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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920414025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892041402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892041402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-14
- Monat1892-04
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AbMl»e«e«tsprei- A tz« -«»trrpedttio» I»« de» im Saüw- »^rt «d den Vororte» errichtete» Ans- AA^eii abgeholt: vierteljährlich^4L0, ^"zweimaliger täglicher Zustellung in» üchO. Durch die Post bezogen für Hwchchlead und Oesterreich: vierteliährlich a a.—. Direct» täglich« Dreuzbandienduog ch» Ausland: «oaatlich ^l S.—. DtzPertzen-Ansgab« erscheint täglich'/,? Uhr, ZK Ibeud-Ausgab« V»che»tag« b Uhr. Lüartion »n^ Lrptditio«: Aatzan»r««asse 8. tztzchwedlttoa ist Wochentag» ununterbroche» »«» früh 8 dis Abends 7 Uhr. Filiale»; vtt, Alt»»'« «artt». sBllfrr» datza), Universitätsstrah« 1, Lauis L„«e. Eatharioeustr. 1s. pari. n»d »»»tgshlah 7. Abend-Ausgabe. myigtr.TWtLilÄ Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geslhiiftsvcrkehr. JasertioaSpreis Dir 6 gespaltene Petitzrile LS Steclamen unt« dem Redactionsswtch (4>»s, spalten) 50^. sor den Faniilieouachrlchte« (t. g«,palten) 40^. ^ Grühere Schriften laut nnserr« Prell-i verzeichniß. Tabevarifchrr und Ztssansntz »ach hährrem Tartf. Hrtra-Veila,ea (gefalzt), a»r «it de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderuvß 6U—, «it Postbejürdernng ^l 7V.—. Ä«nahmeschl»8 str Lnserate^.' Ab«»d»Au«gade: vormittag« 1v Uhr. Morgen-Ausgabe: Rachmittags «Uhr. Sonn- u»d Festtags früh S Uhr. Lei den Filialen »nd Annabntestelle» je et»« halb« Stunde früher. Jujeratr sind stet« an di, Erpedtttal»' ,» richte». Druck und Verlag von L. Pol» t» Leipzig a-1S2. Donnerstag den 14. April 1892. 80. Jahrgang . Zur gefälligen Belichtung. Unsere Expedition ist morgen Freitag, den IS. April, Bormittags nur bis V Uhr geöffnet. Lxpe6Mou «1O8 levip/ixer 'Ir»86btattv8. Politische Tagesfchon. * Leipzig, 14. April. Nachdem einmal feststeht, daß der Reichstag abermals langwierigen Kämpfen betreffs der HeereSeinricktungen entgegengeht, gewinnt auch die innerpolitische Kon junktur ein wesentlich anderes Gepräge. Im Augenblick läßt sich ja in keiner Weise Vorhersagen, aus welchen parla mentarischen Boden die kommende Militairvorlage fallen wird. Sehr wahrscheinlich ist eS jedoch, daß fürs Erste alle politische» Parteien derselben mit großer Zurückhaltung gegeuubcrstehcn verte». Unter diesen Umständen und angesichts deö völligen Mangel- an einer festen Regierungsmehrheit im Reichstage ver steht mau eS jetzt wohl, daß der Kaiser den größte» Werth auf das Verbleiben de- Grafen von Eaprivi im ReichSkanzlcr- amte legt. „Eaprivi ist General, und daö komiiit ihm in heuliger Zeit zu statten" — soll Fürst Bismarck vor Kurzem zu einem wißbegierigen Mitglied- der Presse, das ihn auSzm horchen dachte, gesagt haben. Allerdings giebt dieser Aus spruch den Schlüssel zum Verständniß der durch die Militair vorlage geschaffenen Situation. Wenn Gras von Eaprivi de« Reichstage gegenüber als Staatsmann das Prestige ver loren hat, al« Fachmann in HcereS- und Marine-Angelegen heiten genießt er ein so reichliche- Bertraucn, wie kaum ein zweiter hochgestellter Militair; und nicht etwa nur bei