen, trotzdem hat der Franzose eigentlich keine Idee von Dem, waS man bei unS gemüthlichcS Kneipen nennt. Er kennt außer ßiisor kaum eine Bezeichnung für Räuschchen und Rausch, geschweige sür die vielen oft komische» Zwischenstufen vom leichten An säuseln bi» zum richtigen ^pitz, vom Haarbcutel bis zu» schlimmen Brand. Denn ivrowo heißt einfach schwere Be Irunkenheit. Gerade dieser Mangel an Ausdrücken sür Trinken und damit zusammenhängende Begriffe, woran die deutsche Sprache so reich ist, läßt erkennen, daß der sra» zösische oder besser der romanische Volksgeist nicht geeignet er scheint, den genil'tthlichen, poetischen Zauber zu versieben, der im trauten Znsamniciisitzen und Trinken und Plaudern liegt. Wüste« Trinken und Betrinke» ist durchau- etwa» Andere- al- Kneipen. Auch die Engländer, so große unv achtuiigSwertke Trinker und Belrinker sie sind, auch sie verstehen unS nicht in der Liebhaberei für die Kneipe, unv allerdings sind ihre gm- unv alo-li0ll86z ganz etwas Andere». Außerdem fehlt ihnen auch ei» richtiges Getränk für daS gemnihliche Trinke» Ale und Porler ist zu schwer sür längere« Zusammensein, sranzvsischcr Rothwein (Claret) zu thruer, Rheinwein des gleichen und noch zu wenig bekannt, bleibt schließlich nur Portwein oder Sherry und da» ist m diesem Falle gerade so gut oder gerade so schlecht wie Schnap»! Der einzige eckle und gerechte vollkommene Trinker und Zecher, der da weiß waS er will und dessen „Welt so traulich und lieblich sich widerspiegrll im Römerglase. den, der wogende Mikrokosmus sonnig binnbsl'kßl in» duriiige Herz" — da» ist und bleibt der Deutsche. Zu allen Zeile» in die Trinklust a'.S ein Hiiuptzug de« deutschen Wesen» angesehen. Alle Ereignisse seines Familien- und Geschäst-leben» wurde» vom Deutschen gern zu einem guten und geselligen Trunk benutzt. Bei Taufe». Gcburl»tagen. Hochzeiten kann da» nicht Wunder nebmen; schon eher muß man nach einem Grunde frage», wenn bei Kauf und Verkauf, bei Wahl eine« Ratb-Herrn oder Bürgermeister», bei weltliche», vor allem bei kirchl-chen Festen groß« Gelage abgehalten wurden. Am sonderbarsten und unpasse,idsten erscheint der sogenannte Le.chentrunk, de» Negräbnißmahl. So wie man beim Kind taufrfchmau» da» Kind „vertrinkt", so beim Leichentrunk den Todten oder dessen Seele. Ans dem Land« finden wir die e Sitte vielfach »och beute, während sie in de» Städten glück licher Weise fast ganz abgekemmcn ist. Es fehlt also »irgend« an Gründen z»m Trinken. Daher läßt sich auch die drama tisch-musikalische Kunst keine Gelegenheit entgehen, entweder zur Eharakterisiruuz der Personen und Handlungen, oder zur Ausfüllung eine» mageren Acte» «in Trinklied zum Besten zu geben. Sic inall damik nur »ach dem Leben. Trinken und Singen gehört zusammen, und wo viel getrunken wird, wiro auch meist genügend gesungen. Der frische fröhliche Zecher besingt nicht nur die Liebe, die Freiheit, da» Vaterland, er preist auch den Wein und seine Freude daran. Und wiederum erregt der Wein mächtig die dichterische SchöpfungSkrast, und manch berrlicheS Lied ist der durch den edlen Wein belebten jhaiitasie entsprossen. Vo» Anakreon bi» aus die heutigen Anakreontiker ist die Weinpocsie ei» vielfach cultivirter und gern gesehener Zweig der schönen Literatur geblieben. Wie wir Deutschen die größten und besten Trinker sind, so