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Das Schiff
- Bandzählung
- 1930
- Erscheinungsdatum
- 1930
- Sprache
- German
- Signatur
- Z. 4. 6055-27.1930
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-193000009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19300000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19300000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Bemerkung
- Ohne Heft 2
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 3, März
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
- Autor
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Blockhaus an der Wolga Unter diesem Titel hat Max Barthel ein neues Buch heraus gegeben (imVerlagderFreidenker,BerlinSW29,Preis gebunden 4 M.), das die Beachtung aller verdient, die sich ein objektives Bild vom bolschewistischen Rußland machen möchten. Nicht als ob dieser Roman ein erschöpfendes Gemälde russischer Ver hältnisse wäre. Das ist er nicht, und das hat der Verfasser auch nicht beabsichtigt. Der Reiz des Buches und sein Wert besteht darin, daß sich hier einer auf Grund eigener Erfahrungen um die Klarstellung seines Verhältnisses zu Sowjetrußland bemüht. Das geschieht nicht in abstrakt-polemischer Form, sondern — wie es dem Dichter zukommt — durch die Gestaltung von Men schen und Dingen. Eine Reihe gut gelungener Typen und bildhaft gezeichnetes Milieu zeugen von der Darstellungskraft Barthels; er verfügt über einen glänzenden Stil, und das mit Krieg und Revolution geladene Tempo der Zeit pulst durch jede Zeile. Wir bringen nachstehend einen Abschnitt, in dem Barthel einen Be such in der berüchtigten Peter-Paul-Festung in Petersburg (jetzt Leningrad) schildert. Hier saßen eingekerkert und hier litten unter der grausamen Zarengeißel alle die zahlreichen Freiheits kämpfer, die sich jetzt... aber das lese man im letzten Satze des Auszuges nach, der uns alle zur Nachdenklichkeit stimmen sollte. * Wir hatten die Brücke bald überschritten und sahen vor uns die gewölbte und sanft glühende Architektur der Moschee. Sie war geschlossen. Die mohammedanischen Menschen waren aus dem kalten Norden in ihre Sonnenländer geflohen. Die Festung stieß mauernuinwehrt bis in die Newa vor. Wir ließen die Moschee, wir bogen zur Festung ein, passierten eine kleine Brücke und die Wache und standen bald in einem kühlen, großen Hof. Der Festungskommandant erschien. Er hatte in seiner grünen Jugend selbst in einem der Kerker gesessen. Nun brachte er uns als freier Mann durch viele Höfe und an der Kaserne vorbei nach dem berüchtigten Gefängnis. Die Kerker lagen jenseits der grünen Gärten an der Newa. Eiserne Türen öffneten sich krei schend. Wir traten in das Gefängnis ein. Zuerst besuchten wir die unter dem Wasserspiegel der Newa liegenden Zellen. Dort saßen früher die politischen Gefangenen. Wir sahen eine trostlose Flucht geräumiger Kerker, Katakomben des Grauens auch heute noch in ihrer Leere. Die Schritte hallten und schallten auf den steinernen Fliesen. Wieviel Leid war über diesen dunklen Flur getaumelt! Der Kommandant ließ eine Zelle öffnen. »Hier hat einmal die Wera Figner gesessen, ehe sie nach der Schlüsselburg kam«, sagte er leise. »Ihr wißt ja, Wera Figner, Attentat auf den Zaren. Sie war dafür zweiundzwanzig Jahre lebendig begraben.« Zweiundzwanzig Jahre! Der Schmerz kann nicht in Tage oder Monate berechnet werden. Es gibt ja Stun den, die wiegen schwerer als Jahre, und es gibt auch Jahre, die sind leicht wie die Stunden. Aber zweiundzwanzig Jahre sind trotzdem elfhundertvierundvierzigWochen! Ja,eineLawine voller Qual und Grauen rollte durch das steinerne und dunkle Ge fängnis. »Und wo saß Krapotkin?« fragte Merkel. »In der übernächsten Zelle. Dort hat er sein Fürstentum zu Boden geworfen, um die Freiheit, um sein Menschentum zu gewinnen.