den bösen Mittelparteicu, die ja doch immer daS Odium bei Karnickel- zu tragen haben, sondern namentlich auch beim Cenlrum und den Deutsch-Freisinnigen. In der Thal kann der Reichskanzler diesen Parteien gegenüber für sich in An spruch nehmen, daß er gegebenen Falle- auch eptremen For derungen der Militairverwaltung oder einzelner rabiate» Militair- einen entschlossenen Widerstand entgegensetzen mußte. Der frühere Krieg-minister von Verdy kann davon auch ein Lied singen. Wenn also irgendwer im Stande ist, mit einiger Aussicht auf Erfolg die nächsten Forderungen der Militair - Verwaltung im Parlamente zu vertreten, so ist eS der General von Eaprivi. Insbesondere dürfte die EentrumSparlei, sofern sie nicht etwa selbst jetzt den Kanrlerposten zu besetzen wünscht, keinem anderen Reichs kanzler so willig wie diesem entgegenkommen. Worauf sie selbstverständlich Gewicht legen muß, ist, daß der preußische Minister de- Auswärtigen als solcher eine soweit einflußreiche Stellung sich in Preußen zu schaffen weiß, um gegebenen Falls für die auf Preußen gerichteten Wünsche eines miUtairfrommen Ceatrunis mit einigem Erfolg wirken zu können. Man be greift ja heute besser als vor 14 Tagen, warum Graf Balle strem bei dem letzten Lohgesang aus den Reichskanzler so geflissentlich die Hoffnung aussprach, daß Graf von Eaprivi bald wieder Ministerpräsident in Preußen würde. Die Een- IrumSpartei dürste ihre „Laune" ganz darnach einrichlc», je nachdem diese Hoffnung Aussicht aus Verwirklichung hat oder wenigstens der preußische Einfluß des Reichskanzlers sich ent faltet. Denn da» macht uns Niemand weiß, daß da- Eentrum Interesse daran hätte, einem Reichskanzler gefällig zu sein, der nicht nur den Iesuiten-Antrag Windthorst'S nicht erfüllen will, sondern auch für den Windthorst'schen Schnlantrag kein Herz hat. Was die anderen Parteien anlangt, so ist wohl von den Eonservativen ein Widerstand gegen eine Militairvorlage, die von der Negierung entschieden vertreten wird, kaum zu denken Doch wird eS ibnen im Augenblick ebenso geben wie den Mittelpartcien: eS fehlt allentbalben an einer Fühlung mit der Regierung. Dir nationallibcralc Partei pflegt ihre Entscheidungen nur über solche Vorlagen zu treffen, die sie kennt, und wird sich einstweilen nur der Resolution erinnern können, die mit ihrer Zustimmung vor zwei Jahren bei der Erledigung der letzten Militairvorlage beschlossen wurde. Die interessanteste Partei im Reichstage ist aber, so weit eS sich um Mililairfordernnge» handelt, bis aus Weitere- die deutsch-freisinnige. Cie war schon bei der Kreuzercorvette IL da« Zünglein an der Waage, und wir täuschen u»S wohl nicht i» der Annahme, daß sie bei dieser Gelegenheit eine» Augenblick wirklich schwankte und Momente zur Erwägung in sich ausnahm, die sehr stark für eine Be willigung ins Gewicht fiele» — Momente, die vielleicht noch stärker sich ihr austräugen werten, wenn daS Eentrum bis zum entscheidenden Augenblick in uiwersölmliche Opposition gerathen sein und daS Scheitern einer Vorlage riükiren sollte. Doch muß man sich natürlich fürs Erste mit dieser allge meinen ZukunstSbetrachtung begnügen und abwartcn, waö die Regierung schließlich Vorschlägen wird. Ob der Kaiser wirklich, wie von einer Seite bebauptet und von der anderen bestritten wird, Herrn von Rauch- Haupt gegenüber