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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-17
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920517020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892051702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892051702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-17
- Monat1892-05
- Jahr1892
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2468. Leutsches Reich. 55 Berlin, 16. Mai. Der Abgeordnete vr. Harmening bat cs zwar für ralksai» erachtet, während des ganzen Winters vom Brennpuncte der politischen Ereignisse scrnznbleibcn. Dafür scheint er die außerparlamentarische Zeit mit seinen eigcnslcn politischen Odeen lebhafter erfüllen zu wollen. In Jena, also an seinem Wohnsitz, bat er soeben eine Art von Pronunciamento erlassen. Unter den, Vorwände, gegen den (betanken einer großliberalen Partei Front machen zu sollen, bat er in Wabrbeit die Auseinandersetzung mit dem eigenen Parteichef nach halbjähriger Pause wieder ansgenonime» und ihm durch die Blume zur Eognition gebracht, daß die ganze Parteileitung des DeutschfrcisinnS ihm höchst fehler haft und verwerflich erscheine. Tie Parteileitung täusche sich, wenn sie bei den Nationalliberalen ein wirklich liberales Rückgrat vermulhe, und ruinire den freisinnigen Gedanke» nickt nur durch ihre sreundlicherc Haltung gegenüber den Rational- liberalen, sondern auch durch den beharrlichen Verzicht aus positive freisinnige Actioncn, insbesondere in der Richtung des Social-LiberaliSmus (Bodenreform u. s. w.). Wir können nickt sagen, daß uns das Pronunciamcnto den Eindruck be sonderer Sicherheit und Kraft gemacht hätte. Selbst nach dem Bericht des freisinnigen Blattes in Jena könnte man zu der Bermutbung kommen, daß Herr I)r. Harmcning damit vielmehr sein Schwanenlieo angcstimmt babc. Auch der Vertreter tcS Eugen Richter'schen Tculschsrcisinns in der Jenaer Versammlung, Herr I?r Rothscklag, scheint den Herrn I)r. Harmenmg als müden, um nickt zu sagen als todten Mann behandelt zu haben. Wenn die Wähler in Eisenach daraus die einzig richtige Eonseguenz ziehen und den Verfasser der „Oster burg" seinen poetischen Neigungen zurückgebcn, wird allerdings diese besondere Spielart tcS „entschiedenen Freisinns" dasselbe Ende erreicht haben, wie jede demokratische Bewegung nördlich der Mainlinic, so oft auck Ansätze dieser Art sich versucht haben. — Nachdem Herr Baumeister Guthman „ sich zur Zeichnung von 5«>c»(n» .6 zu einem Garantiesoiids sür eine Berliner Weltausstellung bereit erklärt hat, folgt heute der Berliner Greßintustriellc und frühere ReichSIagS- abgeorknctc Eommcrzicnrath Hcnneberg diesem löblichen Beispiele mit einer Zeichnung von 25 000 — lieber das Befinden des Herrn von Kleist-Rctzow lauten heule die Nachrichten weniger günstig. Die Herzthätigkeit soll mangelhaft geworden sein. Q Berlin, 16. Mai. DaS Cent rum spielt sich neuer dings ganz besonders, so jüngst wieder bei der Frage der KnappschaslSwablen in der Resolution zum Berggesetz, zum Vertbcidigcr des geheimen Wahlrechts auf und macht daraus geradezu eine Vorbedingung sür die Unparteilictzkeit und (Gerechtigkeit der Abstimmungen. Dem gegenüber ist cs von Interesse, an einen Vorgang bei der Beratlnmg des Reickswahlgesetzes vom 3t. Mai 126'.» zu erinnern. DanialS erklärte niemand anderes als der Äbg. Wind Ihorst die öffentliche Abstimmung sür daö allein Richtige und be merkte: „Eine Nation, die reif befunden wird zum virecten Wahlrecht, muß auch reis sein, offen tklch ihre Stimme» abzugcbeu" Einen Antrag, den Mäklern undurchsichtige Eouverls sür die Stimmzettel zu verabreichen, ähnlich wie cS der Antrag Rickert in den letzten Reichstagsscssionen bezweckte, zog der (scntrumssührer geradezu inS Väterliche n»t Be merkungen über diese abgeschmackte Gckcimiiißkrämcrci. ss Berlin, 16. Mai Wie wir schon