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Das Schiff
- Bandzählung
- 1926
- Erscheinungsdatum
- 1926
- Sprache
- German
- Signatur
- Z. 4. 6055-23.1926
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-192600005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19260000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19260000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 3, März
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
- Autor
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JULIAN BORCHARDT/ BERLIN DRAKONISCHE STRAFEN |T| * ft es nicht merkwürdig, wie oft der Name hervorragender Perfönlichkeiten in der UL Gefchichte und im Bewußtfein der Men- fchen unter ganz falfchen Vorftellungen ^ fortlebt? An beiläufige, oft anekdoten hafte Begebniffe knüpft Geh die Legende, und ihr verdankt der Name feine Unfterb- lichkeit, auch wenn die Erzählung falfch ^ift oder die Bedeutung des Mannes auf anderm Gebiete liegt. Was wiffen die Menfchen z. B. heute von dem alten athenifchen Gefetz- geber Drakon? Der Mann aus dem Volke in der Regel gar nichts. Der »Gebildete«, der die höhere Schule durchlaufen hat, kennt wohl den Namen, aber fonft auch nicht viel mehr. Da gegen wiffen beide ganz genau, was man unter »drakonifchen Strafen« verlieht, nämlich: fehr ftrenge Strafen. Nach einer von Plutarch flam menden Erzählung foll Drakon auf fall alle Ver gehen dieTodesftrafe gefetzt haben; fchon ein facher Obftdiebftahl, ja fogar bloßer Müßiggang fei von ihm mit dem Tode beftraft worden, fo daß eben wegen diefer übertriebenen Strenge feine Gefetze, mit Ausnahme derer, die den Mord beftrafen, bald wieder aufgehoben werden mußten. Und das ift nun das Bild, unter dem Drakon durch die Jahrtaufende fortlebt. Plutarch ift gewiß keine erftklaffige Quelle, denn er hat felbft fchon 700 Jahre nach Drakon gelebt, und fein Beftreben war es keineswegs, gefchichtliche Wahrheiten zu übermitteln, fon- dern die Lefer feiner Zeit zu unterhalten und moralifch auf fie einzuwirken. Trotzdem könnte er recht haben (obgleich feine Erzählung Geh fchon der Form nach als Anekdote präfentiert). Sonderbar ift nur eins: Von allen Gefetzen Drakons find uns nur die Gefetze erhalten, die fich mit Mord befaffen, und gerade fie kennen keineswegs als einzige Strafe den Tod! Ganz im Gegenteil. Sogar wenn die Anklage auf vor- fätzlichen Mord lautete, ftand es dem Angeklag ten nach dem erften Verhandlungstage frei, das Land zu verlaffen und in lebenslängliche Ver bannung zu gehen. Nur wenn er das nicht tat, nahm das Verfahren feinen Fortgang, und dann wurde er im Falle der Verurteilung hingerichtet. Überhaupt ift kein Zweifel, daß Drakon die Strafen für Tötung eines Menfchen ftark ge mildert hat. Er führte erft den Unterfchied ein zwifchen vorfätzlicher und unbeabfichtigter Tötung. Für die letzte gab es überhaupt keine Todesftrafe, fondern nur Verbannung. Drakon fchuffogar dem in die Verbannung gegangenen Mörder — auch dem vorfätzlichen — Schutz gegen die weitere Verfolgung der Verwandten des Erfchlagenen. Solange der Mörder in der Fremde gewiffe Bedingungen einhielt, durften ihm die Rächer kein Leid antun. Auch ermög lichte es erft Drakon, daß der unbeabfichtigte Totfehläger durch eine Buße die Verföhnung der Bluträcher erlangen konnte und dann aus der Verbannung zurückkehren durfte. Soweit unfre Kenntnis reicht, trifft fomit auf Drakon und feine Gefetze das gerade Gegenteil deffen zu, was die hiftorifche Legende daraus gemacht hat. Das wäre nun weiter nicht fchlimm, wenn bloß der Mann und fein perfönliches Werk in Frage käme. Leider aber geht die Wirkung der Fabel viel weiter. Sie hindert den, der an fie glaubt, die wirkliche Bedeutung der drakonifchen (oder, wie es richtiger heißen müßte, drakontifchen) Gefetzgebung zu erkennen und dadurch ein zu treffendes Bild von der Gefchichte jener Zeit überhaupt zu gewinnen. Drakons Strafen für Mord mußten milder fein als die früheren. Denn fein Werk ift eine Etappe des Übergangs der Strafrechtspflege von der Familie auf den Staat. In früherer Zeit war es einfach Sache der Verwandten gewefen, den Erfchlagenen zu rächen. Das Strafrecht — wenn man diefes Wort auf fo primitive Zuftände an wenden will — war nichts weiter als der Schutz, den Geh die in einer Gemeinfchaft lebenden Glieder einer Familie gegenfeitig fchuldig waren. Deshalb wurde auch kein Unterfchied zwifchen vorfätzlicher und unvorfätzlicher Tötung ge- In diefem Monat erfdieint das fechfte Buch der Büchergilde Gutenberg, das feiner Eigenart wegen befondere Beach tung verdient. Es ift ein Originalroman: »Das Totenfchiff«, von B. Traven. Der Verfaifer, ein deutfch-amerikanifcher Seemann, fchildert hier das Schickiul der »Leute ohne Papiere«, die fich mit dem verknöcherten Bureaukratismus herum- fchlagen muffen und fchließlich als »Abfall der Gefellfchaft« jene Totenfchiffe bemannen, die von den Reedern zum Untergang beftimmt find, um die Verficherungsgebühren einzuftreichen. Wie der Verfafler erzählt, das muß man lefen! Er ift ein Dichter, der tieffte Tragik malt, zartefte Stimmung, der mit biffigem Humor die Weit der Klaffengegenfätze an den Pranger ftellt und Urtöne der Empörung findet. Left dies Buch, Kollegen! Es ift ein packendes, feltenes Werk.
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