seine Mißbilligung bezüglich des von de» preußischen KreuzzcitnngS-Eonservativen gegen Herrn von Helldorsf-Bedra beliebten Vorgehens aus gesprochen hat, ist auch heute noch fraglich. Wohl aber beweist eine beute non der „Nvrdd. Allgcm. Ztg." veröffent lichte ofsioiöse Notiz, daß die KreuzzeitungS-Eonservativen mit ihrer Absicht, da- Parteiprogramm in antisemitischem Sinne zu reformiren, nicht nur beim Professor Adolf Wagner, sonder» auch an derjenigen Stelle Anstoß erregt haben, von der die „Nvrdd. AUg. Ztg." neuerdings als Sprachrohr be nutzt wird. Die betreffende Notiz lautet: „Das osficielle Parteiorgan de» socialdcinokralischen Partei- vorstanbeS bespricht die Vrvjchnre eine- belgischen Antisemiten in abfälliger Weise. Am Schlüsse dieser un- nicht weiter iutercisirenden Auseinandersetzung sagt der „Vorwärts": „Der Antisemitismus ist »»r eine kleine Episode in dem Kamps« gegen den LapitaliSinu», und er wird verschwinden vor dem socioliitischen Geiste, der die Ausbeutung in jeder Form bekämpft, und der die eapilaiistische WirlhschastS- und Geielljchasl-fonn vernichte» wird. Ein« Frucht aber dürfte auS dein Antisemitismus Heranreisen ... nämlich der Kamps gegen den semitischen Geist und die semitische Wetla»ssasju»g, wie sie de» ossiciellen christlichen Kirche» »»d den» Unterricht der Ton- seslioii-schulen zu Grunde liege»." Daß das Ehristenthiim die semiliiche Wettausiaffnng überwunden hat, scheint für den „Vorwärts" ziemlich irrelevant zu sei»; dennoch ist es nicht »»interessant, zu lese», welche Hossnungen die Sociatdcmokratic aus die Frücht« des von ihr des bösen Scheines wegen ,so ostentativ bekämpsteu A»ti- seuiitismus setzt." DaS heißt mit anderen Wvrtc»: die Eonservativen würden den Socialdemokraten in die Hände arbeiten, wenn sie mit dem Antisemitismus gemeinsame Sache machten. Herr v. Hclldvrff wird daö unterschreiben. Ob nun gleich ihm auch die Hinter männer der „Norddeutschen Allgemeine»" aus der conser- vativen Partei Preußens hinausgcdrängt werden sollen? Die „Germania", das bekannte Hetzorgan der deutsche» Ultramontanen, versucht eS mit einem Eifer, der einer bessere» Sache würdig wäre, den con sesssionellen Frieden in Sachsen zu stören. „War anch nickt zu erwarten", so bemerkt daS genannte Blatt zu der vom Bischof Wahl in der Sitzung der Erste» Kammer am 21. März gehaltenen Rede, „daß den berechtigten Wünschen des hochwllrdigsten Herrn sofort Folge gegeben wird, so ist doch ei» moralischer Erfolg erzielt: der, daß der legitime Vertreter der katholischen Kirche im Lande offen Protest erhoben hat gegen ein Aus nahmegesetz, welches mit der vollen Freiheit der Kirche unver einbar ist, nicht minder mit der Verfassung von 1830. die allen Unterthancn Gewissensfreiheit, jeder Confessio» selbst ständige Verwaltung in kirchlichen Angelegenheiten voll unk ganz garantirt." Und dann fährt die „Germania" fort: „Soviel ist zu constatire», daß die Worte unsere- twchwiirdigsten Obertnrleii trotz der vorgerückte» Zeit mit allseitiger Ausmerkiamkeit angehvrt wurden. Wir Kossen, da» dieselbe» nicht unbeberzigt ver- balle», sonder» früher oder später einen recht segensreiche» Ersvlg baden werden. Der eine große Ersolg ist bereits erzielt. Tenn cs ist durch Len berufensten Mund, abermals iu »litdestcr und ge- wiiineiidiier Form, die Erklärung a» maßgebender