milgctbcilt haben, ist dem Bundesralh ein Entwurf von Bestimmungen zuge gangen, welche Erleichterungen sür die Zotlbe Hand lung des Reisegepäcks im durchgehenden Verkehr bezwecken. Wie wir kören, sind zur Feststellung des Um sanges des in Frage stehenden Verkehrs Erhebungen veran staltet worden, welche zu recht interessante» Ergebnissen ge führt haben. AuS denjelben kann man Anhallspunete sür die Beurthcilung der Frage gewinnen, in welchem Maße Deutschland als DurchgaugSland sür die Reisen den ans anderen Ländern benutzt wird. Nach diesen statistischen Erbebnngen wurden durchschnittlich in einem Iakrc bei dem Durchgangsverkehr durch Dcntschland zwischen Italien, der Sckweiz und Oesterreich >in Schwei; einerseits und den Niederlande», Belgien, Frankreich und England andererseits !»l'.«573 kx Reisegepäck abgcfcrtigt, im Verlebe zwischen England, Frankreich und Belgien einerseits und Oesterreich Ungarn und Donauländcr andererseits 3 >8 >66 iin Verkehr zwischen Dänemark, Schweden und Norwegen einerseits und Oesterreich Ungarn andererseits 813 kg, im Verkehr zwischen Rußland einerseits und Belgien und Frankreich andererseits l!»I 7 >6 kg und im Verkehr zwischen Schweden und Dänemark einerseits und Belgien, Frankreich und England andererseits durchschnittlich im Jahre 28 3l6 kg Reisegepäck. Wie sehr der Paßzwang seinerzeit ans diesen Verlebe von und nach Frankreich einaewirkt hat, geht aus der durch diese Statistik scstgestelltcn Tyatsache hervor, daß im Juli 1887 16l 287 kg Reisegepäck mehr als im gleichen Monat deS Jahres 1888 befördert wurden. — Ein Berliner Correspondent der Münch. „Allg. Ztg." erklärt die von der „Kreuzzta." gebrachte Nachricht von dem bevorstehenden Rücktritt des Generals von Schweinitz vom Botschafterposten in St. Petersburg und seiner Ersetzung durch Gras Wedel für unbegründet. General von Schweinitz verbleibe in seiner Stellung. — Ja einem HochverrathSproceß gegen den Llavierarbriter Camien und Genossen ist di« Voruntersuchung nunmehr zum Ab- schluß gelangt und der Verhandlungstermin vor dem Reichsgericht aus den 15. Juni anberauml worden. — Dir „ttreuzztg." schreibt: „Zu der am Freitag Abend 7', Uhr slattslndenden Sitzung der conservativen Fraktion ist das Erscheinen dringend aothwendig." Schon wieder?! — In unterrichteten diplomatischen Kreisen will man wissen, der russische Minister von GierS werde nicht mehr aus seinen Posten zurückkehren und der hiesige russische Bot schafter Gras Paul Schuwalow zu seinem Nachfolger berufen werden. — Aus Wien wird gemeldet: Aus das Bestimmteste ver lautet, daß der Besuch deS italienischen KönigspaareS in Berlin nicht den geringsten Aufschub erfahren werde. Auf der Rückreise wird sich König Humbert mehrere Stunden in Frankfurt a. M. aushalten. — Tie Her zogin von Edinburgh wird voraussichtlich Ende dieses Monatö mit ihren beiden Prinzcssinnen-Tvchtcrn zum Besuch der Majestäten hier eintrcffcn und im Neuen Palais Woh nung nehmen. — Die Prinzessin Feodore von Schleswig- Holstein, jüngste Schwester der Kaiserin, wird in diesen Dagen zum Betuch am hiesigen Hose cintreffcn und voraus sichtlich einige Zeit hiersclbst verbleiben. — Der „A. R. K." zufolge soll beabsichtigt sein, die neue Stellung eines Leiters der gesammten Mili- tairacricktSbarkeit zu schaffen. In diese Stellung soll kein Jurist, sondern ein General berufen werden. Dem Ver nehmen der genannten Eorresponden; nach soll eine geeignete Person bereits in einem derjenigen Generale gefunden sein, deren Abschiedsgesuche dem Eabinel vorliegen. — E. M. Kanonenboot „Iltis", Commandant Capitain- Lieutennnt Müller, ist am 16. d. Mts. von Shanghai nach Nagasaki in See gegangen. — S. M. Kanonenboot „Hyäne", Commandant Capüaui-Lieulcnant Goecke, ist am 14. Mai er. in Sa» Paolo de Loanda eingetrofsen und beabsichtigt am 17. des selben Monats nach Capstadt in See zu gehen. — Tie Verhandlungen des Börsenuntersuchungsaus- sckusse« mit den Sachverständigen nehmen, wie man der „Nat.