haben wir folgerichtig auch den größten Scdatz von Wein- unv Trinkliedern. Lieder voll echter natürlicher Lust, von gut- mütbigem Humor und meisten» nach faßlicher Melodie leicht u singen. Der allerdings oft gemißbrauchle Luther'sche Dablspruck: Wer nicht liebt Wein. Weib, Gesang, der bleibt ei» Narr sein Lebelang! dient Trinkern und Sängern gern al» Entschuldigung, wenn auch gelegentlich über da» Maß yinauSgegangen wird. Schließlich noch ein Wort über die Gesäße, au» denen ge trunken werden soll. Um den Geschmack und die Feinheit de« Getränkes voll zur Geltung zu bringen, muß dasselbe aus einem klare», glatten, möglichst dünnen Glase genossen werden. Die Richtigkeit dieser Behauptung zu erkennen, denke man sich nur einmal, daß man einen edlen Rheinwein au» einer ordinären Slcingutkasscetasse oder einem gewöhnlichen dicken Bierseidel trinken »ilißte. Der wahre wissenschaftliche Grund, weshalb eS auS einem dünnen Glase sich am beste» trinken läßt, ist nach I)r. Borchcrt*) folgender: Wenn wir trinken, so ruht daS Trinkgcsäß auf der Unterlippe, während daS Getränk über die Zunge rinnt unv von dieser geschmeckt wird. Es gelangen also beim Trinken zwei verschiedene Reize um Nerveiicenlrnm, von denen der eine durch die Be rührung Ver Lippe durch daS Gefäß, der andere durch die Berührung und Wirkung de» Trunk» ans die Zunge hervorgerusen wird. Die Lippe ist nun aber ein äußerst »erven- reiche», mit höchst empfindlichem Tastvermögen auSgcstatteteS Organ, und unterscheidet daher sofort nicht nur, ob ein Gegenstand warm oder kalt, rauh oder glatt ist, sondern e» bringt unS diese» Organ auch zur Erkennlniß, ob da« be rührende Gesäß von Steingut, Holz, Metall oder GlaS ge fertigt und ob dasselbe dicke oder dünne Wände besitzt. Alle» 'Rauhe und Dicke erregt, wenn c» die Lippe berührt, in un- wenig angenehme Empsindiing und störl somit den Genuß, den daS über die Zunge laufende Getränk den Geschmacks« nerven bereitet, alles Glatte und Dünne dagegen ist den Livpen wohltbätig, »nd ihr nicht beleidigte» Tastgesühl läßt die GeschmackSnerven der Zunge voll und ungestört ihre« Amtes walten. Demnach sind dicke, metallene, irdene, hölzerne Seidel. Krüge ober Pokale zu verwerfen und man soll nur an« ganz dünnwandigen, am besten au» Glas gearbeiteten Gesäßen trinke», um den vollen Genuß de» Inhalt» zu baden. Möge daher allen durstig gewordenen Lesern ein seiner Trunk auS feinem Glase zu Gebote stehen, um praktisch die Richtig keit dieser Theorie zu erproben! *) Borchert, Leibarzt sür fröhlich« Zecher. vermischtes. — Berlin, 18. August. Der Reichskanzler Fürst VonBiSmarck wurde, wie der „Hamburgischc Corresponbent" meldet, in Friedrichs ruh gestern Abend oder spätesten« heule früh in Begleitung deS Grasen Rantzau nebst Familie il»d deS Geheimen Obcr-RcgieriingSrcithe- von Nottenburg zu längerem Ausenlhalt erwartet. Die Frau Fürstin B>»> marck begiebt sich zur Cur nach Homburg. -7— Altcnburg, 18. August. Se.Hoheit der regierende Herzog ist aus ärztliche« Anrathen zum Curgcbrauch nach Kissingen gereist. — Die Sammlung sür die vom Hagel wetter betroffenen Landgemeinden hat hiSher die Summe von 1323 .