Stelle wiederholt worden »nd klingt in alle» treu katboUjcheu Herzen de- Sachsen landes wider, dag die Katholiken Sachsens nicht zufrieden sind. Wenn man gleichwohl vom „consessioiiellen Frieden i» Sachsen" sprechen lau», so haben unter den obwalieiidc» ttmßänden an Erkaltung dieses Friede»- kein geringes Verdienst die Katholiken Sachsens, Li« sich eben weder durch ihre Unzufriedenheit, »och anch durch die tcilcnschasllichsleil Anrlirüche von Katholiken, haß tavon abbriiigc» lassen, ihrerseit- tie Ruhe zu be wahren. Ran ist freilich die Unzufriedenheit cm sich keine bciond.rs lobkii-wcrlhc Eigenschail, und wenn man sieht, wie die königliche SlaatSregierung und der Landtag snr die Katholiken soeben in zuvorkoninieudsler Weise nicht unansebniiche Geldpositivnen bewilligt baden, so könnte Mancher der Meinung .sein, daß die Katholiken Sachs-n- anslalt »nzusrieden lieber recht danlbar z» sein hätten. Indessen dieser Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Gewiß kann die königliche Liaalsregirrnng »nd die Landerveriretnnq sich versichert halten, daß die Bewilligungen zu Gunsten der Kaikoliten der größte» Dankbarkeit begegnen. Tenn wenn auch die de» Katho liken zu 2heil werdenden Znweudunge» immer im proceilluaien Verhältnisse zu denjenigen stehen, weiche die protestantische Mehrheit ans Slaal-inttlein empfängt, so wißen doch die Katholiken recht wohl, daß gleichwohl solche Zuwendungen a» die Katholiken auch verweigert und adgeirhnl werden könnte» und daß sich in deren Gewährung ein auf reinstem Gerechtigkeitsgesühle beruhendes Wohlwollen auaspricht. Und Lasur werden und innssen die katho- iike» Sachsens, die ja ii» Landtage kaum vertreten sind, geschweige Len» irgend etwas kzn erkämpfen oder durchzuseyen vermögen, itiimer von ganzem Harzen dankbar sein. Allein eS giebt nun eben i» religiösen Dingen Interessen, die über Vewilliguug von Geld mitteln iveit, weit erhaben sind, und ans solche höhere Interessen bezieht sich unsere Unzufriedenheit, welche durch materielle Be willigungen nicht beschwichtigt werde» ta»n. Ma» hat uns nicht einmal die Verfassung gehalten, obgleich darin bereit- der Gewissen-- und Cultn-freiheit der Katholiken und der katholische» Kirche cnipsiiidliche Fesseln angelegt worden sind. Mit demselben Rechie, mit weichem die au- Prviestante» bestehende Regierung und Landes- Vertretung unter Verschärfung der in der Versag»»» gezogenen anti- katholischen Schranke» gesetzlich glanble bestimmen zu dürfen, daß die Vorbildung der in Sachsen anznsleNeiiden Geistlichen selbst t» den nnlersteu Jahrgängen vo» jedwedem Etnstussc eines Jesuiten oder eines de» Jesuiten „verwandten" OrdenSinanneS unberührt ge- blieben sein müsse, — mit demselben Recht könnte bestimmt werden, daß auch Lehrbücher, die diesen Einstuß vermitteln könnten, oder Lehrer, die ihrerseits jenen Einflüssen auSgesetzt gewesen sind, an jener Vorbildung »nbethetitgt gewesen sei» müsse». Ja, wenn die Jesuiten «nd andere OrdeiiSinänner von Sachse» gänzlich aus- geschloffen sein solle», warum läßt man dann die viele», viele» von Jesuiten und Lrdcitsleuten verfaßten Bücher tnS Land, die von den Katholiken mit großer Verehrung gegen die erleuchteten Schriftsteller und mit iniitger Freude gelesen werden? Selbst am Reisen müßten die katholischen Geistliche» und Katholiken