-Ztg" berichtet, einen großen Umfang an. ES ist schwer, die Zeit der Beendigung der Untersuchung ab- zuseken. Vom 9. bis zum 14. Mai sind nur wenige der einberufcnen Personen gehört; von den Berliner Sachverständigen sind bisher nur die Herren Bopetzki und Bcnary zu Ende vernommen worden. Heute finden Ver nehmungen der Baiikdireetorcn Russell, Kämps, vr. Siemens und Winkerseldt, ferner des KammcraerichtSrathS Keyßner, der Herren Sigismund Samuel und Julius Alexander von hier, der Bankiers Wolde aus Bremen und Arnold aus Dresden statt. Neu zugezogcn werden behufs späterer Ver nehmung Max von Guaita, Präsident der Handelskammer von Frankfurt a. M., Rudolf Kramer aus Müllrose «für die Mühlenindustrie), Iustizratb v. Simson, Justizrath Leße, Geb. Iustizrath von Wilmowski, ferner noch zwei Mitglieder deS KammcrgerichtS und des Landgerichts. — In Ansehung der Meinungsverschiedenheiten, welche bezüglich der Neugestaltung des EomptabilitätSgesetzes innerhalb der verschiedenen Ressort« der Regierung ausgetreten waren, war eine commissarischc Behandlung in die Wege geleitet Worden, an welcher sämintliche preußische Verwaltungen, sowie Las ReicySschatzamt theilgcnviiiincu haben. Die Ver handlungen sind nunmehr zum Abschluß gebracht. — Der „Kölnischen Zeitung" wird von hier geschrieben: „lieber die handelspolitischen Verhandlungen in Madrid sind noch immer Mißverständnisse verbreitet Be kannt und oft wiederholt war, daß Spanien Deutschland wie anderen Staaten gegenüber der Gewährung der Meist begünstigung widerstrebe. Man hofft indessen, cö werde ein Zollkrieg sich vermeiden lassen. Im Falle des Mißlingens der Vorbesprechungen über einen neuen Vertrag konnle die weitere Verlängerung deS früher», zu welcher die diesseitige Regierung sür meyrere Monate ermächtigt ist, in Frage kommen. Deutschland müßte dann aber gegen mögliche Nacktbeile, besonders, wie schon bemerkt, vom 1. Juli an gegen die Folgen des spanischen Abkommens mit Amerika wegen Eubas, rechtzeitig geschützt sein. Eigentbümlich erscheint dabei der Vergleich mit Portugal. Als die Regierung in Lissabon erklärt batte, sie werde keiner Regierung mehr die Meist begünstigung gewähre», wurde sie in der Kammer gefragt, warum sie nicht so gut wie Spanien die abgclauscnen Ver träge verlängert habe. Und jetzt hat Portugal sich zur Er neuerung der handelspolitischen Beziehungen zu Deutschland bereit erklärt, während diese weiterhin in Madrid auf Schwierigkeiten stößt." — Der bisherige AbtheilungSchef im großen Generalstab General- lieutenant z. D. von Thaysen hat den Ster» zum Sronrnorden L. Cl. erhalten. * Danzig, 17. Mai. (Telegramm.) DaS Festmahl der Provinz begann gestern Abend um 7 Uhr. 30(1 Per sonen nahmen daran Theil. Der Vorsitzende deS Provinzial landtages brachte während der Tafel das Hoch auf den Kaiser aus. Der Kaiser dankte für de» Empfang und sagte, er werde stets das Wohlergehen der Provinz fordern. Mögen die Söhne dieses Landes geduldig sich darem ergeben, was der Himmel schicke und vertrauend erwarten, waS im Laufe arbeitsamer Jahre zu thun Ihm gelänge. Der Kaiser trank auf das Wohl der Provinz. Nach dem Festmahle ließ der Kaiser die Vertreter der «Ltadt nochmals besonder- zu sich rufen und sprach ihnen wiederholt herzlichen Dank für die prachtvolle Ausschmückung der Stadt, den Empfang und die Haltung der Bevölkerung aus. Dem Vernehmen nach wurde der Landgericktsdirector Mix zum Geb. Iustizrath und der Direktor der RcichsbankbauptsteUe Sauer Hering zum Geb. RegierungSratb ernannt. Ter Oberbürgermeister Elditt in Elbing, Landratb Zander-Maricuburg und Gutsbesitzer Vollerthun auf Fürstenau wurden durch Ordensverleihungen ausgezeichnet. * Stettin, 16. Mai. Wie bereits mitgetheilt, bat der Kaiser bei der Einweihung des LssiciercastnoS des