// ergeben, wird aber noch fortgesetzt und dürste, da sich die Gemeindevorsteher der Sache angenommen haben, sich eine» günstigen Endresultates erfreuen können. Se. Hob. ver Herzog spendete 600.6 zu demselben Zwecke. — Wir geboren zwar nicht zu Denjenigen, welche behaupten, die Welt sei heutigen Tage- schlechter, als sie jenialS gewesen, aber wenn man in einer Anzeige der hiesigen StaalSanwall- schast liest, daß i» WinterSdors fünf al- Grabdenkmäler ausgestellle steinerne Kreuze vorsätzlich und rechtswidrig um- geworsen worden sind, so muß man doch behaupten, daß die Rohheit einzelner Taugenichlse keine Grenzen kennt. Für verarlige Vergehen wäre die Prügelstrafe wahrlich am rechten Platze. -i—Meuselwitz, >8. August. Hiesigen Orte« gedenkt ma» eine Lotterie zu veranstallen, deren Gewinne au» Ge schenke» vaterländisch gesinnter Männer besteht. Der in Aussicht stehende hohe Ertrag dieser Lotterie soll zum Besten de« hier geplanten Kaiser Wilhelm-Denkmal» ver wendet werden. DaS Denkmal wünscht man nach einem EnI- wurfe zur AnSsührung zu bringen, welcher aus 4 m hohem Sockel die au» französischem Sandstein — angeblich da- feinste und wetterbeständigste Material — gebildete 2>/, m hohe Vollsignr deS Kaiser» darsicllt. HI Au» Thüringen, l8. August. Der Würgengel der Kinder, die böse Diphthcritis, tritt in Saalbnrg so beslig auf, daß schon zwanzig Kinder daran erlegen sind. Ancti in einigen Oriscbasleil in der Nähe von Wurzbach sind derartige Krankbeit-sälle zu verzeichnen. Da» Auftreten dieser heiinlückischen Krankheit in diesen Gegenden muß Wunder nehmen, da da« reußiscke Oberland reich an prächtigen Wäl dern ist. — Bon ruchlosen Frevlerhänblern wurden »ach einer Millheilung an» Ilmenau i» dem Reviere der Ober st! rster ei Ge hlberg in verlauste Hottstämme lange Nägel eingetriebrn. die beim Schneide» de- Holze» die Sägen de« MühIenmerkeS zerrissen. Die Obersorstvehörde bietet 2000 .6 sür die Entdeckung de- Thäter». —Dem Com Mandanten Ver Schützengitde in EterSdorf wurde beim Reinigen de- Gewehre« durch die Entladung eine» alten Schüsse« ein Auge schwer verletzt. Durch eine Operation in Jena ist da» zerschmetterte Auge entfernt und ein Glasauge eingesetzt worden. — In Jüdewein bei Pößneck äscherte ein Feuer den größten Theil de» Besitzthum» de» Spediteur» H. ein unv richtete beträchtlichen Schaden an. Vk. Elbing, 17. August Gestern traf der Prinz Sye Somitvongse von Siam mit seinen beiden Söhnen unv drin siamesischen Gesandten und einem großen Gesolge hier zur Besichtigung der Schichair'schen Werst ein; er wurde von Herr» Geheimen Commerzienrcith Schichau empfangen unv in den sestlick geschmückie» königlichen Hof geleitet. Um t l Ubr begab sich der Prinz zur Besichtigung de» großen Etablissements, um >2 Uhr wurde da» Dejeuner eingenommen und sür 5 Uhr war da» Diner angesetzt. Der jüngere der beiden prinzlicken Söbne. der gegenwärtig in Berlin dem Studium de» Maschinenbaiisache» sich widmet, soll zur weiteren AnSbildung bei Herrn Schichan einige Zeit beschäftigt werden. Die Abreise der orientalischen Gäsie von hier erfolgt morgen mit dem Mitlaz-couricrzuge zurück nach Berlin und von da durch den Harz nach Wien. --- München. >8. August Der Prinzregent hat dem Generalcapitai» der Leibgarde der Har «schiere. Grasen Verri della Basic», anläßlich dessen 50,übrigen Dienstjubiläum» da» Ehrenkreuz de« LudwigSorden» ver liehen und denselben - I» »nst« de» l5. Infanterie-Regiment» gestellt.
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