Sachsens verhindert «erden, wenn sie nicht zuvor einen heiligen Eid leisten, daß sie nur in stockprolestanlische Gegenden fahren und beileibe nicht etwa in einem Kloster oder gar tn einer Niederlassung der Jesuiten sronime Exercilten vornehmen wolle». DaS ist nur der eine PuncI, in welchem daS Lberaussichlsgesetz die verfasiungsmäßige Grundlage für uns Katholiken verrückt hat. Mag also die Bertassung unan- gelastet bleiben und respectirt werden, — darüber hinaus aber empfinden wir Katholiken alles »»duldsame Hiiieiiircglercnwollen in unsere Kirche, deren Freiheit in ihren inneren Angelegenheiten in alle,» klebrige» durch die Verfassung feierlich geschützt worden ist, atS ein schreiende« Unrecht." Wir sind fest überzeugt, daß sehr viele unserer katholischen Landsleute vo» de» Hetzereien der „Germania" nichts wissen wollen, warnen sie aber aus alle Fälle, aus die verhänanißvollc Brücke zu treten, welche zur Störung des conscssionellen Friedens in Sachsen unbedingt führen ninß. Es ist eine grobe Unwahrheit, wenn behauptet wird, daß iu unserem Lande die Katholiken nicht vollen gesetzlichen Schutz und nicht dieselbe Gleichberechtigung wie andere Eonfessionen genießen. Einen „Eulturkainps" dar cs bisher m Sachsen nicht gegeben und wird eö auch in Zukunft nicht geben — nöthigensallS, das ist unsere bestimmte Anschauung, würde von Allerhöchster Stelle ei» Machtwort gesprochen werden, um deu Stören frieden wirksam entgegenzutreten. Die Stellung deS französischen Cabinet« erscheint durch den Verlauf, den die Debatte über Da Home» in der Depnlirtenkammer genommen bat, in bedenklichem Maße beeinträchtigt. Eö ist mit knapper Noth einer schweren Niederlage entgangen und muß sich sogar von seinen besten Freunden Dinge sagen lassen, deren rubige Hinnahme ein Gefühl der eigenen Unsicherheit und Schwäche bekundet, welche« daS Vertrauen in die Zukunft unmöglich befestigen kan». Mit einem Wort. eS scheint ganz, als ob da- Eabinck Loubet am Tage der Dahomaydebalte die Zügel der parla mentarischen Lage a»S der Hand gegeben hat, und eS fragt sich, ob man ihm gestatten wird, den begangenen Fehler wieder gut zu machen. Den bedenklichsten Ton in dieser ganzen Angelegenheit bat die Budgelcommission mit ihrem Verlangen, tie Actcnstücke betreffs Dabomcy'S vollständig vor gelegt zu erhalten, angeschlagen, indem sie solchergestalt sich auS eigenen Stücken zur Enquelecommission aufwarf, wozu sie durch ihre constitntioneUen Befugnisse nichts weniger at« er mächtigt war. Die Regierung aber, statt den Anmaßungen genannter Eomniission nachdriicklichst entgegen zu treten, war schwach genug, dem Verlangen jener parlamentarischen In stanz nachzukoiumen, und hat dadurch bewiesen, daß sie unvor hergesehenen Zwischenfällen nicht gewachsen ist. Die vollen Eoiiseguenzcn des begangenen tun» pas treten zunächst noch nicht hervor. Die Dahomev Affaire ist zwar sehr verdrießlicher Natur, doch nicht von der Art, daß sie eine unmittelbare Gefahr hcrausbeschworen könnte. Aber eine Regierung, die ihre eigene Stellung und ihr eigene« Prestige der Kammer gegen über nicht besser wahrt, als in dem Zwischenfallt mit der Budgetcommisston, dürfte einen äußerst schweren Stand bekommen, wenn sie ernsten inneren Schwierigkeiten begegnen sollte. Und daß die innere Lage mit jedem Tage precarer wird, ist klar. Der