Königs- Regiments dem Ossicicrcorps sein überlebensgroßes Bild über reicht, welches ihn in der Oberstuniform des Regiments dar- stcllt. Dieses Gemälde war bei Beginn deS Festmahls bereits an der Hauptwand deS Easinos ausgehängt und sollte erst nack der Rede des Kaisers enthüllt werden. Der Kaiser hielt die Rede, welche mit einem Hoch auf Las Regiment endete, aber er batte vergessen, das Bild zu erwähnen, die höhern Lsficicre sahen sick' bestürzt an und der RegimentScommandeur, Oberst v. Frankenbcra-Proschlitz, machte schließlich den Kaiser darauf ausmerksam. Derselbe sah erstaunt aus und brach dann mit der Aeußcrung: „Das war ja die Hauptsache!" in stürmische Heiterkeit aus. Daö Bild wurde dann ohne eine weitere Ansprache enthüllt. * Lübeck, 16. Mai. Der König von Dänemark unternahm Mittags einen Ausflug nach Hamburg und ge denkt Abends hierher zurückzukebren. Morgen geht der Krondampfer „Danebrog" nach Travemünde ab, um die Herzogin von Eumberlaud an Bord zu nehmen. AbentS er folgt die Rückkehr des „Danebrog" nach Kopenhagen. * Flensburg, 16. Mai. General.Lieutenant Seyffried, Commandeur der hiesigen (18.) Division, hat sein Abschieds- gesuch eingereicht. Er beabsichtigt, nach Cassel zu ziehen. * Halle a. S., 16. Mai. Der Handelsminister Freiherr v. Berlepsch ist hier in Begleitung des Oberbergbaupt- mannS Freund und des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen, v. Pommer-Esckc, eingetrofsen, uni das Kohlenbecken von Weißcnfels-Zeitz und den Mansfelder Bergbau bezirk zu besichtige». Zum Empfange des Ministers waren die Spitzen der Behörden und daö Präsidium der Handels kammer erschienen. Weimar, 16. Mai. Bekanntlich steht uns in der Feier der goldenen Hochzeit unseres großberzog- lichen Paares, welche auf den 8. Oclober d. I. fällt, ein grcßartigcs Fest bevor. Nach zuverlässigen Mittheilungen ist hierzu der Besuch des deutschen Kaiserpaares, des Königs von Sachsen, deS Königs von Württem berg und des Herzogs von Altenburg zu erwarten, während die Hierhcrtunsl der Königin-Rcgentin von Holland noch ungewiß ist. Diesem Freudenfeste unseres GroßhcrzogtbumS wird schon im nächsten Sommer ein weiteres folgen, nämlich daö vierzigjährige Regierungsjubi läum des Großherzogs, der am 8. Juli 1853 den Tbron bestieg. Für diesen Tag plant namentlich die Künstlerschast, welche ihrem hohen Proteclor so viel verdankt, besondere Ovationen. Eisenach, 16. Mai. Als eine Demonstration wird es hier vielfach angesehen, daß zu dem bevorstehenden nationalliberalen Parteisest die vereinigten Gewerkschaften am gleichen Sonntage ein Wachsest mit Auszug, Concert, Gesängen re. im Zeisiggrnnd veranstalte». Diese socialislijche Veranstaltung wird aber das erste» Fest in keiner Weise beeinträchtigen. * Gelsenkirchen, 16. Mai. In den gestern im Ruhr revier abgehaltencii Bergarbeiter-Versammlungen wurden Unterschriften sür die Petition an das Herrenhaus gegen die Berggcsetznovelle gesammelt. Frankfurt a. M., 13. Mai. Cin warnendes Rund schreiben deS Präsidenten des hiesigen LbcrlandeSgericht« 11r. Hägens an die Referendare seines Bezirks weist auf Fälle hin, in denen Kandidaten sich das Erkenntniß, das in der bei der Proberclatioa sür die große juristische Staatsprüfung in Frage stehenden Sache ergangen und den ihnen zugetheiltea Acten enlhestet ist, anderweitig in den gerichtlichen Registraturen oder bei den Anwälten der Parteien, ja sogar bei den letzteren selbst zu verschaffen gewußt und zur Täuschung der Prüsungs-Commission benutzt haben. * Darmstadt, 16. Mai. In dem Schooße des grobherzog lichen Ministeriums werden soeben Berathungen über eine Ab änderung der seither in dem Großhcrzogthum Hessen bestehenden Bestimmungen über die Verwendung von tuberkulösem Fleisch gepflogen; wie eS heiß», sollen die neueren preußischen Bestimmungen zu Grunde gelegt werden. <F. Z.) * Trier. 