« Merkel liebte Krapotkin und trat behutsam in seine Zelle. Mit scheuen Fingern strich er über den kahlen Tisch und über das harte Bett. Er atmete schwer. Alle diese Kerker waren kühle und gutfundierte Grüfte. Wir sahen durch die Gitter die Newa fluten. Aus diesen Zellen führte der Weg selten in die Freiheit zurück. Der Weg aus den Grüften führte meistens in die Verbannung oder an den Galgen. Wir sahen noch viele Kerker, wir hörten berühmte Namen; Bakunin, Trotzki, Parvus und Leo Deutsch. Dann wurden uns die berüchtigten Dunkelzellen gezeigt, die jeden Lichtstrahl durch doppelte Türen und vermauerte Fenster absperrten. In diesen Zellen ging das Wehegeschrei der Gefolterten und der brüllende Wahnsinn der Gepeinigten lautlos unter. Wir liefen wie an vielen Gräbern vorbei. »Nun will ich euch etwas zeigen, was nur in Rußland möglich war«, sagte unser Führer und führte uns aus der Tiefe nach der oberen Etage. Auch da oben lagen viele Zellen, aber sie unterschieden sich wie der Tag von der Nacht, wie das Leben von dem Tode. Diese Zellen nämlich waren hell und freundlich, wenn überhaupt eine Zelle hell und freundlich sein kann. In dieser Etage saßen früher die kriminellen Sträflinge. Kampf für die Freiheit: das war le bendiges Begrabensein. Diebstahl und Betrug war erträgliches Wohnen! Diese beiden Kerkerreihen in der Peter-Paul-Festung waren ein grausamer Anschauungsunterricht und machten viele unverständliche Dinge verständlich. Der Russe sagte kein Wort. Erließ dieTatsachen sprechen. Wir verließen bedrückt die Festung. Im Sonnenlicht aber dachte ich daran, daß in jenen elenden Ker kern die Nihilisten, Terroristen, die Sozialrevolutionäre, die Sozialdemokraten und die Kommunisten zusammen gesessen hatten, die Väter und Kameraden jener Männer, die sich jetzt im Siege erbarmungslos bekämpften, mit allen Mitteln, mit dem Kerker, mit der Verbannung, mit dem Tod . . . Neue Werke der Büchergilde Unsere Büchergilde Gutenberg bringt im ersten Quartal dieses Jahres vier Neuerscheinungen so verschiedenen Charakters, daß jedes Mitglied leicht etwas ihm besonders Zusagendes darunter finden wird. — Wir skizzieren kurz den Inhalt der Bände, die für Mitglieder je drei Mark kosten: Hermann Drechsler, den viele aus seiner Mitarbeit an derjenaer »Urania« kennen werden, gibt uns ein naturwissenschaftliches Buch unter dem Titel »Aus derWerkslatt der Natur*. Er erzählt in volkstümlicher Sprache von der ununterbrochenen Arbeit der Naturkräfte, die z. B. im kleinsten Wassertropfen wirken und doch Berge abtragen können. Er spricht vom Anfang und von der Entwicklung des Lebens auf der Erde, vom Werden und Vergehen, von Pflanzen und Tieren. Die Eiszeit wird uns deut lich, und von vielem andern erhalten wir einen lebhaften Be griff. Zum Schluß plaudert er von Wanderungen, die uns das Auge für interessante Erscheinungen in der Natur schärfen. Viele Abbildungen nach photographischen Aufnahmen des Verfassers erhöhen die Anschaulichkeit des Gesagten. »Qa ira!« Einen Reportageroman nennt Erich Knauf sein Werk, das den Kapp-Putsch — er ist gerade zehn Jahre her — wieder vor uns auferstehen läßt. Der Versuch, die Republik zu stürzen, scheiterte bekanntlich an dem energischen Widerstande der Ar beiterschaft. Hier und dort gab es blutige Kämpfe. Maschinen gewehre knatterten, bewaffnete und unbewaffnete Proletarier warfen sich der Reaktion entgegen. Das Buch gibt einen Aus schnitt aus den mitteldeutschen Kämpfen. Besonders in den gut gesellilderten Massenszenen zeigt sich das revolutionäre Gesicht der Zeit. Tempo und Temperament des Selbsterlebten durch jagen das Buch, das keineswegs ein blinder Hymnus auf die Handelnden (und leiderNichthandelnden) ist,sondern eine kritik gesättigte Darstellung — mit dem Refrain freilich, den der Titel andeutet: Es wird schon gehn! Vorwärts! — Die Lebensnähe der Schilderungen wird durch die Wiedergabe von Photos aus jener Zeit kräftig unterstützt. Ein russischer Satiriker, Midtail Soschtschenko, lieferte das dritte Buch, das unter dem Titel »Die Stiefel des Zaren* eine stattliche Reihe humoristischer Skizzen vereint. Soschtschenko gibt uns das Lachen des heutigen Rußland — und wir lachen mit, wenn wir die hochtrabenden Phrasen der »neuen Menschen« durch die vererbte alte kleine Menschlichkeit ad absurdum geführt sehen. Ein lusti ges Buch, das Joseph Kalmer übersetzte und Erich Ohser tref fend illustrierte. Humor und Witz charakterisieren auch das vierte Werk »Der Busch« von B. Trauen. Früher als kleines Buch der Gilde erschie nen, kommt es hier ums Doppelte verstärkt wieder. Köstliche kleine Erzählungen aus Mexiko, die in ihrer einfachen Sprache doch so ungemein fesseln, weil hier ein reifer und überlegener Geist gestaltet. Das fröhliche Budi ist eine Erholung — aber keine seichte. Traven hat es immer in sich, und was er schreibt, wirkt nach.
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