l. Mai naht schnellen Schritte-; die für diesen Termin angekündigten Actionen der Umsturzpartcien legen der Regierung die gebieterische Pflicht auf, dem Gesetz Achtung zu verschaffen und aöthigen- fallö zu erzwingen. Eine intacte Regierung möchte dieser Ausgabe, wenn auch mit Mühe, gewachsen sein; eine Regrerang, welch« bereits innerlich erschüttert ist und sich nicht getraut, parlamentarischen Eigenmächtigkeiten entgegen zu treten, hat bei den unbotsamen Elementen, die deu l. Mai ziii» Rendezvous erkoren haben, schon von Hause aus verspielt. Wessen man sich vom Capinet Loubet ver lebt, geht aus dem Commentar der sehr regicrungS- reundlichen ^Rep. frantz." hervor, worin eS wörtlich >cißt: „Der m dieser Sache seitens der Budgetcommisston und der Negierung begangene schwere Fehler ist eia solcher, daß er nicht wieder Vorkommen darf, wenn nicht nur jede Regierung, sondern auch jede Verwaltung unmöglich gemacht und das Spiel der constitutionellen Instanzen nicht in die skandalöseste Verwirrung gestürzt werden soll." DaS sind allerdings wenig vertrauenerweckende AuSsichteo iu di« Zu kunft der französischen RcgierungSaction. Mit der Erkrankung des russischen Finanzminister« von WyschnegradSki, die jedenfalls einen länger an dauernden, wenn überhaupt wieder zu beseitigenden Ruhestand zur Folge haben wird, verschwindet ein wichtiger Factor au« tcni Getriebe der europäischen Politik. Man wird in der Annahme nicht irren, daß der fortwährende Kamps, den der erkrankte Minister mit anderen maßgebenden Persönlichkeiten des russischen StaatSlrbenS führen mußte, in der Hauptsache seine Erkrankung hrrbeigeführt bat. Herr von Wyschnc- gradSki bat eine Zeit lang für Rußland Große- und Erstaunliches geleistet; er verwandelte den dürren Boden der Feuillrtsi*. Moderne Junggesellen. Roma» von B. W. gell. Nachdruck «erböte». (Fortsetzung.) Herr Rath befinden sich doch heute Wohl genug, um die Sitzung ohne Opfer bewilligen zu können? fragte sie dann ablenkend, in gut gespielter Verwirrung. Durchaus, gnädige« Fräulein. Ich habe allerdings tage lang gesaftet, um mir die« Wohlbefinden zu erzwingen, und doch kedaurc ich heute nur ein» ... Und da« wäre? fragte die Malerin, diesmal den bekannten madonnenhaften Augenaufschlag in» Gefecht führend. Daß wir nicht dir Rollen tauschen und ich Sie malen könnte, vollendete Büralin. Elsa war ganz taubenhafte Unschuld. Und we-halb, Herr Commerzienrath? Er schaute sie noch immer bewundernd an. Wissen Sie wirklich nicht, wir schön Sie in diesem Anzug auSsehtn, gnädige- Fräulein? Wie eine Muse — wie eine hvheitSvolle Priesterin der Kunst. Sie schlug verschämt die Augen nieder. Möchte ich« in diesem Falle sein, um daS große Werk, da« ich übernommen, würdig auszuführen, flüsterte sie. Wä scher diesen Anzug betrifft — wahrlich, nicht Eitelkeit ließ ihn mich wählen. Es arbeitet sich bequemer in den« weiten, ärmellosen Gewand, e- ist mein Atelier-Anzug — nicht wahr, Tantchen? Gewiß, mein Kind, kam eS wie ein Echo au- der Fenstereckc her. Daß dieser gewohnheitsmäßige Atelier Anzug erst gestern von Elsa componirt und beute zum ersten Mal Probe ge- traaen wurde, konnte Büralin freilich nicht wissen. und nun begann die Malerin dir künstlerische Anordnnng. Eie hatte zwar bereit« verschiedene Skizzen für daS Bild entworfen, aber keine genügte