16. Mai. Der Kaiser hat da- von der Stadt angeborene Frühstück wegen der Kürze des hiesigen Auf cnthaltS abgelehnt. * Karlsruhe, 16. Mai. Die Kronprinzessin von Schweden wird Ende des MonatS hier wieder eiutreffen, um sodann init dem Großberzog und der Großhrrzogin einen längeren Aufenthalt in Baden-Baden zu nehmen. — Der Socialistenführer Kalnbach, wegen MaiestätSbeieidigung zu 3 Monaten vcrurtheilt, wurde auf Grund der Amnestie nack lltägiger Hakt entlassen. * Stuttgart, 16. Mai. Das „Tageblatt" meldet cin Gerücht, wonach General-Lieutenanl von Falkenstein in Aussicht ge- nominen sei als Generaladjutant des Königs an Stelle des zur Zeit beurlaubten General-Lieutenants Frhr. von Moltberg. * Würzburg, 16. Mai. Die 30. Wanderversamm lung bayerischer Landwirthe trat beute Vormittag in Anwesenheit deS Prinzen Ludwig von Bayern unter dem Vorsitze des BarcnS HanS von Tüngen hier zusammen. A» der Versammlungssitzung »ahmen gegen 500 Personen Theil. Berathen wurde über das Heimstältengesetz. Am Nach mittag besuchte Prinz Ludwig die vierte unterfränkische KreiS-Thierschan und nahm bei derselben die PrciSvertheilung vor Für den Abend ist zu Ehren des Prinzen Ludwig ein Fackelzug sämmllicher bürgerlichen und studdentischen Vereine in Aussicht genommen. Zum Schluffe findet eine glänzende Beleuchtung des Residenzschlosses statt. * München, 16. Mai. Die jüngste Meldungvon einem bevorstehende» Wechsel im Anite des bayerischen Mili- tairaltachöS in Berlin wird dementirt. — Die gestrige Gciieralversammlunz des bayerischen altkatholischen Landesvereins beschloß, der Beschwerde an den Landtag wegen Verletzung der verfassungsmäßigen Reckte bei ungeänder ter Sachlage ihren Lauf zu lassen, dieselbe nur zurückzuzichen, wenn von tcr TtaalSregicrung eine bündige Zusicherung über die Anerkennung der Autonomie der altkatholischen Kirchen- emeinschaft innerhalb der Gotteshäuser erfolge. Wenn die iberalen die auf dem Recht begründete Sache der allge meinen Gewissens- und CultuSfreihcit nickt unterstützten, so hätten sie daS Recht auf den liberalen Namen verwirkt. — Tie gestrige Nr. Ill der hier erscheinenden socialdemokra tischen Zeitung „Münchener Post" wurde wegen eines allegorischen Bildes, welches die Ueberschrift trägt: „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Muße, acht Stunden Ruhe!" confiöcirt. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 16 Mai. Heute besuchte die Kaiserin die Musik- unk Theaterausstellung und nahm besonders eingehend die Details des Weimarer Theaters in Augenschein. Die Kaiserin kündigte den alsbaldigen Besuch des Groß herzogs von Weimar au. — Hier cursirende Aeußerungen des Grafen Herbert Bismarck bestreiten direct auf das Bestimmteste dessen angebliche Absicht, wieder in die diplo matische Laufbahn einzutreten und zwar mit Hinweis auf seine Vermählung mit einer Ausländerin. Der Fürst Bismarck habe nur vereinzelt und immer widerstrebend Ehe» zwischen preußischen Diplomaten undAuSländerinnen genehmigt. — Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, sprach sich der ehemalige Finanzministcr von Dunajewski im Polenclub für die Goldwährung und die Nothwendigkeit der Valutaregulirung aus. Wenn der Finanzminister Stcinbach befriedigende Aufklärungen über die Günstigkeit des Moments' und den sicheren Erfolg der Balutaaction ertbeile, könne man ruhig für die Balutavorlagcn stimmen — Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht die Ernennung des LandeSpräseS der Bukowina Baco zum Vorsitzenden des obersten Gerichtshofes. — Die Währungsvorlagen werden nunmehr den Rest der parlamentarischen Tagung beherrschen. Der Vorschlag des Finanz- minislers, de» Vertrauensmännern aller Clubs in gemein samer Besprechung Auskläruag zu geben, scheiterte an der Ablehnung des Polenclubs und der Linken. Der Minister wird daher jedem Club besonders Rede und Antwort stehen. Tie Linke hielt bereits heute eine mehrstündige Sitzung, der auch der Minister Graf Künburg beiwohnte, über den sachlichen Inhalt der Vorlagen, ohne zu einem abschließen den Ergebnisse zu gelangen. Heute sprachen nur Gegner der Vorlage», darunter süß und Neuwirth. Auch Plener brachte gewichlige Bedenke» vor und befürwortete die reiflichste Prüfung der WäbrungSgesetze. Der Polcnclub beschäftigte sich heute gleichfalls in dreistündiger Sitzung mit der Währungsangelegen, heit, wobei für und gegen die Vorlagen gesprochen wurde. Hier wurden Bedenken laut gegen die gleichzeitige Vornahme der Wad- rungsregelung und der Uiinoandlung der Staatsschulden und betont, daß für letztere der Zeitpunkt ganz ungünstig gewählt sei. Tic Umwandlung werde nur von der ungariichen Regierung betrieben, damit diese die Währnngsregelung kostenlos durchführen könne. Ter frühere Finanzminister v. Dunajewski, der, obwohl er kein Klub- Mitglied ist, der Sitzung beiwohnte, äußerte zwar gewichtige Be- denken gegen einzelne Bestimmungen, trat aber im Ganzen für die Vorlagen ein. Vorläufig steht nur fest, daß die sechs Vorlagen vollster Lebenskraft in dem alternden Herrn deutlich zur Er scheinung kam. „Ich will hoffen, daß Du niir nicht zumutbest, was Du Deinem seligen Herrn Vater sicherlich nie zugemiithct kältest, die Anerkennung einer solchen Verbindung. Basta: die Sache ist abgeschlossen". Artdur raffte seinen Hut vom Tisch und ging. Der Alte lachte herzhaft vor sich hin, als er die Tbür geschlossen. „Wird sich wobl besinnen, der Sackermenter, weiß, daß mit mir nickt zu spaßen ist, rechnet auch neck aus meine paar Kröte». Hui!" Ein langgedehntcr leiser Pfiff unterbrach diesen Monolog, „könnte sich da vielleicht schneiten, ter arme Junge, braucht'- aber »och nicdt zu wisse». Wenn der Doctvr die büdschc Kleine nur nähme — so oder so — scheint mir doch Absichten zu haben, sie wäre daun aus dem Wege und er dito. Die Tbekla, sie kommt mir in letzter Zeit so cin bischen gedrückt vor, die Alte, die Generali» legt« ja stark darauf an, sie mit dem Sokne zu verkuppeln, die WcibS- jeute können daS Hciratbstistcii nicht lassen — und wenn er gewollt — bm — wird engagirt sein — gut so!" Der Schluß deS Selbstgespräche« siel befriedigend aus. Arthur stürmte am Elbnfer entlang. Es war ein schöner, seimiger Märztag. FrüblingSlüste webten, Alle- keimte, sproßte. Wie wonnig mußte cS im Süden sei», ini Lande, wo die Eitronen blühen. O mein Gott! DaS Lebe» lag reich, voll und schön vor ihm, wenn — wenn sein Herz frei wäre. Ter Onkel — Arthur kannte ihn, der war unbeugsam, wenn er so austrat, wie eben jetzt. Er batte cS gefürchtet. Warum stammtc Lisa aus dieser ver rufenen, ehrlosen Familie! Es ließ sich wirklich schwer denken, wie je später seine gesellschaftliche Stellung sich ge stalten sollte, wenn er sic bciratbctc. Tic Mutter, die Angela würden sich inimcr an sie hängen. Er opferte seine Zukunft für sic. Auch Tbekla Er ging «langsanicr, und sein Herz wurde immer schwerer. Ja — einstweilen mußte er fort — er atbmetc aus — später — wer konnte feste Pläne aus ein Jahr hinaus fassen? ^ ^ Lisa- Herz war scbr schwer. Sie war feinfühlend genug, um die große Veränderung in Arthur'- Wesen zu bemerken. Seine kurzen, flüchtigen Besuche waren kaum noch erguicküch. Er kannte genau die Stunden, wo er sie allein mit dem Vater traf, und batte von jeher diese für sein Kommen gewählt. Jetzt hastete er schon wieder fort, wenn er eben eingetreten. Sie sab eS, ihm lastete Etwa« auf der Seele, waS er nicht sagen wollte, er war zerstreut. von seinen Reisrplänen erfüllt. Da« Losungswort hieß: Trennung — auf unbestimmt» Zeit — und er trug leichter daran, al» sie. Der Vater war sehr schwach. Er sprach oft von seinem Ende, sie war die Einzige, welche ihm die nothwendige Pflege angcdciben ließ, welche bei ihm auSharrte, ja manche Nacht an seinem Lager wackle, wenn die Athembeschwerten