ihr. D»e vortbrilhaftrste Wendung de« .interessanten- Krnfe«, di« günstigste Beleuch- tnng waren ja bald erprobt, aber dir Geste, jene unnach ahmliche, geniale Geste, der schwungvolle Strich durch daS Lockenhaar, wie war diese Bewegung festzuhalten und wicdcr- zugebcnl Büralin saß in einem bequeme» Sessel, der eine Arm stützte sich leicht auf ein Tischchen, der andere, rechte, war bcslimml, jene Geste zu vollsühren. Und Elsa Hobcnwerth stand vor dem Rath, bald ganz dicht, daß ihr Kleid ihn streifte, bald in einiger Entfernung, und immer wieder klang ibre schmeichelnde Stimme: Bitte, noch einmal; oder auch: Bitte, etwa- höher — etwa- tiefer. Bürglin aber ward nicht müde, seinen genialen Haarstrich getreulich »ach Commando auSzufllhren. Endlich schien er den» auch daS Rechte getroffen zu haben, denn die Malerin stieß einen leisen Nus a»S, eilte auf ihn zu, um seinen Arm in der Bewegung sestzubalten und dann durch einen Halter zu stütze». Und noch einmal trat sie zurück und schaute ihn lange und prüfend an, um dann befriedigt das Haupt zu neigen. So wirdS recht sein — wenn Sie jetzt ruhig verharren wollen, Herr Conimerzicnrath . . . Büralin saß wie in Stein gehauen da und Elsa eilte an die Staffelei. um eine Weile emsig mit Stift und Kohle zu banliren. Bald aber ließ sie die Hand sinken und trat seufzend zurück. ES geht doch nicht so— ich wußte, daß eS eine sehr schwierige Aufgabe sein würde — »nd doch reizt mich gerade diejc Schwierigkeit. Bitte, ruben Sie ein wenig, Herr Rath, dann müssen wir e» noch einmal versuchen Büralin konnte eS nur erwünscht sein, den Arm a»S der unnatürlichen Lage herabsinken zu taffen, und Elsa fragte liebreich, ob ihm vielleicht eine Erfrischung genebm wäre. Er dankte verbindlich O ja, die Erfrischung sollte schon ge nommen werden, aber doch in etwa« anderer Weise, al» die Damen meinten. Nachdem ein Biertclstündchcn anregend geplaudert worden war, erklärte die Malerin, wieder an die Arbeit gehen ;n müssen. Eigentlich hätte Bürglin gern für heute Feierabend gemacht, denn er füblte bereit» eine lähmende Schwere im rechten Arm. Elsa aber trat jetzt mit verschämten Lächeln berzu, umfaßte mit den weichen Händen sein Handgelenk und begann nun selber zu erproben, welch« Geste die beste kri »nd den bequemsten Clützpiuict bieten würde. Wie eS ihn durchzuckte, als sie, seine Hand sührend, selber mit de» zarten Fingern sei» Haar streifte! Und nun wieder und wieder — Büralin saß da, als würde er bypnotisirt. Die Schmerzen im Arm waren verschwunden, er suhlte ei» unsagbar wohliges Gefühl seinen ganzen Körper durchziehen, cS drang sogar vis in den armen, kranken Magen unt erzeugte dort wahrhaftig einen ganz gesunden Hunger — die großartigste Wirkung, die überhaupt z» erzielen war. Anch Elsa schien nicht müde u werden, weiter und weiter zu proben, ihre weißen Arme renztcn und schimmerten fortwährend vor seinem Blick, so daß ihm zu schwindeln begann und er wie betäubt dasaß. AuS dieser nqobligcn Versunkenheit weckte ibn der schrille Ton der Klingel draußen im Gange. Auch die Malerin fuhr auf. Wer könnte eS sein, Tantchen? fragte sie unmuthig. Ich bin natürlich für Niemanden zu spreche» — daß einem doch auch die besten Wcihcstunten der Kunst durch daS triviale AlltagStrcibcn gestört werden! Tantchen war hinauSgeschlüpst, um nachzusehen, und kam nach wenigen Minuten mit hocherstauniem Gesicht zurück ES sind zwei Diener draußen mit große» Speisekörben, sie behaupten, sie hätten hier ein bestelltes Mittagessen von sechs Gängen abzuliefcrn. Ich sagte ihnen, es müsse ein Irrthum sein, sie aber bestehen daraus, cS sei b>er recht. DaS ist eS auch! rief Bürglin, frohgemuth aufspringend. Sie vergeben mir doch, gnädige Frau? Ich konnte dem Wunsche nicht widerstehen, einmal mit den Damen zn speisen, »nd da Sie erklärten, dies könne nur in Ihrem Hause ge schehen und e« Ihnen doch gewiß viele Mühe gemacht Kälte... Wie zartsinnig! lispelte Elsa gerührt und da- Tantchen setzte hinzu: Eigentlich sollten wir Ibnen ia zürnen, aber da eS Ihnen Freude zu macken scheint. Herr Commcrrienratb — nun, so will ich die Speisen hineintragen und eiligst den Tisch Herrichten taffen. Damit eilte sie wieder davon. Aber auch Elsa machte Miene, sich rurückznziehen. Sie müssen mich für wenige Minuten entschuldigen, Herr Rath — ich muß doch den Anzug wechseln . . . Aber weshalb, gnädige« Fräulein? siel Bürglin eifrig ein. Sie sehen entzückend an-, wie ich mir schon einmal erlaubte, Ihnen z» versickern — weshalb die Muse in ein irdisch unscheinbares Gewand hüllen! Ich erbitte als eine be sondere Gunst, Sit in diesem Anzug noch weiter bewundern zu dürfen. Elsa that sehr verlegen. Aber ich bitte Sic, Herr Rath, diese einfache Atelier- blnse — Tantchen wird eö auch unpassend finden — aber sie blieb trotzdem, und als Frau Hohenwerth einige Minuten später meldete, daß Alles bereit sei, schien sie gar nicht zu bemerken, welch eine» Verstoß gegen gute spießbürgerliche Sitte ihre Nichte beging, indem sie sich in dem phantastischen Anzng zu Tisch führen ließ. DaS ward ein fröhliches Mahl. Bürglin war in brillanter Stimmung, sein Appetit rege, die Speisen vorzüglich und Niemand da, vor dem er seiner Eßlust Zügel anlegen mußte, um die Mär vom kranken Magen nicht zu zerstören. Auch die Auslese der Weine, welche er bestellt, war geeignet, den verwöhnteste» Kenner zu befriedigen, und es war daher nur natürlich, daß auch bei den Damen die Daheim«- und Genuß- sreude alsbald zu ungcbemmtem Ausbruch kam. Bei dem Tantchen schlug daS Gefühl voller Befriedigung zwar sogleich in Rührseligkeit um und sie führte alle Augenblicke da« Taschentuch an die Augen, ohne daß der geringste Grund zu Thräncn vorhanden gewesen wäre. Bei Elsa aber äußerte sich da» Frohgefüht in ungewöhnlicher Beredsamkeit und Vertrauensausbrüchen, die bei vielen Menschen unzertrennlich von fröhlicher Weinlaune ist. Sie saß dem Rath gegenüber, reichte ib», Speise auf Speise „nd füllte gewissenhaft sein GlaS, sobald eS geleert Die sonst so sanften Augen hatten heute einen verführerischen Schimmer und mit süßem Lächeln neigte sie sich jebeSmal gegen den Spender de« MablS, wenn sie den Cbampagnerkelch an die Lippe» führte. Sie selber aß fast nicht-, aber für ihn wußte sie bi« zartesten und saftigsten Stücke vom Fisch und Geflügel mit einem Blick herauSzufinten und seinen Teller damit zu füllen. Kein Wunder, daß Bürglin allgemach in eine poetische Stimmung gerieth, sie Hebe nannte, welche den Göttertrank crrdenztr, »nd am Ende gar voll Patdo» verschiedene schlechte Verse citirtr, die er einst al» Pr>maner verbrochen. Und dann
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