ihn guälten. Angela kümmerte sich gar nicht um ihn, auch dir Mutter erschien Lisa scbr gleickgiltig. Der arme Vater! „Wenn ich Dich nickt hätte, WaS sollte wohl aus mir werden", pflegte er zu sagen, „meine kleine Lisa macht mir daS Sterben leicht." Dann kamen Tage, wo sein Geist verworren war. ES war traurig, und ibre jungen Augen lernten daS Weinen in dieser Zeit. Hätte sie nur sortkönncn, wenn Arthur ging. Aber eS war unmöglich, jetzt sab eS auch der Doctor ein, sie konnte den alten, sterbenden Mann, dem sie so viel geworden, nickt verlassen. Arthur war nach der Unterredung mit dem Onkel trotzig und verschlossen cinhcrgcgaugen, er betrieb seine Reise vorbereitungen, sprach sieb aber zu Niemandem aus, auch zu Tbekla nicht, die er im Verdachte batte. Laß sie gänzlich mit dem Onkel einerlei Meinung sei. Tbekla fragte auch nicht. Sie fürchtete sich beinahe vor Ausschlüssen Ter Onkel mußte Artbur beleidigt haben, er tbeilte ihr aber auch nicht« darüber mit, blieb im klebrigen selbst Keiler und guter Dinge. Ja, seine Laune war eigentlich brillant, er redete ausschließlich von der Zeit, wenn Artbur fort sei, als ob ihm die eine besonder« angenehme werde. Tbekla fühlte sich dabei mehr und mehr beklommen. Allein mit dem Onkel, daS wurde aller Wahrscheinlichkeit nach sür sie eine unhaltbare Lage. Und WaS sollte sic dann beginnen? Sorgen, Zweifel, Acngste ließen sie nicht zur Rübe kommen. Sic ging seilen zu ihrer Freundin, der Generalin WclSler, sie wich Erich aus. Ahnte er nichts von einem Verhältnis! Lisa« zu Arthur? Hatte ein solche« wirklich bestanden? Liebte Erich Lisa — so, um EisersuchtSqualcn zu empfinden? Sir sab nicht klar — nach keiner Seite hin. Verschiedene Male war sie auf dem Punct, Arthur direct und bestimmt zu fragen — es war, als verschlösse eine gebeininißvollc Macht ikr den Mund. Wenn Lisa ein LiebeS- verbältniß balle mit dem Bruder, so — wurde Erich srei von ihr — sie — sic mußte ihm dann die Augen öffnen — sich eine Nebenbuhlerin aus dem Wege schaffen. Wie ein grelle- Licht war dieser Schlußsatz ihrer Gedankenkclte in ihre Seele gefallen und machte sie zuriick- deben. Sie vrrmutbrte — glaubte — hoffte, daß Lisa schuldig war — sie verlor sich iu Abgründe. Arthur ging — mit leichtem Herzen, wie e< schien — er bastele, sortzukommrn. Wenn ein Liebe-Handel ihn hier fesselte, würde dem so sein? So unterließ sie da» Fraae«. vol-ersrn beobachtete im Geheim« sei«« Neffe«. Ob er zur Einsicht kam? Ob der Egoismus die blinde Leidenschaft besiegte? In der Regel war der Erstere daS stärkste Element in der menschlichen Natur. Er wünschte dringend einen vollständigen Bruch mit dem Mädchen, dann war Zehn gegen Eins zu wetten, daß da« junge Ding sich dem älteren Liebhaber, dem reichen Doctor, in die Arme warf, der in Gottes Namen sein Kreuz mit ihr auf sich nehmen mochte. Ihm wäre der gute Mann dann auch aus dem Wege. Man konnte sonst nie wissen, wie die Tinge sich noch wendeten. Vielleicht war es am besten, er trat zu rechter Zeit selbst mit als bandelnde Person auf. Arthur ging zu Lisa, um Abschied von ihr zu nehmen. Er tackte nicht daran, mit ihr zu brechen, er liebte sie ja beiß und innig — sie mußten nur Zeit gewinnen, der Zukunst Manches anhcimsteUcn. Sie begriff die Verhältnisse nickt, konnte — durfte sic auch nicht begreifen. Ihm war wahrhaftig der Gedanke schwer genug, sie in diesen schlimmen Umgebungen zu lassen, seine süße reine Blume in diesem Sumpf. War es cin Verhängniß, daß der Ausdruck seiner Em pfindungen ibr so lau erschien? War eS die Beklemmung seines Herzen-, all' da-, waS unausgesprochen bleiben mußte und seine schwerste Sorge war, was ihn so kalt erscheinen ließ? Durch ihre Seele ging eS wie ein Schwert. Sie kannte die Welt nickt, sie glaubte und vertraute greinenloS, aber hier sagte ibr ihr feiner Justine!: ibm ist diese Stunde eine schwere Pflicht, er gebt gern und froh. Sie saß, in düstere Grübeleien versunken am Fenster, al« er gegangen. Sein leichter Tritt, die Treppe hinab, klang ibr noch im Ohr — er batte nicht einmal mehr zurückgeschaut. Der Vater rief sie — Mutter und Schwester waren wieder nicht zu Haule. De« Vater« Lehnstuhl war jetzt in die dunkle Ecke hinter der Fensternische gerückt, wo ihn das Licht weniger blendete. Er liebte da- Licht nicht mebr. Sir eilte »u ihm hin und rückte ibm Kiffen und Decken zurecht. Ion überfiel mitunter die Unruhe, wo er Alle- von sich warf. Da ertönte draußen die Klingel, schrill und scharf. Wer mochte kommen? Der Doctor war r« nicht um diese Zeit, dessen EfscnSstunde war jetzt — seine« Zug an der Glocke kannte sie auch. Sir ging zu öffnen. Eine breitschulterige hohe Gestalt stand vor ibr, ein Herr mit grauen Haaren, den sie nicht kannte. Er fragte nach dem Vater. Nach dem fragte nie Jemand. Siefüdrtr ihn ganz verwundert herein. Der große stattliche Mann stand drinnen im vollen Licht. Hier oben, wo man über die Dächer hinwrgsab, war eS sehr bell Er fixirte sie so sonderbar, sie errotbrte dunkel, und fragte nach seinem Namen, um ihn dem Vater melden zu können. „volaecsru", sagte der Fremde, „Maler Lolgrrseo — uun, alter College, keanen Sie «ich »och?7 Der alte PeterS richtete sich >mpor bei dem Klang deS Namens. In seinem dumpfen Geist dämmerte e- und ward plötzlich bell. „Bolgersen" — der große berühmte Maler Bolgersen — der kam zu ihm. „Mein Gott! mein Gott!" Dem alten sterbenden Manne wankten die Knie, als er sich erbeben wollte, er sank kraftlos wieder zurück. „Bolgersen! damals — ja, wann ist denn daS gewesen — auf der Akademie, da baten wir zusammen gemalt. Andreas Bolgersen doch? Ja, Andreas hieß er — und war ein lustiger flotter Bursche. Nachher — ja nachher ist er ein großer Maler geworden." Bolgersen stand noch eine Weile auf der Stelle, von wo er den Alten begrüßt. Es blinkte etwas in seinen Augen, was ibm den Blick trübte. Du lieber Himmel! welch' eine Ruine war der da — er hatte ihn lange Jahre nicht wieder gesehen — ja, sic hatten einst Seite an Seite gemalt, er batte Talent gehabt, der hübsche PeterS — war ein kräftiger, frischer Geselle. Ten batte ein Weib ruinirt — entsetzlich! Ein finsterer Blick streifte die holdselige Gestalt, die so ver steinert, so erschrocken dastand, seit sie den Namen de« Be suchers gehört — die Tochter jenes Weibes. Bolgersen saß neben dem Alten und hielt seine Land. ES war nur ein Vorwand gewesen, daß er nach ihm gefragt, und nun erfaßte eS dieser als eine große Freude. „Und Du hast noch wieder einmal an mich gedacht, Bolgersen, Du, der große Bolgersen, an den alten verkommenen Fritz PeterS?" rief er wiederholt Sic hatten sich früher in der lustigen collegialischen Zeit geduzt. „O wie danke ich Dir daS — wie danke ich cS Dir. Sieh, eS ist bald zu Ende — bald — und da — da habe ich diese Freude noch haben sollen. Niemand fragt sonst nach mir. Niemand." Bolgersen räusperte sich — eS war so schwül in der Stube. Er sagte ein paar tröstliche Worte. Lisa stand da noch immer wie eine Bildsäule Wa« wollte der Mann ? Arthur - Onkel — kam er wirklich zu dem Vater und um seinenvillen? Er batte ihm ja gar nicht- zu sagen. Ihr Herz schlug laut »nd wild in ihrer Brust. Bolgersen erhob sich und winkte ihr jetzt, ibm zu folgen. Sie sah ihm groß und verwundert in da« Gesicht — die Züge waren ihr nicht sympathisch. Er trat mit ihr in die andere Ecke de- Zimmers, wo der Vater sie nickt hören konnte „Fräulein, der Zweck, der mich herfübrte, war noch ein anderer." „Ich ahnte eS" — sie hauchte die Worte, sie hing angst voll an seinen Mienen. Wie dir Tauben können sie au-seben und wir die Engel, dachte er, die Mutter war ibrerzeit gerade so, Unsinn, wenn mir altem Weltkuodigrn dabei so weich um« Herz wird. (Fortsetzung folgt.)
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